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Buchstabenträumerin
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Hier blogge ich über Jugendbücher und Romane der verschiedensten Genres: https://buchstabentraeumerei.wordpress.com.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2017
Mehr Schwarz als Lila
Gorelik, Lena

Mehr Schwarz als Lila


sehr gut

Schreibstil & Story

„Diese Geschichte ist lang, und sie ist kurz, sie ist verwirrend und vertrackt, verworren ist sie auch, und manch einer würde sagen, sie ist verrückt, aber ich nicht.“ (Seite 18)

Wenn ich über „Mehr Schwarz als Lila“ schreibe, muss ich mit dem Schreibstil beginnen. Denn er ist es, der die Story meiner Ansicht nach ausmacht. Der Schreibstil steht für die Gedankenwelt von Alex, jugendlich, manchmal widersprüchlich, unfertig und kantig, aber auch für die „vertrackte“ Geschichte, wie Alex es formuliert.

Alex hat einen besten Freund, Paul, und eine beste Freundin, Ratte. Die drei sind unzertrennlich. Sie möchten sich von der Masse abheben, eigenständig sein, sie sind getrieben von dem Wunsch, individuell zu sein. Sie leben diesen Drang in verrückten, gewagten Spielen aus, die sie an ihre persönlichen Grenzen und die Grenzen ihrer Freundschaft treibt. In einem dieser Spiele geht Alex schlussendlich zu weit, und davon berichtet sie in abgehackten, teils unfertigen Sätzen, sie spricht frei heraus und unreflektiert. Ihr Bericht ist roh, voller Gedankensprünge und liest sich enorm holprig. Vor allem, wenn Lena Gorelik teilweise komplett gegensätzliche Aussagen mit einem „und“ verknüpft, wird es kompliziert.

Die Autorin entwirft in ihrem Buch ein fragiles Bild von Freundschaft und geht der Frage nach, was passiert, wenn Liebe Platz in einer engen Freundschaft einfordert. Welche Dynamiken werden dann losgetreten? Grundsätzlich passiert in „Mehr Schwarz als Lila“ nicht viel, zumindest nicht, was die Handlung betrifft. Sie entsprach daher auch nicht meinen Erwartungen. Zwischenzeitlich wurde mir durch den Schreibstil sogar zu viel Bedeutung in Nichts gelegt.

Doch in Alex drin passiert dafür umso mehr. Was in ihrem Inneren, in ihrer Gedankenwelt, geschieht, war intensiv und aufwühlend. Ich war geradezu fieberhaft damit beschäftigt, ihr Verhalten zu interpretieren, und ehe ich es mich versah, begann ich ihre Handlungen und Worte zu analysieren, ganz so wie früher im Deutschunterricht. Wie gerne hätte ich tatsächlich eine Arbeit über dieses Buch geschrieben, kein Buch hat mich seit langem so sehr dazu angeregt.

Charaktere

„Dazwischen sind diese Blicke, von denen ich mir nicht sicher bin, ob ich nicht zu viel aus ihnen ziehe, und ob das Ziehen nicht nur ein hilfloser Versuch ist, ein Gefühl zu finden.“ (Seite 156)

Alex ist kein sympathischer Charakter. Tatsächlich wurde sie mir im Laufe des Buches immer unsympathischer. Sie ist egoistisch und unsensibel, und ihr Verhalten hat mich teilweise richtig wütend gemacht. Gleichzeitig ist sie aber auch Träumerin, die Halt braucht und sich nach Liebe sehnt, und beides auf verschiedenen Wegen sucht. Da sind einerseits ihre Empfindungen für den Referendar, aber auch ihre Freundschaft zu Ratte und Paul.

Was den Charakter von Alex ausmacht, ist aber sicherlich ein großer Interpretationsfreiraum. Lena Gorelik hat Alex nicht in Stein gemeißelt, vielmehr wird sich jeder Leser ein eigenes Bild von ihr machen können, zwischen den Zeilen lesen und seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen können. Das finde ich einen enorm spannenden Ansatz.

Ratte und Paul hingegen wirken im Vergleich sehr fertig. Sie tragen sich weniger mit Zweifeln herum als Alex. Natürlich haben auch sie ihre Probleme, die Familien sind nicht perfekt, aber welche sind das schon? Von allen war mir Paul der sympathischste Charakter im Buch. Er ist ruhig, nachdenklich und feinfühlig.

