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Traeumerin109

Bewertungen

Insgesamt 221 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2017
Heute ist morgen schon gestern
Michalzik, Marco

Heute ist morgen schon gestern


ausgezeichnet

Kreative und wunderschöne Texte mit Botschaft

Marco Michalzik ist ein Name, den ich vorher noch nie gehört oder gelesen hatte. Aber seine Poetry-Slam-Texte haben mich voll erwischt. Es ist eine warme, angenehme Stimme, der wir lauschen. Und schon bei der ersten von dreizehn Nummern ist klar: Dies sind keine 08/15-Texte, die man sich mal schnell zwischendurch anhören kann. Sie haben Tiefgang und bieten ein Feuerwerk an Sprachkunst, bei dem es sich wirklich lohnt, genau hinzuhören. Und mit Sicherheit habe ich mir die CD nicht zum letzten Mal angehört. Denn so sollte Poetry Slam sein: Poetisch, intelligent und humorvoll mit Sätzen, die den Zuhörer überraschen. Gleichzeitig nicht banal oder klischeebeladen, sondern kreativ, mit neuen Gedanken und Ideen. Nicht immer wieder dasselbe. Vielleicht auch aktuelle Themen aufgreifend, dabei aber nicht verletzend werden. Nicht nur kritisch, sondern auch selbstkritisch. Und all das habe ich tatsächlich bei Marco Michalzik wiedergefunden. Er beschäftigt sich mit Themen, die uns allen bekannt sind, weil sie immer wieder durchgekaut werden, tut dies aber auf eine Weise, die uns dennoch aufhorchen lässt. Ein ganz großes Kunststück. Zusätzlich werden die Texte untermalt mit wunderbarer, atmosphärischer Musik, die das Ganze abrundet.

Fazit: Ein Hörerlebnis, das ich euch nur sehr ans Herz legen kann!

Bewertung vom 23.02.2017
Wer Hoffnung sät
Fabry, Chris

Wer Hoffnung sät


sehr gut

Tiefgehende Story mit überraschenden Wendungen

Es ist eine tragische Geschichte: Zwei Kinder sterben bei einem Autounfall. Der Fahrer des Unfallwagens, Will, muss ins Gefängnis und Karin, die Frau die er liebt, heiratet und bekommt Kinder. Doch nichts davon ist so, wie es sein sollte, und alles gerät immer mehr aus dem Ruder. Karin ist nicht glücklich in ihrem neuen Leben und Will kann sie einfach nicht vergessen. Nach zwölf Jahren wird Will entlassen und muss sich dem Hass stellen, der ihm draußen entgegenschlägt.

