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Ste

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Insgesamt 200 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2021
Der Tod und das dunkle Meer
Turton, Stuart

Der Tod und das dunkle Meer


sehr gut

Ein wendungsreicher Kriminalroman vor historischer Kulisse

Inhalt: Batavia 1634. Ein Schiffskonvoi macht sich auf die strapaziöse, achtmonatige Reise nach Amsterdam. Mit an Bord der „Saardam“ ist der Meisterdetektiv Samuel Pipps, der kurz zuvor noch erfolgreich einen wichtigen Auftrag für den Generalgouverneur Jan Haan ausgeführt hat. Doch Pipps betrat das Schiff nicht als gefeierter Held, sondern als Gefangener. Was er sich angeblich hat zu Schulden kommen lassen, weiß nur Haan. Auch sonst steht die Fahrt unter keinem guten Stern. Kurz vor der Ausfahrt aus dem Hafen sprach ein Aussätziger Verwünschungen über das Schiff aus – obwohl er keine Zunge besaß. Anfangs werden seine Worte noch als Geschwätz eines verwirrten Geistes abgetan, doch plötzlich finden sich auf dem Schiff seltsame Male. Die Matrosen sind sich sicher: Ein Dämon treibt sein Unwesen.

Persönliche Meinung: „Der Tod und das Dunkle Meer“ ist ein Kriminalroman von Stuart Turton, in dem sich Elemente der Gattung „historischer Roman“ finden. Turton wehrt sich zwar in seinem – recht eigenwillig geschriebenem – Nachwort gegen diese Bezeichnung, weil er bewusst nicht alles 100%ig historisch korrekt beschrieben hat, aber dennoch ist gerade im Mittelteil die Handlung eher historisch als krimimäßig. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus den Perspektiven von Arent Hayes, dem Leibwächter und Freund Samuel Pipps, und Sara Wessel, der Frau des Generalgouverneurs. Bei der Beziehung von Pipps und Arent erinnert einiges an „Sherlock Holmes“. Pipps ist ein brillanter Beobachter und deduziert – wie Holmes – aus den kleinsten Beobachtungen die waghalsigsten, aber richtigen Schlüsse. Arent übernimmt die Rolle des Watson, des helfenden Sidekicks, der die berühmtesten Fälle des Detektivs verschriftlicht. Es gibt aber in „Der Tod und das Dunkle Meer“ einen gravierenden Unterschied: Pipps, der Meisterdetektiv, kann aufgrund seiner Gefangenschaft nicht ermitteln, sodass Arent und Sara die Rolle der Ermittlerfigur einnehmen und versuchen herauszufinden, was der Ursprung der mysteriösen Vorfälle auf dem Schiff ist. Die Handlung beginnt durch das Aufwerfen einiger Fragen bzw. das Schildern mysteriöser Umstände sehr spannend. Im Anschluss an den starken Anfang, fällt die Spannungskurve etwas. Nach dem ersten Auftauchen des Mals beginnen Arent und Sara mit ihren Ermittlungen, suchen den Ursprung des „Dämons“, treten aber auf der Stelle. Auch das Mal zeigt sich (zunächst) nicht wieder, sodass die Handlung mehr oder weniger stillsteht. Das Leben auf dem Schiff, das detailliert beschrieben wird, nimmt in diesem Mittelpart einen großen Raum ein. Für Spannung sorgt eher, dass die Vergangenheit einzelner Figuren beleuchtet wird und verborgene Beziehungen aufgedeckt werden. Generell sind die Figuren eine große Stärke des Romans. Einerseits besitzen sie eine schöne Dreidimensionalität, andererseits sind viele Figuren nicht das, was sie vorzugeben scheinen, wodurch die Handlung insgesamt an Wendungsreichtum und Überraschungsmomenten gewinnt. Nach dieser eher spannungsarmen Phase steigt die Spannungskurve wieder: Mysteriöse Begebenheiten nehmen zu, die Taktung der Morde ist höher, es kommt zu einigen wichtigen Aufdeckungen. Zuletzt nimmt auch das Ende der mysteriösen Vorfälle einen großen Raum ein: Hier werden – auch wieder in Holmes-Manier – wirklich alle Fragen beantwortet, sodass die Handlung insgesamt sehr schlüssig und rund ist. Die Auflösung ist zwar nicht so bahnbrechend und „twistig“ wie der Schluss von Turtons „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“, aber dennoch sehr überraschend und nicht vollständig zu erahnen. Wie schon in „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ schreibt Turton metaphernreich und detailliert, sodass man in die Handlung hineingezogen wird und tiefenscharfe Bilder entstehen. Insgesamt ist „Der Tod und das Dunkle Meer“ aber ein wendungsreicher und gut durchdachter historischer Kriminalroman, der dreidimensionale Figuren besitzt und schön geschrieben worden ist.

