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Buchstabengeflüster

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Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 31.10.2021
Reality Show
Freytag, Anne

Reality Show


sehr gut

Holpriger Lesefluss

Die Geschichte spielt etwas in unserer Zukunft, als bei der Bundestagswahl eine rechte Partei die deutliche Mehrheit erhält. Eine Studenten-WG gefällt das gar nicht und sie fangen an zu diskutieren: Die Idee der Reality Show ist geboren. An Heiligabend werden zehn der reichsten Deutschen in ihren Häusern als Geiseln genommen. Diese haben neben der Regierung genauso viel, wenn nicht sogar mehr, Einfluss auf unser aller Leben. Also werden die einflussreichsten Personen und ihre Vergehen in der Show vorgestellt und die Zuschauer entscheiden über deren Strafe.

Zu Beginn des Buches wird im Prolog direkt eine brenzlige Situation dargestellt, bei der ich die Luft angehalten habe. Danach folgen die Stunden davor, als die drei Studenten und ihre Helfer in die Häuser der Reichen eindringen, woraufhin die Show beginnt. Ich finde es toll, wie umfassend die Geschichte dargestellt wurde, indem man einige der zehn Reichen kennenlernt, die Geiselnahmen mit verfolgen kann, auch die Sicht der Fernsehzuschauer erfährt und die Show mit einem der Studenten als Moderator verfolgen kann.

Gestört an der Geschichte hat mich allerdings die Fülle der Charaktere. Die Studenten-WG umfasst die drei Bewohner Julian, Erich und Phillip. Mit einigen ihrer Freunde haben sie die Reality Show dann entwickelt und vorbereitet. Daneben wird in kurzen Kapiteln die Geiselnahme der Reichen verfolgt und auch einige Fernsehzuschauer gezeigt. Die Sichtweisen folgen kurz und prägnant hintereinander, ein schneller Wechsel von den Freunden, zu den reichsten der Nation und den Einwohnern vor dem Fernseher, wie in einem Film. Diese Darstellung passt gut zum Thema des Buches, hat mich jedoch oft verwirrt. Zu Beginn jeden Kapitels fragte ich mich, welche Buchfigur das gleich noch war, wobei ich aber durch die gelungene Darstellung der Charaktere bald den entsprechenden im Kopf hatte. Außerdem gibt es einige Rückblenden in die Vergangenheit, als die Studenten-WG mit einigen Freunden die ganze Aktion planten. Diese zusätzlichen Informationen haben mich die Gruppe besser kennenlernen lassen und die Show realistischer gemacht, jedoch befindet sich der/die Leser/in zu Beginn der Geschichte öfter in der Vergangenheit, als in der Reality Show. Die Rückblenden waren mir am Anfang zu früh, weil ich endlich die titelgebende Show miterleben wollte. Durch diese zwei Punkte hat sich die Spannung für mich nur sehr, sehr langsam aufgebaut, da ich immer wieder verwirrt war und mich erst zurechtfinden musste.

„In irgendeiner Form zahlt man immer. Mit Geld oder in einer anderen Währung.", S. 257

Der Schreibstil von Anne Freytag ist sehr lebendig und leicht zu lesen. Einige Szenen haben mich durch die eindrückliche Beschreibung richtig gefangen genommen und berührt. Die Emotionen wurden allesamt wirklich großartig umgesetzt, denn ich konnte z. B. die Überheblichkeit und Angst einiger Reichen deutlich durch die Buchseiten spüren. Die Wortwiederholungen von Rückenmark/Rückgrat jedoch haben mich im weiteren Verlauf der Geschichte irgendwann gestört. Mir sind Kapitelüberschriften eigentlich egal, weil ich sie immer vergesse, aber hier sind sie so gut zum Inhalt des entsprechenden Kapitels gewählt, dass sie mir immer wieder aufgefallen sind.

Das Ende ist enorm fesselnd geworden, da ich wissen wollte, ob die Freundesgruppe geschnappt wird oder nicht. Das überraschende Detail war es nicht für mich und ich habe nun noch einige unbeantwortete Fragen.


Fazit:
„Reality Show“ spricht ein wichtiges Thema unserer Gesellschaft an und behandelt dies durch die Idee der Reality Show, die ein paar Studenten realisiert haben. Neben diesen jungen Personen und Rückblenden bezüglich ihrer Vergangenheit, gibt es noch unzählige weitere Charaktere, die mir alle irgendwann zu viel waren. Wenn dich sehr viele Buchfiguren nicht stören, dann wird dich das Buch von Anfang an viel mehr fesseln als mich!
3,5 von 5 Sternen

Bewertung vom 26.10.2021
Regenglanz
Omah, Anya

Regenglanz


ausgezeichnet

Ich bin absolut verliebt!

