Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
ulrikerabe
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 195 Bewertungen
Bewertung vom 04.02.2019
Black Hand
Talty, Stephan

Black Hand


sehr gut

Berühmt, berüchtigt und gefürchtet – das war die Black Hand, la mano nera, die Schwarze Hand: die erste italienische Mafia auf Amerikas Boden. Wer von diesem kriminellen Bund einen Brief erhielt, hatte allen Grund, um sein Leben oder das seiner Angehörigen zu fürchten. Schutzgelderpressung, Entführung, Brandstiftung, Bomben, Schießereien auf offener Straße gehörten der Tagesordnung an im Little Italy zum Ende des 19. Jahrhunderts und später. Doch ein Mann stellte sich diesem Verbrechersyndikat mutig in den Weg: Joe Petrosino.
Stephan Talty hat mit Black Hand eine umfassende Aufarbeitung der Anfänge der Mafia in Amerika verfasst und berichtet spannend informativ zugleich aus dem Leben des italoamerikanischen Detective. Joe Petrosino war selbst Kind italienischer Einwanderer und erlebte so von Kindheit an die Ressentiments gegen die italienische Bevölkerungsgruppe. 1883 trat er als erster Italiener in den Polizeidienst des NYPD. Durch seinen enormen Ehrgeiz, sein unglaubliches Talent, sich Gesichter merken zu können und seine Kreativität bei der Verfolgung und Unterwanderung von Verbrechern hatte er zwar bald Erfolg bei der Aufklärung von Verbrechen, wurde aber noch lange nicht in Polizeikreisen anerkannt. Vor allem die eingeschworene irische Gemeinschaft machte ihm immer wieder zu schaffen.
Stephan Talty bietet mit diesem Buch sehr genaue und interessante Einblicke in die Welt des organisierten Verbrechens und dessen Bekämpfung. Auch wenn das Buch über einige Längen verfügt, bleibt es im Gesamten kurzweilig und spannend. Talty vermittelt ein ausdrucksstarkes Bild von Detective Petrosino, dem er mit diesem Buch ein Denkmal setzt.

Bewertung vom 27.01.2019
Stieg Larssons Erbe
Stocklassa, Jan

Stieg Larssons Erbe


sehr gut

Im Februar 1986 wurde der schwedische Ministerpräsident Olof Palme auf offener Straße erschossen. Bis heute ist dieser Mord ungeklärt. Der Journalist Jan Stocklassa begibt sich nun auf die Spurensuche in diesem politischen Cold Case. Dazu bedient er sich des Archivs von Stieg Larsson. Larsson kennen wir wohl alle als Autor der hervorragenden Millenium Trilogie. Doch sein Hauptaugenmerk galt dem viel zu früh verstorbenen Autor und Journalisten immer der Bekämpfung von Rechtsextremismus. Dafür gebührt Larsson Hochachtung und Anerkennung.
Sehr gründlich und ausführlich beschreibt Stocklassa nun die Hintergründe, die Ermittlungsfehler, die politischen Strukturen und Machtgeflechte. Waffenhandel, Spionage, KGB? Die Recherchen führen Stocklassa nach Südafrika, dessen Geheimdienst immer wieder im Geruch stand, Drahtzieher des Palme-Mordes gewesen zu sein. Andererseits findet er unzählige Indizien, die zu einem fanatischen Einzeltäter führen könnten. Undercover und mit Lockvogel versucht er von Rechtsextremisten Informationen zu erlangen. Ist es möglich, dass jetzt, mehr als 30 Jahre nach den tödlichen Schüssen, der echte Täter ermittelt werden kann?
Diese True Crime Analyse bleibt bei aller Akribie – und einiger Längen - durchwegs spannend und absolut lesenswert.

