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mapefue
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Kirchbichl

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Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2021
Friday Black (deutschsprachige Ausgabe)
Adjei-Brenyah, Nana Kwame

Friday Black (deutschsprachige Ausgabe)


gut

Zwölf verstörenden Storys von Liebe und Leidenschaft in Zeiten von Gewalt, Rassismus und ungezügeltem Konsum. Wie fühlt es sich an, im heutigen Amerika jung und schwarz zu sein? Welche Spuren hinterlässt alltägliche Ungerechtigkeit? In einer unkonventionellen Mischung aus hartem Realismus, dystopischer Fantasie und greller Komik findet der US-Amerikaner eine neue Sprache für die brennenden Themen unserer Zeit.

Eine kurze Geschichten von einem weißen Mann, dem vor Gericht Notwehr attestiert wird, nachdem er fünf schwarze Kinder mit einer Kettensäge enthauptet hat. Fiktion oder bereits Realität? Es ist das folgerichtige Unrechtsurteil einer Zukunftsgesellschaft im ungebremsten Rassenwahn.

Die Lobpreisungen einer Mutter für ihren Sohn, die nicht ihrem Sohn gelten, sondern ihr selbst, dass sie einen solchen Sohn hat. Satirisch bis zweideutig.

Optiselektion, was es nicht alles gibt? Tragfähige, funktionierende Familieneinheit bilden, aber nur wenn genetisch vereinbar. Was das wohl ist?

Freizeitpark, in dem Besucher ihre Mordfantasien an Schwarzen ausleben können. Wenn USA in einem kapitalistischen Blutrausch versinkt, ein kaufwütiger Mob am Black Friday die Malls stürmt und Konsum-Zombies nicht nur über Leichen gehen, sondern es sich auf ihnen gemütlich machen.

Bewertung vom 26.02.2021
Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5
Galbraith, Robert

Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5


ausgezeichnet

1155 und 1195 sind die markanten Zahlen von Robert Galbraith/ JK Rowlings Roman Böses Blut, im Original Troubled Blood, aber keine Jahreszahlen aus der keltischen und angelsächsischen Ära Cornwalls, sondern das Druckwerk ist 1155 Gramm schwer und hat 1195 Seiten, kein Taschenbuch, eher etwas für den Rucksack. Drei Übersetzer waren nötig, unbekannt ist die Zahl der Lektoren.

„Gib dem Affen Zucker“ wird sich JK Rowling denken, denn beginnend mit 656 Seiten in Band 1 hat sie sich ‚hochgearbeitet‘ auf fast 1200 Seiten in Band 5. Allen zukünftigen Lesern sei empfohlen, zügig zu lesen, um den Faden nicht zu verlieren.

Cormoran Strike und seine Partnerin Robin Ellacott übernehmen einen ungelösten Fall: 40 Jahre zuvor ist die Ärztin Margot Bamborough an einem Freitagabend spurlos verschwunden. Sie hat ihre Ordination im Londoner Stadtteil Clerkenwell verlassen und ward nie wiedergesehen.
Auftraggeberin ist Bamboroughs Tochter Anna; ein Jahr haben Strike und Ellacott Zeit, den Fall zu lösen. Bald kommt ein Verdacht auf den Serienmörder Creed, der genau in jener Zeit Frauen entführt und auf bestialische Art und Weise umgebracht hat. Aber auch Ermittlungspannen tun sich vor den Privatdetektiven auf. Und Galbraith/Rowling bereitet fast genüsslich die kleinteilige Ermittlungsarbeit vor ihre m/w Leserschaft auf. Jedes kleinste Detail wird geschildert, inklusive langwieriger Gespräche mit gealterten Zeitzeugen. Den Mörder auf Grund von astrologischen Analysen aller Beteiligten zu finden ist ein esoterischer Ansatz, der nur JK Rowling einfallen kann. Damit die Darstellung eine realistische wird, werden die restlichen Fälle der Detektei miteinbezogen, denn eine Detektei muss mit simplen Beschattungen Geld verdienen.

Na wenn die Detektei für den Bamborough-Fall zwölf Monate Zeit hat, ist es irgendwie verständlich, dass JK Rowlings ihren Roman Böses Blut auf fast 1200 Seiten ausdehnt.

