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Wedma

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Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2021
Kleine Freiheit
Kabel, Nicola

Kleine Freiheit


ausgezeichnet

Ein sehr beeindruckendes, wohl geratenes Debüt von Nicola Kabel. Sehr gern gelesen. Diesen Roman empfehle ich sehr gern weiter.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut: „…In ihrem feinfühligen Debütroman erzählt Nicola Kabel eine berührende Vater-Tochter-Geschichte, die zugleich den Finger in die Wunden legt, die die Zerreißproben der Gegenwart uns zufügen.“
Psychologisch fein austariert, wurde die Geschichte von vierzigjährigen Saskia, ehem. Richterin, Mutter von zwei Söhnen und Ehefrau eines viel beschäftigten Anwalts und ihrer Familie erzählt. Das Geschehen in der Gegenwart wechselt sich mit den Rückblicken in Saskias Kindheit und junge-Erwachsene-Alter. Aber auch die Vergangenheit ihrer Eltern, vor allem die von ihrem Vater Hans, der im Leben von Saskia eine große Rolle spielt, wurde dem Leser häppchenweise dargereicht. Welcher Erzählstrang spannender ist, ist schwer zu sagen. Beide haben ihre Highlights, bergen ihre Überraschungen, beide stellen sehr gute Fragen z.B. nach der Bedeutung der Familie, nach Bedeutung der Vaterrolle im Leben der Töchter, nach dem, was eigentlich den Halt im Leben im gibt uvm.
Die Figuren erschienen allesamt wie lebendige Personen. Das Kopfkino startete sofort und mochte nicht enden, noch lange nachdem die letzte Seite umgeblättert wurde. Ich denke sehr gerne an diese Geschichte zurück. Sie kommt mir vor, dass sie sich so oder so ähnlich im realen Leben zugetragen hatte.
Diese Familiengeschichte wurde auch sehr schön erzählt. So schlicht und ergreifend. In einer kristallin klaren, präzisen Sprache. Nichts Überflüssiges, nur das, was für diese Familiengeschichte notwendig war. Geniale Dinge sind einfach, sagt man. Hier passt es wunderbar.
Auch die Art der Stoffdarbietung spricht vom erzählerischen Können der Autorin. Alles wirkte sehr authentisch, wohl zueinanderpassend, wie Mosaiksteinchen, die zu einem größeren Gemälde zusammengefügt werden. Man kann prima nachvollziehen, wie die Vergangenheit auf die Gegenwart Einfluss nimmt, z.B. weshalb sich Saskia so verhält und nicht anders, vor allem, was den mondänen alten Herren angeht, der ihr im Zuge ihres Kampfes gegen die Windkraftanlagen begegnet.
Man kann seitenweise über diesen Roman referieren. Besser: Lesen Sie selbst.
Das Buch ist hochwertig gestaltet. Festeinband in Hellblau, Umschlagblatt mit den fliegenden Enten drauf, wohl passend zum Inhalt, hochwertiges Papier, angenehme Schriftgröße. Das Buch hat ein handliches Format, liegt sehr gut in der Hand, passt in jede Tasche. Sehr schön als Geschenk, nettes Mitbringsel.
Ich habe paar schöne Leseabende mit der Kleinen Freiheit von Nicola Kabel verbracht, was ich Euch auch wünsche.
Sehr gerne vergebe ich 5 hell leuchtende Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.02.2021
Die seltsamsten Sprachen der Welt
Haarmann, Harald

