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Bücherfreundin

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Insgesamt 265 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2023
Zwei Wochen für ein ganzes Leben
Breimeier, Dierk

Zwei Wochen für ein ganzes Leben


gut

Berührende Geschichte vor faszinierender Kulisse
Dierk Breimeier erzählt in seinem Roman "Zwei Wochen für ein ganzes Leben" die Geschichte des jungen Raimund, der einst als Matrose auf einem Frachtschiff zur See gefahren und nun als Theaterregisseur tätig ist. Er ist fasziniert von der Schönheit Lapplands und tritt Ende August zum dritten Mal die lange Reise von Hamburg nach Lappland an. Diesmal hat er für 8 Monate eine abgelegene Hütte gemietet, um dort den arktischen Winter zu verbringen und sich auf eine neue Theaterproduktion vorzubereiten. Die Hütte ist klein, sie hat keinen Strom, besteht nur aus einem einzigen Raum und ist zweckmäßig eingerichtet. Während der ersten Tage ist Raimund mit der Beschaffung von Brennholz beschäftigt, Wasser holt er sich aus dem nahe gelegenen See.

Im nächstgelegenen Ort befindet sich eine Cafeteria, die von Kajssa und Jokki sowie deren Tochter Lilija bewirtschaftet wird. Hier kann Raimund nicht nur einkaufen und telefonieren, man kümmert sich dort auch um seine Wäsche. Zwischen Lilija und Raimund kommt es zur behutsamen Annährung, und auch Lilijas Eltern begegnen Raimund mit viel Herzlichkeit. Dieser steht bald vor der Frage, ob eine Liebe zwischen zwei Menschen aus derart unterschiedlichen Kulturkreisen möglich ist ...

Das in ruhigem und klarem Sprachstil geschriebene Buch liest sich flüssig und hat mir gut gefallen. Es nimmt den Leser mit auf die Reise in ein außergewöhnliches Land. Wir lernen die Samen, ihre Bräuche und Traditionen kennen und begleiten Raimund auf seinen mehrtägigen abenteuerlichen Wanderungen. Beeindruckend sind die faszinierenden und intensiven Naturbeschreibungen. Die sich langsam entwickelnde Zuneigung zwischen Raimund und Lilija hat mich sehr berührt, Raimunds Überlegungen, seine innere Zerrissenheit und seine Entscheidung konnte ich gut nachempfinden.

Diese schöne und berührende Geschichte hat ein größeres Publikum verdient. Allerdings gibt es einen Kritikpunkt: anscheinend hat das Buch vor der Veröffentlichung kein professionelles Lektorat durchlaufen. Das sollte vor einer Neuauflage nachgeholt werden, da der Roman leider viele Rechtschreib- und Zeichenfehler, aber auch Setz- und stilistische Fehler enthält.

Bewertung vom 30.06.2023
Wunder gibt es immer wieder / Die Fernsehschwestern Bd.1
Sauer, Beate

Wunder gibt es immer wieder / Die Fernsehschwestern Bd.1


gut

Geschichte über eine junge Frau, die für ihren Traum kämpft
Der Heyne Verlag hat "Wunder gibt es immer wieder", den neuen Roman von Beate Sauer, veröffentlicht. Es handelt sich um den ersten Band der Trilogie "Die Fernsehschwestern". Die beiden Fortsetzungen werden im Oktober 2023 bzw. Januar 2024 erscheinen.

Die Geschichte spielt in München, wir schreiben das Jahr 1953. Im Mittelpunkt steht die junge Eva Vordemfelde, die mit ihren Eltern und den beiden Zwillingsschwestern Franzi und Lilly in München lebt. Ihr Vater Axel ist Journalist beim Münchner Abend, die Mutter Annemie ist Hausfrau. Das Fernsehen hält Einzug in viele Haushalte, und auch die Familie Vordemfelde erlebt vor dem Bildschirm live die Krönung von Queen Elizabeth. Zwei Jahre später arbeitet Eva als Sekretärin in einer Druckerei. Sie ist nicht glücklich damit, sie entwirft und näht mit Leidenschaft ihre Kleider und wäre viel lieber Schneiderin geworden. Aber der Vater hat es ihr nicht erlaubt, war der Meinung, das sei etwas für kleine Leute. Während eines Urlaubs mit ihrer Cousine Margit in Ischgl hat Eva in dem Film "Sissi" mit Romy Schneider einen kurzen Einsatz als Statistin. Sie bewundert die wunderschönen Kostüme der Schauspieler und beschließt, Kostümbildnerin zu werden. Ihr Vater torpediert ihren Plan, doch er hat nicht mit der Zielstrebigkeit und dem Mut seiner Tochter gerechnet ....

