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monerl

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Insgesamt 232 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2018
Ede und Unku
Wedding, Alex

Ede und Unku


ausgezeichnet

Meine Meinung
Nachdem ich vor Kurzem “Ede und Unku – Die wahre Geschichte” von Janko Lauenberger gelesen habe, dem Ur-Großcousin von Unku, wollte ich im Nachgang auch die Geschichte von Ede & Unku kennen, in der Unku eine Rolle gespielt hat.

Wir lernen zu Beginn Ede Sperling und seine Familie kennen. Edes Vater ist Arbeiter und wird arbeitslos. Maschinen ersetzen seine Arbeitskraft. Das bedeutet, dass die Familie in naher Zukunft einige Entbehrungen erfahren wird. Ede will helfen und ergattert den Aushilfsjob Zeitungen auszutragen.

Er lernt Unku auf dem Jahrmarkt kennen. Unku ist ganz anders als andere Mädchen und Kinder. Sie ist lustig, frei und auch ein bisschen Vorlaut. Ihr Lachen ist ansteckend und Ede hat viel Spaß mit Unku und bei ihrer Familie. Denn Unku ist ein Sinti-Mädchen, das mit ihrer Familie im Wohnwagen lebt. Dort ist es zwar sehr eng, doch gehen die Familienmitglieder auch irgendwie anders damit und miteinander um, als Ede es gewohnt ist. Unku spricht auch eine andere Sprache, von der Ede sehr begeistert ist. Gerne merkt er sich den einen oder andern Ausdruck, den er mit großer Freude vor seinen Freunden verwendet.

Auch ein neues Fahrrad, darf Ede sein Eigentum nennen und eines Tages ist es weg. Wie soll Ede nun seine Zeitung ohne das Fahrrad, das zudem so teuer war, austragen? Und was hat es mit Max´ Vater auf sich, der zu den Kommunisten gehörte? Und warum versteckt er sich im Schrank bei den Sperlings?

Die Autorin hat ein schönes Kinder- und Jugendbuch geschrieben, in dem es um Freundschaft und Mut geht und über all die Abenteuer, die Ede und Unku dabei erleben.

Die schönen Geschichten basieren auf wahren Erlebnissen, von denen Alex Wedding persönlich erfahren hatte, da sie mit Unku und ihrer Familie befreundet war. Bei vielen Besuchen konnte sie so die Geschichten sammeln und schrieb darüber dann dieses Buch.

Zum Hörbuch
Heike Makatsch trifft genau den richtigen und verschmitzten Ton, um der Geschichte einen besonderen Reiz zu geben. Ein wunderbares Hörbuch, das Spaß macht.

Fazit
Die Abenteuer von Unku und ihrem Freund Ede, als die Welt für Sinti und Roma noch einigermaßen in Ordnung war. Es tut gut zu wissen, dass die im KZ ermordete Erna Lauenburger, die unter ihrem Sinti-Namen Unku bekannt und die Vorlage für die Unku im Buch war, wenigsten eine schöne Kindheit hatte.

Bewertung vom 13.06.2018
Gebrauchsanweisung für Kroatien
Marinic, Jagoda

Gebrauchsanweisung für Kroatien


ausgezeichnet

Meine Meinung
Bald ist Sommerzeit und die Urlaubszeit bricht an. Für alle, die noch nicht wissen, wohin ihre Reise gehen soll, denen empfehle ich Kroatien. Und wenn sie sich bisher noch nicht über Land & Leute informiert haben, ist diese überarbeitete und erweiterte Neuausgabe der ursprünglichen Erstausgabe von 2013 genau die richtige Lektüre.

Die Autorin selbst ist gebürtige Kroatin und man merkt genau, wie sehr sie das Land ihrer Eltern und Vorfahren liebt. Doch auch dabei findet sie im Buch genau den richtigen Ton, um das kleine und vom Bürgerkrieg gebäutelte Land zu beschreiben. Durch Ironie, Wortwitz und auch Ernsthaftigkeit erklärt sie dem interessieten Lesen warum jede Region anders ist, warum es so viele Dialekte gibt und auch warum die Hauptstadt Zagreb, im Vergleich zu anderen europäischen Hautstädten, ganz eigen und unvergleichlich ist.