Die seltsamsten Sprachen der Welt


ausgezeichnet

Ein sehr interessantes, bereicherndes Buch, das uns Lesern zeigt, wie eigenartig die Sprachen, wie fältig die Ausdrucksmöglichkeiten sind, wie die Menschen ihre Gedanken zum Ausdruck bringen können uvm. Ein sehr wohl geratener Blick über den Tellerrand, den ich jedem wünsche.
Jedes Kapitel hat seinen eigenen Schwerpunkt:
1 Eigenartige Lautsysteme
2. Seltsamkeiten in Grammatik und Satzbau
3. Wortschätze
4. Seltsame Arten zu zählen
5. Status und Sozialverhalten sprachlich markieren
6. Sakral-, Ritual- und Tabu-Sprachen
7. Merkwürdige Schriften
8. Geplante Sprachen
Es gibt noch Unterkapitel, die 1-3 Seiten betragen und das Ganze noch weiter präzisieren. Für Details schauen Sie ins Inhaltsverzeichnis. Das gibt einen guten Überblick über die Inhalte.
Sehr zugänglich und unterhaltsam wurde über die jeweiligen Besonderheiten erzählt. In jedem Kapitel gab es Highlights. Erstaunlich, welche Vielfalt an Nennmöglichkeiten es für Regen auf Hawaii-Inseln gibt, für Kamel auf Somali, für den Schnee bei den hoch im Norden lebenden Völkern. Die seltsame Zahlsysteme in Korea und Himalaya, die speziellen Ausdrucksmöglichkeiten für Frauen im Sumerischen, ie hundert Arten für Khmer „ich“ zu sagen, beeindrucken nicht weniger. Bei Sakral-Ritual- und Tabu-Sprachen fand ich sehr interessante Ausführungen zur Mythologie der uralischen Volker (Finno-Ugrier im östlichen europäischen Teil Russlands und Samojeden im nördlichen Sibirien).
Deutsch mit seinem seltsamen Satzbau, s. z.B. die Wortfolge in Nebensätzen, taucht hier auch auf. Englisch und Russisch (Haben vs. Sein) ebenso.
Die Ausführungen sind von s/w Abbildungen, Tabellen begleitet, die das Verständnis ungemein erleichtern.
Festeinband, gutes, helles Papier, angenehme Schriftgröße erfreuen ebenso wie die tollen Inhalte.
Ein schönes Mitbringsel oder Geschenk. Auch für sich selbst. Hier findet man allerhand Dinge, mit denen man auf Partys und ähnlichen Treffen angeben kann.

Bewertung vom 17.02.2021
Die Revolution ist fällig (eBook, ePUB)
Müller, Albrecht

Die Revolution ist fällig (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Albrecht Müller schafft auch in diesem Buch, gerade in diesem, die Leser in den Bann zu ziehen und allerhand Dinge zu berichten, die man vergeblich in „Qualitätsmedien“ sucht. Vieles hat Zeug, die Leser zu schockieren. Bei so mancher Darlegung der Ereignisse schnappt man nach Luft und fragt sich, ob wir so langsam in der Bananenrepublik gelandet sind. Oder haben wir diese noch nie so wirklich verlassen?
Nüchtern, sachlich schildert Albrecht Müller diese unzumutbaren Zustände. Vllt auch deshalb wirken sie noch krasser und schockierender. Und es wird schnell auch dem Blinden mir Krückstock klar, dass dieser Unfug sehr bald und sehr schnell geändert gehört. Und zwar zu den Gunsten der Menschen, die in Frieden leben und ihre Kinder und Enkel aufwachsen sehen wollen. Die Frage ist bloß, welche Kraft möchte sich mit dieser Herkulesaufgabe befassen.
Schauen Sie ins Inhaltsverzeichnis. Die Überschriften geben einen guten Überblick. Zu jedem Punkt findet man reichhaltige, spannende Inhalte. Und sie alle zusammen erklären den Titel.
Fazit: Dieses Buch ist ein Augenöffner, auch für Fortgeschrittene. Unbedingt lesen. Und im Freundes- und Bekanntenkreis ausdiskutieren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2021
Chronik einer angekündigten Krise
Schreyer, Paul

Chronik einer angekündigten Krise


ausgezeichnet

Dieses Buch ist das von den wenigen, das man gelesen haben MUSS. Prima recherchiert, einwandfrei belegt, haben diese Aussagen eine Wucht, die einen nachhaltig beeindruckt.
Man beschäftigt sich mit diesen Inhalten noch lange, nachdem die letzte Seite umgeblättert wurde. Mir geht es jedenfalls so. Seit Sommer ist kein Tag vergangen, an dem ich an „Chronik einer angekündigten Krise“ nicht gedacht habe. Gerade jetzt, da die neuen Coronavarianten auftauchen, muss ich oft an dieses Buch denken. Nichts fällt als Fertigprodukt vom Himmel, wie die sog. Leitmedien die Leute gern glauben lassen mögen. Das bringt Schreyer sehr gut rüber: sachlich, nüchtern, anhand von belegbaren Fakten. Auf die Einzelheiten gehe ich nicht mehr ein, es ist schon viel über dieses Buch geschrieben worden.
Das Denken in größeren Zusammenhängen, in Paradigmen von Ursachen und Wirkungen, Zielen gewisser Interessengruppen und den Methoden, deren sich diese bedienen, so etwas ist wichtig, um nicht dumm sterben zu müssen. Nicht nur bezüglich der aktuellen Pandemie. In diesem Buch werden die Informationen geliefert, die so ein Denken ermöglichen und fördern.
Selbst wenn Sie sich lieber „Qualitätsmedien“ halten wollen, tun Sie sich einen Gefallen. Lesen Sie dieses Buch. Diese Inhalte MUSS man kennen.

