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meldsebjon
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Hattingen

Bewertungen

Insgesamt 138 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2011
Töchter des Schweigens
Barceló, Elia

Töchter des Schweigens


ausgezeichnet

Die langen Schatten der Vergangenheit.

Die erfolgreiche Regisseurin Rita kehrt 2007 erstmalig nach 33 Jahren an ihren Heimatort zurück. Ihre Tante ist gestorben und sie muss deren Nachlass regeln. Sie trifft fünf Freundinnen aus Schulzeiten wieder, die damals zusammen mit einem weiteren Mädchen eine verschworene Clique bildeten. Einen Tag später ist eine dieser Freundinnen tot. Mord oder Selbstmord? So einfach ist das nicht festzustellen.

Nach und nach erfährt der Leser mehr über diese Gruppe. 1974 war man gemeinsam mit anderen Klassenkameraden und Lehrern auf der Abschlussfahrt nach Mallorca. Einiges ist dort geschehen, was auch heute noch ein Geheimnis darstellt. Ein allgemein unbeliebtes Mädchen, Mati, hatte wohl auf der Rückfahrt einen Unfall. Auch schon damals hatten alle Gruppenmitglieder Geheimnisse und waren deshalb erpressbar. Schwangerschaft, sexueller Missbrauch, politische Demonstrationen und gleichgeschlechtliche Liebe waren zur Zeit Francos in Spanien Dinge, die man lieber verschweigen wollte.

Alle haben inzwischen eine Position eingenommen, als Rechtsanwältin, Ärztin, Hebamme, Ehefrau oder Mutter. Bei allen wirkt sich die Vergangenheit aus bis in die Gegenwart. Und alle haben das Geheimnis tief in sich begraben, kennen ohnehin nicht alle Details. Und dann taucht Rita auf und ein Film, den sie damals gedreht hat wird gezeigt und alles wird wieder aufgewühlt. Nichts ist wirklich vergessen, denn niemand hat es wirklich verarbeitet.

Mehr möchte ich hier nicht berichten, denn meiner Meinung nach ist dies ein Buch, das man unbedingt lesen sollte. Spannend, aber kein Thriller, obwohl es um Verbrechen geht. Oder vielleicht auch nicht: "It was a murder, but not a crime"; sagt Rita. Wie bei einer Zwiebel liegt unter jeder Wahrheit, die der Leser erfährt gleich wieder ein neues, altes Geheimnis darunter. Nicht nur die Geheimnisse sind vielschichtig, das ganze Buch ist es. Man erfährt viel von dem heutigen Spanien und sehr viel von dem alten Spanien zur Zeit Francos, der Flower-Power Bewegung und dem Leben in einer Kleinstadt.

Es ist die Geschichte von sieben Frauen, die sich völlig unterschiedlich entwickelt haben, aber dennoch eine Freundschaft über die Jahre und über große Entfernungen bewahrt haben. Eine ganz große Geschichte und eine ganz großartige Autorin!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.01.2011
Léon und Louise
Capus, Alex

Léon und Louise


ausgezeichnet

Gelebte Moral

Das Buch "Léon und Luise" beginnt mit der Beerdigung Léons 1986. Nach einem langen Leben hat er eine große Nachkommenschaft hinterlassen. Das Erscheinen einer alten Frau, die den Toten küsst, und die Reaktion der Familie lässt einen Skandal vermuten.

Ab dem Zweiten Kapitel beginnt dann der Bericht über Léons Leben ab seinem 17. Lebensjahr, als er Louise kennenlernt. Die beiden hat es in jungen Jahren ohne Familie in einen kleinen französischen Ort verschlagen, wo sie Arbeiten der eingezogenen Soldaten verrichten. Louise arbeitet beim Bürgermeister, Léon bei der Bahn. Man kommt sich näher, ganz zaghaft, wie es wohl zu dieser Zeit erwartet wurde. Nach einem zweitägigen Ausflug ans Meer geraten sie in einen der letzten deutschen Angriffe des ersten Weltkrieges, werden beide verletzt und halten sich gegenseitig für tot.