Jagoda Marinic nimmt uns mit auf die Halbinsel Istrien und auf ein paar bekannte und größere der 1185 vorgelagerten Inseln, die natürlich nicht alle bewohnt sind. Durch viele (Geheim)Tipps wird man zum Kenner von landestypischen Gerichten und wo und wie man sie am besten isst. Auch kulturelle Ereignisse kommen nicht zu kurz. Je nachdem, was das eigene Herz begehrt, werden einem Musik- als auch Theaterfestivals vorgestellt. Für Sportbegeisterte, die ihre Aktivitäten außerhalb des Meeres machen wollen, kann man das Land mit dem Fahrrad oder Kanu erkunden, klettern, Rafting ausprobieren, Kitesurfen oder auch Canyoing betreiben. Kroatien ist vielseitig und es scheint für jeden etwas dabei zu sein.

Am besten nimmt man sich etwas Zeit und macht eine (kleine) Rundreise. Wer wissen will, wie der Drehort der Winnetou-Filme in natura aussieht, der macht einen Ausflug zum Nationalpark Plitvicer Seen. Wer lieber Städte erkundet, wird sich in Rijeka, Zadar, Split und Dubrovnik wohlfühlen und auf Entdeckungstour gehen können. Und für all die Faulen und Leseratten (wie mich), gibt es zahlreiche, wunderschöne Strände entlang der Adria, wo das Lesen große Freude macht.


Fazit
Ein wunderbarer Reiseführer der anderen und ganz speziellen Art, der neben Touristenatraktionen auf die Besonderheiten von Kroatien und den Charakter der Menschen eingeht. Historie und Gegenwart, über beides sollte man Bescheid wissen, um bei manchen Punkten nicht anzuecken. Jagoda Marinic gibt dabei sehr gute Hilfestellung. Und wer wissen will, welchen Schinken sich die Queen servieren lässt, warum Tito sich die Inseln Brijuni für seine Sommerrezidenz ausgesucht hat und was das alles mit James Joyce und dem Ulysses Teatar zu tun hat, dem empfehle ich dringend dieses Buch zu lesen (und danach nach Kroatien zu fahren).

Bewertung vom 04.05.2018
Sami und der Wunsch nach Freiheit (Ungekürzt) (MP3-Download)
Schami, Rafik

Sami und der Wunsch nach Freiheit (Ungekürzt) (MP3-Download)


sehr gut

Kurzmeinung:

Genre: Roman

Handlung: Scharif, der der katholischen Minderheit in Syrien angehört und auf seiner Flucht aus Syrien über die Türkei im Mai 2012 in Deutschland angekommen ist, vermisst seinen besten Freund Sami, mit dem er seine Kindheit und sein ganzes Leben, bis zur Flucht, verbracht hat. Sie teilen große und kleine Geschichten, die sie verbinden. Im Leben geht es nicht nur gut und schön zu. Es gibt Höhen, Tiefen und einige Verletzungen und ein jede hinterlässt mal große, mal kleine Narben in unserem Leben. Samis Leben in Syrien hat, obwohl er noch sehr jung ist, bereits viele Narben. Scharif erzählt uns von diesen Wunden.

Charaktere: Obwohl dies ein Roman voller Geschichten ist, ist dies eine Erzählung von wahren Erlebnissen. Scharif und Sami sind nicht erfunden. Rafik Schami lernt den geflüchteten Scharif kennen, der ihm von sich erzählt. Dabei kann er Sami nicht auslassen, denn sein und Samis Geschichten überschneiden sich sehr. Und so lässt der Autor die beiden Freunde vor unserem Auge entstehen und schreibt eine ganz andere Art von Fluchtgeschichte.

Spannung: Dieses Buch lebt nicht von Spannung. Auch wenn man gespannt ist, was die beiden Jungen so erleben und wie es dazu kam, dass sie fliehen mussten.

Schreibstil: In typischer Schami-Manier bekommen wir viele Geschichten in einer. Denn im Leben von Sami spielen auch der Postbote Elias, Josephine, der Süßigkeitenverkäufer Hasan und noch viele andere eine große Rolle. Und alle haben Spuren und Einkerbungen in Samis Herzen hinterlassen. Der Autor erzählt ein wahres "Märchen" und findet die richtigen Worte, einerseits den Finger in die Wunden Syriens (Drill und harte Schläge in den Schulen, Überwachung der Menschen durch den Geheimdienst, Folterungen der Menschen bei Nichtgefallen ihrer Lebensweise, Äußerungen usw., der Kinderaufstand in 2012 und die unmenschliche Reaktion des Regimes darauf) zu legen und andererseits dennoch eine angenehme Geschichte darüber zu schreiben, die man gerne liest und die der Gewalt etwas die Kraft nimmt, ohne sie zu verharmlosen. Denn Schami will berichten, informieren, die Augen öffnen, den Fokus auf die Menschen legen und nicht die Leser verschrecken. Das ist wahre Schreibkunst!