Bewertung vom 19.08.2021
Stanislaw Lem
Gall, Alfred

Stanislaw Lem


ausgezeichnet

„Stanisław Lem – Leben in der Zukunft“ von Alfred Gall (Literaturwissenschaftler und Slawist) ist eine Biografie, die sich mit Leben und Werk von Stanisław Lem (1921-2006), einem der meistgelesenen Science-Fiction-Autoren, beschäftigt – wobei: Der Begriff „Science-Fiction“ trifft Lem nicht vollends. Einerseits ging Lems Œuvre weit über die Sci-Fi hinaus; andererseits sah Lem sich – wie Gall in der Einleitung der Biografie ausführt – nicht als Science-Fiction-Autor. Er selbst benannte seine Arbeiten als „wissenschaftliche Phantastik“. Denn: Lem legte ein großes Augenmerk auf das „Science“ in der Science-Fiction, sodass er in seine Werke verstärkt technisches Wissen einbaute, immer mit der Intention, aufklärerische Arbeit zu betreiben (Lem selbst interessierte sich sehr für technische und wissenschaftliche Entwicklungen wie z.B. Kybernetik oder Raumfahrt). Ausgehend von diesen Überlegungen entfaltet Gall etappenweise das Leben Lems. Die Kapiteleinteilung orientiert sich dabei sowohl an den unterschiedlichen Schaffensperioden Lems als auch an politischen Umbrüchen Polens, wo Lem hauptsächlich gelebt hat. Dementsprechend ist auch die Biografie kein bloßes Herunterrattern wichtiger Ereignisse aus dem Leben von Lem. Im Gegenteil: Lems Leben und Schaffen werden in den zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet, von dem man seine Werke nicht losgelöst betrachten kann. Der zeitgeschichtliche Kontext wird daher in jedem Kapitel überblicksartig behandelt. Dabei nimmt Gall vordergründig eine politikgeschichtliche Perspektive ein und schildert politische Umbrüche in Galizien und der Volksrepublik Polen (wie die nationalsozialistische Besetzung Galiziens, den Einfluss des Stalinismus auf die junge Volksrepublik und die antisemitischen Kampagnen in Polen Ende der 1960er). All dies beeinflusste das Schreiben Lems, wie Gall ausführlich beschreibt, in zweierlei Hinsicht: Einerseits hatte Lem mit der Zensur zu kämpfen, was seine Publikationen beeinflusste. Andererseits spielen bestimmte, zeitgeschichtliche Ereignisse häufig eine versteckte, literarisch gebrochene Rolle in seinen Werken. Lem war nämlich – auch das führt Gall schön aus – ein wacher Geist, der seine Gegenwart aufmerksam beobachtete und kritisch durchleuchtete. Gall beschäftigt sich außerdem in der Biografie mit den bekanntesten Werken Lems, analysiert diese und stellt ihre Besonderheiten heraus. Bei allem schreibt Gall sachlich und verständlich, nicht überkompliziert. Insgesamt ist „Stanisław Lem – Leben in der Zukunft“ eine spannende Biografie eines im Mainstream etwas in Vergessenheit geratenen Autors. Dabei geht Gall ausführlich auf Leben und Werk Lems ein und kontextualisiert dies mithilfe des geschichtlichen Horizontes, vor dem Lem gelebt hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2021
Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2
Izquierdo, Andreas

Revolution der Träume / Wege der Zeit Bd.2


ausgezeichnet

Eine sehr starke Fortsetzung

Inhalt: Berlin 1918. Der Krieg ist vorbei. Genauso wie die Monarchie. Doch Deutschland kommt nicht zur Ruhe, denn die Taktung der Putschversuche ist hoch. Auch Isi, Carl und Artur werden in den Sog dieser Zeit gezogen. Während Isi sich von den Revolutionen mitreißen lässt, siedelt sich Artur in der Berliner Unterwelt an und baut dort ein Imperium auf. Carl wird bei der jüngst gegründeten „Universum-Film Aktiengesellschaft“, kurz Ufa, vorstellig, möchte dort als Kameramann arbeiten und taucht in die Welt des Films ab.