Nach zwei Büchern des Autors war ich gespannt auf dieses, und wurde nicht enttäuscht. Eine spannende Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen, die ich so wirklich nicht erwartet hätte. Erzählt wird sie aus vier unterschiedlichen Perspektiven, die sich abwechselnd zu Wort melden. Eine sehr schöne und abwechslungsreiche Art, ein solches Buch zu strukturieren. Zu Beginn macht es natürlich ein wenig Mühe, herauszufinden, wer diese Personen sind und was eigentlich passiert ist. Das erfahren wir nämlich nur bruchstückhaft nach und nach, und jeweils aus einer sehr subjektiven Sichtweise. Das hat aber überhaupt nicht gestört, sondern vielmehr die Spannung und Lesefreude noch erhöht. Denn dass eine Geschichte dahintersteht, die alles verbindet, war von Anfang an klar. Dass es allerdings solch eine zu Herzen gehende und im Grunde tieftraurige Verkettung von Schicksalen sein wird, damit hatte ich nicht gerechnet. Mehr möchte ich zum Inhalt an dieser Stelle nicht verraten, da müsst ihr euch einfach selbst überraschen lassen.
Aber: Es geht um ganz große Gefühle, die sehr authentisch rübergebracht werden. Schuldgefühle, Verzweiflung und vor allem Liebe. Zwischendurch werden immer wieder mehr oder weniger philosophische Überlegungen zum Leben an sich eingestreut, die anders als in vergleichbaren Kontexten keineswegs banal daherkommen, sondern wirklich gute Worte für schwierige Situationen finden.
Dieses Buch vereint vieles in sich: Viele Genres, vom Roman über Drama bis zum Psychothriller. Von allem ein bisschen, das aber in einer sehr guten Mischung. Viele Charaktere, viele Perspektiven und Facetten des Geschehenen. Das, worum sich alles dreht, kann man nur als unglaubliche Tragödie bezeichnen. Und wir erleben, wie die Menschen mit dieser Tragödie umgehen.
Jedoch muss ich auch sagen, dass ich die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Buch verstehen kann. Einige der Charaktere sind richtig gut, andere erscheinen eher distanziert und man bekommt als Leser nur schwer einen Zugang zu ihnen. Auch bleiben bezüglich der Story einige Fragen offen, die durch das rasante Ende nicht wirklich geklärt werden konnten. Es lief alles auf einen Höhepunkt hinaus, aber so richtig schlüssig erschien mir die Auflösung nicht. Dennoch fand ich gerade dieses Ende trotz seiner Schwächen sehr, sehr gut. Zum einen, weil dies eine Lösung war, auf die ich nie gekommen wäre. Zum anderen, weil hier sehr scharfsichtig und tiefgründig der Umgang der menschlichen Psyche mit starken Gefühlen beleuchtet wird. Nur eines ist am Ende wirklich klar: Nichts ist so, wie es scheint. Auch das allerletzte Kapitel, das viele als verwirrend empfinden, passt perfekt in dieses Buch hinein.

Fazit: Trotz kleinerer Mängel ein wirklich lesenswertes und stellenweise brillantes Buch!

Bewertung vom 23.02.2017
Entscheide gut - lebe besser!
Cloud, Henry

Entscheide gut - lebe besser!


sehr gut

Aus Fehlern lernen

Henry Cloud beschäftigt sich in seinem Buch mit einem allgegenwärtigen und allseits bekannten Thema: Fehler und wie wir aus ihnen lernen können. Oft haben wir vielleicht das Gefühl, immer wieder dieselben Fehler zu begehen und in dieselben Verhaltensmuster zurückzufallen. Wie oft wünschen wir uns, nicht immer wieder an derselben Stelle zu stehen. In diesem Buch werden Überlegungen und Strategien vorgestellt, wie wir es besser machen können.

Ein durchaus interessantes Buch. Gut strukturiert und nachvollziehbar werden nacheinander zehn sehr geläufige Fehler behandelt, die uns wohl alle in der einen oder anderen Form betreffen. Es sind vor allem Entscheidungen, die wir für uns selbst immer wieder treffen. So versuchen wir beispielsweise immer wieder, ein anderer Mensch zu sein oder auch, aus jemand anderem einen anderen Menschen zu machen. Oder wir wollen es allen recht machen. Manchmal lassen wir es auch einfach an Sorgfalt und Fleiß vermissen. Diese und andere Entscheidungen stellen uns täglich vor die Wahl. Meistens geht es nur um kleine Dinge, die jedoch in ihrer Summe viel bewirken. Ein Buch über unsere Verantwortung für unser Leben. Dabei werden keineswegs Erkenntnisse angesprochen, die bahnbrechend neu sind. Vieles von dem, was hier steht, kam mir bekannt vor. Jedoch ist es sehr konsequent zu Ende gedacht und hat mich an einigen Stellen zum Nachdenken angeregt. Es kann nie schaden, ab und zu an Dinge erinnert zu werden, und warum nicht in Form eines solchen Buches? Vielleicht hilft es dabei, klarer zu sehen, was genau im Leben eigentlich schiefläuft, und dass nicht nur andere oder die Umstände daran schuld sind. Im Gegenteil muss ich mich immer auch fragen, was ich selbst dazu beigetragen habe, dass ich da stehe, wo ich bin. Und die Antwort wird niemals „nichts“ lauten.