Zweifelsfrei kann JK Rowling Geschichten erzählen und den Leser bei der Stange halten. Irgendwie müssen die fast 1200 Seiten voll werden und deshalb wird der Plot wie ein Teig ausgewalzt, gerade so dünne, dass er nicht reißt. Das ist auch die große Kunst der Pizzabäcker und dass der Lesefortschritt nicht abreißt, diese Kunst beherrscht JK Rowling perfekt: Im Detail werden die familiären Verhältnisse von Cormoran zu seinem Vater, seiner Mutter, seiner Tante und seinem Onkel, seiner Schwester, seinen drei Neffen, seiner Schwägerin und seinen Halbgeschwistern präzisiert. Zu seinem Freund Dave und wohl die spannendste Beziehung zur zehn Jahre jüngeren Robin. Tiefen Einblick bekommt der Leser in Robins Familie: Ist doch klar, dass die Eltern eines Neugeborenen aus dem Häuschen sind und sie das schönste Kind auf der ganzen Welt haben, ungeachtet dessen, dass manche Babys wie Dumpfbacken in die Welt glotzen und anderen die Intelligenz nur so aus den Augen blitzt.

Aufgebaut gleicht der Roman einem kartographischen Bildbaum, blattlos mit unzähligen Verästelungen: …bis zu den Knöcheln geringelte Socken…, …ließ einen tadelnden Kommentar bezüglich des Fouls durchgehen, für das Szczeny vom Platz gestellt worden war…

Robin: „Schon mal was von der Implementierung der Theorie der sozialen Identität in die Ermittlungsarbeit gehört?“

Atemberaubend, labyrinthisch, episch – der 5. Cormoran-Strike- und Robin-Ellacott-Roman fesselnd und faszinierend.

Was JK Rowling irgendwo gesagt hat, ob sie eine zu lange Nase hat und dass sie früher arm und arbeitslos war ist irrelevant; sie ist Autorin und das einzige was zählt ist das war sie schreibt.

„Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten beisammen nicht kommen, das Wasser war zu tief, das Wasser war viel zu tief.“

Bewertung vom 13.02.2021
Blindgang / William Wisting Bd.6
Horst, Jørn Lier

Blindgang / William Wisting Bd.6


ausgezeichnet

DROEMER hat der Einfachheit halber den norwegischen Originaltitel BLINDGANG für die deutsche Ausgabe übernommen, obwohl Blindgang kein deutsches Wort ist, übersetzt heißt Blindgang SACKGASSE. Im norwegischen Polizeijargon ist ein „Bildgang“ ein Aspekt, ein Zugang zu einer Straftat, der von den Ermittlern übersehen wurde. Nicht so von William Wisting.

Sofie Lund erbt das Haus ihres ungeliebten Großvaters Frank Mandt in Stavern und zieht dort widerwillig mit ihrer Tochter ein. Kurz darauf trifft sie die hochschwangere Line, ihre Freundin aus Schulzeiten, die sich ebenfalls in ihrem Heimatort ein Haus einrichtet. Deren Vater, Kommissar William Wisting, hat derweil mit einem seit sechs Monaten ungeklärten Vermisstenfall um den Taxifahrers Jens Hummel zu tun, zu dem es jetzt durch seine frühere Freundin Suzanne neue Hinweise gibt. Sofie Lund lässt den Safe ihres Großvaters im Keller ihres geerbten Hauses öffnen, findet mit rot markierte Banknoten aus einem Überfall und eine Waffe, mit der zwei Morde begangen wurden. William Wisting läuft zu einer Hochform auf.

Horst, als ehemaliger Kommissar der norwegischen Polizei, kann es sich nicht verkneifen ein paar Seitenhiebe gegen seine ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten auszuteilen. Er beklagt die Zunahme der organisierten Kriminalität, die restriktiven rechtlichen Rahmendbedingungen, die knappen Ressourcen, das mangelnde Vertrauen der Vorgesetzen in die Kompetenzen der Kommissare und unkooperative Kollegen anderer Polizeidistrikte.