Beide können einander nicht vergessen, dennoch geht das Leben weiter. Léon arbeitet als Chemiker für die Polizei, Louise als Tippmamsell für die Bank, beide in Paris. Léon gründet eine Familie. Und dann begegnen sie einander wieder.....

Da der Enkel Léons der Erzähler ist, erfährt man recht viel über seinen Großvater, nicht sehr viel über Louise. Ihre Gedanken stammen aus Briefen, die sie Léon geschrieben hat. Für beide scheint das Leben ohne große Höhen und Tiefen dahinzuplätschern. Keine Rede von Karriere, Verzweiflung, Eifersucht, großer Liebe. Das ist einfach da und gehört dazu. Aber es gibt Regeln, die so tief verwurzelt sind, dass man gar nicht auf die Idee kommt, sie zu brechen.

Natürlich hat man Angst, wenn die Deutschen in Paris einmarschieren, aber man hat eigene Vorstellungen von Moral und dazu gehört auch ein gewisser Widerstand. Damit hebt sich Léon deutlich von seinen Mitarbeitern ab. Er führt ein moralisches Leben, er hilft wo er kann, aber die Sicherheit der Familie steht immer an erster Stelle. Er hat ein "friedfertiges Phlegma", eine "fröhliche Schwermut" und ist ein freundlicher Rebell.

Das ist eine ganz einfache, kleine Geschichte von einem ganz normalen Leben. Und doch steckt eine ungeheure Spannung darin. Alex Capus benutzt eine einfache, sehr stilsichere Sprache, die diese scheinbar einfache Geschichte perfekt wiedergibt. Dieses Buch habe ich in kürzester Zeit verschlungen und bin sicher, dass ich es mindestens noch einmal lesen werde. Ich glaube, dass noch viel mehr darinsteckt, als beim ersten Lesen erkannt werden kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.01.2011
Der Ruf der Highlands
Cameron, Amy

Der Ruf der Highlands


sehr gut

Für Winterabende am Kamin...

Lily, eine junge Lehrerin, uneheliche Tochter einer Köchin, lernt 1913 einen schottischen Baronet kennen und verliebt sich in ihn. Als Lehrerin hat sie bereits seine Tochter ins Herz geschlossen, so dass es ihm leicht fällt, sie für sich zu gewinnen. Als dann plötzlich ihre Mutter stirbt, sind alle Zweifel zunächst beseitigt und sie folgt im in die Highlands um ihn dort zu heiraten. In seiner Heimat angekommen lernt sie seine Familie kennen und wird gleich mit Kälte und Unfreundlichkeit empfangen und auch ihr Verlobter verändert sich zu seinen Ungunsten. Es schwebt ein Geheimnis um die ganze Familie, es gibt eine Familienfehde, die lange Zeit zurückreicht, über die scheinbar jeder Bescheid weiß. Aber ausser strändigen Andeutungen erfährt Lily nichts. Auch ihre eigene Herkunft birgt manche Geheimnisse.

Das ist der reine Kitsch! Keine Hintergrundinformationen, die Charaktere ohne wirkliche Tiefe, die Handlung vorhersehbar. Wer also richtig gute Literatur erwartet, wird sicher enttäuscht werden. Wer aber gerne so richtig eintauchen möchte in Herz, Schmerz, düstere Geheimnisse, der muss dieses Buch lieben. Es ist flüssig und gut geschrieben, die etwas komplizierte Vorgeschichte wird konsequent dargestellt und fesselt den Leser durch Spannung. Cover und Klappentext versprechen genau das, was das Buch hält: Gute, leichte Unterhaltung.

Schade nur, dass das Buch erst im Januar erscheint. Der größte Teil spielt um Weihnachten und Neujahr herum und es ist eindeutig ein Buch, das man in der dunklen Jahreszeit richtig gut genießen kann. Ich hoffe, dass diesem Erstling der Autorin noch weitere folgen werden!!

Bewertung vom 13.01.2011
Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand
Solomons, Natasha

Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand


ausgezeichnet

Die Schwierigkeiten der Integration

Man muss ihn einfach mögen, den kleinen Jacob Rosenblum oder Jack Rose. Als Jude flieht er gerade rechtzeitig mit Frau und Tochter aus Deutschland nach England. Seit er englischen Boden betreten hat, wünscht er sich nichts mehr, als ein wirklicher Engländer zu sein. Er hat eine Liste, auf der beschrieben ist, wie sich "der Engländer" in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen verhält. Er arbeitet Punkt für Punkt dieser Liste ab, fügt neue Punkte hinzu und merkt gar nicht, dass schon sein Akzent für immer verhindern wird, dass er von der "besseren" Gesellschaft akzeptiert wird.

Der letzte Punkt seiner Liste, die Mitgliedschaft in einem Golfclub, will einfach nicht gelingen, denn man nimmt ihn dort nicht auf, eben weil er nicht dazugehört. In seiner etwas eigenartigen Konsequenz ist es für ihn logisch, dass er dann eben einen eigenen Golfplatz bauen muss. Mit Feuereifer macht er sich ans Werk, stösst aber auch in der neuen Umgebung als Fremder auf Widerstand.

Bei all seinen Bemühungen hat er völlig übersehen, dass seine Ehefrau einen genau entgegengesetzten Kampf kämpft, nämlich den gegen das Vergessen. Sie hat ein schlechtes Gewissen gegenüber den zurückgelassenen Verwandten, weil sie überlebt hat und die anderen nicht. Deshalb ist sie krampfhaft bemüht, die Erinnerungen, die naturgemäß im Laufe der Zeit verblassen, wach zu halten. Und weil beide so konträre Ziele anstreben, entwickeln sie sich auseinander.

Erst als beide auf dem Land landen, wohin sie in ihrer beider Verschrobenheit ausgezeichnet passen, gewinnen sie Freunde und werden am Ende beide integriert, haben wirklich eine Heimat gewonnen und sich selbst wiedergefunden.

Dieses einfühlsam und durchaus humorvoll geschriebene Buch zeigt, wie schwierig es ist, in einem fremden Land nicht nur zurechtzukommen, sondern sich wirklich einzufügen. Trotz allen guten Willens bleibt eine Menge Fremdheit, weil man manche Dinge nicht wirklich erlernen kann. Man muss wirklich mit Gefühl dabei sein und erst dann kann es funktionieren. Gleichzeitug muss man seine Vergangenheit zurücklassen, sie wirklich abschliessen. Viele werden das gar nicht wirklich wollen, wenn sie nämlich an ihre Heimat nicht nur schlechte Erinnerungen haben. Einfach wird die Integration erst für die zweite Generation, wie man am Beispiel der Tochter Elizabeth sieht.

Dieses Buch sollte Pflichtlektüre sein für alle, die heute den Willen zur Integration ausländischer Mitbürger bemängeln, denn es zeigt, wie schwierig das auch bei bestem Willen sein kann. Es sollte aber auch von besagten ausländischen Mitbürgern gelesen werden, denn es zeigt, dass Integration möglich ist, ohne seine Persönlichkeit wirklich verändern zu müssen. Wichtig ist ein gegenseitiges Entgegenkommen.

Zwei Dinge habe ich allerdings zu bemängeln: Ich kann nicht verstehen, dass die Rosenblums als altes, weißhaariges Paar geschildert werden, obwohl sie doch höchstens in den vierzigern sein können, kamen sie doch als junges Ehepaar mit einem Säugling vor zwanzig Jahren nach England. Und dann der Titel: Warum wird nicht der wirklich treffende englische Titel übersetzt und man nennt das Buch "Mr. Rosenblums Liste"?

Bewertung vom 20.11.2010
Die Rebenprinzessin
Neuendorf, Corinna

Die Rebenprinzessin


weniger gut

Schade!
Ein adeliger Weinbauer hat einen Sohn, Martin, den er gegen dessen Willen vom Studium in Italien zurückbeordert. Er soll spionieren, weil ein anderer, verfeindeter Weinbauer einen besseren Wein herstellt als er und also bessere Geschäfte macht.

Der andere Graf hat eine Tochter, Bella, die den Weinanbau liebt und eigentlich eine gute Nachfolgerin wäre. Seit dem Tod seiner Frau ist der Vater aber hart und ungerecht und will sie mit einem Herrn von gutem Adel und schlechtem Charakter verheiraten, der nur hinter ihrem Geld her ist.

Natürlich verlieben sich die beiden ineinander und stehen gemeinsam gegen die vielen Feinde zusammen.

Das hätte so ein gutes Buch werden können. So wie es geschrieben wurde, ist es eher ein Groschenroman mit Überlänge. Es erweckt den Eindruck, schlampig und schnell heruntergeschrieben worden zu sein. Spachlich bleiben da viele Wünsche offen, man drückt sich derart hölzern aus, dass das Lesen keine wirkliche Freude macht. Da ist nichts an historischem Hintergrund, da haben die Personen keine Farbe, da gibt es keine Spannung, denn alles ist so vorhersehbar. Da gibt es Widersprüche, denn warum will Martin Reben stehlen, aus denen noch gar kein Wein hergestellt wurde? Die können doch den Reichtum gar nicht begründet haben!

Und dann ist da noch der Klappentext: Warum schreibt den niemand, der den Roman gelesen hat? Vielleicht weil niemand die ganzen 500 Seiten durchgehalten hat? Bellas Vater ist reich und der Freier will sein Geld, nicht umgekehrt! Und Martin kennt kein Geheimnis, das Bellas Vater retten könnte, vielmehr soll er ihm eines entreißen, das seinen Reichtum begründet hat.

Dieser Roman zeigt wieder einmal, dass es wirklich eine Kunst ist, ein kurzweiliges, leichtes Buch zu schreiben. Gerade das Leichte wird oft unterbewertet und ist doch so schwer zu schreiben! Es heisst ja, dass Corinna Neuendorf das Pseudonym einer bekannten Autorin ist. Irgendwie wundert es mich nicht, dass sie sich für die Veröffentlichung einen anderen Namen zugelegt hat!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.11.2010
Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim
Coe, Jonathan

Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim


sehr gut

Nichts für Depressive!

4.Maxwell Sim ist einsam. Bisher hat er ein "normales" Leben geführt, wie man es sich eben so vorstellt: Durchschnittliche Schulbildung, durchschnittlicher Beruf, zur passenden Zeit eine Ehefrau und eine Tochter. Ohne jemals über sich und seine Situation nachzudenken lebt er so neben anderen Menschen her.

Aber dann wird alles anders. Seine Frau trennt sich nämlich nach 15 Jahren von ihm und nimmt die gemeinsame Tochter mit. Er fällt in eine tiefe Depression, wird von der Arbeit für sechs Monate freigestellt und besucht am Ende dieser Zeit seinen Vater in Australien. Dort stellt er fest, dass sich nichts geändert hat, man sich weiterhin nichts zu sagen hat. Neidisch betrachtet er in einem Restaurant eine Mutter, die sich intensiv mit ihrer Tochter unterhält, also eine Beziehung zu ihr hat.

Auf dem Rückflug nach England sitzt er neben einem Herrn, den er verweifelt in ein Gespräch zu verwickeln sucht. Er muss erst durch das Kabinenpersonal darauf aufmerksam gemacht werden, dass er sich schon eine ganze Weile mit einem Toten unterhält. Hier wird deutlich, warum Max Sim so einsam ist: Er nimmt andere Menschen nicht richtig war, geht nicht auf sie ein, benutzt sie nur als Zuhörer,nicht als Teilnehmer. Auf der gleichen Ebene kann er genau deshalb auch so gute Gespräche mit Emma, dem Navigationsgerät, führen.....

Auf eben diesem Flug findet aber auch ein erster Kontakt zu der jungen Poppy statt, über die er später deren Onkel kennenlernt, der zu einer wirklich wichtigen Person wird.

Zu Hause, bzw. in seinem Haus, angekommen erdrückt ihn die Einsamkeit immer mehr. Er ergreift die Gelegenheit, sich von seim´nem alten Job zu trennen und geht als Vertreter für besondere Zahnbürsten auf die Reise zu den Shetland Inseln. Aber eigentlich arbeitet er nicht, sondern reist durch seine Vergangenheit. Auf dieser Reise erfährt er einiges über sich und die Gründe dafür, waruzm er so ist, wie er ist.