11 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2021
Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin (eBook, ePUB)
Vigan, Delphine

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein nettes Wiedersehen mit der Autorin, ihrer Erzählkunst, ihrer Art die Welt zu sehen, die Figuren und ihre Probleme darzulegen uvm. Die trübe, fast erdrückende Atmosphäre der Großstadt, des riesigen Molochs, ist ihr sehr gut gelungen, geht regelrecht unter die Haut.
Auch der Hergang des Mobbings, aus drei Perspektiven, ist sehr beeindruckend präsentiert worden. Bei der Protagonistin, dieses Ausgeliefertsein einem aggressiven Profi-Psychopathen, diese Beklemmung, das Allein- und Ohnmächtig-sein vor dem unlösbaren Problem dastehend, ist sehr überzeugend dargestellt worden. Die Kollegen schauen bloß zu, da große Angst, selbst zu schaden zu kommen. Nicht alle zusammen gegen den Psychopathen, jeder stirbt für sich allein. Prima gelungene Gesellschaftskritik. Sehr gut beobachtet und dargelegt. Auch andere Perspektiven, die des Mobbers, die der Personalchefin, sind wie aus dem Leben gegriffen, verleihen dem Ganzen Tiefe und Überzeugungskraft, sodass das Geschilderte noch authentischer und greifbarer wirkt.
Auch beim Protagonisten ist das Leben alles andere als rosig. Eine geliebte Frau verlassen zu müssen, aus eigenem Antrieb wohl bemerkt, das ist nicht einfach, das trifft man nicht oft, auch in Romanen nicht. Seine Arbeit ist auch kein Zuckerschlecken. Beide Protagonisten sind so fertig mit der Welt. Scheinbar können sie aus diesem Moloch nicht raus.
Was wollte uns die Autorin damit sagen, tauchte die Frage immer wieder auf. Dass das Leben in der Großstadt einer Hölle gleicht? Dass es keinen Zusammenhalt in der Gesellschaft mehr gibt? Dass so ein Leben menschenverachtend und unter jeder Würde ist? Fragen über Fragen. Jedenfalls hat die Autorin viel Stoff zum Nachdenken gegeben, was ihr hoch anzurechnen ist.
Diese Geschichte war deprimierend zu lesen, aber spannend.
Das Ende barg eine Überraschung, wobei es für mich eher wenig befriedigend ausfiel, aber doch passend zur Geschichte, zum Setting, zu der Idee des Romans insg.
Gerne vergebe ich vier Sterne und bleibe auf weitere Werke von D. De Vigan gespannt.

Bewertung vom 11.02.2021
SeñorHerreras blühende Intuition (eBook, ePUB)
Reichlin, Linus

SeñorHerreras blühende Intuition (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Von diesem Werk habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen. Den Schreibstil mit leicht ironischem Ton mochte ich vom Anfang an. Im weiteren Verlauf gab es genug Gründe zum Schmunzeln und auflachten. Ich mochte diesen Humor. Er hatte mir so manchen trüben Tag erhellt.

Die philosophischen Einsprengsel sind wohl platziert und geben dem Ganzen eine gewisse Tiefe, eine selten anzutreffende Kombi mit Humor und Leichtigkeit. Meine Kommentare wie „wie treffend gesagt“, auch und gerade bei systemkritischen Äußerungen, tauchen oft auf. Sehr gut!

Die nicht triviale Art, die Figuren zu charakterisieren war ein weiterer Grund zur Freude. Die Figuren fielen größtenteils skurril aus, dies passte aber zu der Geschichte.

Die Handlung erschien, kritisch betrachtet, etwas bemüht, aber das passte wieder zu den Figuren, Setting, der Leichtigkeit usw.

Mir gefiel auch, wie der Autor mit dem Leser umging: Eine nette, heitere Plauderei über die Geschehnisse, die ihm vor kurzem passiert waren, egal wie seltsam sie einem auch vorkommen mögen.