Fazit

„Mehr Schwarz als Lila“ ist keine Geschichte, von der ich sagen kann: die habe ich gerne gelesen, sie gefiel mir gut. Doch es ist eine Geschichte mit Wucht, über die ich nachdenke, die mich forderte, die mir teils unerträglich war und in seiner Intensität überwältigte.

Bewertung vom 18.02.2017
Zurück ins Leben geliebt
Hoover, Colleen

Zurück ins Leben geliebt


sehr gut

Überspitzt formuliert geht es in „Zurück ins Leben geliebt“ um nichts anderes als das: Ein Junge trifft ein Mädchen, sie können / dürfen / wollen nicht zusammen sein, verspüren aber eine nie dagewesene Anziehungskraft, der sie sich einfach nicht entziehen können. Es ist der Reiz der verbotenen oder auch der unmöglichen Liebe, mit dem die Autorin immer aufs Neue in ihren Büchern spielt. Hinzu kommt, typisch für das Genre, ein starker Fokus auf Sex. Da verwundert es eher nicht, dass sich Tate und Miles nach kürzester Zeit einigen, eine rein sexuelle „Beziehung“ zu führen. So weit ist die Geschichte erstmal ziemlich banal und nicht sonderlich lesenswert.

Und jetzt kommt das große Aber: Colleen Hoover hat ein Händchen für Charaktere und deren Schicksal, sie transportiert Gefühle erstaunlich gut. Zudem verwebt sie in jedem ihrer Romane ein neues Schicksal, lässt ihre Charaktere andere und durchaus ernste Lebenskrisen erfahren und meistern. Das ist es, wodurch sich ihre Romane in meinen Augen von der Masse abheben. Die Charaktere erleben keine 08/15 Probleme, sondern haben es mit „erwachsenen“ Schwierigkeiten und schweren Verlusten zu tun, den Vater, die Mutter, beide Eltern. Das Schicksal, das Miles in „Zurück ins Leben geliebt“ erleidet, hat mich als Mutter besonders mitgenommen und mitleiden lassen. Dieses Schicksal ist es aber auch, das seine Handlungen nachvollziehbar werden lässt.

Ich konnte mich dem Sog von „Zurück ins Leben geliebt“ nicht entziehen. Ich schlingerte auf den Emotionen ebenso wie Miles und Tate. Hin und wieder wurde die Liebe zu sehr aufgeplustert, aufgeblasen, doch meistens blieben die Gefühle in einem ertragbaren Rahmen.

Schreibstil

Wer schon einmal ein Buch von Colleen Hoover gelesen hat, der weiß, wie flüssig sie sich lesen lassen. Ihr Stil ist entspannt, humorvoll und sehr, sehr emotional. Sie achtet auf die Kleinigkeiten, beschreibt aus Tates Perspektive feine Bewegungen, kurze Blicke. Wie gesagt führt das stellenweise zu einem „too much“, doch im Ganzen ermöglichten es diese Beobachtungen mir, mittendrin zu sein.

Ein Stilmittel hat mir in „Zurück ins Leben geliebt“ besonders gut gefallen. In kurzen Sequenzen blicken wir auf Miles‘ Vergangenheit zurück, von ihm erzählt, der Text zentriert, so dass es wie ein Gedicht wirkt. Poetisch sind auch die Worte, mit denen Miles von schönen und schrecklichen Erinnerungen spricht. Diese Passagen symbolisieren sein Glück und seine Fähigkeit zu lieben.

Charaktere

Wie bereits gesagt, sind die Charaktere von Colleen Hoover immer sehr gut ausgearbeitet. Das gilt vor allem für Tate und Miles, die beiden Protagonisten im Buch, die vor meinen Augen lebendig wurden. Tate, eine Studentin, die an ihren Wochenenden im Krankenhaus arbeitet, gefiel mir sehr gut. Ihre feine Beobachtungsgabe, ihre Hingabe und ihre Zweifel, all dies machte sie zu einem angenehmen Charakter.

Gleiches gilt für Miles, wobei mich das allerdings nicht überraschte. Alle männlichen Charaktere von Hoover sind von der Sorte aufmerksamer, gefühlvoller, stiller und leidenschaftlicher Typ. Als Leser ist es auch eine wichtige Voraussetzung, Miles zu mögen, andernfalls hätte mir das Buch nicht gefallen. Überrascht haben mich hingegen Miles‘ Erlebnisse in der Vergangenheit, die mich fix und fertig zurückließen. Zusammen funktionieren Miles und Tate gut, ganz viel Harmonie zwischen den Seiten.