Ende: Alles spitzt sich zu. Im Laufe der Zeit ist abzusehen, dass die Menschen zwar ein Leben in Ruhe und Frieden haben wollen aber dass es so nicht weitergehen kann. Das moderne Leben und das Internet verhelfen zu großer Vernetzung trotz der alltäglichen Überwachung und der Aufstand bricht aus. Das Regime findet keine Kontrolle außer Freiheitsberaubung, Gewaltausübung und unmenschlicher Folterung bis hin zur Tötung. Menschen, von Kindern bis zu Erwachsenen, sind nicht mehr sicher und müssen fliehen, um ihr Leben zu retten. So trennen sich durch die Flucht die Wege von Scharif und Sami. Und ich hoffe für sie, dass sie irgendwann wieder zusammenfinden und ein glückliches Leben führen dürfen, egal wo das sein mag.

Hörbuch: Der Sprecher trifft genau den richtigen Erzählton für diese Geschichte. Manchmal frech, manchmal melancholisch aber auch hoffnungsvoll, je nachdem, welche Geschichte gerade erzählt wird. Ich habe sehr gerne zugehört und Scharif und Sami auf ihrem Weg begleitet.

Fazit: Da ich eine große vielen kleinen Geschichten bevorzuge, die auch hier angerissen und spannend erzählt werden und dann leider ihren Abschluss finden (müssen), habe ich einen Stern abgezogen. Insgesamt ist Rafik Schami mit "Sami und der Wunsch nach Freiheit" aber sehr gelungen eine Geschichte von Menschen zu erzählen, die lieber in ihrer Heimat geblieben wären, die sich jedoch in Form des Regimes immer mehr gegen sie gewandt und sie schlussendlich vertrieben hat. Wer eine etwas andere Fluchtgeschichte hören will, dem empfehle ich unbedingt diese hier!

Bewertung vom 02.05.2018
Lanz
Jecker, Flurin

Lanz


weniger gut

Wirklich, ich wollte dieses Buch mögen. Ich habe es versucht, die vollen 125 Seiten lang! Aber ich konnte einfach keinen Zugang zu diesem 14-jährigen Jungen finden.

Ich mochte seinen Namen, er klingt stark und dennoch feinfühlig. Deutet eine gewisse Außergewöhnlichkeit an, die ich im Protagonisten die ganze Zeit über gesucht habe. Doch ich wurde enttäuscht. Lanz ist eher ein sehr sensibler Jugendlicher, was nichts Nachteiliges ist. Doch ich konnte den Lanz, der in der Buchbeschreibung angepriesen wurde, einfach nicht finden. Er hat Ecken und Kanten, hat ein wenig Angst davor alleine zu sein. Kann es nicht leiden den Schulweg alleine bestreiten zu müssen. Es könnte ihm jemand begegnen, wie ihm in der Kindheit mantrahaft eingebläut wurde, so intensiv, dass er sich heut nicht davon frei machen kann. Selbst im Zug sitzt er lieber in einem Abteil, in dem bereits jemand ist. Ich kenne das von Jugendlichen eher umgekehrt. Sie wollen lieber ihre Ruhe haben und sitzen lieber alleine, wenn es machbar ist.

Andererseits kifft Lanz, wann und wo auch immer es geht. Ich konnte diesen kiffenden Lanz nicht mit dem oftmals noch kindlichen Lanz in Verbindung bringen.

Er macht einen Fehler und sucht sich das falsche Projekt aus. Ihm ging es nur darum, mit Lynn in dem gleichen Projekt die Projektwoche zu bestreiten. Sie gefällt ihm und er möchte ihr näher kommen. Leider finde ich auch keinen Zugang zu seinem Wunsch nach Lynn. In Jugendsprache mit Wörtern aus dem Berner Dialekt fiel es mir nicht immer ganz so leicht den Text zu lesen, wie ich es sonst gewöhnt war. Zudem stellte sich mir die Frage, sprechen Jugendliche heute wirklich so? Ich habe festgestellt, dass mich die permanente Umgangssprache sehr nervte.

