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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2020
Der Chirurg und die Spielfrau
Weiß, Sabine

Der Chirurg und die Spielfrau


ausgezeichnet

In ihrem historischen Roman „Der Chirurg und die Spielfrau“ entführt Sabine Weiß den Leser in das 13. Jahrhundert und erzählt aus dem Leben des bis heute nicht namentlich bekannten „Chirurgen von der Weser“. Die Autorin hat die historischen Fakten, die über den Werdegang und die Heiltätigkeit des Mediziners, der zu den berühmtesten deutschen Wundärzten des Hochmittelalters gehörte, bekannt sind, mit einer spannenden fiktiven Geschichte verknüpft und lässt diesen Roman damit zu einer genauso interessanten wie kurzweiligen Zeitreise werden.

Um nicht ins Kloster abgeschoben zu werden, verlässt der 16-jährige Thonis heimlich die väterliche Burg in der Wesermarsch und schließt sich im November 1217 einer Gruppe Kreuzfahrer an. Auf dem Weg ins Heilige Land erkrankt Thonis jedoch an einer Augenentzündung. Fast erblindet, bleibt er in Genua zurück und macht Bekanntschaft mit dem Chirurgen Wilhelm de Congénies …

Neben der Chirurgie spielt in dieser Geschichte noch eine weitere Heilmethode eine wichtige Rolle – die heilsame Kraft der Musik. Die Sklavin Elena besitzt die Gabe, mit ihrem Gesang und dem Spiel unterschiedlicher Instrumente Patienten zu beruhigen, die Genesung der Kranken zu fördern und schwer Erkrankten neuen Lebensmut zu geben.

Die Erlebnisse von Thonis und Elena werden im Wechsel erzählt, bis die beiden sich in Genua begegnen. Thonis verliebt sich in die junge Sklavin, doch Elena wird nach dem Tod ihres Herrn weiterverkauft und Thonis verliert sie aus den Augen…

Sabine Weiß begeistert mich mit ihrem Schreibstil immer wieder aufs Neue. Die Autorin beherrscht es ganz ausgezeichnet, Figuren zum Leben zu erwecken und facettenreich darzustellen, Handlungsorte anschaulich zu beschreiben und Ereignisse spannend und unterhaltsam zu schildern.

Zusätzlich zu der Entwicklung der Chirurgie im Mittelalter erfährt man im Verlauf der Handlung auch allerlei Wissenswertes über den Sklavenhandel im Mittelmeerraum sowie über die Kreuzzüge und Ketzerverfolgung im 13. Jahrhundert.

„Der Chirurg und die Spielfrau“ hat mir sehr gut gefallen – die gut ausbalancierte Mischung aus Historie, Abenteuer und Spannung wird anschaulich und lebendig erzählt und hat mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert.

Bewertung vom 21.04.2020
Neuleben
Fuchs, Katharina

Neuleben


ausgezeichnet

In „Neuleben“ gewährt Katharina Fuchs dem Leser wieder tiefe Einblicke in ihre Familiengeschichte - nachdem in „Zwei Handvoll Leben“ die Erlebnisse ihrer Großmütter das Geschehen bestimmt haben, stehen diesmal mit Gisela und Therese die Mutter und die Tante der Autorin im Mittelpunkt der Handlung. Aber auch wie es Anna, Charlotte und den anderen Familienmitgliedern in den 1950er Jahren ergangen ist, spielt natürlich eine Rolle.

Auch wenn es für das Verständnis der Handlung dieses Romans nicht unbedingt vonnöten ist, den ersten Teil gelesen zu haben, halte ich es für ratsam, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da das Wissen über die vorherigen Ereignisse den Lesegenuss dieser spannenden Fortsetzung noch erhöht.

Die Handlung beginnt im Jahr 1953. Wirtschaftswunder und beginnender Wohlstand prägen den Alltag, das vom Krieg gezeichnete Berlin blüht wieder auf – zumindest im Westteil der Stadt. Sowohl Therese wie auch Gisela haben eine klare Vorstellung davon, wie ihre Leben und ganz besonders ihre beruflichen Laufbahnen aussehen sollen. Beiden wird es allerdings nicht leicht gemacht, ihre Träume und Ziele zu verwirklichen, denn die Emanzipation steckt noch in den Kinderschuhen und eine berufstätige Frau mit Ambitionen stößt fast überall auf Ablehnung.

