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hasirasi2
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1115 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2023
Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3
Blum, Charlotte

Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3


ausgezeichnet

Schachmatt für den Mörder

„Ich möchte dich … wie sagt man … anheuern?“ (S. 23) Ganz Baden-Baden ist 1925 wegen des Schachturniers und der sich dabei häufenden Taschendiebstähle in heller Aufregung, da interessiert sich kaum jemand für eine in einer Wäschetrommel umgekommene junge Wäscherin. Die Polizei legt sich schnell auf Selbstmord oder Unfall fest und die Ermittlungen zu den Akten. Doch die Cousine der Toten, Almas Kollegin Friederike, ist sich ziemlich sicher, dass ihre Verwandte umgebracht wurde. Allerdings kann sie sich keinen Grund dafür vorstellen, denn das Mädchen war brav und unscheinbar. Also bittet sie Alma, sich der Sache anzunehmen. Deren Freund, Kriminalkommissar Ludwig Schiller, hat Angst um sie, weil sie sich bei ihren letzten Ermittlungen zuoft in Gefahr gebracht hat. Und so richtig motiviert ist Alma zu Beginn auch nicht. Aber dann entdeckt sie in der Wäscherei etwas, dass einen Unfall oder Selbstmord ausschließt.

Alma ist mit ihrem Leben zufrieden, genießt es, durch ihre Arbeit als Telefonistin für sich selbst sorgen und mit Ludwig zusammen sein zu können. Doch der will langsam mehr, träumt von einem gemeinsamen Zuhause und einer Familie. Aber soweit ist Alma noch nicht. „Ich habe Angst, meinen Beruf aufzugeben. Meine … Freiheit.“ (S. 194) Sie kann ihre Kolleginnen verstehen, die rote Parolen verbreiten, mit den Suffragetten sympathisieren und die gleichen Freiheiten wie die Männer fordern: einen Beruf trotz Ehe und Hosen statt Röcke.
Ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Emmi hat von ihrem Chef endlich die Leitung einer eigenen Filiale übertragen bekommen. Dadurch verdient sie mehr und hofft, mit Alma in eine größere Wohnung ziehen zu können, wenn diese die Detektei eröffnet, von der sie schon länger träumt. Dabei übergeht sie Ludwig – wie lange der wohl noch auf Alma warten wird?

Das Autorenduo Charlotte Blum hat wieder sehr geschickt das Schachturnier als realen historischen Hintergrund mit einem fiktiven Verbrechen verbunden und die goldenen 20er in der Kurstadt wiederaufleben lassen.
Neben ihrer Arbeit und den Nachforschungen, bei denen auch Almas Cousin Walter wieder mit von der Partie ist, genießen die jungen Frauen das Nachtleben, gehen in geheime Kellerkneipen oder fahren mit der letzten Seilbahn auf den Baden-Badener Hausberg Merkur zum Tanzen. Sie sind neugierig auf technische Errungenschaften, wie die ersten Radios, und träumen bereits vom Fernsehern, ohne die Technik benennen zu können. Aber Alma macht sich auch Sorgen, was aus ihrer Arbeit wird, wenn sich die Selbstwahltelefone durchsetzen. Damit zeigen die Autorinnen ein sehr schönes, rundes Bild über Almas Leben zu ihrer Zeit.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Bänden ist „Spiel auf Leben und Tod“ etwas ruhiger. Alma stürzt sich nicht in atemlose Ermittlungen und jagt ständig neuen Hinweisen nach, sondern überlegt wie beim Schachspiel gründlich ihre nächsten Züge. Trotzdem ist das Buch spannend bis zum Schluss.

Bewertung vom 10.09.2023
Backen macht glücklich
Runge, Kathrin

Backen macht glücklich


ausgezeichnet

Backen mit und für Kinder

Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern, wenn meine Mama mit uns Kindern Hörnchen fürs Frühstück, Pudding-Streuselkuchen für Geburtstage oder Kekse gebacken hat. Danach sah die Küche hinterher zwar oft aus wie ein Schlachtfeld, aber wir waren glücklich. Genau dieses Gefühl vermittelt Kathrin Runge auf ihrem Blog und im gleichnamigen Backbuch „Backen macht glücklich“ auf über 80 unkomplizierten Rezepten.