Persönliche Meinung: „Revolution der Träume“ ist ein historischer Roman von Andreas Izquierdo. Es ist der zweite Band der „Wege der Zeit“-Reihe, die im Juli 2020 mit „Schatten der Welt“ begonnen hat. „Revolution der Träume“ führt die Handlung von „Schatten der Welt“ fort, weshalb man als Neueinsteiger*in in die Reihe zunächst mit dem ersten Band beginnen sollte. Erzählt wird „Revolution der Träume“ aus der (retrospektiven) Ich-Perspektive von Carl. Die drei ProtagonistInnen sind nach den Ereignissen von „Schatten der Welt“ keine Kinder oder Jugendlichen mehr. Im Gegenteil: Der Krieg hat sie erwachsen gemacht, sodass sie sich ganz anderen Sorgen und Verantwortungen stellen müssen. Die Handlung besitzt viele starke, emotionale Szenen: Wie schon im vorherigen Band begleiten wir die drei durch Schicksalsschläge und Glücksmomente, sodass man beim Lesen (zusammen mit Isi, Carl und Artur) eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebt. Außerdem ist die Handlung unvorhersehbar, wendungsreich und dadurch spannend. Alle drei ProtagonistInnen sind auf ihre Art sympathisch: Isi ist eine starke Frau, die sich nicht vor Konfrontationen scheut und mit dem damals vorherrschenden Rollenverständnis bricht; der immer wieder krumme Dinge drehende Artur gibt sich zwar oft stahlhart, allerdings schlummert unter dieser Schale ein weicher Kern. Carl wiederum ist empathisch, verantwortungsbewusst und vielleicht ein bisschen zu ernst. Der Roman spielt zeitlich vor dem Hintergrund der jungen Weimarer Republik, deren Frühzeit durch Putschversuche von rechts und links geprägt wurde. Dieser historische Hintergrund ist fundiert recherchiert und sehr passend in den Roman eingeflossen. So ist einerseits der Lebensweg der ProtagonistInnen z.T. mit den Putschversuchen verwoben, andererseits treffen sie auf einige historische Persönlichkeiten aus Politik und Film. Filmfans werden generell auf ihre Kosten kommen: Carl trifft bekannte Schauspieler und Regisseure, arbeitet in Erinnerungsorten der Filmgeschichte, besucht Premieren und diskutiert vereinzelt die Machart und die Bedeutung der Filme. Auch der Erzählstil hat mir sehr gut gefallen. Izquierdo schreibt empathisch, immer mit Liebe zum Detail und feinem Humor, der zwischen den Zeilen hervorlugt. Insgesamt ist „Revolution der Träume“ ein fundiert recherchierter, spannender historischer Roman mit sympathischen Figuren, Gefühl und einer unvorhersehbaren Handlung.

Bewertung vom 04.08.2021
Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1
Beckett, Simon

Die Verlorenen / Jonah Colley Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannender Reihenauftakt mit einem interessanten Protagonisten

Inhalt: Zunächst ist Jonah Colley nur irritiert, als er von seinem langjährigen Freund Gavin einen bedeutungsschwangeren Anruf bekommt. Gavin habe einen großen Fehler gemacht, nur Jonah, der schnellstmöglich zum Slaughter Quay kommen solle, könne ihm helfen. Seltsam, denn Jonah und Gavin hatten seit zehn Jahren keinen Kontakt mehr. Dennoch macht Gavin sich auf den Weg zum Quay, wo er Gavins Leiche und drei weitere in Folie gewickelte Menschen findet – ehe er bewusstlos geschlagen wird. Schwer verletzt erwacht er im Krankenhaus und gerät plötzlich in das Fadenkreuz der leitenden Ermittler, die ihn als Hauptverdächtigen sehen. Denn: Am Quay wurde das Blut einer Person gefunden, die vor Jahren verdächtigt wurde, Jonahs Sohn entführt zu haben. Was ist tatsächlich am Quay geschehen und wie hängt dies mit Jonahs Vergangenheit zusammen?