Da Therese in der DDR ein Studium verwehrt wurde, ist sie zu ihrem leiblichen Vater nach West-Berlin gezogen und studiert als eine von zwei Frauen Jura an der Freien Universität Berlin. Für ihr Ziel, Vorsitzende Richterin zu werden, arbeitet sie hart. Doch ihr werden viele Steine in den Weg gelegt, besonders die Diskriminierung durch frauenfeindliche Professoren und konservativ eingestellte Mitstudenten macht ihr das Leben schwer. Aber Therese hat einen starken Willen und kämpft…

Gisela wird in Kürze Thereses Bruder Felix heiraten. Von Felix’ Plänen, dass sie sich nur noch um den Haushalt kümmert, wenn er sein Diplom hat, hält die gelernte Schneiderin gar nichts. Sie möchte in einem großen Modehaus arbeiten, die aktuelle Mode mitgestalten und extravagante Schnitte entwerfen. Um ein Einkommen zu haben, während Felix studiert, nimmt Gisela eine Stelle im alteingesessenen Konfektionshaus Engelmann an, obwohl dessen Kollektion in Giselas Augen viel zu langweilig und hausbacken ist…

Katharina Fuchs hat einen wunderbaren Schreibstil. Die Geschichte wird mitreißend erzählt und besticht vor allen Dingen durch die stimmige Atmosphäre. Alles wirkt so echt und wie aus dem Leben gegriffen. Neben dem abwechslungsreichen Miteinander der Akteure sorgen unzählige Details aus allen Lebensbereichen für Authentizität und lassen ein vielschichtiges Bild von Ort und Zeit vor den Augen des Lesers entstehen.

„Neuleben“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert - die reale Familiengeschichte hat mir nicht nur kurzweilige Lesestunden beschert, sondern mich auch lebensnah an einem Stückchen deutscher Geschichte teilhaben lassen. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.04.2020
Mordseeluft / Caro Falk Bd.1
Johannsen, Emmi

Mordseeluft / Caro Falk Bd.1


sehr gut

Borkum. So hat Caro Falk sich ihren Kuraufenthalt ganz sicher nicht vorgestellt – gleich am zweiten Tag entdeckt sie in der Strandsauna die gut durchgegarte Leiche des Klinikleiters. Im Gegensatz zur Polizei sieht Caro einige Ungereimtheiten und ist deshalb fest davon überzeugt, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Caro beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und wird dabei von Jan Akkermann unterstützt, einem auf den ersten Blick etwas unsympathisch wirkenden Türsteher, der sich nebenbei als Privatdetektiv betätigt…

„Mordseeluft“ ist ein humorvoller Krimi, der spannende Unterhaltung bietet und zum Mitraten und Miträtseln einlädt. Eine Vielzahl an Verdächtigen macht es dabei weder Caro noch dem Leser leicht, dem Täter auf die Spur zu kommen.

Caro ist eine Protagonistin, der man gerne folgt. Sie agiert furchtlos und legt dabei diese besondere Neugierde an den Tag, die nur Hobbyermittler innehaben. Sie hört sich um und fragt sich durch, sammelt Hinweise und kombiniert messerscharf. Ihre Ermittlungen wirken dabei durchweg echt und natürlich, weil sie stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten bleibt.

Auch wenn der Kriminalfall nicht mit atemloser Höchstspannung daherkommt, sorgen Wortwitz und Situationskomik für eine schwungvolle Handlung und lassen die Mordermittlungen zu einem kurzweiligen Lesevergnügen werden.

„Mordseeluft“ hat mir sehr gut gefallen - ein Insel-Krimi, der mit genau der richtigen Dosis Humor und viel Lokalkolorit punkten kann.