Mir gefällt, dass neben den üblichen Grundrezepten für Rühr-, Biskuit-, Hefe- und Mürbeteig auch eines für Sauerteig gezeigt wird. Zudem erklärt sie alternative Backzutaten (ich ersetze z.B. gern Butter durch Öl), geht auf das benötigte Zubehör ein und auf was man beim Backen mit Kindern achten muss.

Die Rezepte sind in Kuchen für jede Anlass, Besonderes für Feste, köstliche Kleinigkeiten, Süßspeisen für die Seele und Herzhaftes für alle Fälle gegliedert und oft durch Tipps ergänzt, z.B. wie man sie vegan umsetzen oder den verwendeten Zucker ersetzen kann.

Ich habe inzwischen schon ein paar Rezepte ausprobiert und zu unseren Highlights zählt der Puddingschnecken-Kuchen, die Streuseltaler mit frischen Beeren und die Tomatenquiche.
Und jetzt freue ich mich auf Halloween, damit ich mit meiner Nichte und meinem Neffen endlich die Spinnen-Cookies und Halloween-Geister-Brownies backen kann.

Von mir gibt es 5 Kuchenschüsseln für dieses tolle Familienbackbuch!

Bewertung vom 08.09.2023
Das Geheimnis der Dior-Kleider
Lester, Natasha

Das Geheimnis der Dior-Kleider


ausgezeichnet

Die andere Seite des Himmels

„Wenn sie in den Sitz glitt, fühlte es sich jedes Mal an, als schlüpfe sie in ein Abendkleid.“ (S. 104)
London 1939: Als eine von zwölf Frauen wird Skye für die Lufttransportunterstützung der Royal Air Force rekrutiert. Doch leider dürfen sie keine Kampfflugzeuge fliegen, sondern nur Übungsmaschinen überführen, obwohl sie ausgebildete Pilotinnen mit Hunderten von Flugstunden sind. Erst, als immer mehr Piloten und Flugzeuge verunglücken, dürfen sie die kaputten Maschinen, in die sich die Männer nicht mehr wagen, zur Reparatur und zurück fliegen. Auf einer dieser Touren steht plötzlich ihr Jugendfreund Nicolas vor ihr. Seit Jahren haben sie nichts voneinander gehört, aber ihre spezielle Verbindung ist sofort wieder da. Doch Nicolas ist verlobt und gehört einer geheimen Staffel an.

Cornwall 2012: Die Australierin Kat ist Modenkonservatorin und fliegt mehrmals im Jahr für ihre Arbeit nach Europa. Als ihr Großmutter sie bittet, in ihrem Cottage in Cornwall nach dem Rechten zu sehen, ist sie überrascht. Sie wusste bisher nichts von dem Haus, das komplett eingerichtet ist („… als wären die Bewohner zu einem Tagesausflug aufgebrochen und nie wiedergekehrt.“ (S. 55)), und findet in den Kleiderschränken 65 Haute Couture Kleider von Dior. Sie will wissen, wie ihre Großmutter, die nie reich war, zu diesen Kleidern gekommen ist und warum sie sie in Cornwall zurückgelassen hat. Doch die kann ihr die Frage nicht beantworten, weil damit schreckliche Erinnerungen verbunden sind. „Ich dachte, ich könnte es dir erzählen. Aber ich… Ich kann es nicht. Es tut mir leid.“ (S. 145)
Kat beginnt auf eigene Faust nach der Herkunft der Kleider und der Vergangenheit ihrer Großmutter zu forschen und kommt dabei einigen düsteren Geheimnissen auf die Spur, in die auch die Designer Christian und seine Schwester Catherin Dior involviert sind.

