Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
marakkaram
Wohnort: 
Lingen

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2019
Auf Erden sind wir kurz grandios
Vuong, Ocean

Auf Erden sind wir kurz grandios


ausgezeichnet

Ocean Vuong hat eine sehr klare, distanzierte, manchmal leicht melancholische und poetische Sprache, mit der er seine vietnamesische Familiengeschichte erzählt. Grade diese Distanziertheit bewirkt, dass die Sätze oftmals auf den Punkt treffen und nachwirken. **Ich weiß nicht, ob du glücklich bist, Ma. Ich habe dich nie gefragt.**

Ja, manchmal hat er mich für einen kurzen Augenblick verloren, wenn ich gerne mehr über Vietnam erfahren hätte und mich plötzlich wieder in einer amerikanischen Scheune mit seiner großen Liebe befand. Aber auch in diesen Momenten hat er mich umgehend wieder gefesselt.

Vuong schreibt schonungslos offen über eine Mutter-Sohn-Beziehung. Knallhart und doch spürt man so viel Liebe und Zärtlichkeit in jeder Zeile. Es ist keine Abrechnung, keine Anklage, sondern eine Reflextion, eine Aufarbeitung.

Bewertung vom 28.10.2019
Ernte mich im Winter
Palme, Wolfgang

Ernte mich im Winter


weniger gut

Ich habe mich total auf das Buch gefreut, da mein Balkon im Sommer überquillt, aber im Winter ziemlich brachliegt und ich mich selbst schonmal gefragt habe, in wie weit man nicht noch ausgewähltes Gemüse in geschützt stehenden Kästen anpflanzen könnte.

Empfehlen kann ich Wolfgang Palme´s Ratgeber da leider nicht.

Das liegt nicht nur an seinem Kalauer-artigen Humor. Er erzählt einfach hautpsächlich über sein Projekt, die City Farm in Österreich. Es gibt viel Chakka-Chakka, einen ausschweifenden Schreibstil und endlose Wiederholungen, ohne je auf den Punkt zu kommen.

Ich finde das Buch wenig praxisorientiert und es überzeugt leider noch weniger als Arbeitshandbuch. Es fehlt die Struktur. Es gibt ein Kapitel, in dem Wintersorten vorgestellt werden, was mir noch am besten gefallen hat, aber auch hier alles recht unstrukturiert. In einem Kästchen werden ein paar Infos zusammengestellt, aber darunter geht es dann mit weiteren Infos einfach in Textform weiter.

Was mir total gefehlt hat - und das erwarte ich einfach von einem Sachbuch - sind klare Fakten. Wenn, dann hieß es nur mal ganz lapidar nebenbei, dass der Nitrat-Gehalt der Pflanze im Winter höher ist, sich das aber durch Vitamin C wieder ausgleicht. Ob der Vitamin C Gehalt evtl. im Winter niedriger sein kann, erfährt man nicht. Auch solche Aussagen wie, der Boden braucht keine Erholung, er liebt Remmi-Demmi, sind mir einfach zu unprofessionell.

Mag sein, dass der Autor eine Menge Fachwissen hat, das will ich ihm gar nicht absprechen, aber vermitteln kann er es nicht. Manchmal fehlte mir sogar der Versuch. Er gleitet immer wieder in sein Projekt ab und wagt sogar den erhobenen Zeigefinger in Sachen ökologischer Fußabdruck, beim winterlichen Gemüseeinkauf im Supermarkt.

Es tut mir leid, aber das war mir ein bisschen zu viel Höhenflüge und zu wenig erdiges Praxiswissen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2019
Die Zeit des Lichts
Scharer, Whitney

Die Zeit des Lichts


ausgezeichnet

** "Das Licht ist unser Werkzeug", sagte er. "Der Film ist nur die Oberfläche, um das Licht einzufangen und zu fixieren, aber bevor er nicht entwickelt ist, wird jedes zusätzliche Licht zum Feind." **

Geboren 1907 und als Muse ihres Vater, eines Fotografen, aufgewachsen, arbeitet Lee schon früh als Model in Paris. Doch schon bald zieht es sie mehr zur Fotografie und als sie auf einer Party die Bekanntschaft von Man Ray macht, sieht sie ihre Chance gekommen. Erst erkämpft sie sich den Platz als seine Assistentin, später wird sie seine Geliebte. Hier treffen zwei Künstlerseelen aufeinander. Es ist eine obsessive, oftmals eher destruktive Beziehung. Lee ist sexuell unabhängig, intelligent und kreativ, ganz anders als Man`s sonstige Frauen.