Fazit: Eine sehr schöne, heitere Lektüre. Perfekt für die trüben Tage. Ich las die ganze Zeit gutgelaunt, schmunzelnd, auflachend. Hat echt Spaß gemacht!

Bewertung vom 10.02.2021
Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040
Stelter, Daniel

Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040


ausgezeichnet

Einmal angefangen, konnte man nicht mehr aufhören. Packend und zugleich zugänglich erzählt, dazu wohl begründet und stark argumentiert. Vielzahl an Tabellen, Grafiken, Diagrammen verdeutlicht das Geschriebene. Wenn nur ein Teil davon realisiert, wäre es ein großer Schritt nach vorne. Es ist ein Buch für alle, denen die Zukunft dieses Landes wichtig ist.

Alle Punkte sind kurz und knackig erläutert, just auf den Punkt gebracht, das Wesentliche steht stets gut sichtbar im Vordergrund. Am jeweiligen Kapitelende findet man „Aufgaben für die nächste Regierung“. Köstlich! In 1-3 Sätzen. Eine Wohltat, vor allem für die Leser, die keine Zeit haben.

Schauen Sie ins Inhaltsverzeichnis. Die Kapitelüberschriften geben eine prima Auskunft, worum es im Buch geht. Zu jedem Punkt gibt es aussagestarke, lesenswerte Inhalte.

Es fängt u.a. mit der Feststellung an, dass es mit Wohlstand in Deutschland eher bescheiden ausschaut (Mehr dazu in „Das Märchen vom reichen Land“). Im Kap. 2 waren „Das Märchen von der schwarzen Null“, „Rentenversicherung als Ponzi-Schema“, „Sauber rechnen“ meine Highlights. Sehr schön und klar erzählt. Weiter geht es u.a. um die akute Notwendigkeit der Investitionen an den richtigen Stellen (Kap. 9), um den Klimaschutz und umweltgerechte Energiegewinnung (Kap. 10), um die grundlegende Reform der EU (Kap. 10), um „Mehr Menschen in Arbeit bringen“ (Kap. 7), um mehr Innovationen, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, Bildung und Qualifikation (Kap. 8) uvm. Das Buch endet mit dem Fazit „Ein Traum, den wir gemeinsam realisieren können-und müssen!“ Darin fasst Stelter die Lage nochmals kurz zusammen: „Die Bevölkerung beschäftigt sich zu wenig mit den Grundlagen des Wohlstandes“, S.341 usw. Reformen der Politik wurden gefordert, sowie das neue Narrativ in den Medien uvm. Den Bürger wurde empfohlen, die Wahlprogramme mit den Forderungen in diesem Buch zu vergleichen und die Wahlversprechen zu hinterfragen. Dann würde man den Traum vom wohlhabenden Land wohl eher realisieren können.

Es gibt viele sehr gute Vorschläge, klar genannten Anhaltspunkte, die zum Wohle der Menschen in diesem Lande führen würden. Wenn die Politik sich drum bemühen würde... Wenn die Menschen die Änderungen einfordern, ihre Interessen durchsetzen könnten. Zu viel Konjunktiv soweit. Man muss viel tun, damit entspr. Besserungen eintreffen.

Ich konnte mich für dieses Buch restlos begeistern.

Klar gibt es viele Bücher dieser Art. Dieses aber bringt die Dinge so klar, so knackig und griffig auf den Punkt! Das macht Spaß!

Die hochwertige Buchgestaltung passt prima zum Inhalt. Alles passt perfekt zusammen. Festeinband, in Schwarz, Umschlagblatt aus festem, glattem Papier, Lesebändchen in Rot. Gutes Papier, angenehme Schriftgrösse. Der Text lässt sich wunderbar lesen. In den Anmerkungen (46 Seiten) findet man viele interessante Quellen, viele davon online.

Fazit: Ein toller Überblick über die heutige wirtschaftliche Lage des Landes mit sehr guten Vorschlägen zum „Was tun?“, damit es besser wird.