Dieses Buch stellt einen Aufruf dazu dar, aufzuwachen. Dabei ist der Schreibstil einfach und wird so keine Leser unterwegs liegen lassen. Einen kleinen Abzug gebe ich, weil dieses Buch doch wieder ein wenig so ist, wie andere Ratgeber auch. Etwas Außergewöhnliches ist es nicht, weder optisch noch inhaltlich. Dennoch sehr gut durchdacht und aufgebaut, sodass es auf jeden Fall nicht schaden kann, das Buch zu lesen.

Bewertung vom 23.02.2017
Es ist kompliziert
Evans, Rachel Held

Es ist kompliziert


ausgezeichnet

Zweifeln erlaubt – was in der Kirche heute schiefläuft

In diesem Buch versucht Rachel Held Evans zu erklären, wie es sein kann, dass immer mehr junge Menschen ihren Glauben zu verlieren scheinen. Anhand der sieben Sakramente beschäftigt sie sich mit all dem, was in der Institution Kirche schief läuft und abschreckt, aber auch besser gemacht werden kann. Dabei geht es ihr um die tiefere, in ihrer Tragweite kompromisslose Bedeutung der einzelnen Sakramente.

Das Besondere an dem Buch ist, dass die Autorin selbst die Zweifel versteht, welche mit dem Glauben einhergehen. Sie selbst war lange auf der Suche und ist es immer noch. Dabei beschreibt sie ihren Weg von einem glühenden Glauben, der sie in einen dunklen Abgrund führte aber dennoch nie alleine ließ. Für Menschen, die manchmal zweifeln, auch wenn sie es nicht offen zugeben, genau das richtige Buch. Ich habe fast alle Fragen, die ich mir jemals gestellt habe, in diesem Buch wiedergefunden. Rachel Held schreibt zudem unglaublich einfühlsam, aber auch klar und humorvoll. Sie findet treffende Beschreibungen und die richtigen Worte, um verwirrten Gefühlszuständen gerecht zu werden.

Dies ist ein Buch, das ich sehr, sehr gerne gelesen habe. Der Schreibstil ist angenehm und locker, und nimmt so den Leser an die Hand. Ich fühlte mich nicht alleingelassen in dem Buch, sondern auf eine wohldurchdachte Reise geschickt. Die sieben Sakramente habe ich vorher noch nie aus dieser Perspektive betrachtet, und sie ergaben auf einmal ein völlig anderes Bild. Auch die vielen unterschiedlichen Facetten dieser Sakramente werden beleuchtet, und das auf eine sehr wortgewandte und kreative Art. Dazu macht sie niemandem einen Vorwurf, sondern schreibt ehrlich von ihren Gedanken und Empfindungen. Ich kann mich nur wiederholen, es ist wirklich eine Freude, dieses Buch zu lesen. Nicht nur seelsorgerlich ein Highlight, sondern auch aus theologischer Sicht wertvoll. Gerade für junge Menschen, die auf der Suche sind, sehr empfehlenswert. Und auch für Gemeinden vielleicht nicht uninteressant. Denn vieles von dem, was hier angesprochen wird, ist einfach wahr und mit ein Grund, warum Menschen die Kirche verlassen.

Fazit: Unbedingt lesen!!!

Bewertung vom 23.02.2017
Geigen der Hoffnung
Müller, Titus;Roth, Christa

Geigen der Hoffnung


ausgezeichnet

Inspirierend und berührend

Amnon Weinstein ist ein außergewöhnlicher Geigenbauer. Nach langen Jahren, in denen er die Geschichte seines Volkes im Holocaust totgeschwiegen hat, setzt er nun alles daran, sie wieder zum Leben zu erwecken. Er restauriert alte, zerkratzte und zerbrochene Geigen verfolgter Juden, damit sie als „Violins of Hope“ in den größten Konzertsälen der Welt gespielt werden können.