„Wir erinnern uns eher an schöne Kleider als an eine Frau, die für ihr Land fast ihr Leben gab.“ (S. 460) Schon mit ihren bisherigen Büchern hat mich Natasha Lester begeistern können, aber „Das Geheimnis der Dior-Kleider“ ist ein absolutes Lesehighlight. Sie schreibt über englische und französische Pilotinnen und Spioninnen im 2. WK, die immer mehr leisten und geben mussten als ihre männlichen Kollegen (oft eben auch ihre Körper) und trotzdem nicht als vollwertige Kämpferinnen, sondern hübsche Frauen angesehen wurden, die ihre Kameraden auch noch aufzuheitern hatten und sich jede neue Aufgabe und Funktion viel härter erkämpfen mussten. Und obwohl ich wirklich schon viele Bücher über diese Zeit gelesen habe, hat mich erschüttert, was die Autorin u.a. über die Befreiung des KZs Ravensbrück erzählt und dabei die wahren Erlebnisse von Cathrine Dior einfließen lässt, die Mitglied der Résistance war.

Natasha Lester verwebt Historie und Fiktion sehr geschickt und erzählt die Geschehnisse über mehrere Zeitebenen und aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei steigert sie die Spannung so sehr, dass man das Buch einfach nicht mehr weglegen kann. Dazu trägt auch die berührende (Liebes-)Geschichte von Skye und Nicolas bei und nicht zuletzt die sehr detailliert beschriebenen traumhaften Diorkleider.
Es ist eine extrem erschütternde Geschichte, die aufwühlt und im Gedächtnis bleibt, traurig und wütend macht. #gegendasvergessen

Bewertung vom 07.09.2023
Worte der Wahrheit / Die Repoterin Bd.2
Simon, Teresa

Worte der Wahrheit / Die Repoterin Bd.2


ausgezeichnet

Zwischen Kind und Karriere

Für Malou könnte es kaum besser laufen. Beruflich startet sie weiter richtig durch, hat eine gute Nase für kommende Stars wie z.B. die Rolling Stones oder Jimi Hendrix und interviewt die ganz Großen wie Romy Schneider oder Heinz Rühmann. Auch privat hat sie ihr Glück gefunden, geheiratet und eine Tochter bekommen, aber ihre Arbeit will sie deswegen nicht aufgeben. Doch ereilt sie ein Schicksalsschlag und stellt ihr ganzes Leben auf den Kopf.
„Siehst du, Marie, nicht jede Wahrheit macht auch glücklich!“ (S. 30) Außerdem weiß sie endlich, wer ihr leiblicher Vater ist, aber das stürzt die Familie ins nächste Problem – ihr „Erzeuger“ sucht nämlich den Kontakt zu ihrer Mutter und bringt damit deren Ehe in Gefahr.

Genauso spannend und rasant, wie der erste Band geendet hat, geht es in „Worte der Wahrheit“ weiter. Teresa Simon erzählt Malous Schicksal vor dem Hintergrund der bewegten Jahre 1965 bis 1969. Die Welt ist im Wandel, die Bader-Meinhof-Gruppe startet erste Aktionen, Martin Luther King und JFK werden erschossen, der Prager Frühling macht den Menschen in Ost und West Mut auf einen politischen Wandel, die Studentenunruhen in München und Berlin erschüttern Deutschland und in München dreht sich bald alles nur noch um die Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen 1972. Malou berichtet über viele dieser Ereignisse aus ihrer (weiblichen) Sicht, so schreibt sie z.B. ein Portrait über Kings Witwe. Sie vertritt ihre Meinung bei den Redaktionskonferenzen sehr direkt und lässt sich auch von neuen Kollegen nicht unterbuttern.
Doch der Spagat zwischen Kind und Job ist nicht einfach und bringt sie oft an ihre Grenzen und zum Zweifeln – ist sie genug für ihre Tochter da? Zum Glück hat sie ein großes Netzwerk, das sie bei deren Erziehung unterstützt. Dazu gehören neben ihrer Mutter u.a. ihre Freundin Roxy, die erste Erfolge als Schlagersängerin feiert, oder der Fotograf Samy, der Pate ihrer Tochter, aber auch ihre Kolleginnen Adrienne und Ella aus der Redaktion.

Malou hat mich wieder beeindruckt. Trotz ihrer privaten Probleme leistet sie in der Redaktion großartige Arbeit und gerät nicht in Versuchung, aus den ihr von den Stars und Sternchen anvertrauten Geheimnissen Kapital zu schlagen. Sie hat ein gutes Händchen bei der Auswahl ihrer Interviewpartner und beweist bei ihren Fragen viel Fingerspitzengefühl, stellt niemanden bloß und lässt sich nicht anmerken, wenn sie ihr Gegenüber persönlich mal nicht mag. Außerdem ist sie entgegen ihrer Bedenken eine großartige Mutter.