Fazit

Die Lösung für alles ist eine Bettgeschichte – das wäre dann auch schon mein einziger Kritikpunkt an „Zurück ins Leben geliebt“. Und natürlich ist es kein Buch der hohen Ansprüche. Darüber hinaus ist die Geschichte so gefühlvoll und ausdrucksvoll, wie ich es von Colleen Hoover gewöhnt bin. Ein Buch für alle Hoover-Fans und Leser, die in einer schönen Liebesgeschichte versinken möchten. Ein Buch, wie ein köstliches Stück Schokolade.

Bewertung vom 15.02.2017
Der Kuss der Lüge / Die Chroniken der Verbliebenen Bd.1
Pearson, Mary E.

Der Kuss der Lüge / Die Chroniken der Verbliebenen Bd.1


gut

Die Geschichte bedient zum einen viele Geschmäcker und bietet so ziemlich alles, was man sich in einem Jugendbuch in der heutigen Zeit wünschen mag. Ich für meinen Teil bin es allerdings ein wenig überdrüssig, die immer ähnlichen Figurenkonstellationen und Plotentwicklungen zu erleben. Daher war ich zwischenzeitlich nicht ganz so begeistert von „Der Kuss der Lügen“, wie ich es mir eigentlich gewünscht hatte. Dabei beginnt der Auftakt der Reihe sehr vielversprechend und mit viel Tempo.

Lia, die erste Tochter des Reiches Morrighan, befindet sich Hals über Kopf auf der Flucht. Sie erreicht gemeinsam mit ihrer Freundin und Vertrauten Pauline Terravin, eine kleine Stadt am Meer. Sie verheimlicht ihre Identität, arbeitet in einer Schenke, und wähnt sich entkommen. Zeitgleich nehmen jedoch der verschmähte Prinz und der Attentäter ihre Verfolgung auf. Bis dahin konnte mich die Geschichte fesseln und ich wartete mit Spannung auf das Aufeinandertreffen.

Allerdings konnte Mary E. Pearson hier meiner Meinung nach den Spannungsbogen nicht halten. Die Zeit in Terravin nimmt beinahe die Hälfte des Buches ein und enthält so gut wie keine interessanten Momente. Auch später folgen weitere Abschnitte, wie zum Beispiel eine längere Reise, die sich scheinbar endlos in die Länge ziehen. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr historische Details kommen jedoch ans Licht. Damit konnte mich die Autorin wiederum in ihren Bann ziehen und ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Leser im nächsten Band mehr über die Vergangenheit der Völker dieser fantastischen Welt erfährt, und inwiefern diese Vergangenheit Lia tangiert.

Charaktere

Die wichtigsten Protagonisten sind Lia, der Prinz und der Attentäter. Alle kommen aus der Ich-Perspektive zu Wort und geben so Einblick in ihre jeweilige Gefühls- und Gedankenwelt. Das fand ich gut gewählt, da alle drei sehr unterschiedlich sind und somit ihre ganz eigenen Motivationen und Emotionen mit ins Spiel bringen.

Lia, die Prinzessin auf der Flucht, empfand ich als seltsame Mischung aus naiv und stark. Einerseits bricht sie furchtlos aus dem Leben am Königshaus aus und beginnt die harte Arbeit in einer Taverne. Andererseits glaubt sie sich in Sicherheit und geht ohne Skepsis und Sorge auf die beiden Neuankömmlinge, den Attentäter und den Prinzen, zu. Dieses unmittelbare Vertrauen in beide Männer konnte ich absolut nicht nachvollziehen.

Positiv anzumerken ist, dass dem Leser eine typische Dreiecksgeschichte weitestgehend erspart bleibt. Lia wird zwar von beiden Männern umschwärmt, doch ihre Entscheidung ist relativ schnell getroffen, und die gerät auch im Verlauf des Buches nicht ins wanken.

Der Attentäter und der Prinz gefielen mir als Charaktere beide gut. Der eine mit einer schweren Kindheit und einem Leben, das nicht unbedingt seinen Idealen entspricht, der andere mit einem Leben, das ihm vieles geboten hat, der aber jetzt erst so richtig gefordert wird. Die Entwicklung dieser Charaktere war interessant und sie sind es, die mich neugierig auf Band 2 machen.

Schreibstil

Die Geschichte liest sich zügig und flüssig. Ergänzt wird die Erzählung um Auszüge aus einer Historie oder einem Märchen, so richtig klar wird das im ersten Band noch nicht. Diese Auszüge reichern den Text ungemein an, sie verleihen ihm einen Hauch von Magie und Geheimnis, und deuten darauf hin, dass es noch vieles zu erfahren gibt.