„Die Vergangenheit schreibt sich nicht in den Korpus ein. Es sind die Musiker, die anders auf ihnen spielen, sobald sie die Geschichten hinter den Instrumenten kennen.“

Ja, das ist es, was den Geigen ihren besonderen Klang verleiht. Dieses Buch hat mich unglaublich berührt. Geigen sind ganz besondere Instrumente in der jüdischen Kultur. Sie begleiten viele Gebete und waren in den meisten jüdischen Familien zu finden. Davon hatte ich keine Ahnung, genauso wenig wie von der Tatsache, dass es in den KZs Lagerorchester mit Insassen gab, deren Aufgabe darin bestand, die Todesmärsche ihrer Mitgefangenen zu begleiten. Dennoch schenkte die Musik ihnen inmitten all dem Leid und der Zerstörung auch Mut, Kraft und Hoffnung. Somit stellt dieses Buch nicht nur ein wichtiges geschichtliches Zeugnis dar, sondern auch eine Hommage auf die Musik. Amnon Weinstein dokumentiert auch sämtliche Geschichten, welche die Geigen begleitet haben, soweit sie sich rekonstruieren lassen. Denn er ist der Meinung, dass diese Geschichten nicht verschwiegen und vergessen werden dürfen. Aber darunter sind auch viele, welche durch die Musik gerettet wurden.

Das Buch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Es wurde nicht von Amnon Weinstein selbst geschrieben, sondern ergab sich wohl aus einer Vielzahl von Gesprächen und Besuchen in seiner Werkstatt. Dabei wechseln sich Passagen, in denen er zu Wort kommt, ab mit solchen, in denen eine die Geschichte eines jüdischen KZ-Insassen erzählt wird. Dessen Schicksal fesselte mich ebenso wie die weisen Worte des alten Geigenbauers. Das Buch lässt sich sehr flüssig lesen und hat den Lesern dennoch viel zu sagen. Es geht um die Geschichte eines Volkes, das sich nicht entmutigen lassen will, trotz Verfolgung und versuchter Auslöschung. Es geht auch um die Bedeutung der Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung. All dies wird zu einem runden Ganzen verknüpft.

Fazit: Ein bewegendes und ermutigendes Buch, das sehr viele Facetten zu bieten hat. Nicht nur für Musikliebhaber empfehlenswert!

Bewertung vom 23.02.2017
Möge deine Reise lang sein
Filos, Altana

Möge deine Reise lang sein


ausgezeichnet

Unbedingt lesenswert!

Altana Filos nimmt uns mit auf eine Reise, die tatsächlich ziemlich lang ist. Aus ihrer ursprünglichen Heimat Griechenland folgt sie ihrem Mann nach Deutschland, wo sie nach anfänglichen Schwierigkeiten schnell eine neue Heimat findet. Mehr als eine Heimat. Sie lässt uns an dieser ihrer Reise teilhaben, an ihren Ängsten und Sorgen, Freuden und Begegnungen mit besonderen Menschen.

Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn nur schwer in das Buch gefunden habe. Die Schilderung der Autorin erschien mir distanziert und sprunghaft. Jedoch habe ich sehr schnell meine Meinung geändert, als ich festgestellt habe, welche Wärme durch jede einzelne Zeile scheint. Altana Filos schreibt unglaublich authentisch und lebensnah, wodurch ich ihre Reise gebannt verfolgte und mit ihr fühlte. Sie scheint zwar im Geschehen zu hüpfen, kann jedoch alles gut miteinander verknüpfen und auch spannende Hintergrundinformationen einfließen lassen. Im Grunde ist dies hier in Deutschland ein hochaktuelles und wichtiges Thema: Die Flüchtlingswellen haben das Thema Fremdheit wieder in den Mittelpunkt gerückt und die Grenze zwischen deutsch und nicht-deutsch verschärft. Viele Begleiterscheinungen dieser Entwicklungen hat die Autorin am eigene Leib erfahren und erzählt in diesem Buch davon. Was dabei herauskommt, ist erschütternd, wenn nicht schockierend.
Altana schildert die Gefühle bei einem Neuanfang in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht spricht. Doch es gibt viele positive Begegnungen, die sie prägen und schließlich hier eine zweite Heimat finden lassen. Aber dann beginnt mit dem Fall der Mauer eine Entwicklung, die nach und nach das Leben in Deutschland verändert. Der Begriff „Ausländer“ wird plötzlich viel präsenter und scheint auch für die Bürger an Bedeutung zu gewinnen. Misstrauen und Abneigung gegenüber dem Fremden nehmen zu. Sie erzählt von kleinen und größeren Begebenheiten und ich war völlig fassungslos: Unwissenheit und Vorurteile führen zu so viel Leid. Jedoch ist Altana auch vielen freundlichen Menschen begegnet, die sie mit großer Herzlichkeit empfangen haben.

