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Benutzername: 
Xirxe
Wohnort: 
Hannover
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 869 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2020
Das flüssige Land
Edelbauer, Raphaela

Das flüssige Land


sehr gut

Als die promovierte Physikerin Ruth nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sich auf der Suche nach deren früherem Leben macht, landet sie in Groß-Einland, wo die beiden aufgewachsen sind. Eine völlige Idylle, in der die Menschen praktisch unbemerkt vom Rest der Welt leben, da die Gemeinde nirgendwo verzeichnet und nur schwer zugänglich ist. Dennoch verlängert Ruth ihren Aufenthalt dort eher widerwillig und fühlt sich überraschenderweise jedoch nach kurzer Zeit heimisch. Schnell ist sie Teil der Dorfgemeinschaft und die über allem thronende Gräfin gibt ihr zudem eine gute Arbeitsstelle. Doch es liegt Unheil über dem Dorf - Gegenwärtiges und Vergangenes. Ein riesiges Loch in der Erde droht Alles zu verschlingen, auch die Untaten während der Zeit des Dritten Reiches. Während Ruth versucht das Dorf zu retten, forscht sie gleichzeitig nach, was damals geschah.
Was für eine verrückte Geschichte! In der Zusammenfassung mag sich dies nicht so lesen, doch es sind die Details des Ganzen, die einen ungläubig den Kopf schütteln, gleichzeitig aber gebannt weiterlesen lassen. Ein ganzer Ort versinkt mehr und mehr im Untergrund, aber das Leben geht sogar trotz Todesfällen weiter wie gewohnt. Es wirkt wie ein potemkinsches Dorf, das von einer mysteriösen Gräfin für die BewohnerInnen aufrecht erhalten wird. Sie selbst bestimmt über die gesamte Gemeinde, sogar der Bürgermeister hält bei Allem still.
Literarisch gebildeten LeserInnen fällt natürlich bald auf, dass es sich hier um eine Parabel handelt. Wie im wahren Leben werden unschöne Dinge hier zwar nicht unter den Teppich, dafür aber in das Loch gekehrt - insbesondere Geschehenes während des II. Weltkrieges. Es wird geschwiegen um des lieben Friedens willen, denn wer hat schon etwas davon, wenn man die alten Dinge wieder hervorholt? Die Wahrheit ist zwar bekannt, doch hören geschweige denn aussprechen will sie niemand. Der Mensch an sich ist zudem bequem, weshalb also aufbegehren gegen etwas was einen nicht betrifft, solange man selbst es gut hat? Auch gegen die Gräfin, die trotz Abschaffung der Aristokratie über die gesamte Gemeinde bestimmt (auch, was es im Supermarkt zu kaufen gibt), gibt es keinen Widerstand, denn sie kümmert sich ja um Alle.
Ruth ist die Einzige, die Fragen stellt und zweifelt, doch je mehr sie Teil der Gemeinde wird, umso schwieriger fällt es ihr, ihre Nachforschungen weiter zu betreiben. Als Lesende fühlt man mit ihr und ihren widerstrebenden Gefühlen, zwischen der Suche nach der Wahrheit und der Zuneigung zu den Menschen, die sie mit dieser Suche verletzt.
Die Autorin packt eine Menge in diese Geschichte und gegen Ende ist es mir fast ein bisschen zu viel. Während ich mich zu Beginn noch völlig von den teils abstrusen Gegebenheiten faszinieren und unterhalten ließ, wurden die Andeutungen auf Konkretes jedoch ständig stärker und zahlreicher (zumindest kam es mir so vor), so dass das Faszinierende zusehends abnahm. Schade drum!