Persönliche Meinung: „Die Verlorenen“ ist ein Thriller von Simon Beckett und der Auftakt zu einer neuen Buchreihe. Der Thriller wird hauptsächlich aus der Perspektive von Jonah Colley erzählt. Besonders zu Beginn wechselt sich der Erzählstrang, der in der Handlungsgegenwart spielt (die Ereignisse am Quay und deren Nachspiel), mit einem Strang ab, der die Vergangenheit von Jonah beleuchtet. In „Die Verlorenen“ tritt Jonah eher als Antiheld auf. Er ist ein Einzelgänger, durch die Ereignisse am Quay körperlich angeschlagen, durch seine Lebensgeschichte psychisch nicht immer stabil. Kurzum: Er ist nicht der strahlende Held, dem alles gelingt, wodurch er insgesamt aber sympathisch ist. Die Handlung selbst ist spannungsgeladen und mit einigen, unerwarteten Wendungen gespickt, sodass eine temporeiche Handlungskurve entsteht. Mehrmals werden falsche Fährten gelegt, permanent fragt man sich, wie die Mordfälle am Quay und das Verschwinden von Jonahs Sohn zusammenhängen. Man glaubt zwar, des Rätsels Lösung näher zu kommen, allerdings: Die Auflösung der Mordfälle ist so überraschend, dass sie kaum hervorzusehen ist, wodurch ein sehr starkes Ende entsteht, das zudem Perspektiven für folgende Bände öffnet. Wie schon in der „David-Hunter-Reihe“ besticht Beckett auch hier durch seinen Erzählstil, der nüchtern bis lakonisch ist und auf eine reißerische Wortwahl verzichtet. Auch die Szenerien werden realitätsnah beschrieben. Gerade diese Nüchternheit sorgt für eine latente Unbehaglichkeit und Nervenkitzel, was sich beides konsequent durch den Thriller zieht. Insgesamt ist „Die Verlorenen“ ein packender Thriller mit einem interessanten Protagonisten und einer spannenden, unvorhersehbaren Handlung.

Bewertung vom 30.07.2021
Angstrichter / Grall und Wyler Bd.4
Schütz, Lars

Angstrichter / Grall und Wyler Bd.4


ausgezeichnet

Ein äußerst spannender Thriller

Inhalt: Nürnberg. Verteilt an den vier Toren der Stadt hängen Körperteile einer Leiche. Fast zeitgleich findet sich im Internet ein Video, das eine gefesselte Person zeigt, die – nach mittelalterlicher Manier – gevierteilt wird: Ein selbsternannter Richter treibt sein Unwesen. Ein neuer Fall für die Profiler Jan Grall und Rabea Wyler, die sich erneut an die Abgründe der menschlichen Psyche vortasten.