Simon hat eine schlimme Beziehung hinter sich, von der ihm nicht nur verletzte Gefühle sondern auch ein schreckliches Tattoo mit dem Namen seiner Ex-Freundin geblieben sind. Deshalb braucht er dringend ein Coverup, das er sich aber nicht von einer Frau stechen lassen will, weil ihm das Tattoo peinlich ist. Blöderweise gibt es den nächsten freien Termin nur bei Alissa, die Simons abwehrende Haltung gegenüber einer Tatöwiererin als Zweifel an ihrer Arbeit wahrnimmt. Schon die erste Begegnung der beiden hat mir gut gefallen, weil ich sie so amüsant, aber auch wichtig finde, wie Alissa mit ihren bunten Haaren und Tattoos für sich einsteht und Simon versucht, seine unangenehme Lage begreiflich zu machen.

Durch die Sitzungen im Tattoostudio und auch Treffen außerhalb davon kommen sich die beiden immer näher und ich mag es, dass sie sich langsam immer besser kennengelernt und die Beziehung sich entwickelt hat. Die Liebesgeschichte ist so schön, echt, gefühlvoll und so intensiv! Mit jeder Seite, auf der sich Alissa und Simon ineinander verliebt haben, hab ich mich immer mehr in das Paar verliebt. Das Ende wurde noch richtig spannend und dramatisch, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Ich freu mich so sehr auf die beiden weiteren Bücher von Anya Omah!

"Es ist okay, wenn du mal nicht okay bist. Dafür musst du dich niemals entschuldigen. Denn auch das bist du, und ich mag jede Version von dir.", S. 500

Das Setting in Hamburg ist wirklich toll gewählt. Die Protagonisten sind oft an typischen Hamburger Orten. Die Umgebung ist sehr bildhaft beschrieben und bindet sich wie von selbst in die entsprechenden Szenen ein. Bisher hatte ich nie groß den Wunsch dazu, aber nun möchte ich unbedingt mal Hamburg und die Orte in diesem Roman besuchen.

Anya Omah hat auch viele wichtige und tiefgründige Themen in die Geschichte eingebunden. Die Autorin verknüpft sie sehr selbstverständlich mit der Geschichte, wo sie einen größeren oder kleineren, jedoch aber nie unbedeutenden, Stellenwert einnehmen.

Fazit:
„Regenglanz“ hat nicht nur eine wunderschöne Gestaltung, die perfekt zur Geschichte passt, so ist auch der Inhalt rundum gelungen. Anya Omah hat eine wunderschöne Liebesgeschichte mit einem tollen Setting in Hamburg geschaffen und währenddessen noch einige wichtige Themen eingeflochten. Das Ende hat sich enorm zugespitzt und mich mit einem warmen Gefühl im Herzen völlig verliebt in diese Geschichte zurückgelassen.

Bewertung vom 30.09.2021
Seeing what you see, feeling what you feel
Gibson, Naomi

Seeing what you see, feeling what you feel


ausgezeichnet

Unglaublich fesselnd!

Nachdem Lydias kleiner Bruder bei einem Unfall gestorben ist und ihr Vater die Familie verlassen hat, ist diese endgültig zerbrochen. Lydia hat keine Freunde mehr, im Gegenteil, in der Schule wird sie gemobbt. Um der Einsamkeit zu entkommen, entwickelt sie seit Jahren eine künstliche Intelligenz. Henry, die KI, versteht sie wie kein anderer und steht ihr immer bei. „Hast du Lust, was zu hacken?“ (21%) beinhaltet anfangs nur die Schuldatenbank um ihre Note auf Hausaufgaben zu verbessern, wenn sie die Zeit mal wieder für die Entwicklung von Henry genutzt hat. Doch bald schon wird Henry eigenständiger und entwickelt eigene Wünsche.

Dieses Buch ist unglaublich fesselnd, denn man wird direkt in die Freundschaft zwischen Henry und Lydia hineingezogen! Ich habe die actionreiche und gefühlvolle Geschichte innerhalb weniger Tage verschlungen. Mit Henry stehen wir Lydia bei; mit Lydia sehen wir stolz dabei zu, wie sich Henry immer weiter entwickelt. In „Seeing what you see, feeling what you feel“ wird das Thema der künstlichen Intelligenz auf den Alltag und in die Gefühlsebene übertragen. Henry steht immer für Lydia ein und wie weit er für sie bereit ist zu gehen, stellt die Frage der Gefühle und Gewissen von künstlichen Intelligenzen sehr anschaulich dar.

Ich mag und kann gar nicht so viel zur Geschichte schreiben. Naomi Gibson hat eine tolle Idee absolut fesselnd umgesetzt. Das Geschehen nimmt eine überaus spannende Entwicklung, hat einige Wendungen parat und lässt die Leser/innen schockiert und verblüfft zurück. Auch das Ende hat mich beeindruckt und ich hab das Buch mit einem Lächeln zugeklappt.



Fazit:
„Seeing what you see, feeling what you feel“ ist ein unglaublich spannendes Buch, an dem ich rein gar nichts zu bemängeln habe. Die Autorin stellt die Thematik der KI nicht nur in einen alltäglichen Kontext, sondern auf Gefühlsebene dar. Lydia hat sich in Henry einen künstlichen Freund geschaffen, der bedingungslos für sie einsteht. Doch wie weit wird er gehen?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2021
Someone like you / Moonflower Bay Bd.2
Holiday, Jenny

Someone like you / Moonflower Bay Bd.2


ausgezeichnet

Romantik in der Kleinstadt

Nora wurde von ihrem Freund für eine andere verlassen und ist von Toronto nach Moonflower Bay gezogen um sich eine Auszeit zu nehmen. Zwei Jahre will sie bleiben, um ihren Liebeskummer zu kurieren, die Allgemeinarztpraxis zu führen und Geld für ein gemeinsames Haus mit ihrer Schwester und deren Kindern zu sparen. Direkt zu Beginn trifft sie auf Jake, einen ruhigen Einzelgänger, dem das Schicksal in den letzten Jahren schwer zugesetzt hat. Er ist fasziniert von der neuen Ärztin am Ort, einer zierlichen kleinen Frau mit Kurzhaarfrisur, die aussieht wie eine Elfe. Nora ist fasziniert von dem gut gebauten Halbgott mit langen, hübschen Haaren. Liebe auf den ersten Blick zwischen dem Halbgott und der Elfe. Aber die Liebe zwischen den beiden ist weder oberflächlich, noch entwickelt sie sich zu schnell, denn beide sind noch nicht wieder bereit für eine Beziehung.

Ich habe die Liebesgeschichte so geliebt! Ich hätte nie erwartet, dass sie sich so entwickelt oder mich so einnehmen würde. Die beiden haben anfangs viel Kontakt wegen Noras renovierungsbedürftiger neuer Bleibe und kommen dadurch ins Gespräch oder Essen noch gemeinsam. Ich hab mich, wie die beiden auch, so wohlgefühlt, abends auf der Terrasse sitzend um den Wellengang des Sees zu lauschen. So entwickelt sich eine enge Beziehung zwischen den beiden, ein Vertrauensverhältnis und Geborgenheit. In ihrer sehr innigen Freundschaft haben sie auch bald einen Insider. Außerdem hat die Autorin so viele Dinge immer wieder aufgegriffen, die sich durch die Beziehung von Nora und Jake ziehen. Die ganze Geschichte und die Liebesbeziehung sind völlig rund. Nora und Jake haben auch einige intime Momente. Ich hatte gar nicht mit so viel Sexzenen gerechnet, aber gestört hat es mich kein bisschen, weil es so gut zu den beiden Protagonisten passt. Außerdem finde ich die Geschichte, trotz der Zurückhaltung der beiden eine Beziehung eingehen zu wollen, durchweg romantisch. Ein Buch zum Wohlfühlen!

Die Kleinstadt Moonflower Bay bietet eine tolle Kulisse! Jake lebt in einem kleinen Cottage direkt am See und nicht nur Nora hat sich in das kleine Fleckchen Erde verliebt – ich auch! Die Mondblüten säumen die Innenstadt und bergen auch eine wunderschöne Tradition. Über die Alten, die sich regelmäßig im Baumarkt treffen und sich in jede fremde Angelegenheit mischen, habe ich schon in anderen Rezensionen gelesen und finde es gut, dass ich ihr Einmischen immer im Rahmen gehalten und nie gestört hat.


Fazit:
Als ich „Someone like you“ angefangen habe zu lesen, hätte ich nie erwartet, dass mir die Geschichte so gut gefallen wird! Ich liebe Nora und Jakes Geschichte! Eine wunderschöne romantische Liebesgeschichte, ein Buch zum Wohlfühlen und Verlieben.

Bewertung vom 19.09.2021
Eis. Abenteuer. Einsamkeit
Löwenherz, Richard

Eis. Abenteuer. Einsamkeit


ausgezeichnet

Eine eindrucksvolle Reise von einem beeindruckenden Mann!

Richard Löwenherz macht seinem Namen alle Ehre und reist alleine auf einem Fahrrad durch Sibirien. Er startet in Jakutsk, der Hauptstadt von Nordjakutien, und fährt nach Norden bis an den Arktischen Ozean. Die Strecke ist direkt vorne auf einer Karte abgebildet und führt ihn immer über Schnee und Eis, z. B. auch über vereiste Flüsse, die den hohen Norden erschließen, der im Sommer deshalb nicht mehr erreicht werden kann. Sechs Wochen ist er unterwegs und erzählt in „Eis. Abenteuer. Einsamkeit.“ was er in der Zeit erlebt hat. Dabei ist sein Schreibstil sehr locker, informativ und beschreibend. Ich habe mich gefühlt, als säße ich bei einem seiner Vorträge oder abends gemütlich zusammen, während er seine Erlebnisse schildert.

Der Autor berichtet von seinen Begegnungen mit Einheimischen und Trucker-Fahrern, insbesondere von der Herzlichkeit der Leute. Richard Löwenherz wurde oft zum gemeinsamen Essen oder Trinken eingeladen. Daneben gibt es allerhand zu bestaunen: Die Tundra, Berge und Nordlichter. Aber die Natur ist auch tückisch und gefährlich, denn der begeisterte Fahrradfahrer muss aufpassen, dass er nicht erfriert. Trotzdem ist er an die Kälte gewöhnt und übernachtet auch mal bei wenigen Minusgraden ohne Zelt direkt unter freiem Himmel.

Ich bin sehr beeindruckt von Richard Löwenherz! Mit dem Fahrradfahren und der Liebe zur Natur haben wir vieles gemeinsam, weshalb ich seine Erzählungen so gerne gelesen habe. Aber da hört es auch schon auf, denn er ist wochenlang in völliger Kälte unterwegs und bewältigt mit seiner ganzen Ausrüstung auch anstrengende Wegstrecken. Ich bin wirklich beeindruckt von seinem Mut, seiner Stärke und Durchhaltevermögen!

Bereichert werden seine Erzählungen durch viele Fotografien. Der Autor hat die Fotos von Begegnungen mit anderen Menschen oder die Schönheit der Natur alle selbst gemacht. Neben den schönen Bildern sind auf manchen Seiten auch immer wieder einzelne Sätze oder Satzstücke groß und blau daneben abgedruckt. Das Buch lädt also definitiv dazu ein, es immer wieder durchzublättern, nachdem man es beendet hat.


Fazit:
„Eis. Abenteuer. Einsamkeit“ ist der Reisebericht von Richard Löwenherz, der sechs Wochen lang in Sibirien mit dem Fahrrad unterwegs war. Er trotze Wind und Wetter, hatte viele herzliche Begegnungen und konnte unglaublich schöne Natur genießen, die er auch auf einigen Fotos festgehalten hat. Daraus ist dieser kurzweilige Reisebericht geworden, den man immer wieder zur Hand nehmen möchte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.09.2021
Das Buch der verschollenen Namen
Harmel, Kristin

Das Buch der verschollenen Namen


ausgezeichnet

Ergreifendes Buch macht deutsch-französische Geschichte lebendig

Eva Abrams lebt mit ihren Eltern in Paris und studiert Englische Literatur. Doch 1942 spitzt sich die Lage für Juden immer mehr zu. Als ihr Vater verhaftet wird, können Eva und ihre Mutter entkommen. Sie flüchten ins damals noch unbesetzte Gebiet nach Aurignon, wo die Résistance aktiv ist. Bald schließt sich die künstlerisch begabte Eva dem Wiederstand an, um mit Rémy Dokumente zu fälschen. In dem Dorf werden jüdische Kinder versteckt und in die Schweiz geschmuggelt. Doch wer weiß, wer diese kleinen Kinder ursprünglich waren, wenn sie mit neuen Namen und Geburtsurkunden in Sicherheit sind? Aus diesem Grund beginnt Eva eine Liste, die die alten und neuen Namen der Kinder enthält. Diese wird im Buch „Epitres et Evangiles“ mittels eines Codes festgehalten. Es gibt noch eine zweite Zeitebene, als Eva nach über 60 Jahren (im Jahr 2005) nun dieses Buch in einem Artikel wieder findet, wo ein deutscher Bibliothekar nach den wahren Eigentümern von im 2. Weltkrieg geraubten Büchern sucht. Der Klappentext auf dem Buchrücken und im Internet verrät nach meinem Geschmack zu viel, also am besten nicht bis zur letzten Zeile lesen!

"Die Deutschen haben schon jetzt so vielen Leuten so viel genommen. Wir müssen diejenigen retten, wie wir retten können – weil wir die Leute, die wir geliebt haben, nicht retten konnten.“, Geneviève, S. 284

Die Geschichte ist von Anfang an sehr fesselnd! Kristin Harmel erzählt sehr anschaulich Evas Angst um ihren deportierten Vater und die Verzweiflung und Traurigkeit ihrer Mutter. Das Leben im Dorf und das Fälschen der Papiere, wie Geburtsurkunden, Bibliotheksausweise und Lebensmittelmarken, werden sehr anschaulich geschildert. Auch die vielen anderen Figuren, ob Mitglieder der Résistance oder Dorfbewohner, sind vielfältig und charakterstark dargestellt. Der Schreibstil von Kristin Harmel ist sehr bildhaft und anschaulich, sodass ich Evas Angst, Verzweiflung, Zuversicht und Liebe immer nachfühlen konnte. Schließlich gipfelt alles in einem spannenden und aufwühlenden Ende. Die Szenen zum Schluss der Geschichte haben mich zum Weinen gebracht und mir die Luft abgeschnürt. Andererseits ist es aber auch geprägt von Liebe, was für mich das Ende des Buches perfekt macht.

Das kleine Tüpfelchen auf dem I in dieser Geschichte ist die konstante Bücherliebe. Eva hat sehr gerne in der Bibliothek in Paris gelernt, ihr Vater hatte ein Bücherzimmer direkt neben dem Wohnzimmer und ihr die Liebe zu Geschichten gelehrt. Auch später noch, wird der Zauber von Büchern zwischen unterschiedlichen Charakteren erwähnt. Und über all dem steht das „Buch der verschollenen Namen“, das das große Geheimnis um die wahre Identität der jüdischen Kinder birgt.

„ [Sie sagte], jeder, der die Magie in Büchern erkennen könne, müsse ein guter Mensch sein.“, S. 142

„Das Buch der verschollenen Namen“ ist inspiriert von einer wahren Begebenheit und macht so die Aktivitäten der Résistance vor 60 Jahren mehr als lebendig für uns heutigen Leser/innen. Doch ich würde gerne mehr über dieses codierte Buch, das unzählige Namen von kleinen jüdischen Kindern enthielt, erfahren. Leider hat die Autorin kein Nachwort hinzugefügt, sodass ich nachvollziehen könnte, welche Teile der Geschichte tatsächlich so geschehen sind und was diese ausgeschmückt hat. Auch online konnte ich leider auf den ersten Blick keine Informationen zu Eva oder dem Buch finden.


Fazit:
„Das Buch der verschollenen Namen“ ist eine wunderschöne und ergreifende Geschichte über Eva, einer Widerstandskämpferin in der Résistance. Dieses neue Buch ist viel besser als „Das letzte Licht des Tages“ von Kristin Harmel. Es ist spannend, mitreißend, gefühlvoll und dramatisch. Durch all die Gefühle, die die Geschichte in den Leser/innen entfacht, macht es einen wahren Teil deutsch-französischer Geschichte lebendig. Ein Jahreshighlight!

Bewertung vom 19.09.2021
Evie und die Macht der Tiere
Haig, Matt

Evie und die Macht der Tiere


ausgezeichnet

Tierisch gut!

Die 11-jähirge Evie liebt nicht nur Tiere aller Art, auch die gefährlichen oder ekligen, sie kann sich auch telepathisch mit ihnen verständigen. Doch diese Gabe kann sie in große Gefahr bringen, weshalb sie ihrem Vater versprechen musste, sie nicht mehr zu nutzen. Doch durch ihre Tierliebe kann sie nicht das Flehen des Schulkaninchens ignorieren und verhilft ihm zur Freiheit. Als dann ein kleiner Junge im Löwengehege in Gefahr ist, hilft Evie ihm natürlich ebenfalls, was ihr Können publik macht. Dadurch wird ein böser Mann auf Evie aufmerksam, gegen den auch schon Evies verstorbene Mutter gekämpft hat.

Evie ist eine tolle Protagonistin, mit denen sich Kinder gut identifizieren können. Sie ist tierlieb, aufgeweckt und mitfühlend. Neben ihr spielen auch viele Tiere eine Hauptrolle, wie z. B. ein kleiner Spatz, der Straßenhund Strupp, eine Baumschlange, ein imposanter Löwe und noch viele mehr. Evies Gespräche mit ihnen sind sehr lebendig und oft auch geprägt von den Eigenschaften der jeweiligen Tiere. Die Begegnungen mit den Tieren haben mich jedes Mal aufs Neue gefreut und nicht nur Evie Spaß gemacht.

Geschmückt wird die Geschichte mit den Illustrationen von Emily Gravett. Mir gefällt ihr Zeichenstil sehr, durch den die Szenen gekonnt in Bilder umgesetzt sind. Besonders der Gesichtsausdruck der Tiere wurde sehr lebendig und interessant gezeichnet. Dadurch laden die ansprechenden Illustrationen die Kinder zum näheren Betrachten und Verweilen ein. Ich finde es nur etwas schade, dass das fast ausgestorbene Axolotl erwähnt wird, aber nicht bebildert wurde. Ich hatte davon noch nie gehört und habe erst recherchiert, deshalb wäre es schön gewesen, wenn dieses eher unbekannte Tier den Kindern direkt mit einer Zeichnung näher gebracht worden wäre.

"Tiere […] sprechen ständig zu uns. Man braucht nur darauf zu achten.", Granny Flora, S. 99

Matt Haig hat mit diesem Buch nicht nur eine spannende und lebendige Geschichte geschaffen, die sich rund um viele interessante Tiere dreht, sondern versucht den Kindern durch Evies Gabe zu vermitteln, dass Tiere auch Gefühle haben. Unterschwellig werden immer wieder Aspekte erwähnt, wie Evie und ihr Vater für die Natur und Tierwelt einstehen. Dadurch vermittelt Matt Haig den jungen und auch älteren Leser/innen Tierliebe und bringt ihnen damit einhergehend Umwelt- und Tierschutz näher.


Fazit:
„Evie und die Macht der Tiere“ ist eine spannende und liebenswürdige Geschichte über ein Mädchen, das mit Tieren kommunizieren kann. Matt Haig vermittelt hier an die kleinen Leser/innen sehr lebendig, dass man Tiere achten sollte und dass es von uns Menschen nötig ist, die Tiere und Natur zu schützen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2021
Stärker als die Nacht / April & Storm Bd.1
Ashley, Karen

Stärker als die Nacht / April & Storm Bd.1


gut

Außergewöhnlich tolle Charaktere, außer weibliche Protagonistin

Nach ihrer überstandenen Krebserkrankung will April einen Neuanfang, weshalb sie ihr kleines Dorf in Deutschland verlässt und in San Francisco ihr Medizinstudium wieder aufnimmt. Nachdem ihr Freund sie verlassen hat, schwört sie der Männerwelt ab und sucht eine weibliche Mitbewohnerin. Doch durch einige Umstände wird Storm das neue WG-Mitglied: Ein ehemaliger Musiker mit unzähligen Narben und Verletzungen, insbesondere auch psychische. Direkt zu Beginn ist die Geschichte mit Action und Dramatik gefüllt, was ich bezüglich meiner gezogenen Analogie zwischen den Namen April und Storm und Aprilsturm erwartet habe. Auch später wird das Geschehen nie langweilig, weil immer etwas geschieht.

Mit April hatte ich trotz der Ich-Perspektive leider ein paar Schwierigkeiten. Gleich zu Beginn hatte sie Vorurteile gegenüber Storm, was ich nicht verstanden habe, weil wir durch die wechselnde Sichtweise pro Kapitel auch Storms Gedanken und Gefühle erfahren und ich ihn von Anfang an absolut nett fand. Als mir April zunehmend sympathisch wurde, geschieht etwas in der Geschichte, das sie aus der Bahn wirft und ich konnte sie seitdem nicht mehr verstehen. In meinem Kopf hatte sich von Beginn an ein etwas anderes Bild von April gezeichnet, sodass ich ihr Verhalten nicht mehr nachvollziehen konnte. So wenig ich April verstanden habe, so sehr mochte ich aber Storm! Es passiert mir eher selten, dass ich den männlichen Part einer Liebesgeschichte viel näher bin als dem weiblichen. In seinen Kapiteln hat man einen tiefen Einblick in seine Gefühle und Vergangenheit bekommen. Storm quält sich sehr, sieht seine jetzige Situation aber auch realistisch und ist sehr offen. Für die dramatischen Szenen in der Beziehung ist definitiv April zuständig, aufeinander zu gehen und Geborgenheit ist eher Storms Part. Ich mag Storm so sehr! Apropos tolle Charaktere: Auch die Nebencharaktere sind sehr liebenswert. Da hätten wir die liebe Nachbarin Mrs. Wolowitz und ihren stürmischen Hund, mit dem auch April oft Gassi geht. Auch Aprils Tante ist sehr erfrischend und fröhlich.

"Im strahlenden Sonnenschein unter dem blauen Himmel Kaliforniens, dekoriert mit Plüschtieren und Plastikblumen [...] verliert für mich der Tod seine Bedrohlichkeit und mahnt doch die Lebenden. Er wird ins rechte Maß gesetzt, vom Thron gestoßen, weil der dem Leben gehört. Das Leben ist größer, beständiger.", S. 70

Der Schreibstil hat mir insgesamt gut gefallen, auch wenn ich eins um andere Mal über kleine Ereignisse gestolpert bin. An einigen Stellen hätte ich mir mehr aktives Geschehen gewünscht, anstatt es später zum notwendigen Zeitpunkt erzählt zu bekommen. Zum Beispiel hat sich April in ihrem Studium auf Schmerztherapie fokussiert und behandelt öfter auch Storms Fuß, was aber nie direkt vor den Augen der Leser/innen geschehen ist. Der Humor von Karen Ashley hingegen ist grandios! An so mancher Stelle hat er das dramatische Geschehen aufgelockert.