Bewertung vom 03.02.2020
Der Tote im Moor
Buder, Christian

Der Tote im Moor


sehr gut

Wenn ein fast zwölfjähriges Mädchen den Philosophen Wittgenstein als imaginären Freund hat, dann muss es sich wohl um ein besonderes Kind handeln. Und Alice ist tatsächlich besonders. Überdurchschnittlich intelligent, widerspenstig und mit einem Gespür für Unrecht, ist sie sich sicher, dass ihre Klassenkameradin Lisa nicht schuld am Tode ihres Vaters ist. Da außer ihr niemand an Lisas Unschuld glaubt, macht sie sich mit Hilfe ihres Freundes Tom und natürlich Wittgenstein auf die Suche nach dem wahren Täter.
Zu Beginn wirkte der Krimi auf mich etwas durcheinander, da ich keinerlei Zusammenhänge erkennen konnte zwischen dem Busunglück im Prolog (der zwar kurz, aber vergleichsweise blutrünstig ausfällt), dem Fund einer Moorleiche und dem Tod von Lisas Vater. Doch nachdem sich die beiden letztgenannten Geschehnisse langsam einander annäherten, wurde es besser - nur der Prolog geriet fast in Vergessenheit. Es ist vergleichsweise lange unklar, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, da Alices Privatleben (und natürlich ihre Gespräche mit Wittgenstein) relativ viel Raum einnehmen. Doch nicht zum Nachteil! Denn der Schlagabtausch mit ihrer 'Tussi'schwester Amalia hat durchaus Unterhaltungswert und auch sonst ist die Zwölfjährige weder auf den Mund noch auf den Kopf gefallen.
Der Fall und seine Lösung sind eher abstrus und bergen einige Unlogiken, doch weil das Ganze unterhaltsam und stellenweise wirklich witzig geschrieben ist, lässt sich locker darüber weglesen. Mir hat es alles in allem Vergnügen bereitet, Alice in ihrem zweiten Fall zu begleiten und ich könnte mir dieses Buch gut als Film vorstellen, in dem man fast nebenbei einen der großen Philosophen der Allgemeinheit näher bringt.

Bewertung vom 03.02.2020
Whiteout
Canal, Anne von

Whiteout


ausgezeichnet

Hanna hat ihren Traum endlich wahr gemacht: Sie ist als Expeditionsleiterin in der Antarktis. Doch als sie von ihrem Bruder eine Mail erhält mit der Nachricht 'Scott ist tot.', bricht sie beinahe zusammen. Scott war ihre beste Jugendfreundin, die kurz vor ihrem gemeinsam geplanten Studium einfach verschwand und nie mehr auftauchte. Den Schmerz und die Enttäuschung darüber hat Hanna nie überwunden, nur tief in sich vergraben wie das Eis, nach dem sie und ihre KollegInnen suchen. Plötzlich stürzen all die Erinnerungen wieder über sie herein und Hanna ist kaum noch in der Lage, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Doch die Antarktis verzeiht keine Fehler.
Es ist ein krasser Gegensatz zwischen der unwirtlichen und auch gefährlichen Umgebung, in der die Geschichte spielt und dem Stil, in dem Anne von Canal sie geschrieben hat. Voller Gefühl, Poesie und Sanftheit beschreibt sie das Vergangene, das so plötzlich Hannas Denken und Fühlen fast vollständig in Anspruch nimmt. Und das in einer Situation, in der sie sich als Expeditionsleiterin keine Fehler erlauben kann. Wunderschöne Sätze bringen einem die Lage, in der sich Hanna befindet, so nahe, dass man ihre Anspannung und Zerrissenheit förmlich mitfühlen kann. "Vielleicht findet der Schlaf mich vor den Gedanken, dann müssen sie sich ein anderes Opfer suchen." Oder "Am Morgen sitze ich in einem Haufen loser Knochen, die irgendjemand über mir ausgeschüttet hat. Die Arme und Beine, die ich finde, scheinen nicht zu mir zu passen, jedenfalls kann ich sie kaum bewegen. Das bin doch nicht ich."
Erst im Nachhinein fiel mir zudem auf, wie sehr das Äussere (die Antarktis) mit dem Innenleben Hannas übereinstimmt. Zu Beginn ist im wahrsten Sinne des Wortes alles eitel Sonnenschein: traumhaftes Wetter, ideale Bedingungen für dieses Unternehmen und Hanna voller Vorfreude. Doch dann platzt diese Nachricht in ihr Leben und ein Sturm bricht los - draussen ebenso wie in ihr drinnen. Und auch das Ende ist entsprechend: Der Beginn von etwas Neuem setzt den Kontrapunkt zum Abschluss des Vergangenen mit Scott.
Chronologisch erzählt wird nur die Expedition; die Erinnerungen an Scott sind hingegen zeitlich ungeordnet und springen stellenweise willkürlich auch innerhalb eines Rückblicks. Doch ich fand es weder störend noch verwirrend, sondern eher normal. Wer denkt schon an längst Vergangenes, das einem zudem wichtig war, in streng chronologischer Reihenfolge?
Es ist ein Buch, das viele Fragen offen lässt. Während der ersten 20 bis 40 Seiten wollte ich diese unbedingt gelöst wissen, doch Hannas Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit ist so eindringlich geschildert, dass all meine Fragen weitestgehend in den Hintergrund rückten - wo sie auch geblieben sind ;-)