Das Buch führt uns in die Welt der fünfziger Jahre, wir erleben die historischen Ereignisse und die Anfänge des Fernsehens. Das alles ist bestens recherchiert und sehr unterhaltsam. Die Autorin beschreibt das Leben einer typischen Familie der fünfziger Jahre, als die Rolle der Frau noch eine ganz andere war als heute. Die Väter verdienten das Geld und erwarteten, dass die Familienmitglieder sich nach ihren Wünschen richteten. Das ist auch bei den Vordemfeldes so. Axel hat das Sagen, seine Frau Annemie ordnet sich ihm vollkommen unter. Eva hingegen verfolgt ihre eigenen Ziele, für die ihr Vater kein Verständnis hat. Nach dem Umzug nach Bonn vermittelt er ihr eine Stelle als Sekretärin beim NWDR, dem späteren WDR. Aber Eva ist nicht glücklich in ihrem Beruf und setzt alles daran, ihren Traum zu verwirklichen, auch gegen den Willen des konservativen Vaters.


Der Roman hat mir in weiten Teilen gut gefallen. Der Autorin ist es ganz wunderbar gelungen, den damaligen Zeitgeist einzufangen. Der Roman liest sich flüssig, die Charaktere sind authentisch und bildhaft beschrieben. Die Handlung ist stimmig und für mich nachvollziehbar. Im letzten Drittel nimmt das Buch dann gewaltig an Fahrt auf. Die Ereignisse innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne überschlagen sich. Diese vielen Geschehnisse wirkten auf mich sehr unglaubwürdig und haben mir dann letztlich die Lesefreude genommen. Auch die Liebesgeschichte von Eva und Paul konnte mich leider nicht begeistern, ich fand sie am Ende eher kitschig und wenig glaubhaft.

Bewertung vom 26.06.2023
Institut für gute Mütter
Chan, Jessamine

Institut für gute Mütter


ausgezeichnet

Dramatisch und beklemmend
Der Ullstein Verlag hat "Institut für gute Mütter", den beeindruckenden Debütroman der amerikanischen Autorin Jessamine Chan, veröffentlicht.
 
Im Mittelpunkt der verstörenden Geschichte steht die alleinerziehende 39-jährige Frida Liu, die mit der Betreuung ihrer 18 Monate alten Tochter Harriet und ihrer Tätigkeit im Homeoffice vollkommen überfordert. ist. Ihr Ehemann Gust hat sie 3 Monate nach Harriets Geburt verlassen, seitdem teilen sie sich das Sorgerecht für ihre Tochter. Es ist für Frida "ein schlechter Tag", an dem sie total übermüdet einen folgenschweren Fehler begeht und Harriet über zwei Stunden allein in der Wohnung zurücklässt, um sich einen Kaffee zu besorgen und anschließend kurz ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Nachbarn hören das Kind schreien und benachrichtigen die Polizei, die es umgehend aus der Wohnung holt. Die eingeschaltete Kinderschutzbehörde entzieht der Mutter mit sofortiger Wirkung das Sorgerecht und gibt die Kleine in die Obhut ihres Vaters Gust und dessen Lebensgefährtin Susanna. 
 
Frida darf ihre Tochter fortan nur kurzzeitig und in Anwesenheit einer Sozialarbeiterin besuchen. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, und Frida muss für die Dauer eines Jahres an einem Rehabilitierungsprogramm teilnehmen. In einem ehemaligen College absolviert sie gemeinsam mit anderen Müttern zahlreiche Unterrichts- und Trainingsstunden mit dem Ziel, eine gute Mutter zu werden und dabei stets das Wohl des Kindes über das eigene zu stellen. Dabei wird ihr eine KI-Puppe, die ihrer Tochter ähnlich sieht und die sie Emmanuelle nennt, zur Seite gestellt. Das Projekt unterliegt strengster Geheimhaltung, im Institut gelten zahlreiche Regeln, Verbote und Strafen sind an der Tagesordnung.
 