Fazit

Ich bleibe mit einem ambivalenten Gefühl zurück. In „Der Kuss der Lüge: Die Chroniken der Verbliebenen“ gibt es vieles, was mich überzeugen konnte: Fantasy, Magie, Geheimnisse und Legenden, zwei interessante männliche Protagonisten. Nicht überzeugen konnten mich jedoch Lia und die teils erheblichen Längen in der Erzählung. Schlussendlich bin ich aber dennoch gespannt auf Band 2, von dem ich mir eine spannende Entwicklung erwarte.

Bewertung vom 03.02.2017
Die Bestimmte / Chosen Bd.1
Fischer, Rena

Die Bestimmte / Chosen Bd.1


sehr gut

„Sie wissen, wie man Leute manipuliert. Du musst besser sein als sie.“ (Seite 22)

Geschichten über Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten kennen wir nicht erst seit gestern. Man denke an zahlreiche Jugendbuch-Fantasy Geschichten, wie die „Silber“-Trilogie von Kerstin Gier, oder auch an Filme wie „X-Men“ oder die „Fantastic Four“. In dem Sinne ist „Chosen“ von Rena Fischer nichts Neues. Dennoch ist es von der Story her ein sehr eigenständiges Werk, das mich besonders durch seine Komplexität bestochen hat. Was anfangs noch sehr geradlinig anmutet, entwickelt sich schnell zu einer verschachtelten Suche nach der Wahrheit.

Die Autorin spielt geschickt mit den Motiven ihrer Charaktere und lässt so den Leser zappeln. Bis zum Ende konnte ich mir nie zu hundert Prozent sicher sein, wer denn nun zu den „Guten“ gehört und wer nicht. Das ließ Emmas Geschichte sehr spannend werden. Wie sie wird man gänzlich unvermittelt in diese neue, unbekannte Welt gestoßen, in der Menschen Dinge per Gedankenkraft bewegen können, oder die Elemente der Natur beeinflussen können. Und kaum beginnt man sich zu orientieren, wird einem erneut der Boden unter den Füßen weggerissen – wieder und wieder aufs Neue.

Lediglich gegen Ende wurde es mir etwas zu viel und ich verlor stellenweise den Faden. Auf den letzten Seiten aber war ich wieder mittendrin und ließ mich mitziehen – bis hin zu einem Cliffhanger, der es in sich hat.

Schreibstil

Je weiter die Geschichte fortschritt, desto fieberhafter habe ich die Seiten umgeblättert. Das hing maßgeblich auch mit dem Schreibstil zusammen. Anstatt jede Situation bis zum Ende zu beschreiben, setzte Rena Fischer häufig Schnitte, gerne auch mal abrupt. Dadurch wirkte „Chosen“ auf mich sehr lebendig und dynamisch, beinahe schon so, als würde ich einen Film schauen. Das gefiel mir enorm gut.

Auch wirkungsvoll waren die sporadischen Rückblicke, in denen wir mehr über das Leben von Emmas Mutter erfahren. Auch sie war offenbar bereits in ganz ähnliche Verstrickungen verwickelt, wurde Opfer von Verrat und Verschwörungen. Diese Sequenzen ließen mich erst glauben, alles zu verstehen, nur um mich erneut auf Glatteis zu führen.

In gleichem Maße, wie die Spannung zunimmt und „Chosen“ mehr einem Thriller ähnelt als einem Jugendbuch, verändert sich auch der Ton. Wo anfangs noch Raum für Humor und Optimismus ist, dominieren später Verzweiflung und Wut.

Charaktere

„Er lächelt, beugt sich ein wenig vor und pflückt eine meiner schwarzen Haarsträhnen von dem weißen Laken. Langsam kringelt er die Spitzen um seinen Zeigefinger. Poch, poch, poch. Dieses dumme Herz! Kein Mensch spürt die Spitzen seiner Haare!“ (Seite 48)

Der Humor, der sich vor allem durch die erste Hälfte des Buches zieht, begründet sich weitestgehend im Umgang von Emma und Aidan miteinander. Beide sind sofort interessiert aneinander, geben es aber natürlich nicht offen zu, zumal Aidan eine Freundin hat. Es kommt zu herrlich komischen Situationen und der schlagfertige Austausch setzt dem Ganzen die Krone auf. Natürlich ahnt man von Anfang an, in welche Richtung sich die Beziehung der beiden entwickeln wird. Trotzdem war ich gefangen, denn Rena Fischer beschreibt die Annäherung äußerst charmant und mit sprühendem Witz.