Perfekt wird der aktuelle Fall beschrieben: „Bei allen Fällen gab es einen Verborgenen Zugang. Eine versteckte Öffnung, die erst auftauchte, wenn man alles in den richtigen Zusammenhang gebracht hatte.“ Oder anders gesagt: Man musste nur die richtigen Puzzleteile finden und an die richtige Stelle setzten.

„Es geht nicht nur um Polizeiarbeit, sondern Zeichen zu deuten und dem, was wir sehen, einen Sinn zuzuschreiben,“ sagt Wisting tiefsinnig.

Horst schreibt Krimis in Reinkultur, ohne übertriebenen Pathos, ohne Effekthascherei, nicht sensationslüstern, weder witzig noch ulkig, sondern sachlich, glaubwürdig – uneingeschränkt authentisch. Wie das unbestechliche Protokoll einer Ermittlung. Durch die Beschränkung auf die wahren Werte eines Krimis entsteht ein literarisches Werk der absoluten Hochklasse. Jørn Lier Horst ist nicht der Nachfolger von Nesbø, sondern der neue Nesbø.

Ab 2017 hat PIPER die Wisting-Reihe herausgegeben, mit einer Zuordnung in die Cold Cases. Mit dabei die Hauptprotagonisten William Wisting natürlich und Line. Sie ist dann doppelt belastete Alleinerzieherin, und das ist für Horst wieder Grund genug auf dieses gesellschaftliche Problem besonders einzugehen. Weiter mit Kommissar Nils Hammer und Sofie, die wiedergefundene Freundin von Line.

Bewertung vom 07.02.2021
Roter Affe
Bryla, Kaska

Roter Affe


ausgezeichnet

Fünf Protagonist*innen hat der Roman, die in der JVA Moabit in Berlin als Gefängnispsychologin arbeitende Psychologin Mania, ihre Freunde Tomek, Ruth, Zahit und die Hündin Sue, alle erzählen aus ihrer Perspektive. Alle haben Migrationshintergrund. Die einen kommen von Polen nach Österreich und Deutschland, der andere kommt aus Syrien.

Bemerkenswert die Form des Romans, sie ist eine andere, an die man sich erst gewöhnen muss. Theaterdialoge und exakte Schilderungen von Geschichte und Gesellschaft Polens sind besonderes Anliegen der Autorin.

Ruth: „Nur wenn man genau darauf achtet, was zwischen den Sätzen geschieht und wie das Gesagte, die Gestik und die Mimik einander widersprechen, erkennt man, was sich hinter dem Schleier verbirgt.“

Tomek: „Um zu verstehen, wie eine Person die Welt wahrnimmt, muss man verstehen, wie die Welt diese Person wahrnimmt.“

MANIA muss man erst einmal heißen: Was passt zum Persönchen Mania am besten? Manie, Wahnsinn, Wut, Raserei, Besessenheit, Tollheit, Verrücktheit, Leidenschaft. Die Autorin hat sich bei der Namensnennung sicher etwas dabei gedacht. Dem Leser obliegt es den Namen Mania zu interpretieren.

Bewertung vom 03.02.2021
Regenzauber
Lehane, Dennis

Regenzauber


ausgezeichnet

Regenzauber, der fünfte und vorletzte Thriller aus der Kenzie&Gennaro-Reihe, im Original „Prayers for rain“ 1999, deutsche Erstausgabe 2001. Diesmal im ersten Drittel ohne Angela Gennaro, die im Teil 4 Gone Baby Gone aus der Wohnung von Kenzie nach moralischen Diskrepanzen ausgezogen ist – vor neun Monaten. Das Fehlen von Angela nimmt dem Thriller viel an seiner Qualität, bei aller Sympathie für Patrick Kenzie ist er nur die Hälfte wert. Aber wie sich Patrick nach Angela sehnt, tut es der Leser. Und Lehane weiß das.

Die 26 Jahre junge Karen Nichols bittet Privatdetektiv Patrick Kenzie um Schutz vor einem Stalker, Cody Falk, der sie bedroht. Er erledigt diesen Auftrag in kürzester Zeit, doch als Karen sechs Monate später von einem Bostoner Hochhaus nackt in den Tod springt, ist er erschüttert. Kenzie hat ein schlechtes Gewissen, denn der er hat ihre späteren Hilferufe ignoriert.