Bewertung vom 03.02.2020
Bittere Schokolade / Xavier Kieffer Bd.6
Hillenbrand, Tom

Bittere Schokolade / Xavier Kieffer Bd.6


sehr gut

Ich habe alle Bücher mit Xavier Kieffer, dem luxemburgischen Koch, mit Vergnügen gelesen und seither ist Luxemburg und seine Küche fest auf meinem Reiseplan ;-) Deshalb war ich voller Vorfreude auf den nächsten Fall, in dem er sicherlich wieder wider Willen ermitteln wird. Und so ist es auch.
Dieses Mal lernt er durch seine längst vergangene Jugendliebe Ketti, eine erfolgreiche Patisseurin, das schmutzige Geschäft um und mit dem Kakao kennen. Als Ketti ermordet wird und in seinen Armen stirbt, macht er sich auf die Suche nach ihrem Mörder, der offensichtlich Einiges zu verbergen hat.
Auch in diesem sechsten Band der kulinarischen Krimireihe erfährt man Vieles über einen bestimmten Lebensmittelbereich; dieses Mal über die Herstellung von Kakao und der Produktion von Schokolade, die einen vielleicht (mich auf jeden Fall) zukünftig kritischer ins Regal greifen lässt. Tom Hillenbrand hat gut recherchiert und klärt seine Leserinnen und Leser über die Pflanzenvielfalt, schwierige Anbau- und Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern sowie den Wirtschaftsfaktor Kakao in Europa auf. Wie in vielen armen Ländern, die für reiche Staaten landwirtschaftliche Produkte liefern, sind die Arbeitsbedingungen auch im Kakaobereich häufig katastrophal: Kinderarbeit, fehlende Schutzbestimmungen, miserable Bezahlung. Wer denkt schon an so etwas, wenn man sich genüsslich ein zart schmelzendes Schokoladenstück in den Mund schiebt? Tom Hillenbrands Verdienst ist es auf jeden Fall, sich dessen bewusst zu werden und eventuell beim nächsten Schokoladenkauf etwas genauer hinzuschauen, wo die Ware herkommt.
Doch so gut diese Absicht sein mag, so sehr fällt leider der Krimi dagegen ab. Statt einem einzigen Handlungsstrang gibt es statt dessen derer gleich drei und für mich war das mindestens einer zuviel. Beispielsweise wirkten die Russen völlig fehl am Platz und dieser Eindruck hielt sich bis zum Ende (auch wenn dadurch eine herrliche Lösung für den Gabin herbeigezaubert wurde). Dafür fiel mir der 'Essensanteil' in diesem Buch viel zu klein aus - dieses Mal bekam ich beim Lesen nicht ein einziges Mal richtig Appetit auf etwa den Huesenziwwi.
So bin ich etwas unentschlossen: sehr lesenswerte Informationen in einem eher lauen Krimi - 3,5 Sterne, die ich nachsichtig auf vier aufrunde ;-)

