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Isabel von Belles Leseinsel
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Mainz
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Bewertungen

Insgesamt 585 Bewertungen
Bewertung vom 11.08.2014
Jetzt
Reiter, Leon

Jetzt


gut

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Professor Sivamani experimentiert am Zeitgefüge, doch das Experiment misslingt und überall im Umkreis des Forscherlabors in einer kleinen Stadt in Spanien entwickeln sich Zeitblasen, sogenannte Pockets. Tritt man durch diese, kommt man in einer anderen Zeit wieder heraus. Und die Zeit drängt, denn immer mehr Pockets öffnen sich, die fundamentale Konstante im Universum droht aus den Fugen zu geraten. Ein vierköpfiges Team soll das entsprechende Pocket finden, um das misslungene Experiment vorzeitig zu verhindern. Doch welches ist das richtige Pocket und vor allem, was erwartet die Forscher in den falschen Pockets?

Keiner der Vier ist genau darüber informiert, um was es sich wirklich bei dem neuen Forschungsauftrag handelt, dennoch reisen die Soziologin Veronique Saccard, der Geologe Ferdinand Grewe, die Historikerin Stefania Ambrosini und der Brite Lyle Usher in das von Madrid rund 50 Kilometer entfernte Aranjuez, um Professor Sivamani bei seinem misslungen Experiment zu unterstützen. Die Stadt ist zwischenzeitlich evakuiert, viel zu groß ist das Risiko, dass Menschen ungewollt durch eines der Pockets gehen und in einer völlig anderen Zeit ankommen.

Das Team um den Professor arbeitet bereits fieberhaft an einer Lösung, doch Zeitreisen ist noch viel zu wenig erforscht, als das man hier auf fundierte Erkenntnisse zurückgreifen könnte. Der Professor fischt mehr oder weniger im Trüben und schickt seine vier Zeitreisenden somit auf eine Mission mit unbekannten Ausgang.

Der Fantasy-Thriller, den ich eher als Wissenschaftsthriller bezeichnen würde, da er kaum fantastische Aspekte beinhaltet, entwickelt sich anfangs äußerst spannend und fesselnd. Allein schon durch die temporeiche, wenn auch ein wenig sachliche Erzählweise von Leon Reiter. Schnell sind die vier Zeitreisenden ausgerüstet, allerdings mit so wenig Hightech wie möglich, da die Gefahr, diese irgendwo in der Vergangenheit zu verlieren und somit das Zeitgeschehen ungewollt zu verändern, viel zu groß ist. Erschwerend bei ihren Zeitreisen kommt hinzu, dass der Eintrittspunkt in eines der Pockets niemals auch der Rückkehrpunkt ist und dieser sich bis zu einem Kilometer im Umkreis befinden kann.

Nun beginnt die Suche nach dem richtigen Pocket, dass zeitlich kurz vor dem Beginn des folgenschweren Experiments liegt, doch wie soll man diesen Zeitpunkt bestimmen, wenn ein Pocket einen mitten ins Nirgendwo führt – in einen tropischen Dschungel oder in die Einöde einer Wüste? Und hier fängt auch der Thriller mit der Zeit an, etwas zu schwächeln.

Denn die Zeitreisenden betreten stellenweise bis zu zehn Pockets am Tag, die sie in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft führen, manche Aufenthalte dauern wenige Minuten, andere mehrere Stunden, wenn sich beispielsweise der Austrittspunkt mitten im Meer oder hinter einer Bergschlucht befindet. Irgendwann fühlt man sich – wie auch die Zeitreisenden – zwar regelrecht durch die Pockets sprich durch das Buch gehetzt, aber irgendwie entwickelt sich der Thriller nicht weiter. Die Forscher erlangen durch die Zeitreisen kaum neue Erkenntnisse, die eine Lösung des Problems herbeiführen würde und die unterschiedlichen Zeitreisen können bald nicht mehr überraschen. Man wartet regelrecht darauf, dass endlich einmal etwas Handfestes geschieht, das die Geschichte voranbringt.

Dies dauert jedoch bis ganz zum Schluss des Buches. Bis dahin begleitet man die Zeitreisenden bei ihren mehr oder weniger abenteuerlichen Reisen in die Vergangenheit und Zukunft und verfolgt die oft absolut hilflos wirkenden Maßnahmen von Professor Sivamani und seinem Forschungsteam, um dem Problem endlich Herr zu werden.

Fazit: Anfangs sehr spannender Thriller, der jedoch in der Mitte ziemlich schwächelt und erst am Ende wieder an Fahrt aufnimmt.

Bewertung vom 11.08.2014
Sturmvogel / Die Rosenkriege Bd.1
Iggulden, Conn

Sturmvogel / Die Rosenkriege Bd.1


sehr gut

Ein Sturm zieht auf

England, im Jahre 1437: König Henry VI. ist ein schwacher König, der kaum eine eigene Entscheidung treffen kann und zudem gesundheitlich geschwächt ist. Dennoch beschließt er, dass die Konflikte zwischen England und Frankreich ein Ende finden müssen, eine Lösung präsentieren ihm hierfür William de la Pole, der Duke of Suffolk und der Meisterspion Derry Brewer. Beide verhandeln in seinem Namen einen 20-jährigen Friedensvertrag aus, der die Abgabe englischer Gebiete in Frankreich zu Folge hat wie auch die Heirat von König Henry VI. mit der jungen Adeligen Margaret von Anjou. Allerdings sorgt dieser Friedensvertrag für große Unruhen unter der englischen Bevölkerung, wie auch bei den englischen Siedlern in den abgebenden Gebieten. Durch den Friedensvertrag sieht der Duke of York seine Chance auf den Thron in Reichweite rücken. Der Kampf um die Krone ist entfacht.

Conn Iggulden liefert in seinem ersten Band Sturmvogel ein detailliertes, vielschichtiges und umfassendes Bild um die Ereignisse, die schlussendlich zu den Rosenkriegen (1455 – 1487) geführt haben. So ist man gleichermaßen bei den politischen Intrigen- und Ränkespielen rund um Derry Brewer, William de la Pole, dem Duke of York und natürlich König Henry VI. (1421 – 1471) und seiner Gemahlin, