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de.Susi

Bewertungen

Insgesamt 426 Bewertungen
Bewertung vom 11.05.2022
Eine andere Zeit (MP3-Download)
Bürster, Helga

Eine andere Zeit (MP3-Download)


ausgezeichnet

".. Helga Bürster erzählt in ihrem neuen Roman von einer, die geblieben ist. Und immer wieder auch von den Nachwirkungen der Wende, vom Verschwinden und vom Bleiben, von Identität und Identitätsverlust..." (Amazon)
Treffender kann man dieses Buch nicht charakterisieren!
In den 1970er Jahren wachsen in einem abgelegenen Dorf in Vorpommern die Schwestern Enne und Suse auf. Während Enne ein eher wildes Kind ist, das auch viele Dinge (sehr zum Leidwesen der Eltern) hinterfragt, kränkelt Suse. Die elterliche Aufmerksamkeit und Fürsorge bündelt Suse damit auf sich, was das Verhältnis beider Schwestern stark belastet. Als sich beide in den Wendejahren allmählich annähern flüchtet Suse über Ungarn in den Westen und bleibt für immer verschwunden...
Jahre später ist Enna immer noch (oder schon wieder) in ihrem Heimatdorf zu Hause. Nachdem im HALB verfallenen Haus gegenüber eine unbekannte Frau eingezogen ist, denkt Enne oft zurück... Und daran das sie endlich Abschied von Suse nehmen müssen.
Sehr gekonnt verknüpft Helga Büster geschichtliche Entwicklungen in beiden deutschen Staaten mit Gedanken und Überlegungen der Protagonisten. Für mich war dies eine gelungene Reise in Erinnerungen an meine eigene DDR-Zeit. Aber ich denke, auch Westdeutsche können sich mit den Schilderungen identifizieren. Daneben ist es jedoch die Tiefe des zwischenmenschlichen, das Zusammenleben der unterschiedlichsten Typen und letztendlich auch der Dorfgemeinschaft, die dieses Buch so lesenswert machen.
Einziger Wermutstropfen für mich war das Ende, der zu Suse's Verbleib offen bleibt.
Ganz besonders hat mich wieder die Sprecherin Anna Thalbach begeistert, die wie immer mit ihrer z. T. Rotzigen Klangfärbung Charakterzüge, Mundarten und Dialekte wunderbar umsetzt.
Ein wunderbares Buch das zum Nachdenken anregt und das ich sehr gern weiterempfehle.

Bewertung vom 11.05.2022
Waldinneres (MP3-Download)
Subietas, Mónica

Waldinneres (MP3-Download)


sehr gut

Ein kleines, fast unscheinbare Gemälde von Gustav Klimt und Schicksale, welche sich mit selbigen verbinden...
Zur Zeit des zweiten Weltkrieges hilft Gottfrieds Vater Herrmann Messmer verfolgten Juden, verschlüsselt "Pakete" genannt, bei der Flucht.
Als diese bei Jakob Sandler scheitert, macht sich Herrmann zeitlebens Vorwürfe, die ihn letztendlich in den Tod treiben. Eine Tat die Gottfried ihm nicht verzeihen kann und ihm sein weiteres Leben vorwirft.
Auf verschieden Zeitebenen nähern sich die Handlungsstränge an, um sich dann in der Gegenwart zu verbinden. Zwei Geschichten, die sich unabhängig von einander, und dennoch durch das Bild verbunden, basierend aus dem Vermächtnis und den Erzählungen der Protagonisten, entwickeln.
Monica Subietas gelingt es hervorragend die Figuren so emphatisch zu zeichnen, das trotzdem die anfängliche Abneigung und Unverständnis für einige Akteure plausibel wird.
Und auch wenn viele Begebenheiten etwas zu viel Zufall beinhalten, fast jeder der einzelnen Akteure in einem (lange unbekannten) Zusammenhang zueinander steht, das man als Leser aufstöhnen möchte, überwiegt der positive Eindruck des Buches. Letztendlich schließt sich dadurch am Ende gekonnt der Kreis.
Ein Buch mit trauriger Thematik was mich sehr gefesselt hat und ich gern weiterempfehle.

Bewertung vom 05.05.2022
Die drei Emigrationen der Sonja Berg
Becker, Daniel

Die drei Emigrationen der Sonja Berg


ausgezeichnet

"Wenn du mich fragst, wo meine Heimat ist, dann muss ich dir sagen: ich weiß es nicht …" Dreimal musste Sonja Berg emigrieren: 1918 aus Russland, 1934 aus Nazideutschland und 1962 aus dem Südafrika der Apartheid. In den 1980er Jahren erzählten sie und ihr Mann Heinz dem damals 18jährigen Autor ihre Lebensgeschichten. Dreißig Jahre später fasst Daniel Becker basierend auf ihren Erinnerungen und eigenen ausführlichen Recherchen beider Leben in einem Buch zusammen. Das Ergebnis ist eine Reise in fast 100 Jahre Zeitgeschichte, die spannender nicht sein könnte.
Dieses Buch ist ein gut recherchierter, mit Fakten belegte Lebensbericht, der den Leser in glanzvolle und grausame Zeiten entführt, die er selbst nur aus Geschichtsbüchern kennen mag.
Mich hat dieses Buch sehr gefesselt und ich kann es an der Thematik interessierten Lesern nur weiterempfehlen!