Bewertung vom 19.01.2019
Lenz / Kommissar Eschenbach Bd.6
Theurillat, Michael

Lenz / Kommissar Eschenbach Bd.6


ausgezeichnet

Kommissar Eschenbach hat sich eine Auszeit gegönnt. Doch als er in den Zürcher Polizeidienst zurückkehrt, ist alles ganz anders als früher. Bald hat er das Gefühl, dass er von wichtigen Informationen abgeschnitten wird. Kein Wunder, denn sein Freund Ewald Lenz, ehemals Leiter des Polizeiarchivs, wird als Terrorist verdächtigt.
Es ist ein sehr geschickt konstruierter Kriminalroman, den Michael Theurillat vorgelegt hat. Es ist mittlerweile der sechste Band, in dem Kommissar Eschenbach ermittelt. Das spielt aber für Quereinsteiger in diese Reihe keine Rolle. Theurillat schildert diesen Fall in zwei Erzählsträngen und verschiedeneren Zeitebenen. Wie gut kennt Lenz seine Freunde? Ewald Lenz ist eine Einzelgänger. Für den gesundheitlich stark angeschlagenen Walter Habicht, einem Studienkollege, den Lenz seit mehr als 40 Jahren kennt, erfüllt er einen Freundschaftsdienst und gerät unversehens unter Terrorverdacht.
Dieser literarisch ansprechende Kriminalroman ist keine durchschnittliche Massenware, kein Reißer. Subtil, mit Schweizer Gründlichkeit, ja nahezu beschaulich erzählt Theurillat. Aber deswegen ist die Handlung nicht weniger spannend und bedrohlich. Der Autor betont zwar in seinem Nachwort, dass es sich bei seinem Werk um reine Fiktion handelt. Aber was er erzählt, könnte genausgut wirklich so passiert sein. „Manchmal ist die Realität noch verrückter als meine Fantasie.“, erklärt er. Dem kann, muss man zustimmen. Theurillat geht mit der Mittelmäßigkeit, dem Mainstream zu Gericht, mit der digitalen Generation, die beeinflussbar geworden ist durch gezielte Falschinformationen, alternativen Fakten in (Sozialen) Medien, die denkfaul geworden ist, die sich bestätigt fühlt, deren Ängste künstlich geschürt wird, die den Wahrheitsgehalt von Informationen nicht mehr hinterfragt, weil sie sich nur mehr in der Blase bewegt, die ihr recht gibt. Es ist ein brandaktuelles Thema, großartig umgesetzt.

Bewertung vom 11.01.2019
Stella
Würger, Takis

Stella


ausgezeichnet

Es ist 1942, mitten im Krieg zieht der junge Schweizer Friedrich nach Berlin. Dort begegnet und verliebt er sich in das Aktmodell und Barsängerin Kristin. Doch eines Tages steht die junge Frau vor seiner Tür, geschlagen und kahl rasiert. „Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt!“, gesteht sie, die eigentlich Stella Goldschlag heißt, Jüdin ist und für die Gestapo als Greiferin arbeitet.
Stellas Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten. Takis Würger verpackt diese Geschichte, spielt mit Fakten und Fiktion. Zart und brutal, dekadent und voller Verzweiflung, obsessiv und sehnsüchtig, die Palette an Gefühlen dieses Romans ist so vielfältig, wie die Farben, die Friedrich aufgrund einer Kindheitsverletzung nicht mehr sehen kann. Es ist auch ein guter Teil des Romans, der sich mit Friedrichs Biografie beschäftigt. Einsamkeit war dem jungen Friedrich nicht fremd, aufgewachsen in einem Chalet, der Vater wohlhabend aber kaum anwesend, die Mutter übermächtig und Alkoholikerin. Es ist die Suche nach „der Wahrheit“, die den jungen Mann nach Berlin treibt, aber gleichzeitig auch ein Ausbruch aus dem goldenen Käfig, trotz aller Naivität das Aufstöbern der niedrigsten Instinkte Das Verbotene treibt ihn an, der Besuch von Jazzclubs im Untergrund, Alkohol, Drogen. Nahezu obszön empfand ich die Beschreibung von Nächten im Bombenkeller bei Schampus und Geigenmusik. Der Schweizer Pass als Joker ständig im Hinterkopf. Ein wenig wirkt das Erzählte wie aus einem Paralleluniversum
Auf den Boden der Tatsachen kehrt man zurück durch kleine Chroniken historischer Fakten und Randnotizen, die immer wieder eingeschoben werden. Und natürlich der Paukenschlag über Stellas wahres Gesicht. Opfer oder Ungeheuer? Bei dieser Geschichte gibt es kein schwarz oder weiß. Wie weit kann man gehen, sein Leben, das Leben von Angehörigen zu retten. Wie weit kann Liebe über Schuld hinweggesehen. Friedrich erzählt aus seiner Kindheit, dass er die Einsamkeit ertrug, weil er nicht vermissen konnte, was er nicht kannte. Stella sagte später: „Noch schlimmer als die Angst war die Einsamkeit.“
Die Liebesgeschichte von Stella und Friedrich ist tragisch, hoffnungslos, und konnte nur fatal enden. Wenn die Not über die Moral siegt, bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2018
Good Night Stories for Rebel Girls 2
Favilli, Elena;Cavallo, Francesca