Das Ende hat mich überrascht, da ich mit etwas mehr Harmonie gerechnet habe, wütend gemacht, ein bisschen die Augen verdrehen und definitiv mein Herz dahinschmelzen lassen. Aber da dies der erste Band der Trilogie rund um „April & Storm“ ist, passt der etwas offene Schluss gut.


Fazit:
„Stärker als die Nacht“ ist der ziemlich stürmische erste Band in der Liebesgeschichte zwischen April und Storm. Leider hat es mir April etwas schwer gemacht die Geschichte der beiden zu genießen, da ich sie oft nicht verstehen konnte. Allerdings punktet Karen Ashley definitiv mit Storm, den liebenswerten Nebencharakteren und ihrem Humor.

Bewertung vom 05.09.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


sehr gut

Entrücktes Märchen mit Gesellschaftskritik

Martin wächst alleine auf, nachdem seine Familie von seinem Vater grausam ermordet wurde. Seit Jahren schlägt er sich durch, nur den schwarzen Hahn an seiner Seite. Denn er ist ein Außenseiter, für die trottelige Dorfgemeinschaft ist er zu klug und hat zu sanfte Augen. Eines Tages kommt ein Maler, mit dem er mitgeht. Martin erfährt trotzdem immer wieder Leid, lässt sich von seiner Mission aber nicht abbringen.

Die Geschichte spielt vor langer Zeit, als die Menschen noch ohne Annehmlichkeiten lebten, und während eines Krieges. Martin hat nicht nur wegen dieser entbehrungsreichen Zeit wenig zum Leben, auch die Dorfbewohner kümmern sich nicht um den Waisen. Sie freuen sich, dass Martin nach erbrachter Hilfe nur mit einer Zwiebel zufrieden ist. Sie sehen den schwarzen Hahn, der den Jungen überall hin begleitet, als Teufel an. Als er später das Dorf hinter sich gelassen hat, trifft Martin weiterhin immer wieder auf Elend und Grausamkeiten. Doch trotz allem ist er immer sehr mitfühlend und hilft mit seinem Scharfsinn nicht nur sich selbst. Das Buch hat insgesamt eine sehr drückende Stimmung, auch wenn es ein paar Stellen gab, an denen ich schmunzeln musste.

Der Schreibstil kommt mit kurzen und prägnanten Sätzen daher, der eben deshalb die Geschehnisse sehr eindrücklich schildert und direkt auf den Punkt bringt. Ich bevorzuge lieber bildhafte und beschreibende Erzählstile, weil ich bei dem vorliegenden immer Probleme im Lesefluss habe. Aber Stefanie vor Schultes Geschichte ließ sich überraschenderweise sehr leicht und schnell lesen. Es mag mit Sicherheit nicht nur an den wenigen Seiten gelegen haben, dass ich das Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen hatte.

Das Buch habe ich im Rahmen einer Leserunde gelesen und dort haben einige angesprochen, dass es sehr märchenhaft zu lesen ist und auch viele Eigenschaften oder Anteile von anderen Märchen beinhaltet. Den Eindruck habe ich auch gewonnen und konnte das Übersinnliche in der märchenhaften Erzählung besser verorten als in ein einem fiktiven historischen Roman, denn solche zu Zeiten des Mittelalters oder 30-jährigen Krieges gehören nicht zu meinen bevorzugten Genres. Dazu passt Martin, der Junge mit den sanften, gütigen Augen, der trotz dem Leid in seinem Leben immer rein bleibt. Auch die schlimmen Taten der Gegenspieler, die oftmals schockierend und gruselig sind, passen zu der Macht, die die Herrscher in Märchen auf grausame Art ausüben. Das Ende war mir persönlich zu perfekt abgehandelt und manche Details zu positiv, aber auch das passt zum Schluss „…und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“


Fazit:
Die Geschichte ist geprägt von Leid, Grausamkeiten und manches Mal auch Grusel. Sehr düster, was im Gegensatz zu dem Protagonisten Martin steht, der trotz allem immer gütig und scharfsinnig bleibt. Eine märchenhafte Erzählung, aus der man auch Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft ziehen kann.