Mir hat gefallen, wieviel Mitmenschlichkeit, Kameradschaft und Frauenpower Teresa Simon in die Handlung einfließen lässt, ohne dabei kitschig zu werden oder zu überzeichnen. Aber sie übt auch harte Kritik am Nationalsozialismus und den Künstlern, die damals Karriere gemacht und das später verleugnet haben.

Ich habe auch diesen zweiten Band wieder an nur zwei Abenden förmlich inhaliert und mit Malou gebangt und gehofft, denn bei Teresa Simons Büchern gilt: Buch an – Alltag aus.

Bewertung vom 05.09.2023
Prost, auf die Pfennigfuchser
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf die Pfennigfuchser


ausgezeichnet

Brunngries – ein Ort für Gewinner

Eigentlich will Hauptkommissar Constantin Tischler einen gemütlichen Sonntag mit seiner Freundin Britta verbringen, aber da platzt seine Nachbarin rein, weil deren Freundin sie nicht wie versprochen zur Wanderung des Frauenbundes abgeholt hat. Frau Kneidinger ist überzeugt, dass etwas passiert sein muss, und leider hat sie Recht. Gudrun Zettelwieser, die Filialleiterin einer Privatbank, liegt erschlagen in ihrem Haus.
Die erfolgversprechendste Spur bei ihren Ermittlungen führt Hauptkommissar Tischler und seinen Spezi Polizeiobermeister Fink in die Privatbank, die die Tote geleitet hat. Davon sind aber leider weder Polizeioberrat Schwenk noch der Brunngrieser Bürgermeister begeistert, schließlich gehörten die Herren auch zu Kunden der Verstorbenen und lassen auf die Zettelwieser nichts kommen: „Zerstören Sie das Lebenswerk der Frau nicht. Sie war das Gesicht der Bank und hat diese repräsentiert.“ (S. 214).

„Prost, auf die Pfennigfuchser“ ist schon der 8. Krimi der Reihe und genau spannend und unterhaltsam wie seine Vorgänger. Diesmal haben Tischler und Fink nicht nur ihre Vorgesetzten im Nacken sitzen, sondern auch Tischlers Nachbarin. Die alte Frau Kneidinger ist zwar schon über 80, aber fest davon überzeugt, den Fall allein lösen zu können. Schließlich kennt sie alle Mitglieder des Frauenbundes und andere Freunde oder Feinde hatte die Tote ihrer Meinung nach nicht.

Neben den Mordermittlungen kümmert sich Tischler um zwei weitere Brunngrieser Problemfälle. Der Automechaniker Steiner scheint nicht von seiner Vergangenheit loszukommen, bzw. diese nicht von ihm, und die ehemaligen Feindinnen Nori und Tereza hecken irgendwas etwas zusammen aus. Ob da alles mit rechten Dingen zugeht?!
Außerdem will Britta endlich mit ihm zusammenziehen und legt bei der gemeinsamen Wohnung ihr Augenmerk leider auf ganz andere Dinge als er. Während es ihr nichts ausmachen würde, wenn auf dem Balkon nicht gegrillt werden darf, versteht er nicht, wofür sie eine Frisierkommode braucht. Und eine Wohnung, in der Hunde verboten sind, geht schon mal gar nicht. Schließlich kommt Dackeldame Resi regelmäßig zu Besuch.

Ich mag, wie es in der Reihe menschelt. Tischler und Fink liefern sich herrliche Wortgefechte, wobei Fink bei seinen Repliken immer besser wird. Es macht Spaß, die Entwicklung der Charaktere zu verfolgen und ich hoffe, dass sie noch viele Fälle lösen werden – natürlich mit Resis tatkräftiger Unterstützung.