Persönliche Meinung: „Angstrichter“ ist ein Thriller von Lars Schütz und der vierte Band um die Profiler Jan Grall und Rabea Wyler. Der Thriller wird hauptsächlich im Wechsel aus den Perspektiven von Jan und Rabea erzählt. Zusätzlich dazu werden auch mehrmals die Perspektiven von weiteren Figuren eingenommen, wodurch Tempo und Spannung des Thrillers zunehmen. Wie schon den vorherigen Grall-und-Wyler-Thrillern liegt auch „Angstrichter“ eine interessante und originelle Idee zugrunde. Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Täter imitiert eine Art von Rechtsprechung, die im Mittelalter begründet zu sein scheint. Dementsprechend finden sich auch einige interessante Informationen zur mittelalterlichen Rechtsprechung im Thriller. Die Handlung von „Angstrichter“ ist durchweg spannend und rasant: Die Taktung der Morde ist hoch; Jan und Rabea gehen verschiedenen Spuren nach, landen aber teilweise in Sackgassen – nicht selten bringen sie sich dabei selbst in Gefahr. Der Fall ist durch die unterschiedlichen Perspektivierungen schön verworren und rätselhaft, sodass man nicht direkt weiß, welche Mosaikstücke wie und warum zusammenhängen. Auch die Identität der Täterfigur und deren Motiv bleiben bis zur schlüssigen Auflösung trüb. Das Ende ist dadurch – in mehrfacher Hinsicht – überraschend. Schön fand ich auch, dass neue Figuren, die sich als wichtig für Jan und Rabea entpuppen, im vierten Band eingebaut worden sind und so zusätzlich frischen Wind in die Handlung bringen (welche Figuren das sind möchte ich aus Spoilergründen nicht sagen :D). Wie schon die Vorgängerbände lässt sich auch „Angstrichter“ durch den anschaulichen und deutlichen Erzählstil von Lars Schütz ausgesprochen flüssig lesen. Da der Fall in sich abgeschlossen ist, kann man ihn auch lesen, ohne die Vorgängerbände zu kennen. Für ein tieferes Verständnis der Figuren (Jan und Rabea entwickeln sich über die einzelnen Bände hinweg), ist es aber sinnvoll, zunächst die Vorgängerbände zu lesen. Insgesamt ist „Angstrichter“ ein sehr spannender, schön geschriebener Thriller mit einem interessanten Modus Operandi des Täters.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2021
Die Götter müssen sterben
Bendzko, Nora

Die Götter müssen sterben


sehr gut

Inhalt: Der Kampf um Troja beginnt. Auch das Volk der Amazonen zieht auf Geheiß und mit dem Segen der Göttin Artemis in den Kampf. Doch bereits zu Beginn kommt es innerhalb der Amazonen zu Disputen. Artemis‘ Segen fiel nicht auf eine große Kriegerin, sondern auf Areto, eine Schreiberin und ehemalige Athenerin, die vor einigen Jahren bei den Amazonen Unterschlupf gefunden hat. Nicht jede ist zufrieden mit dieser Wahl. Aus Amazonensicht ist sie schwach. Kann Areto dem Anspruch, der mit der Segnung einhergeht, gerecht werden?

Persönliche Meinung: „Die Götter müssen sterben“ ist ein Dark Fantasy-Roman von Nora Bendzko. Erzählt wird er wechselweise aus den Perspektiven von Areto, einer Athenerin, die bei den Amazonen lebt, Clete, einer Amazonenkriegerin, und Penthesilea, einer Königin der Amazonen. Es ist also eine spannende Mischung unterschiedlichster Perspektiven. Besonders interessant war für mich die Perspektive Aretos. Sie ist keine Amazone, das Kämpfen ist ihr fremd, sodass sie einen anderen Blick auf das Leben der Amazonen hat. Zugespitzt wird die Lage dadurch, dass ausgerechnet sie, die Nicht-Kriegerin, von der Göttin Artemis gesegnet wird. Der Einstieg in das Buch fiel mir etwas schwer. Das lag einerseits daran, dass man mit vielen Figuren konfrontiert wird und man sich zunächst in der Figurenkonstellation orientieren muss. Andererseits fehlte mir zu Beginn auch etwas der rote Faden und die Handlung stand eher still, wodurch Spannung verloren ging. Zuletzt muss man sich auch erst an den Erzählstil gewöhnen. Er ist stellenweise in Wortwahl und Satzbau pathetisch, was sehr gut zu den antiken Vorbildern passt, aber gleichzeitig etwas ungewohnt ist, sodass man sich zunächst „hineinlesen“ muss. Mit der Zeit legen sich aber diese Anfangsschwierigkeiten, man findet immer besser in die Handlung hinein und wer sich nicht abschrecken lässt, wird belohnt. Die Handlung nimmt an Tempo und Spannung zu, denn auf ihrer Reise nach Troja müssen die Amazonen einige Gefahren überwinden. Viele dieser Episoden, wie diejenigen, die im Hades spielen, die Konfrontation mit Dionysos‘ Hof des Gelächters, der wahnsinnig lachend durch das Land der Skythen marodiert, oder die Szenen, die Penthesileas Vergangenheit beleuchten, sind unheimlich stark – sowohl atmosphärisch als auch sprachlich. Teilweise sind sie auch brutal, allerdings nicht so sehr, dass es abschrecken würde. Beeindruckt haben mich auch die vielfältigen Figuren, die im Roman in Erscheinung treten. Die Figuren sind durchweg divers, wodurch sich „Die Götter müssen sterben“ vom Mainstream der Fantasy-Literatur abhebt. Es treten in „Die Götter müssen sterben“ sowohl homosexuelle, asexuelle als auch bisexuelle Figuren auf. Auch eine non-binäre Figur spielt eine größere Rolle, wobei mir hierbei sehr gut gefallen hat, wie diese Figur pronominal angesprochen wird. Außerdem finden sich Figuren, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben. Jeder Figur wird innerhalb der Handlung mit Empathie, Offenheit und Sensitivität begegnet. Insgesamt ist „Die Götter müssen sterben“ ein Fantasyroman, durch den man sich zu Beginn etwas „kämpfen“ muss. Wer weiterliest, wird allerdings belohnt: mit beeindruckenden, queeren Figuren und vielen starken Szenen.