Die Autorin führt uns in eine neue dystopische Welt, in der mütterliche Verfehlungen drakonisch geahndet werden. Wir erleben Fridas verzweifelte Bemühungen, das Rehabilitierungsprogramm erfolgreich zu absolvieren und leiden mit ihr, wenn ihr - oft aus nichtigen Gründen - untersagt wird, mit Harriet zu telefonieren. Das Training mit der Puppe ist fordernd und bringt Frida immer wieder an ihre Grenzen. Neben Frida lernen wir auch weitere Mütter mit unterschiedlichen Schicksalen und Lebenswegen kennen. Sie alle sind ständigen Demütigungen und Schikanen durch die Mitarbeiter des Instituts ausgesetzt, werden ständig überwacht. Was den Frauen angetan wird, ist oft nur schwer zu ertragen. In der Besserungsanstalt gibt es auch Väter, die sich Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen, jedoch werden diese weniger hart behandelt als die weiblichen Insassen.
 
Das Buch liest sich flüssig und ist fesselnd geschrieben. Die Charaktere sind sehr authentisch und bildhaft skizziert. Frida war mir sympathisch, ich habe mitgelitten und gehofft, dass sie Harriet bald wiedersehen darf. Allerdings konnte ich nicht verstehen, dass sie als Auslöser ihrer Situation immer nur den "richtig schlechten Tag" sieht und keine wirkliche Einsicht zeigt.
Der Roman zeigt ein beunruhigendes Schreckensszenario auf, das betroffen macht und unter die Haut geht. Er behandelt auch Themen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung. Die Geschichte bietet viel Diskussionsstoff und regt zum Nachdenken an. Das Ende hat mir gefallen, ich fand es sehr stimmig. 
 
Leseempfehlung für diesen dramatischen und beklemmenden Roman, der bald als TV-Serie verfilmt wird. 

Bewertung vom 15.06.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


ausgezeichnet

Meisterhaft erzählt, faszinierend und spannend!
Der Piper Verlag hat "Die Affäre Alaska Sanders", den neuen Erfolgsroman des Schweizer Autors Joël Dicker, veröffentlicht. Das Buch ist nach "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" und "Die Geschichte der Baltimores" der dritte Band der Marcus Goldman-Reihe. Sicherlich ist es hilfreich, die beiden Vorgänger zu kennen, das Buch kann jedoch auch gut ohne Vorkenntnisse gelesen werden. 

Die faszinierende Geschichte beginnt im Jahr 1999. In Mount Pleasant, einem Ort an der amerikanischen Ostküste, findet eine Joggerin in den frühen Morgenstunden am Ufer eines Sees die Leiche einer jungen Frau. Es handelt sich um die 22-jährige Alaska Sanders, die erst vor einem halben Jahr zu ihrem Freund gezogen war und in einer Tankstelle arbeitete. Die zuständige Staatspolizei New Hampshire unter der Leitung von Sergeant Perry Gahalowood überführt innerhalb kurzer Zeit die Schuldigen, und der Fall scheint trotz einer unvorhersehbaren Katastrophe abgeschlossen zu sein.

Die Handlung springt in das Jahr 2010, und wir begegnen dem Autor Marcus Goldman, der die Verfilmung seines Romans "G wie Goldstein" verfolgt. Die Ereignisse um Harry Quebert liegen mittlerweile 2 Jahre zurück, damals arbeitete er eng mit Sergeant Perry Gahalowood zusammen. Perry erhält nach 11 Jahren einen beunruhigenden anonymen Brief. Wurde damals wirklich der Richtige eingesperrt? Gemeinsam mit Marcus rollt er den Fall neu auf, um herauszufinden, was tatsächlich mit Alaska Sanders passierte. 

Das Buch ist in schönem und klugem Sprachstil geschrieben und liest sich sehr flüssig. Bereits die erste Seite ist spannend, die Spannung steigert sich immer weiter und bleibt bis zum Ende auf hohem Niveau. Die Auflösung ist verblüffend und gleichzeitig sehr bewegend. Der Roman ist auf zwei Zeitebenen erzählt, blickt darüber hinaus aber auch auf viele Ereignisse der Vergangenheit zurück. Diese Zeitsprünge sind sehr übersichtlich dargestellt, so dass man der Handlung jederzeit gut folgen kann. Den authentisch und äußerst bildhaft skizzierten Charakteren räumt der Autor breiten Raum ein. 