Bewertung vom 05.05.2022
Leipziger Zeitenwende
Müller, Gregor

Leipziger Zeitenwende


ausgezeichnet

Kurz vor der Zeitenwende zum 20.Jahrhundert erschüttert eine Selbstmord Serie Leipzig.
Doch Kriminalcommissar Joseph Kreiser, vermutet, dass dahinter mehr steckt.
Die gewählte Darstellung, das Joseph seiner Vermieterin und Freundin Hannah das Geschehen als Tageszusammenfassung schildert, finde ich überaus gelungen.
Sie ist eine sehr kluge, und feinfühlige Frau die Joseph in seinen Ermittlungen durch interessante Ansätze unterstützt. Auch erkennt sie seinen inneren Kampf und baut ihm durch behutsames Ansprechen eine Brücke, welche er gern nutzt. Somit ist die ein Paradebeispiel er emanzipiert und modernen Frau die allmählich in der geschichtlichen Entwicklung aus dem Schatten der Männervorherrschaft hervortritt.
In Anbetracht der herrschenden gesellschaftlichen als auch gesetzlichen Meinung wagen sich beide sehr mutig hervor.
Besonders interessant sind für mich als Leipzigerin wie schon im Buch "Völkerschau" die Schilderungen der Örtlichkeiten. Mitunter lerne ich dadurch etwas neues aus der Geschichte Leipzigs.
Für mich war dies wieder ein sehr gelungener historischer Kriminalroman aus dem alten Leipzig. Sehr gern empfehle ich dieses Buch weiter.

Bewertung vom 05.05.2022
Stiefkinder der Republik (eBook, ePUB)
Censebrunn-Benz, Angelika

Stiefkinder der Republik (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mit diesem Buch wird ein trauriges Kapitel der DDR-Geschichte sachlich dargelegt. Im Wechsel mit rein informativen Kapiteln zu den jeweiligen Einrichtungen bieten Schilderungen Einzelner Einblick in traurige Schicksale. Ich konnte dieses Buch nicht hintereinander lesen, sondern musste immer mal wieder eine Pause einlegen um das Gelesene sacken zu lassen. Ein sehr berührende Sachbuch, das ich an der Thematik interessierten sehr gern weiterempfehlen.

Bewertung vom 05.05.2022
Die Stunde der Nebelkinder (eBook, ePUB)
Gregg, Stefanie

Die Stunde der Nebelkinder (eBook, ePUB)


weniger gut

Als 1947 Helene Vater aus der Gefangenschaft zurück kommt, bleibt er ihr fremd und sie nimmt sich vor sich von ihm nichts sagen zu lassen. Bisher kam sie in dem zertrümmerten München das Abenteuerspielplatz und Heimat zugleich ist, auch gut ohne ihn zurecht. Sie möchte aus dem Schatten ihrer großen vernünftigen Schwester Ana heraustreten und ihr Leben selbstbestimmt und frei von jedweden Einschränkungen führen. Ein Lebensstil der auf Dauer nicht gesund sein kann...
Da ich aufgrund der Kurzvorstellung eher ein anderes Buch erwartet hatte, kann ich mich mit damit auch nicht richtig anfreunden.
In meinen Augen will "Die Stunde der Nebelkinder" zu viel: das aus dem Kriegstrauma der Mutter resultierende apathische Verhalten, das die jüngere Tochter weder nachvollziehen noch akzeptieren kann, bis sie selbst Opfer einer Vergewaltigung wird. Eine identische Tat, deren Begleitumstände jedoch völlig verschieden sind: der Kampf ums Überleben bei der Mutter und der Lebensüberdruss bei der Tochter. Das Helene diese Erfahrung machen muss ist tragisch, jedoch m. E. teilweise auch provoziert und selbstverschuldet. Es ist sehr traurig, dass letztendlich erst dieses Erleben die jahrzehntelange Kälte zwischen Mutter und Tochter überwinden kann.
Das Buch hat bei mir leider keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und ich würde es auch nicht noch einmal lesen.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2022
Frische Wunden (eBook, ePUB)
Nähle, Kirsten

Frische Wunden (eBook, ePUB)


sehr gut

Die grausam zugerichtet Leiche einer jungen Frau wird im Würzburger Stadtwald gefunden - ihr Schädel an einem Baumstamm zertrümmert und mit einer Babydecke bedeckt. Die Untersuchungen ergeben, dass die Frau erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht hat. Für das Team um Hauptkommissare Victoria Stahl und Daniel Freund beginnt die fieberhafte Suche nach dem Baby und den Mörder...

