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Verena

Bewertungen

Insgesamt 137 Bewertungen
Bewertung vom 31.05.2021
Stolz und Vorurteil
Austen, Jane

Stolz und Vorurteil


ausgezeichnet

“Ich könnte ihm seine Eitelkeit leichter verzeihen, hätte er die meine nicht verletzt.”

Kann ein Satz die große Liebe besser einleiten, als dieser? Im Fall von Elizabeth Bennet und Mr Darcy schon. In Jane Austens Klassiker “Stolz und Vorurteil” können die beiden sich zu Beginn überhaupt nicht leiden. Ihre gegenseitige Abneigung lassen sie sich auch spüren, natürlich weitestgehend im Rahmen der Etikette der Zeit, aber höchst zitierfreudig dank des grandiosen Wortwitzes von Jane Austen. Im Lauf der Erzählung, die gespickt ist mit einer Reihe grandioser Figuren, die von den Austen-Liebhabern, den Janeites, mindestens genauso geliebt sind wie die Protagonisten selbst, müssen die beiden eigene Fehler eingestehen, anerkennen, dass ein Vorurteil schnell gefällt ist und lernen dabei sich zu lieben. Vorbild vieler Enemies-to-Lovers Romanzen, die als Liebesgeschichte nur selten dem Original das Wasser reichen können. Dass Austen in erster Linie keinen Liebesroman sondern ein Gesellschaftsstück geschrieben hat, wird dabei oft vergessen. Ihre Beobachtungsgabe, ihr erzählerisches Geschick, ihre Ironie, ihr Humor – davon leben Austens Romane. Schade daher, dass der Klappentext den Klassiker auf die Lovestory reduziert. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt. Die Ausgaben, neben “Stolz und Vorurteil” sind noch “Verstand und Gefühl” und “Emma” in dieser Reihe erschienen, bieten hübsche Schmuckausgaben für wenig Geld. Die Pastelltöne machen sich gut in jedem Regal und grade für Austen-Neulinge sind sie eine Möglichkeit, sich eine schöne gestaltete, illustrierte Hardcover-Ausgabe ins Regal zu stellen und sich so der großen Autorin zu näheren.

Bewertung vom 19.05.2021
Irgendwo ist immer irgendwer verliebt
McKinlay, Jenn

Irgendwo ist immer irgendwer verliebt


schlecht

Als ihr Vater ankündigt, zu heiraten, realisiert Chelsea, Ende 20, dass sie seit dem Tod der Mutter mehr existiert als lebt & sich nur der Arbeit widmet. Um sich selbst & ihr Lachen wieder zu finden, möchte sie an die Orte ihrer Europareise, an denen sie sich besonders glücklich fühlte. Chelseas Chef unterstützt ihr Vorhaben, gibt ihr unbezahlten Urlaub & schon sitzt sie im Flieger. Die Idee, bei einer Reise zu sich selbst zu finden, ist keine neue, aber zieht mich immer sehr an. Mir gefällt die Idee, wie Menschen, weit weg von zu Hause, in einer anderen Kultur, Dinge über sich erfahren, die sie im gewohnten Umfeld nicht (mehr) wahrnehmen. Ich erwarte bei einem Liebesroman keine tiefenpsychologische Charakterstudie; dass Chelsea sich auf der Reise verlieben wird – eh klar. Aber was die Autorin aus dem Stoff macht ist einerseits eine alberne Aneinanderreihung schlecht eingesetzter Klischees; andererseits ist der Umgang mit Trauer echt übel. Auch ein seichter Roman kann Tiefgang haben & ernsten Themen gerecht werden. Chelsea allerdings fühlt sich “geheilt” von ihrer Trauer, nachdem sie mit einem Kerl geschlafen hat; der letzte Absatz vor dem Epilog suggeriert, dass ihre Selbstfindung gleichgesetzt ist mit dem Finden der großen Liebe. Ohnehin reist Chelsea nicht an Orte, die ihr etwas bedeuteten, sondern sucht die Kerle, mit denen sie vor 7 Jahren was hatte (davon ausgehend, dass die nach 7 Jahren auf sie warten). Dabei plumpst sie in Matsch, fällt vom Stuhl, kippt Wein über sich...Merke: was bei Bridget Jones funktioniert, muss nicht ständig reproduziert werden. Besonders schlimm fand ich den “Traummann”. Eingeführt als ihr Arbeits-Nemesis übernimmt Jason ihre Projekte, ruft sie dauernd an (cringy Telefonate), reist ihr nach, stalkt sie vor Ort, während sie die Dudes ihrer Vergangenheit stalkt. Ein No-Go jagt das Nächste (Jason filmte sie einst heimlich bei ihrer Mammographie!!). Sehr schade, dass die tolle Idee so umgesetzt wurde.