Die Sprache ist, wie in allen Romanen Lehanes ein herausragendes Qualitätsmerkmal: Nur zwei Beispiele: „Alle sind natürlich depressiv. Aber wer ist das nicht? Wachen wir jeden Morgen auf und denken: ‘Wow, macht das Leben Spaß‘?“ „Wer hat denn gesagt, das Leben soll Spaß machen?“ Die Antwort: „Wer hat denn gesagt, es soll keinen Spaß machen?“

Kenzies Instinkt sagt ihm, dass mehr hinter dem vermeintlichen Selbstmord Karens steckt. Und recht haben sollte. Angela ‚Angie‘ ‚Ange‘ Gennaro, die Karen Kenzie empfohlen hat taucht aus ihrer Selbstisolation auf und bildet mit Bubba, dem Mann fürs Grobe das Dreierteam, das die spannenden und gefährlichen Ermittlungen gegen einen Sadisten aufnehmen und sich gegen dessen Psychoterrormethoden wehren müssen.

Der Showdown ist so spektakulär wie blutig, doch Lehane kann nicht anders, als für den Leser eine finale Überraschung parat zu haben. Wie sagt Kenzie zum Schluss: „Und endlich sah ich das ganze Brett.“

Ich liebe Patrick und Angela als Detektivpaar, ihren Umgang miteinander und Lehane mit diesen wunderbaren erstklassigen Thrillern und freue mich auf Moonlight Mile, die Nummer 6 aus der Kenzie/Gennaro-Reihe.

Bewertung vom 01.02.2021
One-Way-Ticket ins Paradies
Incardona, Joseph

One-Way-Ticket ins Paradies


gut

One-Way-Ticket ins Paradies ist zwar kein Krimi im eigentlichen Sinn, aber doch eine spannende Mischung aus Spannungs-, Abenteuer-, Familien- und Horrorgeschichte. Die Bankiersfamilie Jensen ist auf einem Horrortrip in einem Ressort irgendwo im Indischen Ozean, der sich zunächst als Alptraum entwickelt. Es mir als Leser überlassen hinter die üblen Geheimnisse dieser Insel zu kommen. Mich hat der Resortaufenthalt als Katalysator der zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Familie Jensen fasziniert. One-Way-Ticket ins Paradies ist ein Abgesang auf den neoliberalen Luxuswahn – und ein pechschwarzer, hinterlistiger Noir ohne jeglichen Ausweg.

Bewertung vom 30.01.2021
American Spy
Wilkinson, Lauren

American Spy


ausgezeichnet

Alles Äußere an diesem Buch ist unattraktiv. Orangefarbenes Cover, rote dicke Titel- und schwarze dicke Autorenletter, das wiederum mit der schwarzen Autorin harmonisiert und die stilisierte Rückansicht eines schwarzen dünnen Mädchens mit einem Umhang an die US-amerikanische Flagge angelehnt. Und dann noch das dicke Papier, natürlich FSC zertifiziert – einfach eine furchtbare Haptik. Doch nicht von diesen schrecklichen äußeren Eindrücken täuschen lassen und auf den Inhalt schließen. Dieser Debütroman von Lauren Wilkinson (bereits die dritte Auflage 2020) ist von großer literarischer Klasse. Hervorragend und außergewöhnlich was den Plot, den Schreib- und Erzählstil betrifft. Kompliment an Lektoren und Übersetzer.

Am Anfang Connecticut, 1992: Marie Mitchell, die Heldin? in “American Spy” schreibt alles auf, wie einen Brief oder ein Tagebuch, um ehrliche Antworten auf die Fragen ihrer Kinder zu geben, die sie sich im Laufe ihres Lebens stellen werden. Sie schreibt alles hier auf, falls sie dann nicht mehr da ist: Sie kann ihnen erzählen, wer den Mann geschickt hat, der bei ihr eingebrochen ist, sie töten wollte, und warum. Diesen Mann hat sie während des Kampfes eine Kugel in den Kopf geschossen. Daraufhin verlässt Marie New York mit ihren vier Jahre alten Zwillingen, William und Tommy und ihrem Hund Poochini in Richtung Martinique, wo ihre mémé Agathe wohnt. Ist Marie auf Martinique in Sicherheit?