Bewertung vom 09.04.2020
Der Leuchtturm von Hope Harbor
Hannon, Irene

Der Leuchtturm von Hope Harbor


ausgezeichnet

Ben Garrison hat überraschend den Leuchtturm von Hope Harbor geerbt. Da der ehemalige Militärarzt weder die Zeit noch die finanziellen Mittel für die dringend nötige Instandsetzung hat, möchte er das baufällige Gebäude an einen Investor verkaufen, der den Leuchtturm abreißen will. Als die Redakteurin Marci Weber von den Plänen hört, setzt sie alles daran, das Wahrzeichen der Stadt zu retten…

Marcis Mitarbeiterin Rachel hat derweil ganz andere Schwierigkeiten – ihre Ehe wird gerade auf eine harte Probe gestellt. Ihr Mann Greg hat während eines Militäreinsatzes ein Bein verloren und kämpft seit dem mit großen psychischen Problemen…

„Der Leuchtturm von Hope Harbor“ ist der vierte Teil aus Irene Hannons „Hope Harbor“-Reihe, der Roman ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

Irene Hannon hat einen frischen, angenehm zu lesenden Schreibstil und versteht es ganz ausgezeichnet, den Leser in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen. Dank der lebendigen Schilderungen habe ich mich direkt in den malerischen Küstenort katapultiert gefühlt und gespannt das Geschehen verfolgt.

Es gelingt der Autorin ausgesprochen gut, dem Leser die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonisten zu vermitteln. Man wird mitgerissen von den Höhen und Tiefen, die die Akteure durchstehen müssen und fiebert genauso mit Marci und Ben wie auch mit Rachel und Greg mit. Neben der Erhaltung des Leuchtturms geht es im Verlauf der Handlung für alle vier darum, Ereignisse aus ihrer jeweiligen Vergangenheit aufzuarbeiten und damit abzuschließen.

„Der Leuchtturm von Hope Harbor“ hat mir sehr gut gefallen. Es war bewegend und amüsant zugleich, die Wege der Akteure zu verfolgen und ihr Miteinander und Gegeneinander zu beobachten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2020
Wenn die Alpen Trauer tragen
Archan, Isabella

Wenn die Alpen Trauer tragen


ausgezeichnet

Krems. Das Haus von Therese Valbilda brennt lichterloh, die alte Frau kommt in den Flammen ums Leben. Draußen vor dem Haus inmitten der Schaulustigen steht die Hex und beobachtet die Löscharbeiten. Die Hex ist nicht nur eine Brandstifterin, sie ist jetzt auch eine Mörderin…

Maria „Mitzi“ Schlager sieht es als Teil ihrer Therapie an, durch die Lande zu reisen und Helden des Alltags zu ihrer guten Tat zu gratulieren. Ihr Weg führt sie auch nach Melk, um Hilda Valbilda, die einen Enkeltrickbetrüger überführt hat, zu ihrem Erfolg zu beglückwünschen. In Melk angekommen erfährt sie, dass Hildas Schwester einem Brandanschlag zum Opfer gefallen ist und der Täter noch nicht gefasst wurde. Hilda erzählt Mitzi von einer weißen Frau; einer Hex, die vielleicht etwas mit der Tat zu tun hat. Mitzis Neugierde ist geweckt. Sie alarmiert ganz aufgeregt ihre Freundin, die Inspektorin Agnes Kirschnagel, und bittet sie, die Ermittlungen in dem Fall aufzunehmen…

„Wenn die Alpen Trauer tragen“ ist bereits der zweite Fall für Mitzi und Agnes, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Isabella Archan hat einen angenehm zu lesenden, sehr unterhaltsamen Schreibstil. Schon nach wenigen Seiten ist man mittendrin im Geschehen und kann prima mit Mitzi und Agnes mitfiebern.

Die Autorin hat ihre Hauptfigur mit besonderen Eigenschaften ausgestattet und lässt sie damit zu einer etwas eigenartigen, aber sehr liebenswürdigen Person werden. Seit einem tragischen Unglück in ihrer Kindheit hat Mitzis Seele einen Knacks. Mitzi wirkt auf den ersten Blick verträumt und naiv. Sie hat eine blühende Fantasie und plappert viel. Die Geschichte von der weißen Frau fasziniert sie, lässt sie einfach nicht mehr los. Und so schliddert die fast 30-jährige in ihr nächstes Abenteuer und bringt sich selbst einmal mehr in höchste Gefahr.