Bewertung vom 03.02.2020
Macbeth
Nesbø, Jo

Macbeth


weniger gut

Ach je, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir dieses Buch gespart. Bis Seite 150 bin ich gekommen und hatte schlicht keine Lust mehr, weiterzulesen. Einen Krimi und Thriller über einen modernen Macbeth hatte ich mir deutlich unterhaltsamer und spannender vorgestellt. Doch die Geschichte ist derart vollgestopft mit Unlogiken noch und nöcher - nee, da verging mir so richtig der Spaß am Lesen.
Ein moralischer Polizist, der sich aus dem Dreck hochgearbeitet hat, wird von Heute auf Morgen zum (fast) kaltblütigen Mörder, nur weil es seiner Freundin in einem nächtlichen Gespräch von maximal 10 Minuten gelingt, einen Ehrgeiz in ihm zu wecken, der buchstäblich über Leichen geht? Ein bisschen Gewissensbisse vor der Tat und vermutlich auch danach - aber wenn er einen fast Unschuldigen tötet, dreht er fast durch?
Ich muss gestehen, dass ich Macbeth von Shakespeare bisher weder gelesen noch gesehen habe. Aber seine Tragödien (zumindest die, die ich kenne) zeichnen sich dadurch aus, dass die Zerrissenheit der Menschen offenbar wird. Und das fehlt mir hier. Zwar hält sich Jo Nesbø sehr eng an die klassische Vorlage (soweit ich das einer Zusammenfassung gemäß nachvollziehen konnte), Ladys Verhalten jedoch (wie auch das Anderer) ist beispielsweise nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar.
Schade, davon hätte ich mir deutlich mehr versprochen.

Bewertung vom 03.02.2020
Missing Boy
Fox, Candice

Missing Boy


ausgezeichnet

Sehr zum Missfallen der örtlichen Polizei bittet eine verzweifelte Mutter Ted um Hilfe bei der Suche nach ihrem Sohn. Der achtjährige Junge ist auf unerklärliche Weise aus einem Hotelzimmer verschwunden. Gemeinsam mit seiner Chefin Amanda macht Ted sich auf die Suche - und so ganz nebenbei gibt es noch völlig andere Probleme zu lösen. Denn unter anderem ist Amanda in den Fokus einer rachsüchtigen Polizistin geraten.
Vergleicht man die Handlung des Buches mit der Spannung, die sie erzeugt, bleibt erstere bemerkenswert unspektakulär. Blut fließt vergleichsweise wenig und auch gewalttätige Szenen sind eher rar gesät. Die Suche nach dem Jungen ist intensiv und durchaus packend, doch bemerkenswerter ist die stets angespannte Atmosphäre, in der die beiden Ermittler sich bewegen. Es ist kaum vorstellbar, wie die Beiden in einem solch feindlichen Umfeld leben geschweige denn arbeiten können.
Wie bereits in den beiden Vorgängerbänden (die man für diesen Band nicht gelesen haben muss) macht es den beiden Privatdetektiven ihre Aussenseiterstellung äußerst schwer, ihre Arbeit durchzuführen. Und ebenso zeigt sich wieder, wie schnell das Leben von Menschen durch Vorverurteilungen zerstört werden kann. Ein kleiner Verdacht genügt, und die Meute stürzt sich mit Begierde darauf, das Opfer zu zerreißen.
Auch wenn der Titel die Geschichte des vermissten Jungen in den Mittelpunkt stellt, empfand ich sie eher als eine von mehreren gleichrangigen Handlungen. Denn ohne das Privatleben von Amanda und Ted wäre es wohl nur eine durchschnittliche Geschichte um die Suche nach einem vermissten Jungen, obwohl die Auflösung wirklich überrascht. So aber ist es alles in allem eine richtig gelungene Fortsetzung einer Thrillerreihe, bei der ich mich schon jetzt auf den nächsten Band freue.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2020
Flamingofeder
Post, Laurens van der