In Ermangelung einer richtigen Idee schreibt Lanz ins seinem Blog über die Versuche des Annäherns an Lynn, seine Probleme zu Hause, der Scheidung seiner Eltern und das ganz normale Erwachsenwerden, das ihm scheinbar mehr Schwierigkeiten bereitet als anderen Jugendlichen. Doch alles das möchte er nicht veröffentlichen und niemanden lesen lassen. Er verweigert sich sogar eigens ausgewählte Passagen aus seinen geschriebenen Texten im Unterricht vorzulesen, was zu Reibereien mit dem Lehrer führt. Zusammenhangslos erfahren wir ein paar Details aus seinem Alltag und der Flucht zu seinen Verwandten. Doch es gab nichts, was mich die ganze Lektüre über reizte bzw. interessierte. Nicht Lanz, nicht Lynn, nicht seine Eltern, sein Alltag nicht und auch nicht wie er seine Freizeit verbrachte. Es gab so keinen richtigen Anfang und auch kein schlüssiges Ende. Das Buch hatte einen traurigen Moment, der mich sehr berührte, als seine Mutter zwei Tage lang nicht gemerkt hat, dass ihr Sohn gar nicht zu Hause war.

Ich wollte wissen, worauf dieses Büchlein hinausläuft, was uns der Autor damit sagen will. Deshalb habe ich bis zum Ende durchgehalten. Leider gab es da nichts tiefer gehendes. Ich war sehr froh, dass diese Projektwoche nicht länger als eine Woche angedauert hat. So blieb mir erspart noch mehr von den Tagen zu erfahren, die nicht so liefen, wie Lanz es sich wünschte.

Fazit:
Wenn ich die Anpreisungen der Zeitungen und der Literaturkreise lese, so habe ich das Gefühl, dieses Buch ist für den Feuilleton geschrieben worden, denn dieses scheint, bis auf ganz wenige Ausnahmen, einzig positiv über das Buch zu berichten. Ein Buch mit einem wirklich schönen Cover, das mich sehr angesprochen hat, bei dem aber das Preis-Leistungs-Verhältnis in meinen Augen auf keinen Fall stimmt. Für Leser, die sich an was ganz Ungewöhliches wagen wollen und die extreme Jugendsprache nicht stört.

Bewertung vom 28.04.2018
Ab heute heiße ich Margo
Stephan, Cora

Ab heute heiße ich Margo


ausgezeichnet

Auf dieses Hörbuch bin ich bei Audible aufmerksam geworden, da es eine zeit lang reduziert war. Die Beschreibung ist sehr umfangreich und zeigt auf, dass man hier eine Geschichte erhält, die viele interessante Punkte enthält, wie den 2. Weltkrieg, Gründung DDR, Mauerbau und Auflösung der DDR und dazwischen der Kalte Krieg mit der Spionage von Ost- und Westdeutschland, Nachkriegszeit und Wiederaufbau.

Dabei stehen drei Personen im Vordergrund. Insbesondere die beiden Protagonistinnen und "Gegenspielerinnen" Margo und Helene und als wichtigste Nebenfigur Alard von Sedlitz.

Margarete Hegewald entscheidet, dass ihre Kindheit nun vorbei ist und streift damit auch ihren Namen ab. "Ab heute heiße ich Margo" bestimmt sie, nachdem Alard von Sedlitz ihr diesen wunderschönen Kosenamen gab und sie sich in ihn verliebt hat. Margo ist keine Frau, die an Heirat, Kinder und ein eigenes Heim denkt. Sie will was leisten, sie will arbeiten und Geld verdienen. Sie sucht Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt.

Ebenso geht es Helene. Sie suchte das Abenteuer und die Unabhängigkeit und landete ganz unbedarft im Spanischen Bürgerkrieg, der ihr gezeigt hat, dass es keine gute Seite gibt. Als Fotografin hat sie das Schlimmste festgehalten, das Menschen anderen Menschen antun können. Doch Ruhe gibt es keine, denn es ist Ende der 30er Jahre und die Kriegsmaschinerie wird in Gang gesetzt, die Margo und Helene auf unterschiedliche Seiten bringt. Und dies bleibt bis ins hohe Alter so. Zwei starke Frauen, denen das Schicksal übel mitspielt und beide nicht aus seinen Fängen lässt.

Mit viel Spannung und sehr abwechslungsreichem Plot begleiten wir Margo und Helene viele Jahrzehnte lang, in denen sich Cora Stephan viele überraschende Wendepunkte ausgedacht hat. Gut recherchiert und sprachlich gelungen wird hier eine Art Familiensaga erzählt, die historisch die BRD und die DDR in mehreren Facetten gegenüberstellt. Die Autorin wählte Blickwinkel, die ich so und in dieser Kombination noch nicht gesehen habe. Liebe, Freundschaft, Geburt und Tod und alles, was das Leben noch zu bieten hat, wird hier authentisch erzählt.