Bewertung vom 31.03.2021
Du kannst kein Zufall sein
Bailey, James

Du kannst kein Zufall sein


gut

Zunächst mal ein klassischer Fall von lasst-uns-einen-neutralen-Titel-für-die-deutsche-Übersetzung-richtig-einkitschen: “The Flip Side” wird zu “Du kannst kein Zufall sein” & begleitet 1 Jahr lang Josh, der unzufrieden ist mit seinem bisherigen Leben, aber gleichzeitig nicht wirklich weiß, was er will. Nach einem gescheiterten Heiratsantrag erfährt er, dass seine Freundin ihn betrügt, verliert gleichzeitig Job und Wohnung. Als er eine Münze findet, beschließt er, 1 Jahr lang bei jeder Entscheidung diese zu werfen. Der 1. Teil des Buchs ist, um es kurz zu fassen: langweilig. Eine uninspirierte Situation jagt die nächste und zeigt, dass Joshs Plan mit dem Münzenwurf ihn in manch missliche Lage bringen kann. Klar, das muss etabliert werden, aber nicht so ausschweifend.

Richtig interessant wird die Geschichte erst, als er beim London Marathon in der Warteschlange vor der National Gallery DIE Frau trifft. Er muss eigentlich nur aufs Klo, sie will sich van Goghs Sonnenblumen ansehen. Im Gedränge verlieren sich die beiden nach dem spontanen gemeinsamen Museumsbesuch und Josh weiß nur, dass sie in einem englischen Buchladen im Ausland arbeitet & dass van Goghs Sonnenblumen in der Nähe ausgestellt werden. Nachdem er die Münze befragt hat, begibt er sich auf die Suche. Richtig toll waren die Kapitel, in denen er in München, Amsterdam & Paris die englischen Buchläden und Museen aufsucht, in der Hoffnung auf Hinweise auf seine Traumfrau. Grade die München-Szenen fand ich super, da ich im Anglistik-Institut in der Schellingstraße studiert habe & die besagten Buchläden natürlich gut kenne.

Leider lässt die Geschichte dann wieder nach. Eine vorhersehbare wie unnötige dramatische "Wendung" holt Josh nach England zurück & das anschließende Happy End wirkt unrealistisch (Josh hat das ganze Jahr über kein Geld, kann sich die Suche durch Europa nur leisten, weil er 1000 Pfund gewonnen hat, kann dann aber mit seiner Traumfrau 1 Jahr lang auf Reisen gehen? Please). Die Idee hatte viel Potential, das leider nicht ausgeschöpft wurde. Schade.

Bewertung vom 24.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

“Worte (…) waren nicht so leicht zu durchschauen, dafür konnte man in ihnen etwas finden, das tröstete und einem das Gefühl gab, nicht allein zu sein.”