Flamingofeder


sehr gut

Im Südafrika des Jahres 1948 geht Merkwürdiges vor sich. Vor dem Haus des weißen Siedlers Pierre de Beauvilliers wird ein Fürst vom Stamme der Takwena ermordet. Da de Beauvilliers diesen Menschen sehr nahe steht, macht er sich auf die Suche nach dem Mörder. Dabei stößt er auf mysteriöse Frachtschiffe, die offensichtlich etwas zu verbergen haben und muss bald um sein Leben fürchten.
Van der Post weiß, wovon er schreibt, denn mit seiner Hauptfigur teilt er nicht nur die gleichen Überzeugungen, sondern wie diese ist er ebenso in Afrika aufgewachsen. Seine Liebe zu diesem Kontinent ist auf jeder Seite deutlich spürbar. Auch wenn seine Sprache altertümlich klingen mag - lässt man sich darauf ein, stehen einem anhand der eindringlichen Beschreibungen die Landschaften und Menschen Afrikas deutlich vor Augen. " So sonderbare Blumen habe ich sonst im Leben nie gesehen... Manche sahen aus wie in tiefen Gewässern eingeschlafene Kraken, andere wie die aufgerissenen, samtenen Mäuler von Puffottern, die ihr Gift in gespenstische Schalen tröpfeln. Wieder andere hatten die Gestalt goldener Sandalen - wie Diana sie in der Morgendämmerung mit rosigen Fingern vor ihrem Lager aufheben mochte."
Die Grundstruktur der Geschichte mag sehr schwarz-weiß gezeichnet erscheinen, doch van der Post zeigt auch deutlich, wie leicht die Verführung durch eine schiere Masse von Gleichgesinnten erfolgen kann, sofern es nur jemanden gibt, der die Richtung aufzeigt.
Mehr als 60 Jahre alt ist dieses Buch bereits, doch hat man sich an den Sprachstil erst gewöhnt, liest es sich ebenso spannend wie ein moderner Abenteuerroman. Und viele der Kritikpunkte, die der Autor in diesem Buch angesprochen hat, gelten heute noch genau so wie damals. Ein zeitloser Klassiker!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2020
Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt
García Márquez, Gabriel

Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt


weniger gut

Irgendwo in Kolumbien, in einem kleinen Dorf fernab der Welt, wartet der 75jährige Oberst seit Jahrzehnten darauf, dass ihm seine rechtmäßige Pension zuerkannt wird. Seine Frau und er haben mittlerweile ihre gesamten Besitztümer verkauft, nur ein Kampfhahn ist noch ihr Eigen, der ihrem vor kurzem erschossenen Sohn gehörte. Mühsam füttern sie den Hahn durch, obwohl sie praktisch selbst nichts mehr zu essen haben, in der Hoffnung, dass er in der nächsten Kampfsaison gewinnt.
Mich ließ diese Lektüre unzufrieden zurück. Gut, Marquez' beeindruckender Sprachstil ist auch in dieser frühen Erzählung (Roman mag ich dieses schmale Büchlein nicht nennen) bereits zu erkennen. Doch ausser der Beschreibung einer völlig trostlosen Welt, die gerade mal so viel Hoffnung zu spenden vermag, dass der Protagonist am Ende zum Schei**efressen bereit ist, vermag ich dieser Geschichte nichts zu entnehmen. In älteren Kritiken wird darauf verwiesen, dass es hier um den Konflikt von Geist und Macht geht, wobei der Hahn für den Geist steht, die Illusion, die Utopie. Doch die Trostlosigkeit war für mich so stark, dass sie Alles überstrahlte. Eine meiner Meinung nach so deprimierende Lektüre, die man sich trotz des Nobelpreisautors sparen kann.

