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Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Ela wächst in einer scheinbar normalen Familie auf. Sie berichtet wie sie eine Schwester bekommt, ihr Opa stirbt und ihre Mutter erbt, wie ein großes neues Haus gebaut wird. Im Mittelpunkt steht die Beziehung ihrer Eltern, die hochgradig toxisch und von den Schikanen, welche die Mutter durch den Vater erleidet, geprägt ist. Dieser findet nämlich, dass seine Frau zu dick und damit nicht repräsentativ ist. Deswegen wird er nicht befördert und kann auch nicht das Leben führen, welches er möchte.
„Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher tut weh. Ich musste es öfter aus der Hand legen, weil ich den Vater einfach nicht ertragen habe, seine Sprüche, seine Vorhaltungen, seine wirren Ideen. Und dann die Passivität der Mutter, die das aushält, die manchmal rebelliert, aber eher im Stillen, um dann doch klein beizugeben. Ich hätte ihn am liebsten geschlagen und sie ordentlich durchgeschüttelt, denn auch wenn er immer so tut, als würde sie von ihm abhängen, stimmt das nicht. Sie schmeißt alles, sie pflegt ihre Mutter, sie hütet die Kinder, macht den Haushalt, kocht, erledigt jegliche Carearbeit, kümmert sich um die Rechnungen, die sie natürlich von ihrem Geld bezahlen muss und selbstverständlich geht sie noch Arbeiten. Die Rollenverteilung ist so klassisch wie veraltet und der Vater ist das Paradebeispiel eines Ehemanns, dem es ausschließlich wichtig ist eine schlanke und für ihn damit vorzeigbare Ehefrau zu haben.
Wut war meine primäre Emotion und das macht das Buch so wichtig. Es zeigt eine Lebensrealität, die immer noch zu oft als unwichtig angesehen wird: die der Ehefrauen, die sich um alles kümmern, um zum Dank noch einen blöden Spruch über ihr Aussehen zu kassieren. Verpackt ist der Roman auch toll, nicht nur mit einem schönen Cover, sondern auch mit sehr gut gewählten Worten. Klischees benutzt Daniela Dröscher nur bewusst und sie hat einen sehr gekonnten Stil. Ebenfalls hat mir gefallen, dass Ela als Erwachsene das Gespräch mit ihrer Mutter sucht.
Absolut lesenswert.

Bewertung vom 13.10.2022
Die Wunder
Medel, Elena

Die Wunder


ausgezeichnet

María und Alicia leben in Madrid. Maria ist Alicias Großmutter, doch kennen tun sie sich nicht. Sie haben keinen Kontakt - hatten sie auch nie. Aus verschiedenen Gründen hat es sie in die Großstadt verschlagen und doch haben sie vieles gemein. Beide schuften für ihren Lebensunterhalten, kämpfen, um über die Runden zu kommen; beide hängen der Vergangenheit nach und ihre Herkunft können sie nicht vergessen.
In „Die Wunder“ von Elena Medel begleiten wir die beiden Frauen durch verschiedene Lebensabschnitte, sind dabei, wenn Tragisches und Einschneidendes passiert. Wir bekommen mit wie ihre Lebenträume sich wandeln müssen. Wir lesen uns nach Spanien, wo Frauen mal wieder wenig zu sagen haben und wo Männer zusammensitzen, die Frauen das Wissen und das Interesse an Politik absprechen.
Dieses Buch ist wichtig, weil es die Realität von Frauen erzählt, dessen Stimme zu lange nicht gehört wurde und die noch immer ausgeschaltet werden soll. Es geht um Frauen der Arbeiterklassen, die genauso viel zum Haushalt beitragen wie die Männer, denen am Stammtisch aber kein Mitspracherecht zugestanden wird. Es zeigt eine Welt des Verhandelns, eine Lebensrealität, wo für das eine, was anderes hergegeben werden muss. Etwas was Männer so nicht müssen, denn sie sind es, die die Entscheidungsgewalt haben, die die Macht haben, einfach aufgrund des Geschlechts.
Dabei werden die Männer mitnichten als Mistkerle dargestellt, alle Männer in Alicias und Marías Umfeld sind anständige Kerle, die ihr Bestes geben und die Frauen ihrer Familie unterstützen, doch aus dem gängigen Strukturen schaffen sie es nicht gänzlich auszubrechen.
Elena Medels lyrischen Hintergrund erkennt man sofort, so manche Stelle mutet sehr poetisch an, aber das erzählerische kommt nicht zu kurz und es entspinnt sich eine Geschichte über die Jahrzehnte hinweg, eine Geschichte zweier Leben, die verbunden sind und doch getrennt. Ein feinsinniger Roman, der mehr erzählt als in den Worten offensichtlich ist.

Bewertung vom 13.10.2022
Meine bessere Schwester
Wait, Rebecca

Meine bessere Schwester


gut

Alice und Hanna sind Zwillingsschwestern. Die einzige Gemeinsamkeit sind ihre Eltern, denn sie sind grundverschieden. Alice will niemals anecken; Hanna macht, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste. Der ältere Bruder Michael steht über allem und wird von Mutter Celia, die an den Schwestern kein gutes Haar lässt, angehimmelt. Celia ist eh ein spezieller Charakter - egozentrisch und ichbezogen wäre noch untertrieben. Konflikte und Reibereien kennt Celia bereits aus ihrer Kindheit, doch daraus gelernt hat sie nicht. Sie stichelt munter weiter und spielt alle gegeneinander aus, um nicht allein zu bleiben, was aber gerade die Konsequenz ihres Verhaltens ist.
Nachdem es fast zu spät ist, kommt die Familie auf der Beerdigung von Celias Schwestern zusammen und nähern sich in Zeitlupentempo mit Rückschlägen wieder an. Dabei springt die Erzählung in der Zeit und erklärt so, wie es zu dem Zerwürfnis kam.
„Meine bessere Schwester“ von Rebecca Wait schildert genau das: Die Schwester ist immer besser. Ob es sich nun um Hanna, Alice oder Celia handelt; alle empfinden sich als minderwertig gegenüber ihrer Schwester. Ich fand die Charaktere sehr extrem gezeichnet. Alice ist ausgesprochen duckmäuserisch, Celia geradezu ichsüchtig, Hanna absolut feindselig. Der Vater ist nichtssagend und meist abwesend und Michael arrogant. Mir war das alles ein bisschen zu viel und jede*r einzelne ging mir auf die Nerven. Zum Schluss wurde es ein wenig besser, gerade Hanna und Alice.
Der Roman ist eine Familiengeschichte mit scheinbar originellen Aspekten: ein ausgebüxtes Frettchen (nein, Frettchen knabbern nichts an, sie klauen nur!), einem Tretrollerunglück und einem Unfalltod, der nicht alle Tage vorkommt. Aber die Blurbs auf der Rückseite versprechen viel, was meiner Meinung nach nicht gehalten wird. Einzig die Schilderung, der psychischen Erkrankungen fand ich interessant, aber mehr auch nicht. Ein okeyes Buch, aber keines, was mich vom Hocker riss.