Ein beeindruckendes Debut von Whithey Scharer.

In einer sehr klaren, manchmal fast schon distanzierten und dennoch umso bildhafteren Sprache, lässt sie Lee Miller - inzwischen mit ein paar Kilo mehr auf den Hüften und eher leidenschaftliche Köchin und Alkoholikerin, als Journalistin - auf ihr Leben zurückblicken. Ihr Leben mit dem Fotografen Man Ray, die Beziehung zu ihrem Vater und immer wieder in kurzen Kapiteln, Szenen aus ihrer Zeit als Kriegsreporterin.

Mir war weder Lee Miller noch Man Ray ein Begriff, noch bin ich Hobbyfotografin, doch die Autorin schreibt so detailliert und mit einer Leidenschaft, dass mich die Geschichte total gepackt hat. Eine Frau und großartige Künstlerin, die sich ihren Weg in der Männerwelt hart erkämpft und letztendlich an dem Grauen von Dachau und Buchenwald zerbrach.

Whithey Scharer konzentriert sich allerdings vorrangig auf die Zeit mit Man Ray, die Kriegsgreuel hingegen sind sehr akzentuiert und die Kapitel umfassen nur jeweils 1,5 Seiten. Dennoch wird die Gefühlswelt von Lee Miller in jeder Situation sehr deutlich.

Dieser Roman ist jedoch keine Biografie, sondern gehört eher in den Bereich historische Fiktion. Die Autorin fängt das Gefühl der Boheme der 30-iger gekonnt ein und verwendet bekannte Fakten in ihrer Geschichte. Wer sich im Anschluss näher mit Lee Miller und Man Ray beschäftigen möchte, der findet eine Reihe guter Buchtipps im Anhang.

Fazit: Ein fesselnder Roman der Lee Miller als schöne, talentierte, willensstarke aber auch zerbrechliche Frau zeigt. Ein beeindruckendes Debut.

Bewertung vom 21.10.2019
Stille Nacht, flauschige Nacht / Der Weihnachtshund Bd.4
Schier, Petra

Stille Nacht, flauschige Nacht / Der Weihnachtshund Bd.4


ausgezeichnet

** "Ich freu mich schon. Und danke, dass du bereit bist einzuspringen. Patrick kann gar nichts Besseres passieren. Ich bin mir sicher, dass du sein Büro im Handumdrehen im Griff haben wirst." **

Na, ob Patrick das auch so sieht? Dem alleinerziehenden Vater bleibt allerdings wohl keine andere Wahl, denn er hat nicht nur einen guten Schreiner, sondern grad auch noch seine Assistentin verloren, während sein Bauunternehmen ohne Ende boomt. Zudem ist er ganz überraschend Papa von 6-jährigen Zwillingen geworden, muss einen Hund erziehen und hat einen Sorgerechtsstreit im Nacken, denn die Schwiegereltern wollen ihm die Kinder wegnehmen. Da hilft wohl nur: Zähne zusammenbeißen und diesen Kontrollfreak Angelique übergangsweise einzustellen. Obwohl sie im letzten Jahr schon arg aneinandergeraten sind, als sie bei einem Besuch meinte sein WLAN-Passwort sicherer machen zu müssen - ohne ihn zu fragen, versteht sich.

Für mich begann Weihnachten dieses Jahr schon Ende September und dagegen war ich völlig machtlos, denn Petra Schier zaubert mit ihrem Roman so eine tolle Atmosphäre, der kann man sich gar nicht entziehen.

"Stille Nacht, flauschige Nacht" ist eine herrlich romantische Geschichte, mit ganz viel Winter-Weihnachtsflair, authentischen Charakteren, Tiefe und einem tollen Humor.

Und für die perfekte weihnachtliche Mischung gibt es ein Wiedersehen mit Santa, seiner Frau und den Elfen, die sich hier und da ein bisschen einmischen. Ganz dezent natürlich. Wer die Autorin bereits kennt, weiß, dass es ihr winterliches Markenzeichen ist und keine Angst, es ist toll und passend eingesetzt - fast schon zu wenig. Genauso wie die niedlichen Gedanken von Mischlingshund Oskar, wenn er mal wieder lautlos die Bude umdekoriert hat.

Die Sternbachs sind eine großartige, quirlige und liebevolle Familie und auch Patrick und die Kids haben eine schöne Art miteinander umzugehen, wenn auch nicht immer ganz konfliktfrei, wie man sich vorstellen kann. Ja, Petra Schier hat einfach ein Händchen für authentische Charaktere, deren Gedankengänge und Handlungen man nachvollziehen kann. Sie haben Ecken und Macken, Ängste und Träume und sind vor allen Dingen unheimlich sympathisch und charmant. Und auch die Romantik kommt nicht zu kurz.