Bewertung vom 03.02.2020
Monis Jahr. Großdruck
Boie, Kirsten

Monis Jahr. Großdruck


sehr gut

1955 lebt die 10 jährige Monika mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter gemeinsam in einer kleinen Wohnung in Hamburg. Ihr Vater ist seit mehr als 10 Jahren vermisst, doch ihre Großmutter glaubt fest daran, dass er noch lebt. Dieses Jahr wird aufregend für Monika: Wenn sie die Prüfung besteht, kann sie als Erste in der Familie aufs Gymnasium. Doch das wird nicht die einzige Veränderung in diesem Jahr bleiben.
Die Geschichte wird konsequent aus der Sicht Monikas erzählt, die voll und ganz der Art eines Mädchens diesen Alters entspricht. So ist es sicherlich ohne Schwierigkeiten möglich, dass Kinder ab circa zehn Jahren dieses Buch ohne Schwierigkeiten lesen und verstehen können. Schwierigere Ausdrücke bzw Geschehnisse, die sich zu jener Zeit ereigneten, werden im Anhang kindgerecht erklärt.
Aber auch für Erwachsene ist diese Lektüre interessant. Man erfährt viel über das Leben in der Nachkriegszeit, beispielsweise wie ausgeprägt die Klassengesellschaft war. Auch wenn es heute noch schwierig ist, dass grundsätzlich jedes Kind aufs Gymnasium kommen könnte, damals war es schier eine Unmöglichkeit. Oder die erdrückenden Konventionen, denen sich die Frauen unterwerfen mussten. Fast-Witwen, deren Männer seit zehn Jahren vermisst waren, hatten kein Recht darauf, sich zu vergnügen, denn ansonsten wurden sie schnell als Flittchen abgestempelt. Doch auch die Hoffnung begann wieder zu wachsen, denn die Menschen fanden Arbeit und begannen, sich wieder etwas zu leisten. Vor 65 Jahren spielt diese Geschichte. Eigentlich kein allzu großer Zeitraum, doch es wirkt, als ob es in einer anderen Welt geschehen wäre. Insgesamt ein interessanter und unterhaltsamer Blick in eine Zeit, die mit der unseren nicht mehr viel zu tun hat.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2020
Tour de France Frankreich in kleinen Geschichten
Tour de France Frankreich in kleinen Geschichten

Tour de France Frankreich in kleinen Geschichten


sehr gut

Dieses zweisprachige Büchlein mit knapp 140 Seiten umfasst etwas mehr als 40 Geschichten, die meist nicht länger als ein bis zwei Seiten sind. In den ersten zwei Drittel werden die verschiedenen Gegenden Frankreichs dargestellt, häufig ergänzt durch humorvolle Anekdoten von Land und Leuten. Das letzte Drittel beschreibt die Geschichte Frankreichs, beginnend mit den Galliern und endend mit Charles de Gaulles' Satz, den er an Churchill richtete: "Si je ne suis pas la France, pourquoi discutez-vous avec moi?" - "Warum reden Sie überhaupt mit mir, wenn ich nicht Frankreich bin?"
Obwohl ich bereits diverse Mal in Frankreich gewesen bin, habe ich Vieles zuvor nicht gewusst: Beispielsweise die Geschichte der Störche im Elsass und dass das Essen dort nicht immer so gut war. Oder woher das Wort poubelle rührt und Montmartre seinen Namen hat. Auf der linken Seite steht der französische Text und auf der rechten der deutsche, wobei ich diese Übersetzung nicht immer sehr gelungen fand. Manches klang ziemlich holprig und fällt besonders auf, wenn man das französische Original dazu liest.
Der Umschlagtext behauptet "Texte für Einsteiger", was meiner Meinung nach allerdings nur daran liegt, dass man die Geschichten in beiden Sprachen direkt vor sich liegen hat. Ansonsten behaupte ich, dass hier durchaus auch Fortgeschrittene eine Herausforderung finden können.