Die geschickt konstruierte Geschichte ist äußerst spannend und steckt voller Überraschungen. Der Autor hat mich nicht nur einmal auf falsche Fährten geführt, immer wieder gab es raffinierte Wendungen, neue Spuren und Erkenntnisse. Nach und nach wurden alle Geheimnisse aufgedeckt. Ich konnte das spannende Buch kaum aus der Hand legen und fühlte mich von Anfang bis Ende bestens unterhalten.

Absolute Leseempfehlung für diesen meisterhaft erzählten Krimi!

Bewertung vom 11.06.2023
Unsere Stimmen bei Nacht
Fischer, Franziska

Unsere Stimmen bei Nacht


sehr gut

Harmonisches Miteinander in der Wohngemeinschaft
Der Dumont Verlag hat "Unsere Stimmen bei Nacht", den neuen Roman von Franziska Fischer, veröffentlicht.
Gloria und Herbert, Eigentümer einer alten Berliner Villa, haben sich dafür entschieden, vier Räume unterzuvermieten, da ihre Kinder längst erwachsen sind und eigene Wege gehen. Die ersten Mieter sind der Chemieprofessor Gregor und seine Tochter Alissa, es folgt der Student Jay, und als letzte Mieterin wird Lou, die Tanzkurse für Jugendliche gibt und in einem Programmkino arbeitet, in die Wohngemeinschaft aufgenommen. Gloria bekocht ihre Mieter, Herbert fällt es schwer, sich auf die neue Situation einzustellen. Er betreibt im Erdgeschoss des Hauses ein Antiquariat.

Die Geschichte über die Wohngemeinschaft, in deren Mittelpunkt Lou steht, ist in ruhigem und angenehmem Sprachstil erzählt und liest sich flüssig. Nach und nach lernen wir die Bewohner kennen und erleben ihr Zusammenleben und ihren Alltag.

Ich bin davon ausgegangen, auf sechs vollkommen unterschiedliche Personen mit Ecken und Kanten zu treffen, die sich zusammenraufen und im Alltag ihre kleinen und größeren Meinungsverschiedenheiten haben. Aber das trifft auf die Geschichte absolut nicht zu. Es geht immer freundlich und harmonisch in der Wohngemeinschaft zu, man gibt Mitbewohnern Lebenshilfe und ist stets mit Rat und Tat zur Stelle, kocht und chillt später sogar gemeinsam. Das alles ist sehr warmherzig erzählt, aber in meinen Augen doch eher unrealistisch. Nie kommt es zu Konflikten, nie wird gestritten. Das mag vielen gefallen, mir ging die Geschichte zu sehr in Richtung Wohlfühlroman. Die mir fehlende Spannung kam leider erst kurz vor dem Ende auf und scheint eine Fortsetzung des Buches anzudeuten.

Trotz flachem Spannungsbogen habe ich das Buch der leisen Töne gern gelesen, der Sprachstil hat mir gefallen, die Protagonisten sind sympathisch und bildhaft beschrieben und führen schöne und anregende Gespräche.

Bewertung vom 09.06.2023
Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Ironmonger, John

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen


ausgezeichnet

Spannendes und berührendes Buch über eines der wichtigsten Themen unserer Zeit
Der Fischer Verlag hat "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen", den neuen Roman von John Ironmonger, veröffentlicht.

In einem Pub des kleinen Fischerortes St. Piran in Cornwall, das wir bereits aus dem Bestseller "Der Wal und das Ende der Welt" kennen, kommt es zwischen dem 20-jährigen Studenten Tom Horsmith und dem 40-jährigen Abgeordneten Monty Causley zu einem hitzigen Streitgespräch über den Klimawandel, den Monty leugnet. Unter Alkoholeinfluss schließen sie eine folgenschwere Wette auf die Zukunft ab. Tom wettet mit dem Politiker, dass dieser in 50 Jahren bei Flut nicht im Wohnzimmer seines unmittelbar am Meer gelegenen Hauses sitzen kann, sondern ertrinken würde. Diese Wette bestimmt fortan ihr Schicksal, und die beiden Männer werden sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder begegnen.