Fazit: Ein weihnachtlich, romantischer Wohlfühlroman, der auf ganzer Linie überzeugt und schon jetzt mein X-mas Highlight ist. Ich wünschte Petra Schier würde jedes Jahr mindestens 2 Weihnachtsromane schreiben....

Bewertung vom 21.10.2019
Liebe ist die beste Köchin
Kramer, Irmgard

Liebe ist die beste Köchin


ausgezeichnet

Johanna und die wilden Weiber (4,5*)
** Wie die Orgelpfeifen saßen sie nebeneinander: Germana - die Herrische, Elisabeth - die Bigotte, Francis - die Fertige, Theresia - die Enttäuschte, Antonia - die Tapfere. Sie waren so unterschiedlich und sich doch so ähnlich. Eigenwillige Frauen mit majestätischen Profilen und Augen wie Kohlestücken. **
Und dann gibt es da noch Johanna, Antonias Tochter und Köchin im alten Gasthaus Lamm. Johanna ist die Ruhige, introvertierte und hat es nicht immer leicht mit ihren Tanten. Vor allem Germana hat eine sehr toughe, laute und extrovertierte Art, gegen die man kaum ankommt. Aber das ist nicht das einzige Problem. Am traditionsreichen Gasthaus nagt der Zahn der Zeit, Männertechnisch liegt auf den Lehner-Frauen ein Fluch und es wird immer schwieriger, die an Demenz erkrankte Antonia im Auge zu behalten. Ist Jo überhaupt glücklich? Doch dann tritt der rätselhafte Jerome in ihr Leben und ihr Herz steht Kopf... und ihr Kopf dem Herzen im Weg...
Die Geschichte der Lehner Frauen ist ein lockerer, spritziger und manchmal leicht überdrehter Familienroman, den man in einem Rutsch verschlingt..
Die Autorin hat einen großartigen Humor, der mich fast durchgehend schmunzeln ließ. Aber nicht nur das, ihr ganzer Schreibstil ist einfach mitreißend, rasant und steckt voller Bilder, wie "Ich nahm einen Schluck und in meinem Magen explodierte ein Öltanker. Das hellgrelle Flammenmeer fuhr durch meine Speiseröhre wie bei dem LKW-Brand im Straßentunnel zwischen Moos und Großdorf im Mai 1996" oder "Wie eine Glaswand fiel der kalte Regen vom Himmel und zerbarst in Scherben und Splitter, als er aufschlug." Das war schon beeindruckend und wurde auch nie zu viel. Man kann fast sagen, der Roman lebt von dieser Sprache und seinem Humor.
Was für mich das ein ums andere Mal ein wenig holperte, war die 38 jährige Johanna. Durch ihre introvertierte Art, kam sie mir oftmals zu kindlich rüber. Dafür war Germana die Unterhaltsame mit ihren Macken und der Art Sprichwörter durcheinander zu bringen. Und am meisten berührt haben mich die Szenen mit Antonia. Das Thema Demenz fließt geschickt in die Geschichte ein und sie hat mich mit ihrer Art und Hilflosigkeit tief ins Herz getroffen. Schon von den Beschreibungen her, hatte man die Schwestern ganz klar (klarer als Johanna) vor Augen und ihre Charakter passten hundertprozentig dazu.
Auch die kleine Liebesgeschichte hat mir gefallen, allerdings dient sie für mich eher dazu Johannas Entwicklung aufzuzeigen, die ganz langsam vonstatten geht.
Es war alles so logisch und dann hat mich die Autorin mit ihrem großartigen, unvorhersehbaren Twist am Ende noch einmal eiskalt erwischt. Das mag vielleicht nicht jedem gefallen, aber da es nur den Epilog betrifft, sollte man ihn bei Anflügen von "Was???" einfach ungelesen lassen. Ich fand`s jedenfalls klasse, es hat die Geschichte runder als rund gemacht.
Fazit: Wer locker-leichte Romane mit außergewöhnlichen Charakteren, Dorfcharme und sehr bildhaften Beschreibungen mag, ist hier genau richtig. "Liebe ist die beste Köchin" ist kurzweilige Unterhaltung pur! 4,5 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2019
Melodie der Liebe / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.5
Foster, Melissa