Alle weiteren Charaktere waren ebenfalls gut entworfen, was für „Chosen“ eine wichtige Basis ist, denn die jeweiligen Handlungsmotive sind essenziell für die Story.

Fazit

„Chosen“ ist ein Fantasy-Jugendbuch, das sowohl Liebe und Humor als auch Thriller-Elemente beinhaltet. Nicht alle Ideen sind neu, dennoch überzeugt der Roman mich mit einem komplexen Plot und durchdachten, sympathischen Charakteren. Der Cliffhanger macht es noch dazu unmöglich, nicht der Fortsetzung entgegenzufiebern. Eine Empfehlung für alle, die sich in diesem Genre zuhause fühlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2017
Nordnordwest
Coher, Sylvain

Nordnordwest


ausgezeichnet

Den Einstieg hat mir Autor Sylvain Coher nicht ganz leicht gemacht. Ein auktorialer Erzähler hielt mich etwas auf Distanz, und auch die Geschichte gewann erst nach einigen Seiten an Fahrt. Wir treffen auf Lucky und den Kleinen. Die Jungen sind auf der Flucht und bereits einige Zeit unterwegs, als Lucky in einem französischen Ort am Meer einem Mädchen begegnet, deren Namen der Leser nicht erfährt. Sie möchte ausbrechen aus ihrem Leben und begleitet die beiden fortan auf ihrem Weg, der sie auf einem Segelboot über den Ärmelkanal führt.

Einen unerbittlichen Sog entwickelte „Nordnordwest“ mit Beginn der Überfahrt auf dem kleinen Segelboot mit Namen „Slangevar“. Coher vermittelte mir das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein, und so spürte ich die gleiche Beklemmung, die gleiche zarte Hoffnung und die alles stets präsente Furcht der Jugendlichen. Beim Lesen wurde mir nochmal mehr bewusst, was für eine gewaltige Kraft diese Urgewalt Meer birgt. Sie allein ist es, die das Schicksal der Jugendlichen bestimmt, willkürlich und unerbittlich.

Je länger die drei unterwegs waren, desto mehr war mir, als ginge es weniger um sie, als vielmehr um das, was das Meer aus ihnen macht. Wie es sie prägt, schonungslos und eiskalt. Lucky, der Kleine und das Mädchen werden während der Überfahrt, besser gesagt Irrfahrt, vom Wasser geformt, so wie Steine, Treibgut oder Glasscherben vom Wasser glatt geschmirgelt werden. Schicht um Schicht wird von Wellen, Regen und Salz abgetragen, bis nur noch der Kern eines jeden übrig bleibt und Verdrängtes zu Tage kommt. Ein faszinierender Prozess.

Charaktere

Die Charaktere blieben das gesamte Buch hinweg unnahbar für mich, ich konnte den Kleinen, Lucky und das Mädchen nicht recht greifen. Dabei werden sie von Emotionen erschüttert und auch ihr Schicksal berührte mich sehr, doch es herrschte stets eine gewisse Verhaltenheit. Prinzipiell mag ich es nicht, wenn ich keinen Zugang zu den Charakteren habe, doch hier erlebte ich einen interessanten Unterschied. Denn schlussendlich sind die Jugendlichen nur ein Spielball des Meeres und führen dem Leser lebhaft vor Augen, was das Meer als „Charakter“ ausmacht. Das fand ich absolut überzeugend und überwältigend. Das Meer zeigt sich den drei Jugendlichen in seiner ganzen Vielfalt. Von rau und stürmisch bis hin zu sanft und friedlich. Auch das tapfere kleine Segelboot, die Slangevar, wuchs mir sehr ans Herz.

Schreibstil

Autor Sylvain Coher ist für mich eine der schönsten Neuentdeckungen in diesem noch so jungen Jahr. Seine Sprache fesselte und bezauberte mich, so dass ich mit relativer Leichtigkeit über meine Startschwierigkeiten hinwegkam. Als allwissender Erzähler schaut er in die Gedanken und Herzen seiner Charaktere und bringt diese Beobachtungen mit treffenden Worten ans Licht.

Am meisten haben mir jedoch die Beschreibungen des Meeres gefallen. Diese Einsamkeit, die Stille, die Bedrohlichkeit der Nacht, die stürmische See – all das brachte Coher geradezu poetisch zum Ausdruck. Hinzu kommen Fachbegriffe aus der Nautik, Manöver werden beschrieben, Handgriffe erläutert, doch alles passt zusammen.