In brillantem Sprachstil bringt uns John Ironmonger die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels nahe. Die informativen Schilderungen über das Klima, die Naturgewalten, das Abschmelzen der grönländischen Gletscher und das Ansteigen der Meeresspiegel sind hochinteressant. Der Autor erzählt die faszinierende Geschichte in teils größeren Zeitsprüngen und verknüpft sie mit einer berührenden Liebesgeschichte, die das Buch aber nicht dominiert. Der Roman ist spannend, zugleich humorvoll und poetisch. Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um Freundschaft, Liebe und Trauer. Das überraschende Ende ist stimmig und macht Hoffnung.

Dem Autor ist es gelungen, nicht nur die Charaktere der beiden sehr unterschiedlichen Hauptprotagonisten, sondern auch die sämtlicher Nebenfiguren äußerst authentisch und bildhaft zu zeichnen. Die Entwicklung von Tom und Monty über die Jahrzehnte ist ganz wunderbar beschrieben. Die Geschichte hat mich von der ersten Seite an gefesselt und in ihren Bann gezogen. Die Zeitsprünge haben mir sehr gut gefallen, ebenso die interessanten Einblicke in die politische Medienarbeit und der Ausblick auf das Leben der nächsten Generation. Die Begegnung mit dem Eisbären ist sehr berührend.

Ich habe das großartige Buch, das mich keine Minute gelangweilt hat und bereits jetzt zu meinen diesjährigen Highlights gehört, mit sehr viel Freude gelesen. Es ist ein eindringlicher Appell an uns, es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkel!
Absolute Leseempfehlung von mir für diesen faszinierenden Roman, der mich noch lange beschäftigen wird!

Bewertung vom 04.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


gut

Der Harper Collins Verlag hat "Wo du mich findest" veröffentlicht, den neuen Roman von Anne Barns.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Übersetzerin Sophie, die in einem Büchercafé auf Rügen mit einem Fremden zusammenstößt, der über die Leine ihres Hundes Lotte gestolpert ist. Kaffee ergießt sich aus dem Becher, den Sophie in der Hand hält und hinterlässt einen Fleck auf dem Hemd des Mannes. Wenige Wochen später, Sophie ist mit ihrem Ehemann Thomas wieder nach Hamburg zurückgekehrt, träumt sie von dem Fremden. Das verwirrt sie, und von nun an ist der Fremde nicht nur in ihren nächtlichen Träumen, sondern auch in ihren Gedanken.
 
Sophie, die innerhalb eines Jahres zwei ihrer wichtigsten Bezugspersonen verloren hat und nun auch von Thomas verlassen wird, entschließt sich, zurück nach Rügen zu fahren, um dort den Mann zu suchen, nach dem sie sich so sehnt ...
 
Der Roman umfasst nur 186 Seiten und ist sehr schnell gelesen. Der Schreibstil ist einfach, das Buch liest sich sehr flüssig. Die Geschichte wird von Sophie in der Ich-Form erzählt und richtet sich mit dem "Du" an den Unbekannten. 
Ich fand die Buchidee sehr interessant, war aber von der in meinen Augen eher nüchternen und oberflächlichen Umsetzung enttäuscht. Ich hätte gern mehr über die Gefühlswelt der Protagonistin erfahren, hier habe ich mehr Tiefgang erwartet. Auch die Beziehungen zum Vater, Tessa und Thomas werden nur kurz angerissen. Das Buch hat mir bis zu Sophies Rückkehr nach Rügen gut gefallen, ab da fand ich die Handlung leider wenig glaubwürdig. Möglicherweise ist es der Kürze des Buches geschuldet, dass vieles an der Oberfläche blieb und es mich trotz schönem Setting und stimmigem Ende in seiner Gesamtheit nicht überzeugen konnte.

Bewertung vom 01.06.2023
Und morgen ein neuer Tag
Alexander, Claire

Und morgen ein neuer Tag


ausgezeichnet

Der Goldmann Verlag hat den neuen Roman "Und morgen ein neuer Tag" der britischen Autorin Claire Alexander veröffentlicht.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 39-jährige Meredith Maggs, die ihr Haus in Glasgow seit 1214 Tagen nicht mehr verlassen hat. Diese Aussage machte mich sofort betroffen, da ich ahnte, dass sich dahinter ein schweres Trauma verbergen muss.
 