Marie Mitchell mit eckigem Charakter, was ist das? Findet es heraus. Sie steckt beim FBI im gewünschten Karriereaufstieg fest.

„Ein Geheimnis birgt Macht, angewandte Macht ist Stärke, Stärke bedeutet Kraft, und Kraft ist immer von Vorteil,“ Marie ist viel zu klug für ihre Schreibtischarbeiten beim FBI. Sie hat eine unheimlich gute Beobachtungsgabe, ein ausgesprochen gutes Gedächtnis und von Natur aus ein gutes Ohr für Akzente. Sie ist eine extraordinäre und gnadenlose Analytikerin.

Nebenbei, eine der zauberhaftesten Feststellungen je gelesen, vor allem für einen Vielleser: “Mich interessiert immer, was jemand dazu bringt, ein bestimmtes Buch zu lesen.“ „Und dass es gar keine richtige oder falsche Antwort auf diese Frage gibt, ob die gelesen Bücher gefallen haben!“

Von 1983 bis 1987 hat Marie in New York für das FBI gearbeitet. Sie wird von der CIA-Kollegen auf den revolutionären Präsidenten von Burkina Faso, Thomas Sankara, angesetzt, offenbar als “Honigfalle”. Sie lässt sich darauf ein, obwohl sie eigentlich mit seinen politischen Zielen sympathisiert. Marie analysiert ihre problematische Situation treffend: „Ich bin eine Frau, ich bin auch noch schwarz, da steht es schon mal zwei zu null gegen mich."

Die wahre Identität von Marie konnte man schon immer anhand der Menschen erkennen, denen sie ihr Herz geschenkt hatte.

“American Spy” ist kein Thriller, sondern ‚A NOVEL‘, wie bei der englischen Originalausgabe, ein Roman. Für die Autorin Lauren Wilkinson stehen weder Krimi- noch Thriller-Elemente im Vordergrund, sondern viel mehr die Person Marie Mitchell, in der Zwickmühle zwischen FBI und CIA, und ihrem Idealismus für die richtige Seite zu kämpfen. Gegen den Imperialismus und den latenten Rassismus. Sie thematisiert die Ausbeutung afrikanischer Staaten durch westliche Staaten wie US-Amerika und Frankreich. Sie verbindet großartig die damaligen politischen Verhältnisse in Burkina Faso von 1987 mit dem persönlichen Schicksal von Marie. Natürlich ist “American Spy” ein Spionageroman, aber auch ein Familienroman, das sehr innige Verhältnis zu ihrer Schwester Helene und das ambivalente Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Vater bestimmen große Teile des Romans.

Bewertung vom 25.01.2021
Der Gesang der Flusskrebse
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


ausgezeichnet

„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens ist eine Ode an das Marschland von North Carolina. Owens kann die Zoologin nicht verheimlichen; mit ungeheurer Detailtreue beschreibt sie Flora und Fauna. Diese Liebe zur Natur ist einzigartig gepaart mit der Schilderung der dramatischen Lebensgeschichte eines kleinen Mädchens: Dem Marschmädchen KYA.

Über 60 Jahre verfolgt Owens die Geschichte von Kya, deren Familie mit Vater, Mutter und vier Geschwistern, die sich sukzessive dezimiert, bis Kya mit 6 Jahren auf sich alleine gestellt ist. Nur die Liebe zu „ihrer“ Marsch hält sie am Leben. Sie fühlt sich von allen verlassen und vertraut niemandem. Mit fast autistischen Zügen zelebriert sie nun ihr selbstgewähltes Alleinsein. Zwei Liebesabenteuer bestimmen ihr Erwachsenwerden und hätten sie beinahe ins Verderben gestürzt. Der Tod/Mord von/an Chase macht aus einem genüsslichen Roman einen spannenden Krimi: Eine Stadt such eine Mörderin und hat sie in der Außenseiterin Kya gefunden. Kya wird der Prozess gemacht. Freispruch.