Es macht Spaß, das Miteinander und Gegeneinander der Akteure zu beobachten, die spannenden Ermittlungen zu verfolgen und der wahren Identität der Hex nach und nach auf die Spur zu kommen.

„Wenn die Alpen Trauer tragen“ hat mir sehr gut gefallen - ein genauso spannender wie amüsanter Krimi, in dem eine liebenswerte, etwas verschrobene Protagonistin dafür sorgt, dass keine Langeweile aufkommt.

Bewertung vom 06.04.2020
Die Maske der Schuld
Wind, Jennifer B.

Die Maske der Schuld


ausgezeichnet

Jennifer B. Wind beginnt diesen Thriller mit einem neugierig machenden Prolog – die Beschaulichkeit eines idyllischen Fleckchens an der Alten Donau findet durch das Auftauchen einer Wasserleiche ein jähes Ende.

Richard Schwarz und Paul Marek vom LKA Wien übernehmen die Ermittlungen und stellen schon nach kurzer Zeit fest, dass es sich bei dem Toten um einen schwer erkrankten ehemaligen Kollegen handelt. Jan Dorns Leichnam weist eine seltsame Schädelverletzung auf. Außerdem ergibt die Obduktion, dass er bereits tot war, bevor er in der Donau gelandet ist…

Gleichzeitig bittet Theres Lend Richard um Hilfe. Die von einer unheilbaren Augenkrankheit gebeutelte Gerichtspsychiaterin hat sich auf ihrer verzweifelten Suche nach Heilung einem Schamanen und seinen Anhängern angeschlossen und hat den Eindruck, dass es in der Gruppe nicht mit rechten Dingen zugeht. Nicht nur, dass sie sich täglich schlechter fühlt, sie macht sich auch Sorgen um Gruppenmitglied Maik Schlögels, der seit einigen Tagen spurlos verschwunden ist…

Neben dem gegenwärtigen Fall ist Richard immer noch auf der Suche nach dem Mörder seiner Mutter – er kommt diesem Ziel näher, denn der 28 Jahre zurückliegende Fall wird Dank der Bemühungen eines Kollegen neu aufgerollt…

„Die Maske der Schuld“ ist bereits der zweite Fall für Richard Schwarz. Auch wenn es für das Verständnis der Handlung nicht unbedingt vonnöten ist, den ersten Teil gelesen zu haben, halte ich es für ratsam, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da das Wissen über die vorherigen Ereignisse den Lesegenuss dieser spannenden Fortsetzung noch erhöht.

Jennifer B. Wind hat einen sehr fesselnden Schreibstil. Der Thriller wird spannend erzählt und entwickelt schon nach wenigen Seiten einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann.

Die aktuelle Handlung mit den Ermittlungen im Mordfall Dorn und den persönlichen Angelegenheiten der Akteure wird immer wieder von kurzen Einschüben unterbrochen: Eine Reha-Patientin erzählt ihre Leidensgeschichte. Ein Monster, das sich selbst für eine Koryphäe hält, will Kranke mittels Gehirnoperation heilen. Außerdem gibt es einige Rückblenden in Richards Kindheit. Jennifer B. Wind beherrscht es ausgezeichnet, all diese unterschiedlichen Fäden miteinander zu verknüpfen und dem Leser so ein vielschichtiges und reichhaltiges Geschehen zu präsentieren, dem man trotz häufiger Perspektivwechsel, unterschiedlicher Schauplätze und diverser Nebenhandlungen problemlos folgen kann.

„Die Maske der Schuld“ hat mir sehr gut gefallen – ein abwechslungsreicher Thriller, der mit ausdrucksstarken Figuren und einer fesselnden Handlung punkten kann. Eine Geschichte, die aufzeigt, wie Scharlatane und auch die Pharmaindustrie Hoffnung schüren und sich die Todesangst erkrankter Menschen zunutze machen.