5 Sterne für diesen kultigen Krimi mit viel Lokalkolorit!

Bewertung vom 01.09.2023
Inside Underdog
Kogler, Iris Antonia

Inside Underdog


ausgezeichnet

Stagehand

„Für A. Danke, dass du mich gesehen hast.“ (S. 59)
Sie ist eine von den Unsichtbaren, deren Arbeit lange vor Beginn der Konzerte oder Theateraufführungen beginnt und erst lange danach endet. In Spitzenzeiten arbeitet bis zu 26 Stunden am Stück, für ein minimales Gehalt, ohne Überstunden- oder Nachtzuschläge, ohne Sozialversicherung.

Sie, die Namenlose, gehört zu den Stagehands (BühnenarbeiterInnen), wird von Lieferanten und Chefs zwar gesehen und oft auch belästigt, aber man merkt sich ihren Namen nicht. Warum auch, die meisten halten eh nicht lange durch.

Sie hatte mal den Traum von einem Mann und Kindern, einer „richtigen“ Arbeit nach ihrem Studium an der Theaterakademie. Jetzt freut sie sich über ein Feierabendbier, auch wenn es 7 Uhr morgens ist, und träumt von einer Sozialwohnung. Sie ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen. „Fünf Minuten reichen ihr, um zu verstehen, dies hier ist ein harter Boden, auf dem sie aufgeschlagen ist.“ (S. 29)

Wer das Nachwort liest erfährt, dass Iris Antonia Kogler in „Inside Underdog“ Szenen aus ihrem eigenen Leben erzählt, dass sie in ihrem Buch Menschen verewigt und ihnen eine Stimme gibt, die sie in einem ihrer unzähligen Jobs kennengelernt hat.

„Inside Underdog“ ist ein Buch, das beeindruckt, nachdenklich macht und aufwühlt. In eindringlichen, kurzen, klaren, sehr lakonischen und oft leidenschaftslosen Sätzen erzählt die Autorin von einem harten, nüchternen Arbeits- und leider auch ähnlich trostlosen Privatleben. Denn nicht nur das Geld, auch die Freizeit ist knapp, wenn Sie an 6 – 7 Tage pro Woche für einen Hungerlohn arbeiten muss. Es macht mich sprachlos, dass Sie sich zusätzlich auch noch gegen sexuelle Anspielungen und Übergriffe wehren muss. Ja, der Messebau ist eine männliche Domäne, das kenne ich aus dem Bauwesen nicht anders, trotzdem sind wir Frauen auch Menschen und keine Objekte ...
Diese autofiktionale Erzählung findet hoffentlich viele Leser und bleibt wegen der erzählten Schicksale im Gedächtnis.

Bewertung vom 01.09.2023
Brot im Topf
Chovancova, Ilona

Brot im Topf


ausgezeichnet

Das perfekte Buch für Anfänger und Fortgeschrittene

Ich backe unser Brot seit über 15 Jahren selbst und bin immer auf der Suche nach neuen Rezepten. Das besondere bei diesem Buch ist, dass die Brote alle auf Sauerteig basieren, also ohne Hefe auskommen, und in einem gusseisernen Topf gebacken werden. Durch das Backen im Topf bekommen die Brote eine besonders schöne Krume und Kruste, da die Temperatur stabil und die Feuchtigkeit gleichmäßig bleiben.

Unterstützt durch aussagekräftige Fotos erklärt die Autorin, welche Gerätschaften benötigt werden, wie man Sauerteig selber züchtet, aufbewahrt und auffrischt und den Teig dann letztendlich zubereitet (Sauerteig ansetzen, Autolyse, Kneten, Teigruhe, Wirken und Falten). Dabei ist jeder Schritt sehr genau und verständlich erklärt. Außerdem geht sie auf die verschiedenen Mehl-und Salzsorten und ihre Besonderheiten ein.
Ich höre oft die Kritik, dass man (zu) viele verschiedene Mehle braucht, wenn man nicht immer das gleich Brot backen will. Aber da kann ich Euch beruhigen, man kann durchaus auch mal eins ersetzen, wenn man es nicht vorrätig hat (im Internet findet man passende Tabellen). Mit der Zeit hat man dann im Gefühl, ob man evtl. die Wasser- oder Salzmenge anpassen muss. Also ruhig mutig sein und ausprobieren.