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr kippt die Stimmung der Jugendlichen, was ebenfalls sprachlich hervorragend zum Ausdruck gebracht wird. Der Autor bricht mit der Erzählung, lässt Rückblenden einfließen, überspringt Handlungen und setzt sie im Nachhinein wie Traumsequenzen wieder aneinander. Sehr spannend.

Fazit

„Nordnordwest“ ist ein durch und durch faszinierender Roman. Er berührte mich unerwartet tief und wird mich nicht so schnell loslassen. Eine Empfehlung für alle Lesebegeisterten, und vor allem für diejenigen darunter, die sich auf eine Geschichte mit sprachlichem und inhaltlichem Tiefgang einlassen möchten.

Bewertung vom 11.01.2017
Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen
Scheler, Ulla

Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen


ausgezeichnet

Am Anfang meinte ich noch genau zu wissen, was mich erwartet. Alles deutete darauf hin, es mit einem typischen Jugendbuch zu tun zu haben, in dem sich ein Jugendlicher durch einen Schicksalsschlag weiterentwickelt. Zwar stimmt das auch in Teilen, doch letztendlich wählte die Autorin in ihrer Erzählung einen ganz anderen Schwerpunkt. Damit hat sie mich überrascht und das ist es auch, was ich an diesem Buch schätze. Es folgt nicht bekannten Mustern, sondern bricht mit den Erwartungen.

Darüber hinaus ist es eine Geschichte, die den Leser insbesondere durch den Schreibstil dazu einlädt, in ihr zu verharren zu wollen, sich in den Zeilen einzunisten und für ein Weilchen darin zu wohnen. Ulla Scheler’s Worte lassen einen die Zeit vergessen, bis jeder noch so kleine und unscheinbare Moment sich ausdehnt und in seinen Details lebendiger und intensiver wird. Unterstrichen wird diese Stimmung noch durch diese ganz besondere Ruhe, die einen nur im Sommer befallen kann. Die Hitze und Trägheit sowie das helle Licht lassen die Welt weniger greifbar und entrückter erscheinen.

„Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen“ ist ein eher melancholisches Werk, es stimmte mich nachdenklich, wehmütig und gleichzeitig beflügelt. Es fängt ganz wunderbar die Emotionen ein, die Hanna und Ben nach dem Schulabschluss antreiben. Ein neuer Lebensabschnitt fängt an und beide begegnen dieser neuen Ausrichtung ihres Lebens mit Scheu, Skepsis und Neugier. Auf ihrer gemeinsamen Reise brechen sie noch einmal aus dem vermeintlichen Trott aus und erleben einen Sommer voller Freiheit und besonderen Erfahrungen. Die zarte Liebesgeschichte hat mich dabei absolut überzeugt.

Charaktere

Ich muss sagen, dass die Charaktere für sich genommen gar nicht sonderlich einprägsam waren. Es ist vielmehr das Miteinander, das mich berührt hat. Zwischen Hanna und Ben funkt es, das spürt der Leser von Anfang an, und sie ergänzen sich hervorragend. Den Gesprächen zu folgen ist ein Genuss, ihren Gedanken nachzuspüren ebenfalls. Das starke Band hat Ulla Scheler gut vermittelt. Um Hanna und Ben einzeln zu verstehen, muss man aufmerksam sein und die Zwischentöne wahrnehmen, denn nicht immer werden ihre Beweggründe offengelegt. Die Autorin belässt es bei Andeutungen, die das Grundgerüst von hintergründigen Familiendynamiken bilden.

Spannend sind neben den Protagonisten außerdem Chloé und Sam. Chloé ist kantig und kratzbürstig, aber trotz allem gewinnt man sie lieb. Sie treibt die Geschichte voran und ist so ein ganz wichtiges Element im Buch.

Schreibstil

Wie schon zu Beginn gesagt, wird die Geschichte bestimmt von leisen und versponnenen Momentaufnahmen. Die Sprache ist ruhig und geradezu sinnlich, das hat mir gut gefallen. Jeden zweiten Satz wollte ich am liebsten in mein Gedächtnis einbrennen, um dem Gedanken auch nach der Lektüre nachhängen zu können. Ulla Scheler hat es erreicht, dass ich an vielen Textstellen verweilen wollte. Etwas, das nicht in jedem Jugendbuch zu finden ist, und mich daher sehr positiv überrascht hat.

Fazit

„Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen“ ist ein Jugendbuch, das aus der Masse heraussticht. Einerseits durch die wundervolle Sprache, die eine besondere Stimmung erschafft, andererseits durch eine Story, die nicht ausgetretene Pfade betritt, sondern mit den Erwartungen spielt. Für mich auf ganzer Linie empfehlenswert.