Dieses Buch vermittelt in vielerlei Hinsicht eine ganz neue Sichtweise. So habe ich einen ganz anderen Blickwinkel auf das Land, in dem ich seit meiner Geburt lebe, kennen und schätzen gelernt. Zudem hat mich die Gelassenheit überrascht, mit der Altana der Ablehnung und Ungerechtigkeit begegnet ist, die ihr entgegengeschlagen ist. Und ich denke, dies ist wohl die beste Art, damit umzugehen. Es hat mich beeindruckt, dass sie auch Menschen gegenüber, die sie verletzt haben, stets respektvoll geblieben ist. Niemand wird abgewertet oder verurteilt.
Ein weiterer Pluspunkt ist das Gedicht „Ithaka“, dem das Buch seinen Titel verdankt. Ein wunderschönes Gedicht, das den Leser durch das gesamte Buch hindurch begleitet.

Fazit: Ein hochaktuelles Buch, von einer warmherzigen Frau geschrieben. Es geht um die Bedeutung von Heimat und Fremdsein, um den Umgang mit Hass und Ungerechtigkeit. Wer der Meinung ist, dass dieses Deutschland, in dem wir leben, allein den Deutschen gehört, und dass Ausländer hier unerwünscht sind, der sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen. Allen anderen jedoch kann ich es nur wirklich ans Herz legen! Dies ist eines von den Büchern, die von möglichst vielen Menschen gelesen werden sollten.

Bewertung vom 28.01.2017
Stacheln in der Partnerschaft
Berger, Jörg

Stacheln in der Partnerschaft


gut

Wenn der Partner seine Stacheln ausfährt

In einer Beziehung gibt es viele Momente, in denen der eine den anderen verletzt. Dies kann auf viele verschiedene Weisen geschehen und es gibt viele Gründe dafür. Auch wir selbst fahren hin und wieder Stacheln aus. Doch wie können wir uns selbst und andere besser schützen? Jörg Berger geht dieser Frage auf den Grund.

Nachdem ich schon einiges von den Büchern der „Stachel“-Reihe gehört hatte, war ich gespannt auf dieses hier, für mich das erste. Jedoch muss ich sagen: Auch nach beendeter Lektüre verstehe ich nicht, warum diese Bücher so hoch gelobt werden. Ich habe einen Ratgeber gelesen, wie es viele gibt – mehr aber auch nicht. Ja, auch ich habe mich als Partner in dem einen oder anderen Stachel wiedergefunden. Doch weder dafür noch für Möglichkeiten, damit umzugehen, hätte es unbedingt dieses Buch gebraucht.
Die verschiedenen Themen sind ganz übersichtlich aufgebaut und organisiert. Zum einen sind die verschiedenen Stachel aufgelistet: Grenzen überschreiten, abwerten, Energie rauben, usw. Zum anderen wird auch innerhalb eines Kapitels eine übersichtliche Struktur eingehalten. Zuerst beschreibt der Autor das Problem, oft anhand mehrerer Beispiele. Dabei unterteilt er die Beispiele schon anhand der Gründe für das entsprechende Verhalten. Vieles passiert aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus, oder um nicht selbst verletzt zu werden. Dann widmet er sich nacheinander beiden beteiligten Partnern, indem er sowohl für den Verletzenden als auch für den Verletzten Möglichkeiten aufzeigt, mit der Situation anders umzugehen. Das beinhaltet die Bereitschaft, die eigenen Stacheln zu erkennen und das dahinter liegende Verhaltensmuster zu durchschauen. Es beinhaltet aber auch, die Stacheln des anderen nicht einfach so hinzunehmen. Was mir in dem Buch gefallen hat, war die durchweg sehr sanfte, liebevolle Betrachtung beider Partner. Egal, wer auch immer sich falsch verhalten hat, beide werden akzeptiert und liebevoll geführt. Dabei geht es darum, die Stacheln, die andere und uns selbst verletzen, einfühlsam zu ziehen. Das kann beispielsweise geschehen, indem wir uns an das verletzte Kind erinnern, das im anderen sichtbar wird.
Jedoch, was mich bei der Lektüre immer wieder gestört hat, waren tatsächlich die Beispiele. Die Idee ist sehr gut, jedoch wirkten die meisten der Beispiele leider sehr künstlich. Nicht so sehr die Situationen, sondern vielmehr die Dialoge. Vor allem auch die vom Autor vorgeschlagenen Sätze, die man sich fürs nächste Mal zurechtlegen könnte, sind absolut unrealistisch. Sie klingen unglaublich gestelzt und ich habe noch nie jemanden sich auf diese Weise unterhalten hören. Deshalb konnte ich diese Vorschläge leider meistens nicht ernstnehmen.