Bewertung vom 28.07.2021
Dinosaurier / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.1
Kessel, Carola von

Dinosaurier / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.1


ausgezeichnet

Ein toller Wissensschatz

„Dinosaurier“ ist ein Kindersachbuch aus der Ravensburger-Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“ und richtet sich an Erstleser. Es beschäftigt sich mit vielen Fragen rund um das Thema „Dino“. Wann und wo haben die Dinos gelebt? Warum gibt es heutzutage keine mehr? Wie sah ihr Leben aus? Welche besonderen Dinosaurier gibt es? Und woher wissen wir überhaupt so viel über Dinosaurier, obwohl niemand je einen lebenden Saurier gesehen hat? Man erkennt schon: Das „Dinosaurier“-Buch ist ein toller Informationsschatz. Die Fragen werden dabei in kurzen, prägnanten Sätzen kindgerecht beantwortet und sind fachlich fundiert. Aufgelockert wird der Text durch zahlreiche, farbige Abbildungen, die das Aussehen der unterschiedlichen Saurier veranschaulichen. Sehr schön ist auch, dass immer mal wieder Leserätsel eingebaut werden (Buchstabenschlange, Kreuzworträtsel, Bilderzuordnungen, Aufkleben von Stickern usw.). So werden die Kinder aktiv in den Leseprozess eingebunden und stärker motiviert, gründlich zu lesen. Insgesamt ist „Dinosaurier“ ein sehr schönes, informatives Kindersachbuch, das sich toll an der Zielgruppe orientiert.

Bewertung vom 27.07.2021
Sie schlüpfen auch in deiner Stadt / Bloom Bd.2
Oppel, Kenneth

Sie schlüpfen auch in deiner Stadt / Bloom Bd.2


ausgezeichnet

Eine spannende und gelungene Fortsetzung

Achtung: „Bloom – Sie schlüpfen auch in deiner Stadt“ ist der zweite Band der „Bloom“-Trilogie. Die Rezension beinhaltet deswegen Spoiler zum ersten Band „Bloom – Die Apokalypse beginnt in deinem Garten“.

Inhalt: Mithilfe von Anaya, Petra und Seth sind die außerirdischen Pflanzen, die die Welt bevölkern, unter Kontrolle. Die Gefahr ist gebannt – so scheint es. Doch gerade, als sich die Lage etwas entspannt, fällt ein neuer Regen auf die Erde, gefüllt mit extraterrestrischen Eiern, aus denen gefährliche Insekten schlüpfen. Wer es da genau auf die Erde abgesehen hat, ist immer noch unklar – bis ein außerirdisches Wesen plötzlich Kontakt zu Anaya aufnimmt.