Bewertung vom 05.01.2017
Dornenkuss / Ellie & Colin Trilogie Bd.3
Belitz, Bettina

Dornenkuss / Ellie & Colin Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Was für eine Reise! In Band 1 (Rezension zu „Splitterherz“), lernte ich den Westerwald in seiner wilden und abgeschiedenen Schönheit kennen. In Band 2 (Rezension zu „Scherbenmond“) reiste ich in eine meiner Lieblingsstädte, Hamburg. Und nun, im finalen Band, ging es nach Italien. Und als wäre ich tatsächlich dort gewesen und hätte alles hautnah miterlebt, fühle ich mich nach diesen über 800 Seiten etwas erschöpft. Sowohl geistig, als auch emotional, denn in „Dornenkuss“ führt die Autorin Bettina Belitz alle Fäden zusammen und treibt ihre Charaktere ein letztes Mal an ihre Grenzen. Puh.

Am meisten hat mich dabei überrascht, dass die Geschichte eine komplett neue Wendung nimmt. Ich dachte, ich wüsste, was Ellie, Tillmann, Colin und Co. erwartet und worauf alles hinausläuft – doch Pustekuchen. Das vermeintliche Ziel war nur ein Zwischenstopp, bevor es so richtig losging. Inhaltlich entwickelt sich „Dornenkuss“ enorm weiter, greift dabei jedoch auch immer wieder auf Elemente aus den ersten beiden Bänden zurück, so dass sich ein schlüssiges Ganzes daraus ergibt. Mir wurde beim Lesen von Band 3 erst so richtig bewusst, wie komplex und originell diese Trilogie tatsächlich ist. Alles ergibt plötzlich einen Sinn.

Ich kann mir vorstellen, dass man der Typ für diese Art Story sein muss. Nicht jedem gefällt die Protagonistin, nicht jedem gefällt die Stimmung. Auch die beachtliche Länge von Band 3 kann zu schaffen machen. Mich aber konnte Bettina Belitz vollkommen überzeugen, vor allem auch das Ende war für meinen Geschmack genau richtig.

Charaktere

Da die Protagonistin Ellie ein hochsensibler Mensch ist, und nicht nur ihre eigenen Gefühle und die anderer Menschen, sondern auch Sinneseindrücke wie Geräusche und Gerüche, intensiv wahrnimmt, kann das für den Leser anstrengend sein. Auch ich fand ihre Reaktionen bisweilen übertrieben und geradezu verstörend. Sie dramatisiert und ist, um es kurz zu sagen, ein nervliches Wrack. Das bleibt über weite Teile des Buches so, klare und ruhige Momente gibt es wenige. Nichtsdestotrotz mochte ich Ellie und ich konnte sie auch gut verstehen und ihre Handlungen nachvollziehen. Sie leidet selbst unter ihrer Wahrnehmungsfähigkeit, versucht sich im Griff zu haben und sehnt sich danach, sich freier und sorgloser zu fühlen. Bettina Belitz hat das meiner Meinung nach feinfühlig zum Ausdruck gebracht und hervorragend in den Plot der Geschichte eingebaut.

Colin tritt ein wenig in den Hintergrund in diesem Teil. Leider! Ich muss sagen, ich habe ihn vermisst. Tillmann hingegen nimmt mehr Raum ein. Er entwickelt sich als eigenständiger Charakter weiter und erlebt seine persönlichen Dramen, die ihn zeichnen. Überhaupt versteht es Belitz gut, ihre Charaktere voneinander abzugrenzen und ihnen ein eigenes Gesicht zu geben.

Schreibstil

Was soll ich sagen – der Schreibstil ist einzigartig, finde ich. Bettina Belitz verliert sich in Beschreibungen der Natur, der Atmosphäre, der Charaktere und ihrer Verfassung ohne zu langweilen. Sie übertritt außerdem nicht wahrnehmbar die Grenzen zwischen Realität und Einbildung. Da die Geschichte aus Sicht von Ellie erzählt wird, ist diese Herangehensweise plausibel, denn der Leser ist gefangen in ihrer Wahrnehmung und erlebt ihre Verwirrung unmittelbar mit. Trotz allem verzichtet Bettina Belitz aber nicht auf den wunderbar ironischen und schlagfertigen Humor, der sich bereits in den Vorgängern gezeigt hat.