Kya wird eine anerkannte Expertin des Marschlandes und arbeitet mit ihrer ersten Liebe Tate, jetzt Ökologe zusammen.

Wer hat aber Chase wirklich ermordet? Das ist eine Überraschung, oder auch nicht.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.01.2021
Virginia
Zink, Nell

Virginia


ausgezeichnet

Verklemmtheit in den frühen 60er Jahren im US-Südstaat Virginia. Selten derart stilistisch Beeindruckendes gelesen:
…aber nun fing er an zu überlegen, ob er wirklich Jungs mochte oder nur die falschen Mädchen kennengelernt hatte.
…und am nächsten Nachmittag heirateten sie für fünfzehn Dollar.
Er: Lee ist der schwule Spross einer konservativen WASP-Familie.
Sie: Peggy fühlt sich zu Frauen hingezogen.

Lee ist mit Emily im indischen Hängebett zugange und steigt bekleidet mit einem engen Netzhemd mit einem Jungen ins Kanu. Lee hatte gedacht, seine Homosexualität sei vielleicht ein gewaltiger Tippfehler. Peggy fährt Lees unersetzlichen VW-kurierwagen Langsam und entschlossen in den See. Ich vermute, das Auto auf dem Cover ist kein VW, aber der See könnte der Salton Sea sein, obwohl er in Kalifornien ist. Die Familienkrise bricht aus.

Peggy hat ihre Flucht vorbereitet und will beide Kinder mitnehmen, doch nur Mickie dabei, für die sie sich die Papiere eines toten schwarzen Mädchens erschwindelt. Fortan gilt die hellblonde Tochter als schwarz und heißt Karen. Und als "Schwarze" leben Mutter Meg und Tochter nun unerkannt in dem kleinen Ort in Virginia, wo sie sich in einem leerstehenden Haus Nachfragen nach ihrem Verbleib entziehen.

Eine Coming-of-Age-Geschichte als Satire über Geschlechterrollen, Rassenzugehörigkeit, College-Leben und ein Schluss Slapstick-Krimi mit Situationskomik und Wortwitz.

Cover
Die Vorlage für das Cover stammt aus einer Fotoserie von Sean Murphy, Salton Sea, California, USA. Titel: Young man with mobile phone sitting on roof of car in water, wobei der Verlag den jungen Mann wegretuschiert hat; somit ist das „car in water“ übriggeblieben.

Bewertung vom 21.01.2021
Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3


ausgezeichnet

WISTING zum Dritten in 84 Häppchen.

Jørn Lier Horst beherrscht sein Metier des Krimiautors perfekt. Bereits die Beobachtung des Signals des entwichenen Serienmörders Tom Kerr ist von absoluter Spannung.

Der inhaftierte perverse Killer Tom Kerr soll bei einem Außentermin die Polizei zum Grab seines Mordopfers führen. Er „entledigt“ sich seiner Fuß- und Handfesseln, sprengt seine ihn begleitenden Beamten in die Luft, entdeckt die geheimen Sender und verschwindet mit einem Motorboot. Nicht gerade ein Ruhmesblatt der norwegischen Polizei, die meint ‚Kerrs Plan war besser als ihrer.‘ Zu dieser Schande kommt die persönliche Schmach: William Wisting, als Distriktverantwortlicher wird er plötzlich zum Sündenbock gemacht und muss sich der internen Ermittlung stellen.

Horst hat an Line, erst angestellte, dann freischaffende Journalistin, Tochter von William Wisting, insgeheim ihrer wahren Bestimmung folgend eine Kriminalkommissarin, einen „Narren gefressen“ und gibt ihr immer mehr Raum. Alleinerziehend, wenig Kontakt zu ihren früheren Freunden, zum Erzeuger ihrer Tochter hüllt sich Horst in Schweigen. Für mich etwas zu viel Line, aber für Horst vielleicht ein Gegenpol zu den polizeilichen Ermittlungen.

William Wisting ist kein Haudrauf wie manch andere seiner Kollegen, sondern ein ruhiger, aber dennoch ein sehr zielstrebiger und erfolgreicher Ermittler.

Ich bin ein Fan von William Wisting und ein Liebhaber des Autors Jørn Lier Horst.