Good Night Stories for Rebel Girls 2


ausgezeichnet

Da sind sie wieder, 100 weitere außergewöhnliche Frauen. Die Good Night Stories for Rebel Girls gehen in die Verlängerung. War für den ersten Band noch ein bemerkenswertes Crowdfunding nötig, war dieser zweite Band quasi ein Selbstläufer. Elena Favelli und Francesca Cavallo berichten neuerlich über insgesamt 100 Frauenleben, und wieder wird jede Kurzbiografie grafisch und künstlerisch untermalt. Es sind begeisternde, inspirierende, motivierende, einfach nur wunderbare Portraits von Frauen aus allen Kulturen, Erdteilen, allen Alters und Zeiten. Schriftstellerinnen, genauso wie Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen, Adlerjägerin und Feuerwehrfrau, Fernsehmoderatorinnen, Spionin und Kriegerin. Alles können sie sein, die Rebel Girls in diesem Buch. Genau das ist die Botschaft, die hier verkündet wird: Mädchen, Frauen allen Alters, lest dieses Buch, alleine, noch besser jemandem anderen vor, euren Müttern, Töchtern, Freundinnen, aber auch Brüdern, Vätern, Ehemännern. Nach diesen Gutenachtgeschichten träumt nie(Mann)d mehr vom schwachen Geschlecht.
Und um es wie Beyonce zu sagen: „Okay, Ladies, now let’s get in formation!

Bewertung vom 23.12.2018
Ofirs Küche
Graizer, Ofir Raul

Ofirs Küche


ausgezeichnet

„Alles begann mit einer Aubergine“, so beginnt Ofir Raul Graizers Kochbuch „Ofirs Küche“. Der israelische Filmemacher, den es nach Berlin verschlagen hat, ist kein Küchenchef, er kocht zu Hause in einer Küche wie wir sie alle haben. Sein Beruf ist es Geschichte zu erzählen, Kochen (und Essen) sein Vergnügen. Und ob als Regisseur oder als Koch, in beiden Fällen „werden die Zutaten zu einer Mixtur von Farbe, Geschmack und Emotion“. In kalten Berliner Nächten hat er sich mit den Früchten, Gewürzen und Gerichten seiner levantinischen Heimat getröstet. Mit diesem Kochbuch bringt er uns nun die israelisch-palästinensisch-türkisch-arabische Küche zu uns nach Hause. Die Rezepte sind einfach nachzukochen, die meisten Zutaten sind mittlerweile in gut sortierten Supermärkten erhältlich. Zu jedem Rezept gibt es ein farbenfrohes anregendes Bild. Was mir bei der Anleitung besonders gut gefallen hat, sind die Hinweise auf vegan, laktose- oder glutenfrei. Wenn Ofir mit uns Tacheles spricht, dann hat er schlicht und einfach in ganz wenigen Worten die Quintessenz des Rezeptes zusammengefasst. Also, auf geht’s in die Küche!

Bewertung vom 05.12.2018
Walter muss weg / Frau Huber ermittelt Bd.1
Raab, Thomas

Walter muss weg / Frau Huber ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Die alte Huberin ist endlich Witwe. Walter, ihr Angegrauter, soll in den Armen von Svetlana das Zeitliche gesegnet haben. Doch am Tag der Beerdigung liegt ein falscher Toter in Walters Sarg.
Thomas Raab hat mit „Walter muss weg“ eine skurrile Krimikomödie geschaffen. In Glaubenthal sind sie alle zu finden, die Klischees ländlichen Lebens. Der Bürgermeister und Dorfarzt in Personalunion, der Dorfpfarrer, seine Haushälterin, die Blasmusiker und die Puffmutter, die Wirtsleute und Bauernschädeln. Und mittendrin Hannelore Huber, grantige Alte mit gut getarntem weichem Herzen. Vordergründig schiebt Raab eine Wuchtel nach der anderen, fast war es mir anfangs zu viel der Kalauer. Doch hinter den Fassaden spielen sich so manche zwischenmenschlichen Tragödien ab. Raab ist Wortakrobat und Gedankenspringer, zwischen all dem Wortwitz spart er jedoch nicht an gesellschaftskritischen Spitzen. Tiefschwarzer Humor und gleichzeitig Empathie zu vermitteln, das ist in meinen Augen eine Glanzleistung und beste Unterhaltung.