Meredith Maggs hat sich gut eingerichtet in ihrer Isolation. Sie lebt in Gesellschaft ihres Katers Fred und arbeitet als Texterin von zu Hause aus. Ihre einzige Besucherin ist ihre beste Freundin Sadie mit ihren Kindern James und Matilda . Meredith kocht und backt gern und vertreibt sich die Zeit mit Lesen und dem Legen komplizierter Puzzles. Lieferdienste sorgen dafür, dass es ihr an nichts mangelt. Einmal wöchentlich kommuniziert sie online mit ihrer Therapeutin Diane. Die Mutter und ihre Schwester Fee hat sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Eines Tages steht Tom McDermott vom Freundesverein Helfende Hände vor ihrer Tür und besucht sie von nun an regelmäßig, um ihr zuzuhören, mit ihr zu reden oder gemeinsam zu essen. Als Meredith in einem Internetforum Celeste kennenlernt und auch ihre Schwester Fee sich wieder bei ihr meldet, wird sie vor neue Herausforderungen gestellt ....
 
Die Handlung springt von der Gegenwart mit den tagebuchartigen Aufzeichnungen über die Dauer von 10 Monaten immer wieder in Merediths Vergangenheit. Nach und nach werden die zurückliegenden Erlebnisse der jungen Frau aufgeblättert, und wir erfahren, wie es zu ihrer ungewöhnlichen Lebenssituation gekommen ist. Die Rückblicke in Merediths schwierige Kindheit sind schockierend und offenbaren das lieblose und egoistische Verhalten der alkoholkranken Mutter, die ihre Töchter vernachlässigte.
 
Das Buch ist in ruhigem und schönem Sprachstil - stellenweise auch mit viel Humor - geschrieben und liest sich sehr flüssig. Nicht nur die sympathische Meredith, auch sämtliche Nebenfiguren sind äußerst authentisch und bildhaft skizziert. 
Merediths hoffnungsvolle Geschichte hat mir sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt, schockiert und zutiefst berührt. Sie ist absolut kitschfrei, warmherzig und mit viel Empathie erzählt. Die Autorin behandelt die Themen Gewalt, Depressionen, Panikattacken und Ängste sehr sensibel und bringt dem Leser die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin nahe. Es ist auch ein Roman über die Kraft der Freundschaft, Liebe zwischen Schwestern, Vergangenheitsbewältigung, Hoffnung und Mut. 
Ich habe Meredith gern auf ihrem Weg begleitet, mit ihr gelitten, mich über ihre Erfolge gefreut und war traurig über ihre Misserfolge.
 
Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman, der mich zutiefst berührt hat und noch lange beschäftigen wird!

Bewertung vom 23.05.2023
Wolfskinder
Buck, Vera

Wolfskinder


sehr gut

Spannender und düsterer Thriller
Der Rowohlt Verlag hat "Wolfskinder" veröffentlicht, das Thrillerdebüt der deutschen Autorin Vera Buck.

Die 26-jährige Smilla ist durch die Entführung ihrer besten Freundin Juli traumatisiert. Vor 10 Jahren verschwand die damals unmittelbar neben ihr schlafende 16-Jährige Juli beim Campen spurlos. Seitdem sind immer wieder junge Mädchen rund um den Faunfelsen verschwunden. Smilla, die nach ihrem Studium als Volontärin bei einem Fernsehsender arbeitet, hat die Suche nach ihrer Freundin nie aufgegeben. Im Archiv ihres Arbeitgebers entdeckt sie ein niemals ausgestrahltes brisantes Video, das sie auf die Siedlung Jakobsleiter, die sich hoch in den Bergen befindet, aufmerksam macht. Dort lebt eine Gruppe von Menschen zurückgezogen in einer Art Sekte fernab jeglicher Zivilisation und nach ihren eigenen Regeln. Als die 16-jährige Rebekka aus der Gemeinschaft verschwindet, begibt sich ihr Freund Jesse auf die Suche nach ihr ....

Die Geschichte ist in einfacher und klarer Sprache sehr flüssig und fesselnd erzählt. Die einzelnen Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive mehrerer Personen in der Ich-Form geschrieben. Außer Smilla lernen wir die jungen Jakobsleiter-Bewohner Jesse, Rebekka und Edith kennen sowie die Dorflehrerin Laura. Ich fand es sehr gelungen, dass die Autorin die wichtigsten Personen in der Ich-Form erzählen lässt und dem Leser dadurch Einblicke in deren Gedanken- und Gefühlswelt ermöglicht. Durch die Augen der Kinder erfahren wir, was in der Siedlung Jakobsleiter vor sich geht. 