Lesen Sie selbst. Es lohnt sich. Auch wenn man den Vorgänger „Coronomics“ aus dem letzten Jahr schon kennt. Hier geht es einfach weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.02.2021
Orangen für Dostojewskij
Dangl, Michael

Orangen für Dostojewskij


ausgezeichnet

Es ist ein Roman, den ich sehr gern gelesen habe. Kein Werk, das man in einem Rutsch liest. Langsam, mit viel Zeit zum Reflektieren, zum Sich-die-Geschichte-vor-Augen-führen, zum Sich-in-dieses-Geschehen-hineinversetzen, das passt viel mehr. Das Kopfkino startete sofort und ließ lange nicht nach, auch Tage später, nachdem die letzte Seite umgeblättert wurde.
Obwohl es um ein fiktives Treffen zweier Künstler geht, am Ende wünschte ich, dass es dem tatsächlich so gewesen wäre. Ich wünschte, dass all dies genauso passiert wäre, wie hier so schön beschrieben.
Während der Lektüre musste ich staunen, wie treffend Dostojewski, sein Charakter, seine Gedanken, seine Art erfasst wurden. Wunderbare, sinnerfüllte, psychologisch fein ausgearbeitete Ausführungen zur Rolle der Kunst im Allgemeinen, und zu dem, wie Dostojewski die Welt sah, warum er nach Venedig reiste, was er sich von der Kunst versprach und erwartete uvm. Ein Mann voller Wiedersprüche kam dabei zur Geltung, aber auch ein rücksichtsvoller, höflicher Mensch. Der Autor muss nicht nur der Sprache, der Geschichte, er muss zwingend der russischen Mentalität mächtig sein, um so einen Roman bewerkstelligen zu können. Was und wie er all die Dinge bringt, kann man sich nicht eben schnell im Zuge der Recherche anlesen. Man würde diese Tiefe und Authentizität wohl kaum erreichen.
Der Ausdruck fällt tw. verschnörkelt aus. Das passt aber zu dieser barock anmutenden Geschichte, zu der geschilderten Zeit, zu den Figuren, zum Ort des Geschehens. Zu Venedig der damaligen Zeit würde wohl kaum die kristallin klare Sprache a lá Subjekt – Prädikat- Objekt passen.
Den feinen Humor wusste ich während der Lektüre zu schätzen. Oft genug musste ich schmunzeln, hier und da auflachen. Passte prima als Auflockerung zu den stellenweise eingestreuten Bildungseinlagen, z.B. über die Geschichte Venedigs, und nicht nur, die, recht knackig zusammengefasst, dem Leser „untergejubelt“ wurden. Gesellschaftskritik tauchte hin und wieder auf und passte prima auch zu den heutigen Zeiten. Auch hier konnte man sehen, dass eine sehr gründliche Recherche dem Roman zugrunde liegt.
Rossini machte auf mich nicht so einen lebendigen Eindruck wie die übrigen Figuren. Die lukullischen Szenen, die Feier mit Weib und Gesang, in denen er hier gern präsentiert wurde, schienen mir etwas überzeichnet, kamen mir wie eine farbenfrohe Kulisse vor, die eher dazu da war, etwas Gefälliges zu bieten. Aber gut. So wurden u.a. auch die Kontraste deutlicher.
Es gibt noch so vieles, was man über dieses Werk referieren kann. Besser: Lesen Sie selbst.
Fazit: Ein Meisterwerk, in vielerlei Hinsicht. Ein schöner Lesestoff, den man am besten langsam, in feinen Häppchen genießen sollte. Gern vergebe ich 5 Sterne und bleibe auf weitere Werke des Autors gespannt.

Bewertung vom 09.02.2021
Jesus oder Paulus
Fried, Johannes

Jesus oder Paulus


ausgezeichnet

Mit großem Interesse habe ich „Jesus oder Paulus“ von Johannes Fried gelesen und empfehle das Buch sehr gern weiter.
Klappentext beschreibt den Inhalt treffend.