Bewertung vom 02.12.2018
Flucht in die Schären / Thomas Andreasson Bd.9
Sten, Viveca

Flucht in die Schären / Thomas Andreasson Bd.9


ausgezeichnet

Die junge Mutter Mina Kovacs wurde Opfer massiver häuslicher Gewalt. Nachdem ihr Mann Andreis schon im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Drogenhandel und Steuerhinterziehung stand, veranlasste die Chefanklägerin Nora Linde Minas Unterbringung in einem Frauenhaus. Doch der extrem gewaltbereite Andreis ist nicht so leicht aufzuhalten.
„Flucht in die Schären“ von Viveca Sten ist mittlerweile der 9. Fall aus der Reihe um Thomas Andreasson und Nora Linde. Auch wenn es sich bei diesem Fall nicht um einen klassischen Krimi handelt, wo es gilt, einen Täter zu ermitteln, fand ich dieses Buch überaus spannend. Die Autorin vermittelt sehr eindringlich, welchen Ängsten Mina und ihre Eltern durch die ständige Bedrohung des aggressiven Ehemanns ausgesetzt sind. Andreis - in einem patriarchalisch archaischen Weltbild verhaftet, Rückblenden schildern seine Kindheit und Flucht aus dem Kriegsgebiet Bosnien – hat nie gelernt, anders als mit Gewalt auf Konflikte zu reagieren.
Skandinavische Krimis beschäftigen sich oft kritisch mit sozialpolitischen Brennpunkten. So greift auch Viveca Sten wichtige Themen auf: Gewalt gegen Frauen, immer noch der blinde Fleck in unserer Gesellschaft, aber auch die Entwurzelung von Flüchtlingen und das Versagen der Gesellschaft bei Integration. Auch und gerade in Unterhaltungsliteratur finde ich es gut und wichtig, mit diesen Themen konfrontiert zu werden. Es macht die Geschichte authentisch und umso lesenswerter.

Bewertung vom 29.11.2018
Die Unsterblichen
Benjamin, Chloe

Die Unsterblichen


ausgezeichnet

Es ist Sommer 1969 in der New Yorker Eastside, das Jahr von Woodstock, der Mondlandung, der Verurteilung der Mörder von Martin Luther King und Robert Kennedy. Doch das Spannendste, was den Geschwistern Gold passiert, ist die Katze gelegentlich aus dem Ofenrohr zu befreien. Doch dann spricht sich herum, dass in der Nachbarschaft eine Hellseherin eingezogen ist, die jedem Menschen den Tag seines Todes nennen kann. Varya, Daniel, Klara und der kleine Simon Gold machen sich auf, sich diese Information zu holen, unbedarft und nicht ahnend, welche Konsequenzen dies für jeden einzelnen von ihnen haben wird.
Der Tod ist unausweichlich. Jeder von uns weiß, dass er einmal sterben wird. Aber wollen wir wirklich wissen, wann genau? Inwieweit könnte dieses Wissen unser Leben beeinflussen, verändern? Zufall, Schicksal oder selbsterfüllende Prophezeiung? Diese Fragen wirft die Autorin Chloe Benjamin in ihrem Roman Die Unsterblichen auf. Es ist eine zutiefst menschliche Geschichte, an der sie uns teilnehmen lässt, voll mit allen Höhen und Tiefen des Lebens, Liebe Begierde, Träume, Verlust, Trauer und Neubeginn. Mit großer Zuneigung zu ihren Figuren und viel Erzählfreude lässt uns die Autorin das Leben und Sterben der Geschwister Gold verfolgen. Es ist ein Buch, das ein bisschen traurig stimmt über die Vergeudung junger Leben und nachdenklich macht über die eigene Endlichkeit.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.11.2018
Opfer
Lemaître, Pierre

Opfer


ausgezeichnet

Es ist kein guter Tag für Anne Forestier. Unvermittelt wird sie Zeugin der Vorbereitungen zu einem Raubüberfall und dadurch zum Opfer, äußerst brutal zusammengeschlagen. Es ist aber auch kein guter Tag für Kommissar Camille Verhoeven, als er erkennen muss, dass das Opfer seine Lebensgefährtin ist. Unter diesen sehr persönlichen Voraussetzungen gestalten sich die Ermittlungen kompliziert.
Protokollartig, sprachlich sehr verkürzt schildert Pierre Lemaitre den gewaltsamen Angriff auf Anne und das weitere Geschehen. Die Schreibart ändert sich nur dann, wenn der in die Erzählperspektive des Täters wechselt. Abgehackt, atemlos und sehr invasiv vermittelt der Autor einerseits die Brutalität der Tat. Aber auch das Dilemma des Kommissars, in das dieser mehr und mehr gerät, lässt einen nicht unberührt. So unbarmherzig wie das Schicksal ist dieses Buch. Es ist mit Sicherheit keine anspruchslose Durchschnittsware. Der Fokus liegt nicht in einer rasanten Handlung, viel spielt sich in Gedanken der Protagonisten ab. Wer aber Freude an literarisch ungewöhnlichen Thrillern hat, ist mit diesem Buch aller bestens bedient.