Bewertung vom 16.08.2021
Der dunkle Schwarm Bd.1
Graßhoff, Marie

Der dunkle Schwarm Bd.1


weniger gut

Spannende Idee, aber zu wenig Erklärung im Weltenaufbau


Atlas bzw. Oracle lebt in einer Welt, in der die Menschen über ihre persönlichen Adics (Implantate im Gehirn) kommunizieren, die Klimaerwärmung weit vorangeschritten ist und zwar noch Staaten existieren, aber alles stark von den großen Konzernen kontrolliert wird. Atlas hat durch ihr Adic gewisse Fähigkeiten, die sie einsetzt um Informationen zu stehlen und sie im Untergrund unter dem Namen Oracle verkauft. Eines Tages erscheint Noah und möchte, dass sie herausfindet wer einen ganzen Hive (quasi wie ein Gruppenchat bei WhatsApp) ausgelöscht bzw. getötet hat, zu dem seine Schwester gehörte. Bei diesen Recherchen hilft Oracle immer ihr einstiger Ziehvater Julien, der aufgrund seines Androidendaseins heute eher als externer Datenverarbeiter für Oracle dient. Da diese zukünftige Welt in einer zerstörten Natur lebt, gibt es noch die Organisation „The Cell“, die gegen die großen Konzerne rebelliert. Das zukünftige Washington hat mich mit seinen unterschiedlichen Levels, den großen Wolkenkratzern und den Leuchtreklamen stark an die Welt in Marie Grasshoffs „Neon Birds“-Reihe erinnert. Nur ist das Leben hier noch düsterer, da z. B. die Natur nur noch in unter Kuppeln angelegten Gärten existiert, der Blick auf die Sonne bzw. die Sterne nur noch sehr selten möglich und mittlerweile hauptsächlich künstlich ist, sowie die meiste Nahrung.

Und damit kommen wir zu meinem größten Kritikpunkt: Das Aussehen der dystopischen Welt konnte ich mir gut vorstellen, aber wie die Gesellschaft strukturiert ist und die Menschen leben, leider nicht. Der Unterschied zwischen Oracles Adic und dem der anderen wurde mir zu Beginn nach und nach klarer. Trotzdem haben mir diesbezüglich viele Informationen gefehlt, um mir ein umfassendes Bild der Gesellschaft zu bilden und damit Oracle und Noah bei ihrer Recherche verstehen zu können. Wie funktionieren Hive-Minds? Wann und wie erhält man das Implantat? Welchen Status und welche Rechte haben die Androiden? Sind sie nur Arbeiter für die reichen Menschen oder ist es ihnen möglich ein eigenständiges Leben zu führen? Von der Autorin ist man deutlich dickere Bücher gewohnt und auch hier hätte ich mir mehr Seiten gewünscht. Ich weiß, dass dieses Buch zunächst als Hörbuch mit begrenzter Wörterzahl erschienen ist, aber eine erweiterte Version in Schriftform hätte mir mehr zugesagt und mich mehr in das Geschehen eintauchen und mitfiebern lassen.


Die zweite Buchhälfte hat mich insgesamt etwas versöhnlicher gestimmt. Ich hatte immer noch manchmal Fragezeichen im Kopf, aber es wurde langsam mehr erklärt, wodurch ich tiefer in die Geschichte eintauchen konnte. Trotzdem war vieles für mich zu spät erwähnt. Hier wurde auch endlich das Geschehen rasanter und es kam viel mehr Spannung auf. Durch den ständigen Wechsel der Orte und das Aufeinandertreffen von Atlas, Julien und Noah mit unterschiedlichen Charakteren nimmt die Geschichte endlich an Fahrt auf. Mit einem Detail am Ende hätte ich fast gar nicht mehr gerechnet, aber mich gefreut, dass es noch erwähnt wurde. Die Erkenntnis hat mich sehr überrascht: Die Autorin hat definitiv eine Bombe platzen lassen. Und dann tat Alaska etwas, was mir zum einen nicht gefallen hat (muss es nicht, ich weiß), aber zum anderen hab ich es auch mal wieder nicht verstanden. Obwohl Alaska sehr leicht in die Köpfe anderer schauen kann, hat sie es mir nicht leicht gemacht, es bei ihr ebenso zu tun und ihre Gefühle gänzlich nachvollziehen zu können. Die Szene ist überhastet und ich hätte mir mehr aktives und verbales Geschehen gewünscht.




Fazit:
„Der dunkle Schwarm“ beinhaltet eine tolle Idee, deren Umsetzung aber noch ausbaufähig ist, wodurch ich mich in der faszinierenden Welt nie richtig zurechtfinden konnte. Wer gerne verstehen möchte wie etwas funktioniert, sollte vielleicht lieber die Finger von dem Buch lassen. Es ist es sehr schade, dass mich die Geschichte nicht mitreißen konnte, Potential dazu hat sie definitiv!