Bei den Rezepten gefällt mir besonders die Abwechslung und Vielfältigkeit. Neben klassischen und Anfängerbroten (ich empfehle da das Weizen-Mais-Brot), gibt es aromatische Brote (Buttermilch-Bier-Brot), Brote mit Gemüse (Karotte mit Kreuzkümmel) und Fantasiebrote (Miso mit Sesam). Ergänzt werden sie durch je zwei „Brotzeit“-Doppelseiten mit passenden Rezepten für Brotbeläge, Aufstriche, Pasten etc.

Ich bin begeistert und finde das Buch wegen der wirklich sehr guten Schritt-für-Schritt-Anleitungen auch für Anfänger perfekt geeignet. Fortgeschrittene Bäcker werden sich über die neuen und ausgefallenen Rezepte freuen.

Bewertung vom 30.08.2023
Sonne über Gudhjem / Lennart Ipsen Bd.1
Kobr, Michael

Sonne über Gudhjem / Lennart Ipsen Bd.1


ausgezeichnet

Schinkenleiche

„Er würde das beschauliche Leben eines kleines Landpolizisten führen, ohne Stress und Hektik.“ (S. 12) Nach über 20 Jahren im internationalen Einsatz kehrt der Kripo-Beamte Lennart Ipsen in seine alte Heimat zurück, die dänische Urlaubs- und Ostseeinsel Bornholm. Er wird der Leiter des polizeilichen Ermittlungsdienstes für personengefährdende Kriminalität im Polizeiposten der Inselhauptstadt Rønne, rechnet aber eher mit Verkehrsdelikten, Schlägereien oder Urlaubern, die sich beim Pilzesammeln verlaufen, als mit echten Kriminalfällen. Wahrscheinlich kann er mit seinen Kolleginnen Britta und Tao eine ruhige Kugel schieben und das Inselleben genießen, endlich mal runterkommen und seinen Burnout verarbeiten.
Doch es kommt anders. Noch bevor er seine Sachen ausgepackt und sämtliche Möbel aufgebaut hat, wird er zum Hof des Schweinebauer Kristensen gerufen, der zusammen mit einigen Schweinehälften heißgeräuchert in der Räucherkammer liegt. Bei ihren Ermittlungen stellen Lennart und sein Team schnell fest, dass der Tote ein echter Choleriker war und viele Feinde hatte, angefangen bei seinen direkten (deutschen) Nachbarn, die sich regelmäßig über den Schweinegeruch aufregten, über seine Ex-Frau, Tochter und Schwester bis hin zu seinen Kunden – er lag mit so ziemlich jedem im Clinch. Aber wer von ihnen würde ihn deswegen umbringen?!

Nachdem ich alle Bücher von Klüpfel und Kobr kenne war ich gespannt, wie sich Michael Kobr solo schlägt und ich muss sagen, er kann auch allein echt tolle Krimis schreiben.

Lennart (man duzt sich in Dänemark) ist bodenständig, frisch geschieden, aber nicht unglücklich, hat zwei Teenagertöchter, die mit ihrer Mutter in Rügen und somit gar nicht so weit weg wohnen, und einen Vater mit Gartentick. Außerdem ist er ein toller Vorgesetzter, der sich um das Arbeitsklima und seelische Gleichgewicht seiner Mitarbeiterinnen sorgt und weiß, wo seine Fehler und Schwächen liegen. Der Neuanfang in Bornholm fällt ihm leicht, dank des Falls arbeitet er sich gleich in die Besonderheiten der Insel und ihrer Bewohner ein. So hat seine Kollegin Britta noch einen Zweitjob, nachdem sie nach Möglichkeit ihre Dienste einteilt, und Tao bleibt lieber auf dem Revier und kümmert sich um den ganzen Technikkram und die Hintergrundrecherche, als zu Tatorten oder Befragungen zu fahren. Schwierigkeiten macht ihm nur sein Vorgänger, der sich nach wie vor in die Ermittlungen einmischt.

Ich mochte Lennart, Britta und Tao sofort und konnte mir Bornholm sehr gut vorstellen. Geschickt lässt Michael Kobr die landestypischen Spezialitäten und Delikatessen, Lennart ist einem guten Essen nie abgeneigt, und handwerklichen Erzeugnisse in die Handlung einfließen. Nur auf Geräuchertes habe ich nach dem, Lesen erst mal keinen Appetit mehr 😉.
Besonders interessant fand ich den historischen Hintergrund der Insel, die als Nato-Gebiet im kalten Krieg eine besondere Rolle spielte und damals wie heute gern von den Russen überflogen wurde, um zu provozieren.