Lange hat es kein Buch mehr gegeben, das sich mir so schwer erschlossen hat, an dem ich so lange gelesen habe.Das kann nicht an dem recht flüssigen, nur gelegentlich langatmigen Schreibstil des Autors liegen. Vielleicht ist die zunächst hoffnungslose Grundstimmung der Grund. Mit 48 Jahren ist Max Sims so richtig am Ende, funktioniert nur noch, läuft der Vergangenheit hinterher und will sie zurückhaben, obwohl sie alles andere als perfekt war. Aber ihm scheint das immer noch lieber zu sein als die Aussicht auf eine leere und einsame Zukunft.

Dennoch konnte ich mich nicht entschließen, mit dem Lesen aufzuhören. Der Grund dafür wird sein, dass es ein wirklich gutes, tiefgründiges Buch mit einem kleinen Funken Hoffnung und einigen humorvollen Stellen ist. Es ist zwar weit davon entfernt, einen "Schelmenroman" zu sein, wie auf dem Cover angekündigt, aber es es hat doch eine Art den Leser zu fesseln. Wer sich darauf einlassen kann, das wirklich tragische Leben eines für die heutige Zeit typischen Menschen mitzuerleben, wird dieses Buch lieben. Wer selbst in solch einem Tal steckt sollte lieber etwas aufheiterndes lesen!

Bewertung vom 08.10.2010
Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3
Kutscher, Volker

Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3


ausgezeichnet

Schwarz-Weiß, Rot-Braun oder doch eher grau?

Es ist schon nicht leicht, für diese Rezension einen einleitenden Satz zu finden, denn so ganz deutlich ist es nicht, was Volker Kutscher mit "Goldstein" da eigentlich verfasst hat. Ist es ein Krimi, ein historischer Roman, ein zeitkritischer Krimi oder gibt es eine bessere Bezeichnung? Es hat von allem etwas, deshalb möchte ich mich lieber nicht festlegen.

Ein Teil der Handlung ist ein Krimi: Zwei jugendliche Kaufhausdiebe werden auf frischer Tat ertappt, einer der Täter stirbt, die andere entkommt, nachdem sie zuvor Zeuge wurde, wie ihr Komplize von einem Polizisten getötet wurde. Der Hehler der Beiden wird ermordet. Die Polizei überwacht einen amerikanischen Killer, um zu verhindern, dass dieser seinem Gewerbe auch in Berlin nachgeht. Zwei Tote werden gefunden. Ein alter Mann stirbt in einem Krankenhaus und hat mehr Morphium im Körper, als ihm der Arzt verabreicht hat. Zwei konkurrierende Verbrecherbanden stehen kurz vor einem Krieg.

Vieles ist auch Zeitgeschichte: Hohe Arbeitslosigkeit wirkt sich auf die Gesellschaft aus. Kommunisten gehen auf die Straße und demonstrieren nicht immer friedlich. Nationalsozialisten treten in Gruppen auf und sind dann gewaltbereit, wenn sie deutlich überlegen sind. Juden werden von nahezu allen anderen Bürgern als Aussenseiter angesehen, auch die, die in höheren Positionen z.B. bei der Polizei sind.

Volker Kutscher ist es gelungen, die Handlung ganz dicht am Geist der damaligen Zeit zu halten. Man spürt so richtig, was sich da entwickelt und man möchte so gerne eingreifen. Ganz deutlich ist die Hilflosigkeit derjenigen, die Gefahren erkennen. Und die Personen sind, wie der Einband: Grau. Es gibt, wie auch in der heutigen Gesellschaft, kein schwarz und weiß, kein richtig oder falsch. In vielen Fällen können die handelnden Personen nur moralisch richtig handeln, indem sie Regeln brechen. Um Zeugen zu finden, muss man einbrechen. Um Zeugen zu schützen, muss man deren Festnahme verhindern. Um Informationen zu erhalten, muss man mit Verbrechern zusammenarbeiten.