Cora Stephan schafft Tiefe und ihre Charaktere sind greifbar. Wie auch im echten Leben gibt es Gut und Böse, aber nicht nur gegenübergestellt, nein, sondern vereint in jedem Einzelnen. Dieses ist der Autorin ausnahmslos gut gelungen. Mal mochte ich die eine, mal die andere und entscheiden konnte ich mich dennoch für keine, welcher meine Sympathie gelten sollte.

Im letzten Drittel werden die zeitlichen Sprünge etwas größer, doch dies konnte ich gut überwinden.

Auch das Ende hatte mir insgesamt gut gefallen, obwohl es weniger harmonisch hätte sein dürfen.

Zum Hörbuch:
Tanja Fornaro als Sprecherin kannte ich bisher noch nicht. Ihre angenehme und klare Stimme hat mich jedoch sehr begeistert. Sie erzählt die Geschichte auf eine wundervolle Art und hat das Hörbuch zu einem wahren Hörgenuss für mich gemacht.

Fazit:
Ein historisches Jahrhundertbuch deutscher Zeitgeschichte, ein Spionagethriller, ein bisschen Krimi, Familiensaga und noch viel mehr, alles vereint in einem Roman. Nüchtern erzählt mit starken Charakteren, die den Leser und Hörer begeistern können. Von mir gibt's eine Lese- und Hörempfehlung!

Bewertung vom 27.04.2018
Gelber Krokus
Ibrahim, Laila

Gelber Krokus


ausgezeichnet

Hier bekommt der Leser eine Geschichte aus den Südstaaten der USA, als Sklavenhaltung noch normal, erlaubt und als notwendig erachtet wurde. Weiße waren der Überzeugung, dass ihre Sklaven ohne sie nicht hätten überleben können, nicht die gleichen Emotionen hätten und nicht gänzlich zu 100% Menschen wären. Wir schreiben April 1837, als die kleine Elizabeth geboren wird, die von ihrer schwarzen Amme Mattie den Kosenamen Lisbeth bekommt.

Laila Ibrahim hat mit Mattie und Lisbeth zwei interessante und starke Protagonistinnen geschaffen, die einen Teil ihres Lebens zusammen verbringen, der sie aber für ihr weiteres Leben stark geprägt hat. Lisbeth wuchs zwar mit der Vorstellung auf, dass Sklaven notwendig und Gottes Wille waren, sie aber dennoch nie ein Recht auf Freiheit und Gleichberechtigung hätten. Sie waren dazu da, das Leben der weißen Gesellschaft zu erleichtern, damit diese sich auf die wirklich wahren und wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren konnte: ein angenehmes und unbeschwertes Leben führen, standesgemäß heiraten, Kinder kriegen, Geld verdienen und vermehren und den eigenen Status sichern. So wuchs Lisbeth mit den Gedanken auf, die möglichst beste Partie als Ehemann zu ergattern, um ihrer Familie ein noch besseres Ansehen zu bescheren.

Doch kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Sohn der reichsten und angesehensten Familie im Umkreis macht Lisbeth eine Entdeckung, die ihr den Boden unter den Füßen entzieht.

Die Autorin schafft es durch angenehme und klare Sprache, die nie verkitscht klingt, uns in das Leben der beiden Protagonistinnen zu ziehen. Mit großer Spannung verfolgte ich die Entwicklung Lisbeths und den Wunsch und Drang nach Freiheit von Mattie und ihrer Familie, von der sie eine lange Zeit getrennt wurde, denn als Amme hatte sie im Haus der Herrschaft zu wohnen und konnte nur noch aus dem Fenster auf die Baracken der Sklaven schauen, die früh morgens sich auf dem Weg zur Arbeit aufs Feld machten und erst spät abends wieder müde und geschafft zurückkamen.

Laila Ibrahim gelingt es auf brutale Szenen zu verzichten und dennoch das erdrückende Gefühl der Freiheitsberaubung und der Ungerechtigkeit, die den Sklaven auf den Plantagen widerfährt, vors Auge zu bringen.

Einige Male wurde ich mit dem Handlungsverlauf überrascht und freute mich sehr über den authentischen Schluss.

Zum Hörbuch:
Yara Blümel ist als Sprecherin in vielen bekannten und vertonten Büchern, wie die von Ulrike Renk, Sarah Lark, Sina Trinkwalder, Petra Hülsmann, Kai Meyer und anderen zu finden. Souverän gibt sie beiden Protagonistinnen ihre eigene Stimme und einen eigenen Charakter. Ich habe ihr sehr, sehr gerne zugehört.