Fazit: Eine liebevolle Herangehensweise ohne viele Vorwürfe. Ansonsten leider ein weiteres Buch, das sich in die etwas nutzlose, endlose Riege der Ratgeber einreiht. Schade...

Bewertung vom 28.01.2017
Esther
Bigger, Leo

Esther


ausgezeichnet

Eine Geschichte, die unser Leben verändern kann

Leo Bigger stellt uns eine Geschichte aus der Bibel vor, über die wir meistens schnell hinweglesen: Die Geschichte von Esther, die das Volk der Juden rettet, indem sie sich mutig vor den König stellt. Doch wie viel mehr wir daraus lernen können, das wird in diesem Buch wunderbar und anschaulich gezeigt. Allein optisch ist das Buch auf jeden Fall schon einmal einen Blick wert. Wunderschöne Bilder von lebensfrohen, mutigen, frechen, geheimnisvollen Mädchen wechseln sich ab mit stimmungsvollen Collagen. Auch die Kapitelüberschriften sind sehr ansprechend in Szene gesetzt und machen außerdem neugierig.
Inhaltlich hat das Buch mich sehr positiv überrascht. Anstelle eines typischen, aber leider langweiligen Gott-ist-mit-dir-Ratgeber begeben wir uns hiermit unwillkürlich auf eine witzige, spritzige Reise in uns selbst und das, was unser Leben vielleicht noch mit uns vorhat. Wirklich in jedem Abschnitt habe ich etwas gefunden, das mich ganz persönlich angesprochen hat und mir auch an genau dem Tag geholfen hat, an dem ich das Buch gelesen habe. Das ist schon etwas, was bei weitem nicht jedes Buch schaffen würde. Leo Bigger hat eine sehr gute Mischung gefunden aus passenden Bibelzitaten an den passenden Stellen, Fließtext und ebenfalls sehr treffenden Aussprüchen anderer Persönlichkeiten. Dazu gibt es am Ende jeden Kapitels noch eine kleine Meditationsfrage und einen ermutigenden Gedanken in Form eines kleinen Gebets. Es steckt allgemein so viel Mutmachendes und Tröstendes in diesem Buch, das ist Wahnsinn. Es geht um eine persönliche Beziehung zu Gott, der uns oft näher ist, als wir denken. Um den Helden in uns. Das Außergewöhnliche in uns ganz gewöhnlichen Menschen. Wunder. Ein Plan für unser Leben. Und schlussendlich hat Gott immer das letzte Wort. Alle diese Themen hat der Autor in der Geschichte von Esther wiedergefunden und war davon so begeistert, dass er sie uns näher bringen wollte. Viel mehr möchte ich inhaltlich nicht verraten, nur so viel: Es warten viele Überraschungen auf euch!