Fazit

Über Band 2 hatte ich gesagt, dass er Band 1 übertroffen hat. Das kann ich hier nur wiederholen, Bettina Belitz ist für mich eine der stärksten Erzählerinnen in Deutschland. „Dornenkuss“ bietet eine enorme Palette an Unterhaltung, von Mystery und Horror bis hin zu Freundschaft und Liebe. Allerdings ist Band 3 noch düsterer und nervenaufreibender, und so nicht jedermanns Sache.

Bewertung vom 08.11.2016
Scherbenmond / Ellie & Colin Trilogie Bd.2
Belitz, Bettina

Scherbenmond / Ellie & Colin Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Direkt zu Beginn der Geschichte stürzen wir uns in eine düstere Stimmung, alles verströmt eine bleierne Schwere. Sehr atmosphärisch werden Ellies Zustand und ihr Leben nach dem Abschied von Colin beschrieben. Sie ist krank, antriebslos und orientierungslos. Ich fühlte mich als Leserin sehr gut abgeholt, da diese Grundstimmung den ersten Band Splitterherz weitestgehend prägte und Scherbenmond demnach passend anknüpft. Hinzu kommt ein subtiler, unterschwelliger Horror, unheimliche und geheimnisvolle Ereignissen häufen sich.

Insgesamt wirkten die ersten Seiten wie ein Traum, alles blieb diffus und verschwommen, war aber gleichzeitig enorm spannend, da man wissen möchte, wie es nun mit Ellie und Colin weitergeht. Werden sie sich wiedersehen? Werden sie eine Chance haben miteinander? Doch ehe es dazu kommt, verlagert sich der Schwerpunkt vollkommen, was der Geschichte sehr gut tut. Ellie fährt zu ihrem Bruder Paul nach Hamburg und wird dort mit Dingen konfrontiert, die alles bisher erlebte in den Schatten stellen. Mir hat diese neue Ausrichtung sehr gut gefallen.

Hervorragend fand ich, wie die Autorin Bettina Belitz die gemeinsame Zeit mit Paul in der Hamburger Speicherstadt aufbaut. Das Miteinander von Ellie, Tillmann und Paul wirkt wie ein Kammerspiel, der Fokus liegt ganz stark auf den Charakteren und deren Beziehung zueinander sowie deren Entwicklung. Auch eine ganz starke psychologische Ausrichtung kommt hinzu, denn wir tauchen tief in die Gedanken- und Gefühlswelt von Ellie ein.

Charaktere

Um es mal so zu sagen: Edward und Bella aus der Twilight-Reihe von Stephenie Meyer können einpacken. Sie sind im Vergleich zu Ellie und Colin blass und eindimensional. So zumindest meine bescheidene Meinung. Doch Spaß beiseite, ich liebe einfach die komplexe Beziehung der beiden, die sich logisch und vor allem realistisch entwickelt.

Zudem wird der zweite Band um einige markante Gesichter reicher, wie Ellies Freund Tillmann, der mutig und rigoros allen Gefahren trotzt. Ihr Bruder Paul, der sich auf unerklärliche Weise in seinem ganzen Wesen verändert, und Gianna, eine Hamburger Journalistin, die unversehens mitten in die Geschichte hineingezogen wird. Jeder Charakter ist sehr eigenständig und entwickelt sich individuell weiter. Ich war besonders von Tillmann überrascht, der sich von einer unerwarteten Seite zeigt. In Band 3 wird seine Rolle hoffentlich weiter auswachsen.

Schreibstil

Ich fand es ganz wunderbar, wie Belitz von einer ziemlich großen Liebesgeschichte erzählen kann – immerhin verlieben sich hier Mensch und Dämon ineinander, so viel zu unüberwindbaren Hindernissen -, ohne dem Kitsch zu verfallen. Im Gegenteil, sie schreibt so herrlich frisch und humorvoll, dass ich teilweise sogar lauthals lachen musste. Das strahlt natürlich auch auf die Charaktere ab, sie wurden dadurch nochmal sympathischer. Gleichzeitig versteht sie sich aber auch aufs Feinste darauf, beim Leser eine Gänsehaut den Rücken hochwandern zu lassen. Ihre Worte haben eine Intensität, die einen noch lange nach dem Beenden des Buches gefangen hält.

Fazit

Scherbenmond hat meiner Ansicht nach Splitterherz übertroffen. Die Stimmung, die Story, die Charaktere – alles konnte mich zu 100 Prozent überzeugen. Ich kann es nicht erwarten, mit Band 3 fortzufahren und bin gleichzeitig schon jetzt traurig, wenn die Geschichte damit zu Ende ist.