Fazit:
Ein (Hör)Buch, das mir zufällig über den Weg gelaufen ist, mich aber sehr gut unterhalten hat und trotzdem die schlimme Zeit der Sklavenhaltung aufleben ließ. Und wieder bin ich zufällig darüber gestolpert, dass dies der erste Teil von mehreren ist. Der Nachfolgeband "Eine handvoll Senfkörner" erscheint nämlich Ende Mai diesen Jahres und nimmt uns mit ins Jahr 1868, ein paar Jahre nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Absolute Lese- und Hörempfehlung!

Bewertung vom 26.04.2018
Hugo. Der unwerte Schatz (eBook, ePUB)
Hemmann, Tino

Hugo. Der unwerte Schatz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieses (Hör)Buch werde ich nie vergessen! Es hat sich in mein Herz eingebrannt! Hugo hat sich in mein Herz eingebrannt.

Mit Hugo hat Tino Hemmann eine Figur geschaffen, die zwar erfunden ist, aber für all die vielen kleinen Schätze steht, denen ein Leben und eine Zukunft auf grausame Art und Weise genommen wurde. Für all die vielen Kinder, die nicht ins Schema gepasst haben, das im Laufe der 30er Jahre anfing zu gelten. Es half auch nichts, wenn man dann wie Hugo blond und blauäugig war, dafür aber eine offensichtliche Behinderung oder eine schwere Krankheit hatte, egal ob psychisch oder physisch.

Hugo war ein Kuckucksei. Schon immer wollte er wissen, was das bedeutet. Lange hatte es gedauert, bis er es verstanden hatte. In der Zwischenzeit ließ ihn sein Vater spüren, was er davon hielt. Er bestrafte das Kind, nicht die Mutter. Und diese war nicht in der Lage Hugo zu schützen, weder als Säugling noch als Kleinkind. Und so schuf Hugo sich sein eigenes Schutzschild - Fritz ward geboren! Fritz war jedoch Fluch und Segen zugleich. Denn Fritz war es, an dem Professor von Rasch großes Interesse entwickelte.

Und obwohl man ahnt, nein, obwohl man weiß, wie es sich zutragen wird, stirbt die Hoffnung doch zuletzt. Diese Hoffnung ist es, die einen dranbleiben lässt, obwohl sich das Herz zusammenzieht, der Kopf nicht mehr denken will und es einem die Sprache verschlägt.

Es gab sie, die Monster, die Menschen, die keine waren. Und deshalb ist Hugo und diese Geschichte so wichtig! Nie mehr dürfen wir zulassen, dass irgendjemand zu entscheiden hat, wer wertvoll ist und wer nicht! Heute wieder wichtiger denn je, wenn man in der Presse liest, dass eine bestimmte Partei eine "Kleine Anfrage" an den Deutschen Bundestag gestellt hat, mit dem Thema "Schwerbehinderte in Deutschland".

Ein Buch mit dem Fokus auf Kinder-Euthanasie ist gewiss nicht leicht zu ertragen. Dennoch spreche ich dem Autor ein großes Lob aus, wie er das Thema in seinem Roman behandelt hat. Alles Wichtige wurde gesagt, aber mit einer Sprache, die große Sorgfalt erkennen lässt.

Dazwischen lässt der Autor reale historische Entwicklungen einfließen, die den Leser den Roman in den damaligen zeitlichen Kontext bringt.

Zum Hörbuch:
Ich hing dem Sprecher an den Lippen! Umso schlimmer es wurde umso weniger konnte ich aufhören zu hören. Die musikalischen Einspielungen, kombiniert mit der Stimme des Sprechers, wirkte schon irgendwie betörend. Ich wurde hineingezogen in das Dunkel der Geschichte und konnte ihm einfach nicht widerstehen und entfliehen. Diese Geschichte sollte GEHÖRT werden, damit sie die volle Kraft entfalten kann. Für alle Hörbuchlieber absolute Hörempfehlung!

Fazit:
Ein absolut gelungenes Hörbuch, das trotz des unglaublich schweren und schmerzhaften Themas Pflichtlektüre #GegenDasVergessen ist! Lasst uns diese kleinen Schätze in unseren Herzen verwahren. Diese kleinen Engelein, die nichts und niemand auf der Welt beschützen konnte und deren Mörder nach 1945 am Ende von allem freigesprochen wurden und fröhlich und frei weiter praktizieren durften. Wen dieses Buch nicht erschüttert und nicht erdrückt, der hat ein Herz aus Stein... Ein absolutes Lese- und Hörhighlight in 2018!