Vor allem ist es auch die Sprache des Autors, die dieses Buch so lesenswert macht. Leo Bigger ist Prediger mit Herzblut, und ja, er ist zum Prediger geboren. Wenn er es nicht schafft, Menschen für Gott und Religion zu begeistern, dann weiß ich nicht, wer es sonst schaffen soll. Da ist keine Spur von alter, verstaubter Schubladentheologie. Eine frische und lebendige Sprache, die den Leser direkt an die Hand nimmt und mitzieht, ob er es will oder nicht, prägt stattdessen das Buch. Vergleiche, die jeder versteht. Beispiele, die jeder kennt. Humor, den (fast) jeder mag. Unbedingte Leseempfehlung!!!

Bewertung vom 28.01.2017
Luther - Lehrmeister des Widerstands
Siemon-Netto, Uwe

Luther - Lehrmeister des Widerstands


sehr gut

Luthers Zwei-Reiche-Lehre im Licht des Zeitgeistes

Es ist ein bekanntes Klischee: Martin Luther habe mit seiner Zwei-Reiche-Lehre die Christen zu Duckmäusern und Knechten der Obrigkeit erzogen. Oft taucht der Vorwurf auf, eben dieses Erbe sei für den Aufstieg Hitlers verantwortlich. Lutheraner hätten gegen das diktatorische Regime keinen Widerstand geleistet. Der Autor Uwe Siemon-Netto möchte diese Vorstellung durch stichhaltige Argumente widerlegen.

Dieses Buch zeigt zunächst eine erfrischende Herangehensweise an das ganze Thema. Ausgehend vom Begriff des Klischees allgemein und seiner Entstehung wendet es sich immer mehr dem speziellen Klischee zu, welches sich um Luther rankt. Dabei verwendet es eine klare und präzise Sprache, welche ich als Leser sehr angenehm finde. Die aufgeführten Argumente treffen einige Punkte wie den Nagel auf den Kopf. Das hat mich teilweise überrascht und auch zum Nachdenken gebracht. Der Autor nennt viele Beispiele für ein Luthertum, das sehr wohl Widerstand leistet und auch damals geleistet hat. Dagegen prangert er die offensichtliche Weigerung der Alliierten an, mit den Widerständlern zusammenzuarbeiten, obwohl es Beweise für deren Aktivitäten gab. Auch über das Dritte Reich hinaus gab es unter dem sozialistischen Regime der DDR genügend Möglichkeiten zum Widerstand, welche genutzt wurden. Es ist mir als Leser, der bisher recht wenig Ahnung von diesem Thema hatte, sehr leicht gefallen, den Gedankengängen zu folgen. Sie sind zudem so spannend aufeinander aufgebaut, dass das Lesen auch Freude macht.
Ein paar kleine Abzüge muss ich dem Buch aber doch geben: Ich hatte das Gefühl, dass Luther ein wenig zu sehr auf einen Sockel gehoben wurde. Auch aus seiner Lehre wurden diejenigen Aspekte herausgehoben, welche natürlich erstrebenswert sind. Solche, die wir aus heutiger Perspektive jedoch auf keinen Fall teilen können, abgesehen von seinen Anfeindungen gegen Juden, die der Autor sehr wohl erwähnt, werden ansonsten außen vor gelassen. Das war zwar nicht Hauptthema des Buches, wurde aber auch nicht am Rande erwähnt und lässt so ein etwas verfälschtes Bild entstehen. Auch die Aussage, eine nicht-lutherische Person, welche aber nach Grundsätzen handelt, die Luther auch gelehrt hat, vertrete ein „intrinsisches Luthertum“, halte ich für sehr fragwürdig und, sooft sie getätigt wird, völlig unbegründet in den Raum gestellt.
Zudem, um wieder auf die inhaltlich-formale Ebene zurückzukommen, nennt der Autor wirklich unglaublich viele Namen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Dabei verweist er ziemlich oft entweder auf die entsprechenden Personen oder etwas, das sie geschrieben haben. Deshalb musste ich ständig zurückblättern, um nachzuschauen, was genau er nochmal meint. Das hat das Lesen doch einige Male unterbrochen und mühselig gemacht.

Fazit: Das Buch ist auf jeden Fall sehr interessant, meiner Meinung nach jedoch auch teilweise mit Vorsicht zu genießen. Vom Schreibstil und der Verständlichkeit her kann ich es weiterempfehlen.