Bewertung vom 25.03.2020
Die Schule am Meer
Lüpkes, Sandra

Die Schule am Meer


ausgezeichnet

In ihrem auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman „Die Schule am Meer“ nimmt Sandra Lüpkes den Leser mit auf eine fesselnde Zeitreise und erzählt die Geschichte eines Internats, dass von 1925 bis 1934 auf der Nordseeinsel Juist existierte und einen überregionalen Ruf hatte.

Anni Reiner und ihr Mann Paul wollen gemeinsam mit befreundeten Kollegen eine reformpädagogische Schule auf Juist gründen. Optimistisch und voller Elan starten sie in das Projekt, die Schule soll sowohl für Schüler wie auch für Lehrer ein Zuhause werden. Neben einem gleichberechtigten Miteinander ist den Gründern vor allem praktisches Lernen im Einklang mit der Natur und eine musische Ausbildung wichtig.

Von den Insulanern wird die Schule unterschiedlich aufgenommen – viele sind skeptisch und lehnen die neuartige Bildungseinrichtung ab, manchen ist das als „Hort für Kommunisten und Juden“ verschriene Internat sogar ein Dorn im Auge. Aber es gibt auch Einheimische wie Kea Joosten. Die Hauswirtschafterin und Köchin setzt alles daran, dass ihr Patenkind Marje die Schule besuchen kann.

Der Roman wird fesselnd erzählt und besticht vor allen Dingen durch die gekonnte Verknüpfung von Realität und Fiktion - dass Sandra Lüpkes die Hintergründe intensiv recherchiert hat und sie über eine gute Kenntnis der lokalen und historischen Gegebenheiten verfügt, merkt man der Geschichte auf jeder einzelnen Seiten an.

Sehr anschaulich berichtet die Autorin über Schulalltag und Inselleben. Häufige Perspektivwechsel machen es möglich, dass man die Entwicklung auf Juist aus unterschiedlichen Blickwinkeln beobachten und damit sehr intensiv am Leben von Schülern, Lehrern und Einheimischen teilhaben kann. Das Zusammenspiel zwischen den zahlreichen historisch belegten Persönlichkeiten und den fiktiven Figuren funktioniert dabei ganz hervorragend.

Neben dem vielfältigen Miteinander der Akteure spielt auch die damalige Politik eine wichtige Rolle – der allmähliche Vormarsch der NSDAP ist auch auf der Insel zu spüren und bringt schließlich alles, was die Gemeinschaft über Jahre hinweg mühsam aufgebaut hat, ins Wanken.

„Die Schule am Meer“ hat mir sehr gut gefallen – die Mischung aus historische Fakten und einer spannenden fiktiven Handlung hat mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert und mir gleichzeitig einen facettenreichen Blick in den Alltag einer Schule zur Zeit der Weimarer Republik ermöglicht.

Bewertung vom 24.03.2020
Krabbenkuss mit Schuss / Ostfriesen-Krimi Bd.7
Franke, Christiane;Kuhnert, Cornelia

Krabbenkuss mit Schuss / Ostfriesen-Krimi Bd.7


ausgezeichnet

Neuharlingersiel. Lehrerin Rosa möchte mit ihrer Klasse einen Ausflug zur Alpakafarm der Ewenbergs machen. Als sie einen Termin dafür vereinbaren will, entdecken sie und Edda Ewenberg deren Mann Fritjoff am Fuß der Treppe liegend – tot! Ermordet, wie schnell feststeht. Für Oberkommissar Schnepel ist der Fall sonnenklar, als Täter kommt nur die Ehefrau infrage…

Und auch eine Erpressung hält die Kripo Wittmund in Atem: Dreiste Diebe haben das vergoldete Nasenschild von Olsens Teemuseum abmontiert und fordern als Lösegeld einen kostenlosen Jahresvorrat Tee für sämtliche Seniorenheime im Umkreis. Da Fritjoff als Teetester bei Olsen gearbeitet hat, stellt sich den Ermittlern die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Teekannenklau und dem Mord gibt…