Bewertung vom 26.04.2018
Unter der Mitternachtssonne (eBook, ePUB)
Higashino, Keigo

Unter der Mitternachtssonne (eBook, ePUB)


sehr gut

Keigo Higashino zeigt in diesem Roman, dass er ein wahrer Meister des Kriminalromans ist. Auf über 700 Seiten konstruiert er einen Fall, der sich über 20 Jahre Ermittlungen zieht, da Kommissar Sasagaki so lange brauchen wird, bis er den Fall gelöst bekommt. Auch in seiner Rente kann Sasagaki mit diesem Fall nicht abschließen und ermittelt auf eigene Faust weiter. Dabei wird nach und nach klar, wie komplex die Handlungsstränge des Romans sind.

Unaufgeregt schreitet die Geschichte voran. Der Autor nimmt sich viel Zeit, um die Personen vorzustellen und das Handlungskonstrukt aufzubauen. Der Spannungsbogen wird stetig größer und der Kreis um den Mörder immer kleiner. Recht bald ist klar, wer der Mörder sein könnte, das Motiv bleibt jedoch im Dunkeln. Erst ganz zum Schluss finden alle Fäden zueinander und das ganze Ausmaß wird deutlich. Ich war begeistert von der Schreibkunst, die der Autor da an den Tag gelegt hat. Hat man das Gefühl, dass die Geschichte weit ausschweift, zeigt sich am Ende, wozu jeder einzelne Handlungsstrang und jede Person nötig waren.

Und bei der Personenanzahl hat Keigo Higashino nicht gegeizt! Über 20 Personen bilden das Grundgerüst. Hinzu kommt noch eine Vielzahl von Figuren, die ab und zu vorkommen und die ich nicht gezählt habe. Das ist für mich das einzige Manko an diesem Buch. So viele verschiedene japanische Namen begegnen einem und man ist kaum in der Lage, sie sich alle zu merken. Hin und wieder waren für meine Ohren einige Namen zu ähnlich, sodass das zusätzliche Verwirrung stiftete.

Schafft man es diese Namensflut zu überwinden, erhält man aber einen sprachlich schönen und geradlinigen Roman, der gänzlich ohne große Action und Blut auskommt.

Fazit:
Eine absolute Leseempfehlung für ein Buch, das sehr positiv aus dem Genre "Krimi" heraussticht. Auch geeignet für Leser, die keine eingefleischten Rätselrater sind, da die eigentliche Ermittlung in den Hintergrund rückt. Der Kommissar eröffent und schließt das Buch. Dazwischen erhält man viele einzelne Geschichten, die über Kriminalität, Schulalltag, Freizeit von Teenagern, Bankenbetrug unvm. berichten und sich dann wunderbar ineinander fügen und ein Krimi-Kunstwerk offenbaren.

Bewertung vom 24.04.2018
Achtzehn Hiebe
Gavron, Assaf

Achtzehn Hiebe


sehr gut

Der Autor nimmt den Leser mit nach Israel, in die Straßen von Tel Aviv. Als Leser begleitet man den charmanten Taxifahrer Eitan durch seine geliebte Stadt, von der er vieles zu erzählen weiß. Hier und da pflegt er Historisches, Wissenswertes und Spannendes in die Konversation einzustreuen, um dem Fahrgast seine Heimat näher zu bringen und um sich aus dem großen Pool der Taxifahrer hervorzuheben.

Er schließt eine ungewöhnliche Freundschaft mit der alten Lotta Perl. Eitan wird zu ihrem persönlichem Taxifahrer und sie ist sein Tor zu Israels Vergangenheit, die bis hin zur britischen Mandatszeit und zur Gründungszeit Israels zurückgeht, denn Lotta war damals dabei.
Die Geschichte Israels verwebt Assaf Gavron kunstvoll mit der ersten großen Liebe, der Liebe zwischen jüdischen Mädchen und britischen Soldaten während der Mandatszeit. Eine Liebe über die Trennung hinaus, bis ins hoche Alter von 85 Jahren.

Geschickt verwickelt der Autor seinen freundlichen und offenen Protagonisten Eitan Einoch, auch als "Krokodil" bekannt, nun in eine Art Krimikomödie. Denn Lotta gesteht Eitan, sie fühle sich nicht sicher, sie habe Angst um ihr Leben und sie glaube, ihre einstige große Liebe, die sie kürzlich auf dem Trumpeldorfriedhof beerdigt hat, sei ermordet worden. So starten Eitan und sein ehemals bester Freund Bar mit eigenen Ermittlungen, die die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden.