Insgesamt ist das Buch ganz ausgezeichnet geschrieben, immer spannend, mit vielen Hintergrundinformationen. Die Personen sind vielschichtig und haben Tiefe. Zwar müssen sie sich mit den Problemen ihrer Zeit auseinandersetzen, wie z.B. dem mühseligen Vergleichen von Fingerabdrücken, aber manche Probleme sind auch schon sehr modern, wie z.B. die Frage der Karriere einer Frau in einer Männerdomäne. Besonders gut hat mir gefallen, wie deutlich immer wieder auf die Zeit angespielt wurde. Wenn es die häufig genannten Zigarettenmarken, Tageszeitungen oder Kaufhäuser noch gabe, müsste man schon von "Schleichwerbung" sprechen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2010
Hart aber Hilde
Haskamp, Bettina

Hart aber Hilde


sehr gut

Gelungene Urlaubslektüre

"Hart aber Hilde" von Bettina Haskamp schildert mit leichter Hand und flüssigem Schreibstil die Freundschaft zwischen der chaotischen Pia und der realistischen Hilde. Pia versucht seit langem mit den verschiedensten Jobs, die vom weggelaufenen Mann übernommenen Schulden zu tilgen und ihr Leben und das ihres Sohnes zu finanzieren. Gemeinsam ist allen diesen Jobs, dass sie ungeliebt sind und eben nur Jobs.

Nachdem Pia Hilde kennengelernt hat, fängt sie an, selbstbewusster zu werden und ihre eigentlichen Talente zu sehen. Und irgendwie wird alles nach und nach besser.

Leicht und witzig geschrieben, ohne allzuviel Tiefgang, ist das eine wirklich gute Sommerlektüre, die zum Schmunzeln anregt, aber nicht vor platten Witzen strotzt. So etwas braucht man einfach auch einmal.

Auch auf die Gefahr hin, als Besserwisser anzukommen, kann ich es mir doch mal wieder nicht verkneifen, auf Fehler hinzuweisen. Das Lied "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen" ist viel älter als Wencke Myhre. Das ist einfach schlecht recherchiert. Dann wird aber innerhalb eines Absatzes Uwe als Joker bei "Wer wird Millionär" angerufen, und einen Satz später heisst es "wenn Karsten sich nicht geirrt hat..". Das ist einfach schlampig geschrieben bzw redigiert. Ich ärgere mich immer über solche Dinge, weil die Vermutung naheliegt, dass das nicht die einzigen Fehler sind und ich anderes glaube, obwohl das auch falsch ist.

Bewertung vom 15.08.2010
Headhunter
Nesbø, Jo

Headhunter


ausgezeichnet

Wer jagd hier eigentlich wen?

Roger Brown, von kleiner Statue aber mit großem Selbstbewußtsein, ist der beste Headhunter! Der offensichtlich beste Kandidat für eine Position, Clas Greve, unterscheidet sich aber ein wenig von allen bisher vermittelten Personen. Plötzlich ist es nicht mehr sein Kopf, hinter dem Roger her ist, sondern umgekehrt und plötzlich muss man den Begriff "Headhunter" wieder ganz wörtlich nehmen.

Man könnte wirklich mehr verraten, aber es wäre schade um die Spannung, die dann verloren ginge. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite ist dieses Buch geschrieben!

Mich hat beeindruckt, wie der Autor mit dem Leser spielt. Eigentlich möchte man doch immer Position beziehen und auf der Seite des "Guten" stehen, aber hier ist nicht so leicht zu entscheiden, wer gut ist und wer böse. Letztlich muss man sich aber für eine der Personen entscheiden, mit der man mitfiebert. Ich habe mich gefragt, warum mir diese Person, trotz all der unsympathischen Züge doch so wichtig war, dass ich ihr einen guten Ausgang der ganzen verzwickten Geschichte gewünscht habe. Und ich habe zwei Gründe gefunden: Einmal gibt es in seinem Leben eine Frau, die ihm wirklich wichtig ist und für die er viel zu tun und zu ertragen bereit ist. Und dann ist da noch der unbedingte Überlebenswille, der ihn Auswege finden lässt, die mir im Traum nicht eingefallen wären! Irgendwie glaube ich, dass ich wirklich lieber gestorben wäre, als mich an bestummten Orten zu verstecken!!!

Eine Sache hat mich gestört, und das ist die wieder einmal schlampige Arbeit der Druckerei oder des Verlages. Auf den leztzten Seiten gibt es wirklich viele Druckfehler!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.