Auch die Liebe nimmt in diesem Krimi einen größeren Part ein, genauer gesagt, die Suche nach der großen Liebe. Dafür haben Rosa und Dörte sich bei der Partnervermittlung „Krabbenkuss“ angemeldet. Erste Kontakte lassen nicht lange auf sich warten…

„Krabbenkuss mit Schuss“ ist bereits der siebente Fall für das Neuharlingersieler Ermittlertrio, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

Es ist den Autorinnen Christiane Franke und Cornelia Kuhnert wieder einmal ganz hervorragend gelungen, Humor und Spannung miteinander zu verknüpfen. Situationskomik, lockere Sprüche und eine abwechslungsreiche Krimihandlung sorgen durchweg für kurzweiliges Lesevergnügen und bieten zudem viel Platz zum Mitgrübeln und Miträtseln. Es macht einfach Spaß, Henner, Rudi, Rosa und alle anderen mittlerweile zum Stammpersonal gehörenden Neuharlingersieler zu begleiten und ihnen bei ihren Nachforschungen wie auch bei ihren privaten Angelegenheiten über die Schultern zu schauen.

Punkten können die Autorinnen auch wieder mit einer großen Portion Lokalkolorit – der Landstrich wird mit all seinen Eigenarten, Besonderheiten und Spezialitäten interessant dargestellt, so dass man schnell von der Nordseeküsten-Atmosphäre eingefangen wird.

„Krabbenkuss mit Schuss“ hat mir sehr gut gefallen – ein Ostfriesen-Krimi, der von der ersten bis zur letzten Seite vergnügliche Unterhaltung bietet.

Bewertung vom 23.03.2020
Echo des Schweigens
Thiele, Markus

Echo des Schweigens


ausgezeichnet

Strafverteidiger Hannes Jansen ist nur noch zwei Stunden von seinem größten Karrieresprung entfernt - die Partnerschaft in seiner Kanzlei. Nur noch das Plädoyer. Der Freispruch seines Mandanten ist sicher; obwohl die Indizien gegen den Polizisten Maik Winkler, der den Senegalesen Abba Okeke in seiner Zelle ermordet haben soll, erdrückend sind, reichen sie für eine Verurteilung nicht aus. In diesem Moment bringt Jansens Referendarin ihm ein weiteres Beweisstück und alles gerät ins Wanken…

Mit dieser Szene beginnt Markus Thiele seinen Roman „Echo des Schweigens“. Danach springt er einige Monate zurück und lässt den Leser an den Ereignissen teilhaben, die vor diesem Tag am Magdeburger Schwurgericht geschehen sind.

Neben den Fall Winkler gibt es drei weitere Handlungsstränge. So lernt Hannes die Ärztin Sophie Tauber kennen und lieben. Die aufkeimende Beziehung bekommt einen mächtigen Dämpfer, als die beiden feststellen, dass sie in dem Fall Winkler auf gegensätzlichen Seiten kämpfen, denn Sophie ist diejenige, die ein äußerst belastendes Gutachten vorgelegt hat.
Das ist nicht der einzige Grund, der Sophies Leben derzeit kopfstehen lässt. Ihre Mutter ist kürzlich verstorben und hat ihr unter anderem einen Brief ihres vor ihrer Geburt verschwundenen Vaters sowie einige Fotos hinterlassen, die Sophie zu einer Spurensuche animieren.
Außerdem gibt es noch einen historischen Part, der in den 1940er Jahren spielt und die Liebe zwischen dem Unternehmersohn Carl und der Jüdin Lea Rosenbaum zum Inhalt hat.

Der Roman beruht sowohl auf der zeitgenössischen wie auch auf der historischen Ebene auf wahren Begebenheiten. Die Ereignisse rund um den Fall des Sierra-Leoners Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 in einer Zelle des Polizeireviers Dessau-Roßlau aus bis heute nicht gänzlich geklärten Umständen ums Leben kam, spielen in der Handlung genauso eine Rolle, wie die nach wie vor unklaren Verflechtungen eines Wolfenbütteler Kräuterlikörherstellers mit dem NS-Regime.