Melodie der Liebe / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.5


ausgezeichnet

** Bitte sag mir, dass ich nicht bei jemandem einziehe, der einen ebenso überentwickelten Beschützerinstinkt hat, wie die Braden-Sippe. Ich liebe meine Familie, aber dass ich ein paar Ortschaften weiter wegziehe, hat durchaus seinen Grund.**
Ja, dieser Familie kann man sich nur schwer entziehen, das merkt auch Nash ganz schnell. Der alleinerziehende Vater, der mit seinem kleinen Sohn auf einer abgelegenen Farm lebt, möchte ein Zimmer vermieten, um besser über die Runden zu kommen und die Musiktherapeutin Tempe Braden sucht eine Bleibe in Pleasant Hill. Momentan ist sie bei ihrer Kusine Jillian untergekommen, einer etwas zu quirligen Nachteule.
Schon beim ersten Zusammentreffen stimmt die Chemie zwischen den Beiden. Damit hat der zurückgezogen lebende Künstler nicht gerechnet. Lässt er zu, dass die offene Tempe sein klar strukturiertes und abgegrenztes Leben in andere Bahnen lenkt und ihm hier und da die Scheuklappen abnimmt.....
Ja, die Bücher von Melissa Foster sind außergewöhnlich. Es war meine erste Begegnung mit den Bradens, aber bestimmt nicht meine letzte.
Selten habe ich eine Geschichte gelesen, die so ruhig, unaufgeregt und actionfrei aber trotzdem nicht langweilig ist. Die Autorin ist Meisterin der Gefühle und sie legt ihren Focus auf Familie, Freundschaft und Liebe. Es gibt keine Bad Boys und unnötige Liebesdramen. Ganz im Gegenteil, der Roman lebt vom liebevollen Umgang miteinander - also ein romantisches Wohlfühlbuch auf ganzer Linie.
Klar, erotische Szenen sind vorhanden, aber sie dominieren nicht.
Der Schreibstil lässt sich angenehm lesen und nimmt einen mit in eine typische amerikanische Kleinstadt mit toller Atmosphäre. Ich habe mich von der ersten Seite an in die Charaktere verliebt. Unheimlich sympathisch und Menschen wie du und ich mit ganz normalen Problemen. Bei Tempe ist es der Job, bei Nash die Erziehung seines kleinen Sohnes und der frühe Verlust seines Bruders. Es ist schön, den süßen, wissbegierigen Philip bei seiner Entwicklung zu begleiten, zu sehen, wie er sich anfangs nur an seinem Dad orientiert, ihre fast schon wortlose Kommunikation. Das ist unheimlich toll beschrieben. Ein ganz klein wenig hat mir diese Tiefe in der Entwicklung seines Vaters gefehlt. Es läuft schon alles sehr konfliktfrei - aber das macht den Roman andererseits ja auch aus.

Fazit: Wer an ganz ruhigen, smoothen Liebes- und Familiengeschichten Spaß hat, nicht unbedingt Action und Drama braucht, der ist bei Melissa Foster genau richtig. Von mir gibt es 4,5 Sterne und ich freue mich, dass ich noch so einige Bände vor mir habe.

Bewertung vom 13.10.2019
Wunderbare Zeiten / Die Schwestern vom Ku'damm Bd.2
Riebe, Brigitte

Wunderbare Zeiten / Die Schwestern vom Ku'damm Bd.2


ausgezeichnet

** Wer gegen den Strom schwimmen will, der muss viel Wasser schlucken können. **

Der zweite Teil der Ku`damm Triologie knüpft zeitlich nahtlos an den ersten an. Diesmal steht nicht Rike sondern ihre Schwester Sylvie im Vordergrund. Es ist Frühling ´52 und Sylvie liebt ihren Job bei Radio RIAS. Sie hat sogar ihre eigene Sendung "Stimmen" und arbeitet sporadisch im Modekaufhaus ihrer Familie mit. Nur mit den Männern hat sie scheinbar kein Glück.

Auch in "Wunderbare Zeiten" fängt Brigitte Riebe die 50-iger Jahre geschickt ein. Man fühlt sich zurückversetzt in die Zeit des Wandels, der großen Kaufhäuser, aufkommenden Filmstars, der Trennung Ost und West und das damit verbundene ungleiche Verhältnis. Während im Westen scheinbar alles boomt ist im Osten der Mangel und die Restriktion zu spüren.

Die Autorin bindet dies ins Alltagsgeschehen und Familienleben mit ein. Man begleitet Sylvie auf die Berlinale und die Frankfurter Buchmesse, genauso wie auf die Hochzeit von Miri, einer jüdischen Freundin der Familie. Es ist einfach eine großartige Mischung aus historischen Fakten und fiktiver Familiengeschichte, die unheimlich akribisch recherchiert ist.