Persönliche Meinung: „Bloom – Sie schlüpfen auch in deiner Stadt“ ist eine Sci-Fi-Jugendthriller von Kenneth Oppel. Der zweite Band schließt direkt an die Handlung des ersten Bandes an. Erzählt wird er wechselweise aus den Perspektiven von Anaya, Petra und Seth. Stärker noch als im ersten Band wird auf die Gefühle der drei Protagonisten eingegangen, was authentisch und anschaulich beschrieben wird und die Figuren nahbarer macht. Die drei haben gerade erst erfahren, dass sie kryptogene DNA in sich tragen; nun werden sie aus ihrem gewohnten Umfeld entrissen und ihre Körper und Fähigkeiten verändern sich weiter, sodass sie verunsichert und verwirrt in die Zukunft blicken. Sind sie noch Menschen – oder doch schon Kryptogene? Was wollen sie überhaupt sein? Zusätzlich dazu ist ihnen (und damit den Leser*innen) lange Zeit unklar, welchen Personen sie vertrauen können und welchen nicht, sodass ein spannender und überraschender Handlungsbogen entsteht, der von Misstrauen geprägt ist. Diese inneren Konflikte, die Anaya, Petra und Seth mit sich ausfechten, sind stark und glaubwürdig beschrieben. „Bloom – Sie schlüpfen auch in deiner Stadt“ entwickelt darüber hinaus noch weitere Handlungsstränge weiter, die bereits in Band 1 aufgeworfen worden sind. So lernen wir etwas mehr über das Leben der Kryptogenen kennen, die die Welt kolonisieren wollen und einzelne Konflikte spitzen sich zu. Außerdem folgt der ersten Kolonisationswelle (die außerirdischen Pflanzen) nun eine zweite (die außerirdischen Tiere), wobei es sich bei den Tieren, die nun die Erde bevölkern, um alptraumhafte Wesen handelt, die detailliert beschrieben werden. Zuletzt wird auch die Welt, in der „Bloom“ spielt, durch den Pflanzen- und Tierbefall immer dystopischer und feindseliger. Der Erzählstil ist anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Bloom – Sie schlüpfen auch in deiner Stadt“ eine gelungene, spannende Fortsetzung, die die im ersten Band aufgeworfenen Handlungsstränge konsequent weiterentwickelt und gekonnt innovative Sci-Fi-Elemente mit einer Thrillerhandlung verwebt.

Bewertung vom 19.07.2021
Zwölf Sünden
Nähle, Kirsten

Zwölf Sünden


ausgezeichnet

Inhalt: Würzburg. Ein Familienvater springt während des Stadtlaufs „Würzburg läuft“ von der Alten Mainbrücke. Auf den ersten Blick deutet alles auf einen Selbstmord hin, doch mit der Zeit kommen Oberkommissarin Victoria Stahl und ihrem Partner Daniel Freund Zweifel. Kurze Zeit später ereignet sich ein neuer Todesfall: Ein Pharmavertreter wird vergiftet aufgefunden – in der Nähe der Alten Mainbrücke. Gleichzeitig bekommt Susanne Riehl, Journalistin und Freundin von Daniel, seltsame Nachrichten einer Gruppe, die sich selbst „Die Wächter“ nennt. Haben Victoria und Daniel es mit Serienmördern zu tun?

Persönliche Meinung: „Zwölf Sünden“ ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe von Kirsten Nähle. Erzählt wird der Roman wechselweise aus den Perspektiven von Victoria, Daniel und Susanne. Zwischendurch werden immer wieder kürzere Szenen eingestreut, die aus der Sichtweise der „Wächter“ geschrieben sind und deren Vergangenheit erzählen. Was mir in Bezug auf Victoria, Daniel und Susanne besonders gefallen hat, ist, dass sie nahbar sind: Neben ihrer Arbeit werden sie auch von privaten Problemen und Alltagssorgen eingenommen wie bspw. die Alzheimererkrankung der Mutter oder das Eingewöhnen in eine neue Arbeitsstelle. Dadurch besitzen die drei Figuren eine schöne Tiefe und Dreidimensionalität, was sie authentischer, menschlicher und letztlich auch sympathisch macht. Darüber hinaus trumpft „Zwölf Sünden“ mit einer durchweg spannenden Handlung und einem durchdacht konstruierten Fall auf, der zudem ein überraschendes Ende besitzt. Durch die häufigen Perspektivwechsel und die kurzen Kapitel ist das Erzähltempo vergleichsweise hoch, sodass im Roman keine Passagen zu finden sind, in denen die Luft raus ist. Außerdem ist Würzburg, der Handlungsort des Krimis, nicht nur bloße Kulisse, vor der die Figuren agieren, sondern entscheidend für die Fallkonstruktion: Aus einem bestimmten Grund, der im Handlungsverlauf offenbart wird, ist ein Würzburger Bauwerk immens wichtig für die Taten der „Wächter“. Mir hat daran besonders gefallen, wie durchdacht und eng dieses Bauwerk in die Handlung eingeflochten ist (mehr kann ich ohne Spoiler nicht verraten). Daneben wird die Stadt am Main lebendig beschrieben, sodass man dem Roman auch ohne Ortskenntnis sehr gut folgen kann. Der Schreibstil von Kirsten Nähle lässt sich sehr angenehm und flüssig lesen. Insgesamt ist „Zwölf Sünden“ ein spannender Kriminalroman mit schön ausgestalteten, sympathischen Figuren, der auch Leser*innen fesseln wird, die noch nie in Würzburg waren.