Was tatsächlich mit Jesus nach der Kreuzigung geschah, wurde hier ganz anders interpretiert, weit von der offiziellen Version entfernt. Anhand von den vorhandenen historischen Texten konnte Johannes Fried eine andere Version des Geschehens rekonstruieren, die ihm plausibler vorkommt als die bis heute geltende. Wie der em. Professor für Mittelalterliche Geschichte die damaligen Ereignisse darlegt, erscheint seine Sicht der Dinge durchaus überzeugend. Seine Argumentation ist klar und sehr gut nachvollziehbar. So könnte das gewesen sein. Bloß eine andere Erzählung hat sich durchgesetzt. Damals wie heute gilt eine schöne Lüge, die oft genug wiederholt wurde, als die Wahrheit, unabhängig davon, wie die Wahrheit tatsächlich ausschaut.
Natürlich gehört vieles in den Bereich der Spekulationen, worauf auch an mehreren Stellen hingewiesen wurde; ebenso darauf, dass die offiziell geltende Version des Geschehens nach der Kreuzigung auch an zuverlässigen Quellen mangeln lässt.
Insg. war es eine sehr spannende, aufschlussreiche Lektüre, die ich kaum aus der Hand legen konnte, die auch einige neuen Informationen gelieferte und viel Raum zum Nachdenken und Diskussionen im Freundes-/Bekanntenkreis gab.
Paar Stoffweiderholungen weniger, insb. in der ersten Hälfte, hätte gern sein können, aber die mindern diese grandiose Leistung wohl kaum.
Es gab viele bemerkenswerte Stellen, die ich für gewöhnlich mit Zetteln markiere, s. Foto.
Ein altes Sprichwort sagt: „Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.“ Es ist sehr mutig, so eine Version zu erarbeiten, die deutlich gegen die kanonische Erzählung spricht, und damit and die Öffentlichkeit zu treten.
Hochwertige Buchgestaltung passt wunderbar zum Inhalt: Festeinband in Petrolgrün, perfekt justiert zum Jesusgewand auf dem Umschlagblatt. Das Buch hat ein handliches Format, angenehme Schriftgröße. Hinten findet man Anmerkungen und weiterführende Literatur.
Fazit: Eine sehr lohnende Lektüre, die die Geschichte der Auferstehung uvm. ganz anders erzählt. Man sollte heute auf die alten Märchen einen kritischen Blick werfen und das Geschehen um Jesus mit gesundem Menschenverstand erfassen können. Dieses Buch ist ein sehr großer Schritt in diese Richtung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2021
Das Privileg
Adkins, Mary

Das Privileg


ausgezeichnet

Es ist ein starker gesellschaftskritischer Roman, dem ich viele Leser*innen wünsche.

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr treffend.

Gerade den letzten Satz kann ich so ohne weiteres unterschreiben. Es ist ein kraftvoller Roman, der, psychologisch fein ausgearbeitet, 6 Monate aus dem Leben dreier junger Frauen schildert, vor allem, wie ihr Leben sich ändert, während und nachdem sie sich mit Tyler Brand näher befasst haben. Das bezieht sich nicht bei allen, auf wie auch immer gestaltete, sexuelle Interaktionen. Hier geht es nicht primär darum. Und ja, ein Buch über Mut ist es auch, denn es gehört eine gute Portion davon, um mit den Konsequenzen der Begegnungen mit Tylor fertig zu werden.
Die Mädels sind recht unterschiedlich vom Gemüt her und nicht alle sind Studentinnen. Sie alle aber sind aber täglich auf dem Campus und laufen einander hin und wieder über den Weg.
Gekonnt, mit viel Kenntnis der Materie wurde das Innenleben aller drei geschildert, mit all den Emotionen, Zweifel, Glaubenssätzen, die sich dann als eher falsch als richtig erweisen usw.
Man kann sich alle Mädchen bildhaft vorstellen, man lernt ihren Werdegang, ihre Probleme und Verletzungen der Vergangenheit, ihre Familien, ihre Träume uvm.
Der Text ließ sich angenehm, flüssig lesen, wofür man auch der Übersetzerin danken müsste.
Das Ganze war von einer subtilen Spannung untermalt, die am Ende auch ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Dass einige Pausen nötig waren, liegt es eher daran, dass der Roman viel Stoff zum Nachdenken liefert und stellenweise recht dicht im emotionalen Sinne ausfällt, was ein sehr gutes Zeichen und Merkmal der Güte des Werkes ist.
Weshalb es diesen Titel trägt, geht sehr klar aus dem Geschehen hervor. Das ließ mich an die These denken, dass die westliche Gesellschaft so langsam im Neofeudalismus angekommen ist.
Dieser Roman fällt also schön gesellschaftskritisch aus, nicht nur mit Bezug auf #metoo, und hält uns den Spiegel vors Gesicht.
Gern vergebe ich 5 Sterne hierfür und eine Leseempfehlung, insb. für diejenigen, die sich für das #metoo Thema interessieren, aber nicht nur. Es ist viel mehr als „nur“ #metoo.

Das Buch ist hochwertig gestaltet: Festeinband in Mintgrün, Lesebändchen in Hellblau, wie das Dreieck oben auf dem Umschlagblatt. Das Buch liegt gut in der Hand, hat angenehme Schriftgröße, ist eher leicht, hat handliches Format. Schön als ein nettes Mitbringsel/ Geschenk.