An seine Vorgänger kommt “Hard Land” nicht ran, allerdings hängt die Messlatte da sehr hoch. Die die 2. Hälfte des Romans gehört sicher zu den grandiosesten Dingen, die Wells bisher geschrieben hat, allerdings ist mir der 1. Teil, eine Homage an die Coming-of-Age Filme der 80er, zu repetitiv. Zwar gut geschriebene, jedoch sehr Genre-stereotypische Szenen reihen sich aneinander (und nicht alle Aspekte dieser Filme sind gut gealtert). Wells gibt sich Mühe, den heutigen Zeitgeist einfließen zu lassen ohne dabei das Eighties-Feeling zu zerstören. Gut gelungen ist das bei Cameron und Hightower, weniger gut bei Kirstie, deren Verhalten Sam gegenüber manchmal etwas nervt – hinter der taffen Fassade steckt ein unsicheres Mädchen, doch wie der verliebte Sam mit sich spielen lässt, hätte gern ein 80s Klischee bleiben dürfen. Gerade bei der finalen Szene, nachdem Kirstie ihm ein Jahr lang zeigte, dass sie nur dann Interesse an Kontakt hat, wenn es gerade in ihr Leben passt, hätte ich mir von Sam weniger Passivität, ein bisschen mehr Selbstachtung gewünscht, v.a. nach der Entwicklung die er zuvor, in der 2. Hälfte des Romans, durchmacht. Der Tod der Mutter trennt die beiden Hälften, funktioniert auch als Trennung zwischen Sams Kindheit und dem Erwachsenwerden, denn über Nacht ist er plötzlich alleine mit dem Vater, dessen Beziehung zu Sam wegen seiner eigenen Kindheit kompliziert ist, der mindestens genauso hilflos ist in seiner Trauer wie Sam. Und dann ist da so viel Wut, so viel Angst in Sam. Es ist berührend mitzuerleben, wie Sam lernt, damit umzugehen, sei es durch die langsam wachsende Beziehung zum Vater (großartig!), Rat eines aufmerksamen Lehrers oder durch sein kreatives Outlet, die Musik. Toll entfalten sich auch die Freundschaften, die er in dieser Zeit aufbaut/vertieft. Sprachlich ist Wells ja sowieso ein Genie und im 2. Teil konnte ich den Bleistift gar nicht mehr weglegen, so viele Stellen gab es zu markieren. Im ganzen Roman schafft er es, eine dem Alter des Protagonisten angemessene Sprache zu finden, ohne dabei auf Tiefgang zu verzichten.

Bewertung vom 22.09.2020
Keeping Faith - Farben der Liebe / Love Again Bd.1
Wedekind, Rebekka

Keeping Faith - Farben der Liebe / Love Again Bd.1


ausgezeichnet

Eine schöne Liebesgeschichte, die fast ein bisschen zu erwachsen ist für die Genre-Bezeichnung New Adult. Es ist die Geschichte von Ben & Faith, die sich in Chicago als Nachbarn begegnen und nicht unbedingt den besten Start haben. Erzählt wird aus Bens Perspektive und mit der Zeit entwickeln sich seine Gefühle gegenüber Faith von anfänglichem Genervtsein über Anziehung bis hin zu Liebe. Dank seines Charmes hatte Ben bisher nie Probleme bei Frauen, doch bei Faith stößt er gegen eine Mauer. Obwohl die beiden bald miteinander schlafen, gibt Faith nichts von sich preis. Ben hingegen wünscht sich nach und nach mehr als ein rein körperliches Arrangement, versucht sie an seinem Leben teilhaben zu lassen, stellt ihr Freunde & Familie vor. Faith hingegen zieht sie sich manchmal regelrecht zurück, wenn es ihr zu nah, zu intim wird. Einzig über die Bilder, die sie malt & die Farbkleckse, mit denen sie oft überdeckt ist, lassen Ben vermuten, wie bunt es in ihrem Inneren brodelt.
Vor allem bei Liebesromanen stört es mich meist, wenn Dinge zu übertrieben dargestellt werden und dadurch künstlich Dramen konstruiert werden. In Keeping Faith gibt es natürlich auch eine dramatische Erkenntnis, als Ben endlich Faiths Geheimnis kennenlernt. Rebekka Wedekind übertreibt aber nie, lässt es immer ganz natürlich wirken und: sie weiß wovon sie schreibt und das merkt man. Faith hat gegen Ende einen kleinen Monolog & der ist ganz wunderbar und zeigt einerseits, wie reflektiert die Autorin an das Thema herangeht und andererseits, wie gut sie es in Worte fassen kann.⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Für meinen Geschmack hätte gerne das letzte Drittel des Romans länger ausfallen dürfen, aber ich glaube, Fans des Genres kommen zuvor auch schon gut auf ihre Kosten.