Der Kriminalfall ist spannend und sorgt durch überraschende Wendungen dafür, dass man bis zum Ende miträtseln kann. Auch der typische Humor, den ich bei der Kluftinger-Reihe so mag, findet sich wieder.

Mein Fazit: Ein toller Reihenauftakt, der unbedingt nach weiteren Fällen auf Bornholm verlangt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.08.2023
Clara und Rilke / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.8
Johannson, Lena

Clara und Rilke / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.8


sehr gut

Zusammen und doch frei

„Warum sollte er nur eine Muse haben? Die Blonde und die Dunkle waren wie zwei Hälften, die sich zu einer perfekten Frau ergänzten.“ (S. 173)
Die Bildhauerin Clara Westhoff und die Malerin Paula Becker verbindet eine tiefe und innige Freundschaft, als sie 1900 in Worpswede den Lyriker Rainer Maria Rilke kennenlernen. Während er schon erste Erfolge feiert, haben es die Frauen trotz Ausbildung in München, Worpswede, Leipzig und Paris schwer, als Künstlerinnen angesehen zu werden und nicht nur als Frauen, die sich die Zeit bis zur Ehe vertreiben. Dabei ist das für sie keine Option, sie wollen sich nicht zwischen einem Mann und ihrer Arbeit entscheiden müssen. „Aber ihr Leben sollte der Kunst gehören, niemandem sonst!“ (S. 123) Rilke sieht das ganz ähnlich, auch für ihn stehen seine Arbeit und seine Bedürfnisse an allererster Stelle, es sei denn: „Wenn mir die eine begegnet, die in meine Welt der Poesie eintauchen und darin leben mag, dann wäre das ein großes Glück.“ (S. 126)

Ich muss zugeben, dass Rilke in der Schule nur kurz behandelt wurde, ich von seiner Frau bis zu diesem Buch noch gar nicht gehört hatte und darum unvoreingenommen an diesen Roman herangehen konnte.
Es ist die Geschichte einer großen Frauenfreundschaft, die ohne Männer vielleicht ein ganzes Leben lang gehalten hätte. Doch Paula verguckte sich in den verwitweten Otto Modersohn und Clara verliebt sich schon bei Rilkes erstem Gedicht in ihn. Eine Zeit lang versuchen die Freundinnen, das voreinander geheim zu halten. So wird Clara jedes Mal eifersüchtig, wenn sie Paula und Rilke zusammen sieht, und der genießt die Situation, befeuert sie zum Teil sogar.
Es ist aber auch die Geschichte einer idealisierten Liebe, die in der realen Welt nicht bestehen konnte. Für Rilke war es wichtig, Rückzugsräume und Ruhe zu haben und Clara hat das verstanden. Sie hatten klare Vorstellungen von ihrer Ehe, wollten sich Freiräume zum Leben und Arbeiten lassen. Aber sie verdienten nicht regelmäßig und Rilke zog sich gern zurück oder flüchtete, wenn Probleme auftauchten.

Lena Johannson beschreibt die drei Künstler, ihre Beziehungen untereinander und zu anderen und ihre Werke sehr bildlich und erzählt die Geschichte abwechselnd aus Claras und Rilkes Sicht, ergänzt durch seine Gedichte, wodurch man ihnen immer sehr nah ist und ihre Gedanken, Gefühle und Entwicklung miterlebt. Dabei kommt Rilke für mich nicht besonders gut weg. Er scheint sehr vergeistigt und lebensfremd, trauert dem Adel seiner Vorfahren und seiner letzten Liebe hinterher. Außerdem kann er schlecht mit Kritik umgehen und ist egoistisch. Für ihn ist es selbstverständlich, dass sich Clara um den schnöden Alltag kümmert. Sie hat es ihm mit ihrem zurückhaltenden und ausgleichenden Wesen aber auch leicht gemacht und gern alles Störende von ihm ferngehalten.
Außerdem gewährt die Autorin einen schönen Einblick in das Flair, das damals in Worpswede herrschte, und die Künstler, die dort lebten und arbeiteten.