Bewertung vom 14.07.2021
Die Farbe der See
Bank, Jan von der

Die Farbe der See


sehr gut

Inhalt: Kiel 1939. Unverhofft darf der 19-jährige Segelmacher Ole Storm an der Starboot-WM teilnehmen. Sein Steuermann, Konteradmiral Paul von Wellersdorf, gilt als einer der besten Segler, doch es ist Oles besondere Fähigkeit, die den beiden Siege einfährt: Anhand des Farbwechsels des Meeres erkennt Ole Strömungs- und Tiefenunterschiede, die man sich beim Segeln zunutze machen kann. Einige Monate später treffen sich der Konteradmiral und Ole unter anderen Vorzeichen wieder. Der Krieg hat begonnen. Wieder segelt Ole unverhofft unter dem Konteradmiral – diesmal auf der „Skagerrak“, eine Segelyacht, die eigentlich zur Ausbildung der Offiziersanwärter dient. Doch von Wellersdorf hat ganz eigene Pläne mit der Yacht, wofür er Oles besondere Fähigkeit braucht…

Persönliche Meinung: „Die Farbe der See“ ist ein Roman von Jan von der Bank, der zeitlich vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges spielt. Erzählt wird die Handlung von einem personalen Erzähler aus der Perspektive Oles. Eine Besonderheit des Romans ist sein maritimes Setting: Die Handlungsorte sind hauptsächlich das Kattegat, das Meeresgebiet zwischen Schweden und Jütland, und die Meerengen der schwedischen Küste. Die Protagonisten durchsegeln diese Meerengen in zum Teil waghalsigen und abenteuerlichen Manövern, was besonders für segelaffine Leser*innen interessant ist. Aber auch, wenn man mit Segeln nichts am Hut hat, kann man sich sehr gut in die Manöver hineinversetzen, da sie anschaulich und ausführlich beschrieben werden. Daneben wird eine spannende Handlung geboten. Anfangs noch eher Abenteuerroman entwickelt sich „Die Farbe der See“ immer mehr zu einem spannenden Spionageroman. KLEINER SPOILER Die „Skagerrak“ transportiert nämlich eine den Kriegsverlauf entscheidend verändernde Fracht, die aus Deutschland herausgeschmuggelt werden soll, damit sie nicht in die Hände der Nationalsozialisten fällt. Diese wollen die „Skagerrak“ aber nicht einfach ziehen lassen, sodass ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel quer durch das Kattegat beginnt. SPOILER ENDE Die genaue Route von Ole Storm lässt sich auf drei Seekarten, die im Buch abgedruckt sind, sehr gut nachvollziehen. Zu diesem Haupthandlungsstrang gesellt sich in einer Nebenhandlung noch eine Liebesgeschichte. Die Handlung ist insgesamt äußerst wendungsreich und dramatisch: Nicht jeder wird die Fahrt überleben, Nationalsozialisten fahren unerkannt auf der „Skagerrak“ mit und als sicher geltende Allianzen sind brüchig. Dadurch ist die Handlung spannend und sehr unvorhersehbar. Insgesamt ist „Die Farbe der See“ ein spannender, wendungsreicher Spionageroman vor einem maritimen Hintergrund.