Weit zurück müssen die beiden Hobbydetektive gehen und stoßen bei ihren Nachforschungen auf Geheimnisse, die so brisant sind, sodass sie sogar den Konflikt der Briten mit der "Etzel", der damaligen terroristischen Untergrundorganisation, berühren und den Titel des Romans "Achtzehn Hiebe" erklären.

Dies ist kein Kriminalroman im eigentlichen Sinne. Der Fokus liegt auf Israel und dem Zeitpunkt seiner Gründung. Leicht und locker bewegen sich Eitan und Bar durch die vielen Verwicklungen, erleben Ungewöhnliches, Spannendes, Irritierendes und einen Hauch von Exotik und Erotik. Denn nicht jeden Tag begegnet man Menschen, die sich mit Diamanten auskennen, jung sind und dazu noch hinreißend aussehen, so wie Nogga, Lottas Enkelin, für die Eitan anfängt ein bisschen zu schwärmen.

Mit Spannung fieberte ich dem Ende entgegen und konnte mir das eine oder andere Schmunzeln nicht verkneifen. Eitan und Bar entwirren den Knoten und sind selbst verwundert über das, was sie herausgefunden haben. Guten Gewissens haken sie schlussendlich die Geschichte ab und kehren zu ihrem Alltag zurück. Und wer bis dahin die Erwähnung von Polizei vermisst hat, wird sie auch jetzt nicht antreffen, denn diese konnte geflissentlich in der "Krimikomödie" außen vor gelassen werden.

Fazit:
Ein schöner und leichter Roman, der dem wissbegierigen Leser die britische Mandatszeit vor Augen bringt und ihn auf humorvolle Art, mit viel Lebenslust und Leichtigkeit ebenso durch Israels Gegenwart kutschiert. Aber auch ein Roman über Liebe. Über jene zu einer Stadt und die Liebe des Herzens, die, deinen trifft und nicht mehr loslässt. Das alles garniert mit einer angenehmen Portion Krimi.

Bewertung vom 10.04.2018
Am Ende aller Zeiten (MP3-Download)
Walker, Adrian J.

Am Ende aller Zeiten (MP3-Download)


weniger gut

Kurzmeinung:

Genre: Dystopie, Post-Apokalyse

Handlung: Ed hat überlebt. Seine Frau und seine beiden Kinder auch. Welch ein Glück. Doch eines Tages kommt ein Hubschrauber und einige Überlebende, wie auch seine Familie, werden damit evakuiert. Ed war nicht da. Er war unterwegs und auf Patrouille im umliegenden Gelände. Als er zurückkommt sind bis auf ein paar Wenige alle weg. Wer waren diese "Retter" und wo genau werden sie hingebracht, weiß keiner genau. Das Ziel ist wohl Cornwall, 500 Meilen weiter auf der anderen Seite. Ed bleibt, um seine Familie wieder zu sehen und zu "retten", nur der Weg zu Fuß. Wird er es schaffen?

Charaktere: Durchweg alle langweilig und unsympathisch, insbesondere Ed, der Protagonist, der permanent über sich und sein Schicksal jammert, sei es über Zeiten vor der Apokalyse und auch danach. Er wollte keine Kinder, hat sich gefügt und ist mit der familiären Situation absolut überfordert. Die restlichen Personen, die er auf dem langen uns anstrengenden Weg begleitet, sind ebenfalls sehr einfallslos gestaltet und konnten mich nicht für sich einnehmen.

Spannung: Es kommt keine richtige Spannung auf. Alles plätschert so vor sich hin. Die Begegnungen mit anderen Überlebenden sind unspektakulär und konnten mich nicht begeistern und auch nicht überraschen. Nach über der Hälfte wurde es erstmals interessant. Doch dieser Eindruck verpuffte sehr schnell.

Schreibstil: Unaufgeregt und nicht fesselnd.

Ende: Ein Ende, das mich genauso wenig überzeugen konnte, wie die Geschichte selbst. Es weist keine Überraschungen, Wendungen oder sonst irgendetwas Interessantes auf.

Hörbuch: Das einzig Positive ist der tolle Sprecher Uwe Teschner, für den ich im Hörbuch einen zusätzlichen Stern vergebe. Er ist in der Lage den verschiedenen Figuren einen eigenen, wiedererkennbaren Charakter zu vergeben. Ein großartiger Sprecher, den ich sehr schätze.

Fazit: Ein Buch, das mir wertvolle Lesezeit gestohlen hat. Ein Roman mit dem Thema Apokalypse und Post-Apokalypse, der nichts Neues bringt und mich sehr gelangweilt hat. Ein Road-Trip zur Selbstfindung, der keine dysopischen Züge hätte aufweisen müssen.