Ich mochte die geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre und habe mich von der Autorin bis zur Auflösung auf falsche Fährten führen lassen. Die Beschreibung der Charaktere fand ich sehr bildhaft und authentisch. Die Spannung baut sich gleich zu Beginn auf und bleibt auf hohem Niveau. Es gibt einige Wendungen, Geheimnisse werden aufgedeckt, und sukzessive gelangen wir zur für mich vollkommen überraschenden Auflösung. 

Empfehlung für diesen spannenden und düsteren Thriller!

Bewertung vom 21.05.2023
Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4
Benedict, Marie

Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4


sehr gut

Unterhaltsamer Roman über eine außergewöhnliche Frau
Im Rahmen seiner Reihe "Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte" hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch den Roman "Die einzige Frau im Raum" veröffentlicht. Das Buch stammt aus der Feder der amerikanischen Autorin Marie Benedict und erzählt die Geschichte der aus Österreich stammenden Schauspielerin Hedy Lamarr, die unter ihrem bürgerlichen Namen Hedwig Maria Kiesler als behütete Tochter eines Bankiers und einer ehemaligen Konzertpianistin in Wien aufgewachsen ist.

Im Mai 1933 spielt die 18-jährige Hedy Kiesler die zukünftige Kaiserin Sisi im berühmten Theater an der Wien. Sie erhält nicht nur frenetischen Beifall, sondern auch die Aufmerksamkeit eines Mannes, der von ihrer Schönheit fasziniert ist und sie von der Premiere an mit Blumen überhäuft. Es handelt sich bei ihrem Verehrer um den 14 Jahre älteren Waffenfabrikanten Friedrich Mandl, der bald um Hedys Hand anhält. Hedys Eltern sind jüdischer Abstammung und hoffen, durch die Eheschließung ihrer Tochter mit Fritz der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Hedy und Fritz heiraten, und die junge Frau ordnet sich ihrem Ehemann unter. Sie tritt auf seinen Wunsch hin bereits vor der Hochzeit zum katholischen Glauben über, gibt die Schauspielerei für ihn auf und präsentiert sich fortan bei den häufigen Geschäftsessen als Gastgeberin. Als ihr eifersüchtiger und gewalttätiger Ehemann sie wie eine Gefangene behandelt, schmiedet die verzweifelte Hedy einen Plan ...

Der Roman ist in zwei Teile mit 44 Kapiteln gegliedert. Die Ich-Erzählerin Hedy schildert im ersten Teil des Buches ihr Leben in Österreich als Schauspielerin und Ehefrau. Der zweite Teil spielt zunächst in Paris und London und danach in den USA, wo sie sich als Schauspielerin unter dem Künstlernamen Hedy Lamarr ein neues Leben aufbaut. Ich fand es beeindruckend, mit wieviel Selbstbewusstsein und Geschick Hedy dort mit dem Chef der MGM- Studios verhandelte. Getrieben von Schuldgefühlen widmet sie sich neben ihrer Tätigkeit als Schauspielerin der Entwicklung einer Erfindung, die den Amerikanern helfen soll, die Nazis zu besiegen.

Das Buch ist in einfacher Sprache geschrieben und liest sich flüssig. Es hat mich von Beginn an gefesselt, und ich fand es sehr spannend, neben der Schauspielerin die intelligente und an technischen Dingen interessierte Erfinderin Hedy kennenzulernen. Hedy als Person war mir nicht sympathisch. Sie wirkte auf mich eher oberflächlich und ichbezogen, es fehlte ihr an emotionaler Tiefe. Sie lässt uns teilhaben an ihren Gedanken, ihre Gefühlswelt bleibt uns dagegen leider verschlossen.
Sehr interessant und fesselnd fand ich die Schilderung der politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit.

Leider zieht sich die Handlung des Buches über einen Zeitraum von nur 9 Jahren - ich hätte Hedy gern noch länger begleitet, um mehr über ihre späteren Jahre zu erfahren. Mich hätte auch interessiert, wie das Wiedersehen mit ihrer Mutter verlief und wie sich das Zusammenleben der beiden Frauen gestaltete.

Leseempfehlung für diesen unterhaltsamen Roman über eine außergewöhnliche Frau.