Schon im ersten Teil hat mich der Schreibstil gefangen genommen, der einen automatisch tief in das Zeitgeschehen der aufkommenden Wirtschaftswunderjahre eintauchen, aber auch immer noch die Nachwehen des Krieges durchscheinen lässt.

Sylvie Thalheim ist ein sehr starker Charakter. Sie weiss was sie will und hat ihren eigenen Kopf. Trotz aller Emanzipation spielt Familie eine große Rolle in ihrem Leben und auch aus dem Modekaufhaus kann sie sich nicht ganz rausziehen. Man spürt ihre Wünsche, Sehnsüchte und auch Ängste und das macht sie von Anfang an sehr nahbar und sympathisch. Im Laufe des Romans erkennt sie was wirklich wichtig ist im Leben.

Insgesamt sind die Charaktere einfach wieder großartig und manche lernt man jetzt nochmal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen.

Im Anhang befindet sich eine Zeittafel die chronologisch die wichtigsten historischen Fakten aufführt. Das finde ich persönlich sehr interessant und es rundet das Ganze schön ab.

Fazit: Auch der zweite Band nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in die 50iger Jahre (hier 1952-57). Eine gelungene Mischung aus Familiengeschichte und historischen Fakten, die auch für Quereinsteiger geeeignet ist. Man muss also nicht unbedingt den ersten Teil kennen, wer aber eh die Triologie lesen möchte, der sollte mit Rike (Jahre des Aufbaus) beginnen. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf Flori und hoffe, ich muss nicht zu lange warten.

Bewertung vom 10.10.2019
Als wir den Himmel berührten
Leander, Marie

Als wir den Himmel berührten


ausgezeichnet

** Die Liebe trifft einen immer unvorbereitet. Sie macht was sie will. Ein Körnchen genügt und schon ist das ganze große Gebäude aus Wille und Verstand verschüttet... **

Marseille 1940: Juline und ihr Mann Georg verlängern ihre Hochzeitsreise in Marseille - doch die Hotels der freien Hansestadt platzen aus allen Nähten, denn seit Ausbruch des Krieges strömen Menschen aus ganz Europa in die Stadt.

Der Maler Nicolas begegnet dem Paar am Hafen und ist sofort fasziniert von der attraktiven Frau mit der lebendigen Ausstrahlung. Doch als sie am nächsten Tag überraschend vor seiner Tür steht und ihn bittet sie zu portraitieren, kämpft er lange mit sich. Doch Juline lässst nicht locker, das Bild soll ein Geschenk für ihren Mann sein. Was Nicolas nicht ahnt, die beiden haben ein bitteres Geheimnis....

"Als wir den Himmel berührten" hat mich auf eine sehr emotionale Reise ins Frankreich zur Zeit des 2.ten Weltkriegs mitgenommen.

Es war nicht nur unheimlich interessant, den Krieg aus Sicht der Marsailler zu lesen, die Autorin hat auch einen sehr aussergewöhnlich lebendigen und bildhaften Schreibstil, der einen packt und unter die Haut geht. Die Geschichte läuft wie ein Film vor dem inneren Auge ab, man sieht jede Kleinigkeit und trotzdem ist es weit entfernt von überfrachtet zu sein. Selten liest man ein Buch, bei dem alles passt und so miteinander harmoniert, dass man verwundert ist, wie schnell 560 Seiten verfliegen. Der Schreibstil transportiert tiefe Emotionen ohne kitschig zu sein.

Juline, Georg und Nicolas sind sehr starke Charaktere, jeder auf seine Art. Sie sind authentisch und bleiben sich selbst immer treu auf ihrem Weg. Das hat mir gefallen und ich habe mich sofort mit ihnen verbunden gefühlt. Auch die Randfiguren sind großartig ausgearbeitet. Sie haben Seele und man erfährt durch sie viel über die aktuelle Lage der Flüchtlinge.

Es geht um Liebe und Vertrauen, Verrat und Verlust und um die stillen Helden des 2. Weltkrieges, deren Geschichten so oft unerzählt bleiben, deren Namen vergessen sind. Deswegen habe ich mich sehr über das Nachwort der Autorin gefreut und der Name Varian Fry wird von nun an unvergessen bleiben.

Fazit: Eine herzzerreissende, aussergewöhnliche Liebesgeschichte, die geschickt in das damalige Zeitgeschehene eingeflochten ist und ein großartiger Schreibstil. Mein Lesehighlight und absolute Leseempfehlung.