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Dajobama

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 19.08.2020
Zugvögel
McConaghy, Charlotte

Zugvögel


ausgezeichnet

Zugvögel – Charlotte McConaghy

Ich liebe Abenteuer- und Schifffahrtsgeschichten und diese hier verbindet das mit aktuellen Themen wie dem Klimawandel und einer tragischen Liebesgeschichte.

Franny gibt sich als Ornithologin aus und überredet den Kapitän eines der letzten Fischerboote, sie mitzunehmen bis in die Antarktis - wohin die vermutlich letzte Reise der Küstenseeschwalben gehen soll. Die Fahrt ist gefährlich, das Wetter unberechenbar, Frannys Vergangenheit ein einziges großes Geheimnis.
Es ist eine düstere Zukunftsvision, die die Autorin hier zeichnet, jedoch gar nicht so unwahrscheinlich. Beinahe alle wildlebenden Tiere sind bereits unwiderruflich ausgestorben. Schuld daran ist der Mensch.
Die Crew, mit der Franny reist ist exzentrisch. Jeder hat einen Grund, am Fischfang festzuhalten, obwohl da kaum noch etwas zu holen ist. Das Meer ist praktisch leer.
Gerade wegen der Seefahrt und auch wegen der Verbissenheit einiger Protagonisten, erinnerte mich dieser Roman stellenweise recht stark an Moby Dick. Zunehmend rückt aber auch das Thema des Artensterbens in den Vordergrund.
Aber die Autorin macht es spannend. Am Anfang gibt es viele große Fragen, die zum Teil erst ganz zum Schluss aufgeklärt werden. Was treibt Franny an, warum macht sie das, was hat sie noch alles zu verbergen?
So wird die gefährliche Schifffahrt immer wieder unterbrochen durch Rückblenden in Frannys früheres Leben. Diese bringen langsam Licht ins Dunkel ihrer Geheimnisse. Ich fand das sehr gut gemacht und wirklich spannend!

Die Protagonistin Franny ist nicht unbedingt eine Sympathieträgerin. Identifizieren kann man sich eher nicht mit ihr. Zu irrational sind ihre Handlungen, zu wenig weiß man von ihren Beweggründen. Das hat mich hier aber überhaupt nicht gestört, denn der Leser bekommt immer wieder Häppchen serviert und am Ende löst sich alles auf.

Es ist insgesamt ein eher düsterer Lesegenuss, anders als das Cover vielleicht vorgaukelt. Die überwältigende Todessehnsucht Frannys kämpft gegen ihre Verbissenheit ihre Ziele zu erreichen, koste es was es wolle. Fesselnd und faszinierend erzählt.
Man merkt schon, dass der Autorin die aktuellen Themen Natur, Klimawandel, Artensterben, am Herzen liegen.
Ein wunderbares Debüt, das mich bestens unterhalten hat. Ich hoffe, da kommt noch viel mehr von dieser Autorin!
5 Sterne

Bewertung vom 03.10.2018
Piccola Sicilia
Speck, Daniel

Piccola Sicilia


ausgezeichnet

Piccola Sicilia ist ein Viertel in der tunesischen Hafenstadt Tunis. Vor dem Krieg leben an diesem Kreuzungspunkt am Mittelmeer viele Kulturen und Religionen friedlich zusammen. Ein multikulturelles Paradies in Nordafrika, nur wenige Kilometer durch das Meer von Europa (Sizilien) getrennt.
Im Jahr 1942 erreicht der Krieg der Europäer das Land und stürzt es ins Chaos.
"Die Tunesier starben, ohne etwas mit dem Krieg der Europäer zu tun zu haben. Ihr Tod hatte nichts Ehrenhaftes, es war kein Opfer für die Heimat, sondern einfach nur sinnlos." Seite 157

Moritz ist hautnah dabei, als Kameramann für die deutsche Propaganda, doch er kehrt nie zu seiner schwangeren Verlobten zurück.
Jahrzehnte später reist seine Enkeln Nina nach Sizilien, um ein verschollenes Flugzeug vom Meeresgrund zu bergen. Kam ihr Großvater darin ums Leben? Was ist damals wirklich passiert in Tunis?
Aus den verschiedenen Zeitebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt der Autor die Geschichten von Moritz und Nina. Und er erzählt sie gut. Denn er hat ein sehr komplexes Buch geschrieben, das unheimlich viele Themen beinhaltet.

Daniel Speck überrumpelt seine Leser mit einer recht unbekannten Sichtweise des Krieges. Tunesier als absolut Unbeteiligte werden zu Opfern. Gerade in dem Schmelztiegel unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen hat ein Eindringen okkupierender Streitmächte gravierende Folgen.
Dabei liefert der Autor viele Informationen, sei es über Rommels Truppen in Nordafrika, den übereilten Rückzug der Deutschen, oder auch über das jüdische Gedankengut. So spricht er die aus dem Krieg resultierende Entwurzelung und Perspektivlosigkeit von Millionen von Menschen an, in erster Linie Juden aller Nationen, doch durchaus auch anderer Religionen. Häufig drängt sich dem Leser ein Bezug auf die heutige Zeit auf. Die Gefühle von Flüchtlingen, die sich zwischen den Welten befinden und nirgendwo hingehören sind zeitlos und nicht an Orte gebunden.
"Heimat, ein fester Rahmen für die Seele. " Seite 465

Dieser Roman enthält unglaublich viele tiefgründige und kluge Denkanstöße. Immer wieder musste ich innehalten und über das Gelesene nachdenken. Ich fand es sogar gut, dass der Leser einige der Handlungsstränge und Richtungen bereits am Anfang kennt oder zumindest erahnt. Somit kann man sich besser auf die tollen Sätze und Lebensweisheiten konzentrieren.

Wer macht uns zu dem, was wir sind? Inwieweit können wir das überhaupt beeinflussen? Ist die eigene Identität eine Sache der Entscheidung oder prägen uns vielmehr die Erfahrungen und Erlebnisse unserer Eltern, vielleicht unbewusst?
Nicht zuletzt, wie kann eine Familie mit der ungeklärten Abwesenheit einer geliebten Person umgehen? Eine Frage, die sich durch das ganze Buch zieht.

Ein wichtiges Buch, ein kluges Buch, in dem es sehr viel zu entdecken gibt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.