Leider endet die Handlung schon 1903 und die Zeit bis zu Rilkes Tod wird nur noch im Zeitraffer im Epilog erzählt, das hätte für mich noch ausführlicher sein können.

Mein Fazit: Ein spannende Romanbiographie über ein interessantes Künstlerpaar.

Bewertung vom 27.08.2023
Kommissar Jennerwein darf nicht sterben / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.15
Maurer, Jörg

Kommissar Jennerwein darf nicht sterben / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.15


ausgezeichnet

Nachrichtenlose Abwesenheit

… ist das spurlose, freiwillige und dauerhafte Verschwinden von Personen. So eine abgängige Person soll Kommissar Jennerwein für einen multinationalen Konzern suchen, denn weder die bisherigen internen noch polizeilichen Ermittlungen haben nach 6 Monaten eine Erklärung gefunden, wie der Qualitätsmanager Florian Rossi aus einer vollautomatischen, lückenlos überwachten Fertigungshalle verschwinden konnte.

„War das eine Sucht, an der er litt? Die Suche, hinter jeder Erscheinung die Verderbtheit und Abschüssigkeit der Welt zu wittern?“ (S. 20) Selbst im Urlaub kann Jennerwein nicht abschalten. Er beobachtet die anderen Gäste des Sporthotels und macht sich so seine Gedanken – ist das da nicht eine Buffetschmarotzerin? Und der Mann, der da eben völlig überarbeitet aus der Küche kommt, ist garantiert ein Springer! Nun, bei einer Vermutung liegt er zumindest zum Teil richtig, bei der anderen komplett falsch. So richtig füllen ihn die ganzen Sportanwendungen eben doch nicht aus und abschalten kann er auch nicht. Also lässt er sich anwerben, um nach Rossi zu suchen. Dabei wird er mit KI-Technik konfrontiert, von der wir noch nicht mal zu träumen wagen, bzw. die uns Albträume bescheren würde (ich sage nur körperlose medizinische Versorgung und Pflege) und die eigentlich nicht lügen oder einen Menschen töten kann – oder etwa doch?! Bei der ganzen Aufregung merkt er gar nicht, dass ihm ein Auftragskiller auf den Hals gehetzt wurde, der ihn auch aus persönlichen Gründen unbedingt zur Strecke bringen will.

„Kommissar Jennerwein darf nicht sterben“ ist schon der 15. Band der Reihe und hat mich wieder bis zum Ende gefesselt. Ich liebe die abgedrehten Fälle und dass sich Jörg Maurer immer neue, immer ungewöhnlichere Hintergründe einfallen lässt, die vielleicht sogar bald schon real werden könnten. Auch hier fängt es noch relativ harmlos mit einem Chatbot an, steigert sich über eine Augmented-Reality-Brille und einen Datenzug bis zu vollautomatischen Fabriken, in denen die Menschen nur noch dazu sind, um nach Fehlern zu suchen, die KIs nicht erkennen können – es ist eine skurrile, furchteinflößende Welt, die er da erschaffen hat.

Außerdem mag ich Maurers Humor. Alle ehemaligen Verbrecher, die Jennerwein und sein Team hinter Gitter gebracht haben, haben sich gegen ihn verschworen und DEN Auftragskiller engagiert, der nur leider nie so richtig zum Zug kommt, weil immer wieder irgendwas schiefgeht. Die Nerven aller Beteiligten liegen blank, gewinnt am Ende Jennerwein oder der Killer?
Als besonderes Schmankerl sind überall im Buch Hinweise auf Jennerweins Frau versteckt, der hat nämlich heimlich geheiratet, aber ihr Name wird nie genannt. Doch wer die Reihe kennt, kommt bestimmt hinter ihre Identität.

Mein Fazit: Streitende Gangster, ein verzweifelte Auftragskiller, eine zu allem entschlossene Stalkerin und ein Kommissar, der auch im Urlaub das Ermitteln nicht lassen kann – mehr braucht ein spannender und abwechslungsreicher Krimi nicht.