Bewertung vom 22.09.2020
Saving Grace - Flammen der Liebe / Love Again Bd.2
Wedekind, Rebekka

Saving Grace - Flammen der Liebe / Love Again Bd.2


ausgezeichnet

Der 2. Teil der Love Again Reihe von Rebekka Wedekind begleitet Grace, der in Teil 1 als Nebenfigur ein folgenschwerer Fehler unterlaufen ist, zurück in ihre Heimatstädtchen. Hier muss sie einen Neustart wagen, sowohl beruflich als auch privat. Der begangene Fehler lässt ihr dabei aber keine Ruhe, sie ist vor allem bei Ausübung ihrer medizinischen Tätigkeit voller Selbstzweifel und muss lernen, mit der Vergangenheit zurechtzukommen.
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Sie trifft auf Lex, den besten Freund ihrer großen Schwester und bald entwickeln sich zwischen den beiden Gefühle, allerdings hat auch Lex ein Geheimnis aus der Vergangenheit, das ihn und die Beziehung zu Grace plagt...
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Trotz der dunklen Vergangenheit der Protagonisten schafft es die Autorin, ihre Leser*innen locker flockig mit durch ihre New Adult Lovestory zu nehmen. Eigentlich ja nicht mein präferiertes Genre, aber „Saving Grace“ habe ich an einem Abend durchgelesen. Für mich persönlich hätte zwar das dramatische Ereignis als Höhepunkt (ganz spoilerfrei :D) nicht sein müssen, da es ja bereits zuvor zwei dramatische Wendungen gab, aber ich glaube Fans des Genres kommen gerade dadurch gut auf ihre Kosten :D

Bewertung vom 22.09.2020
Volkswagen Blues
Poulin, Jacques

Volkswagen Blues


gut

Ich bin hin- und hergerissen. Im Roadnovel Volkswagen Blues spricht der frankokanadische Autor Jacques Poulin wichtige Themen an, schöpft aber ihr Potential nicht aus. Würde der 1984 erschienene Roman auch heute noch zu einem modernen Klassiker werden & Preise erhalten? Ich bezweifle das.
Jack Waterman, Schriftsteller in einer Schaffenskrise, sucht nach seinem Bruder Théo, den er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Einziger Anhaltspunkt ist eine Postkarte, aufgegeben in Gaspé im Osten Québecs. Hier trifft er auf Pitsémine, Große Heuschrecke genannt, die eine indigene Mutter hat. Sie schließt sich Jack an & gemeinsam durchqueren sie den nordamerikanischen Kontinent, Großteils entlang des Oregon-Trails, den im 19. Jhd. die Pioniere zurücklegten.
Jacks Suche nach Théo scheint vielmehr eine Suche nach der eigenen Identität zu sein. Dabei hält er sich an Kindheitserinnerungen fest: Théo verehrte ruhmreiche Pioniere. Jack muss während der Reise allerdings den Fall dieser Helden verarbeiten – die Große Heuschrecke spricht immer wieder die Gräuel an, die diese vermeintlichen Helden der indigenen Bevölkerung Amerikas angetan haben. Die teils längeren Monologe werden von Jack völlig unkommentiert im Raum stehen gelassen, er nennt sie „Unwetter“. Mir ist nicht klar geworden, ob das von Poulin gewollt war, oder ob er – wie Jack – unfähig ist, den Verbrechen seiner Vorfahren eine Reaktion entgegenzubringen? Auch Pitsémine wirkt dadurch unausgeschöpft, wo doch die Figur so interessant ist! Sie fühlt sich ausgeschlossen, weder weiß noch indigen. Schade, dass auch diese innere Zerrissenheit beinahe komplett unkommentiert bleibt.
Viel mehr Gewicht legt Poulin bei seiner weiblichen Protagonistin auf ihre „Offenherzigkeit“. Ein junges Mädchen, das ohne Fragen zu einem deutlich älteren Mann in den VW-Bus steigt & mit ihm monatelang den Kontinent durchquert, sich dabei regelmäßig vor ihm & anderen Männern auszieht. All das wird als komplett normales Verhalten dargestellt – so kann das nur von einem Mann geschrieben worden sein & erinnerte mich stark an ein von mir verhasstes Buch. Einzig Jacks Unbeholfenheit im Umgang mit Frauen hat die Situation leicht gerettet, aber wirklich besser macht es das Gesamtbild nicht. Ich hatte mir deutlich mehr erwartet.