Der Autorin ist es wunderbar gelungen ein schwieriges Thema zu einem flüssig zu lesenden und extrem spannenden Thriller zu verwandeln. Dabei verknüpft sie geschickt verschiedene Schicksale und verdeutlicht gekonnt die Hoffnung sowie Verzweiflung die letztendlich zu dieser grausamen Tat führen. Das florierende Geschäft mit dem sehnsüchtigen Wunsch bringt in Folge Reaktionen hervor, mit denen niemand rechnete.

Mich hat dieses Buch sehr gut unterhalten und ich empfehle es gerne weiter.

Bewertung vom 27.04.2022
Es ist schon fast halb zwölf
Becker, Zdenka

Es ist schon fast halb zwölf


ausgezeichnet

Die zunehmende Demenz ihres Ehemann Karl zwingt Hilde dazu über einen Umzug ins Altenheim nachzudenken. Doch zuvor möchte sie ihr Gewissen noch mit der Offenbarung eines wohlgehüteten Geheimnis erleichtern. Die auf dem Dachboden verwahrte Kiste mit ihrer beiden Briefwechsel während ihrer Verlobungszeit lässt Hilde auf eine Reise in die Vergangenheit gehen, wo das NS-Regime ihr Glück überschattete.
Einmal begonnen konnte ich dieses Buch nicht aus der Hand legen. Es liest sich wunderbar flüssig und fesselt sehr durch die leisen, aber eindrucksvollen Schilderungen.
Hildes Haltung in jungen Jahren, sich unterzuordnen und Gedanken bzw. Überlegungen nicht laut zu äußern, dürfte zum einem die Erziehung (Frauen haben zu gehorchen und sind vom Mann abhängig) als auch der dörflichen Abgeschiedenheit geschuldet sein. Dementsprechend verstehe ich ihre Geduld in der langen Verlobungszeit. Beider Briefe sprechen von der tiefen Liebe und Zuneigung, bieten allerdings auch einen Einblick in die Zeitgeschichte. Entsprechend ihrer Erziehung vielleicht aber auch ihrem Wesen entsprechend, möchte sie es voller Pflichtgefühl allen recht machen und pendelt zwischen der Wohnung in Berlin und ihrem Herkunftsort ständig hin und her. Kein Wunder das sie kein Heimatgefühl empfindet, sie funktioniert ja nur, anstatt zu leben - ihr Leben zu leben.
Wie hart das Leben ist wird mit vielen Randbemerkungen deutlich. Es ist erschreckend, wie groß die Furcht vor Bestrafung ist, das dafür sogar der mögliche Tod dafür in Kauf genommen wird.
Stellenweise streckt sich Hildes Erzählung, jedoch ist dies trotzdem gut zu lesen und keinesfalls langatmig. Vor allem die Zeitzeugenschilderungen in den Briefen sind sehr interessant. Obwohl aus Furcht vor Repressalien nichts konkret ausgesprochen wird, wird die belastende Stimmung sehr deutlich.
Der Schluss des Buches lässt mich nachdenklich zurück. Jedoch bin ich auch nur der Zuschauer und kann deshalb wohl nicht richtig nachfühlen, wie es beiden mit ihrer Schuld geht. Dass es sehr schlimm ist bzw. war, steht außer Frage. Jedoch darf man die Tat nicht aus dem Zusammenhang reißen. Es waren furchtbare Zeiten und letztendlich ging es in diesen Ausnahmesituationen auch immer ums eigene Überleben: er oder ich. Das soll keinesfalls eine pauschale Entschuldigung sein, aber mitunter machen wir es uns mit dem jetzigen Wissensstand in unserem "moralischen Sessel" sehr bequem und urteilen ggf. auch zu vorschnell. Ich kann nicht sagen, ob ich beispielsweise in Karls Situation anders reagiert hätte. Und gerade daraus entsteht Mitläufertum.
Das beide trotz aller Grausamkeiten keine Monster sind, zeigt beider menschliche Reaktion. Doch gerade das Verschweigen (um den Partner zu schonen) macht es mit der Zeit immer schwerer, das Geheimnis zu lüften. Während Karl mit seiner Demenz verschwindet, lässt es vor allem Hilde keine Ruhe, und die will ihr Gewissen vor dem Tod noch entlasten. Das rührt und ist mutig.
Ein wundervolles Buch der leisen Worte, das ich sehr gern weiter empfehle!