Die Geschichte wird spannend erzählt und übt einen ungeheueren Sog aus. Stets ist man begierig darauf zu erfahren, wie es in den einzelnen Handlungssträngen weitergeht und ist gleichzeitig neugierig, wie am Ende alles zusammenpassen wird. Dass es gleich mehrere Zufälle sind, die die einzelnen Fäden schließlich zu einem Ganzen verknüpfen, hat mich dabei nicht gestört; manchmal schlägt das Schicksal eben seltsame Kapriolen.

Der Autor wirft im Verlauf der Handlung viele interessante Fragen auf. Besonders die Zwickmühle zwischen Gesetz und Moral hat mich beschäftigt. Wie schafft es ein Strafverteidiger, der von der Schuld seines Mandanten überzeugt ist, auf Freispruch zu plädieren? Wie kann er es mit seinem Gewissen vereinbaren, dass ein Mörder ungeschoren davonkommt? Ein Dilemma, das intensiv von den Protagonisten diskutiert wird.

„Echo des Schweigens“ hat mir sehr gut gefallen – ein tiefgründiger Roman, der kurzweilig erzählt wird und zum Nachdenken über Recht und Gerechtigkeit einlädt.

Bewertung vom 21.03.2020
Das Lächeln des Drachen
Büchle, Elisabeth

Das Lächeln des Drachen


ausgezeichnet

Lynmouth/Devonshire im Januar 1859. Nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Vaters hat die mittellose Olivia Kramer ihrer Heimat Schlesien den Rücken gekehrt, um bei ihrer Patentante Olivia Matthews ein neues Zuhause zu finden. Auf Broomglade Manor angekommen, muss die 20-Jährige allerdings erfahren, dass Lady Matthews bereits vor einigen Jahren verstorben ist. Um nicht wieder in die stürmische Nacht hinaus zu müssen, nimmt Olivia das Angebot an, in einem der Gästezimmer zu übernachten, nicht ahnend, dass ihr Leben damit eine gänzlich unerwartete Wendung nehmen wird…

Sable Island im Sommer 2013. Falk Jäger wurde von seinen Eltern auf die Insel an der kanadischen Ostküste beordert. Magda und Hendrik Jäger sorgen sich um die Studentin Junia, die schon zweimal fast von Unbekannten entführt wurde. Als Hintergrund der Kidnappingversuche vermuten sie den nie aufgeklärten Mord an Junias Eltern vor einigen Jahren und möchten, dass Falk seinen detektivischen Spürsinn einsetzt und Licht in das Dunkel um die mysteriösen Vorkommnisse bringt…

In der ersten Hälfte des Romans nimmt Elisabeth Büchle den Leser mit auf ein beschauliches Landgut im englischen Devonshire. Neben der Liebesgeschichte zwischen Olivia und dem Gutsherrn Simon Matthews sowie den hinterhältigen Machenschaften des jüngsten Matthew-Sprosses Charles greift die Autorin ein interessantes Thema auf - es geht um Waisenkinder im England des 19. Jahrhunderts und die beeindruckende Arbeit des Evangelisten und Waisenhausleiters Georg Müller.

In der zweiten Hälfte wird die Handlung dann turbulenter und actionreicher. Falk und seine Freunde Emma und Daniel sowie Rahel und Duke - mit denen er schon in „Das Mädchen aus Herrnhut“ bzw. „Skarabäus und Schmetterling“ allerlei Abenteuer erlebt hat – versuchen, den Mördern von Junias Eltern auf die Spur zu kommen und die Hintergründe der Tat aufzudecken. Eine Spurensuche, die nicht nur gefährlich ist, sondern auch Stück für Stück eine Verbindung zu den Matthews und Broomglade Manor knüpft.

Elisabeth Büchle erzählt diese Geschichte sehr anschaulich und wartet mit einer Fülle von Details auf – die feine Charakterisierung der Figuren, die Beschreibungen der Schauplätze, die Schilderungen des abwechslungsreichen Geschehens oder auch Falks Faxen und freche Sprüche machen diesen Roman zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis.

„Das Lächeln des Drachen“ hat mir sehr gut gefallen. Die gut ausbalancierte Mischung aus Historie und Romantik sowie Abenteuer und Humor hat mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert.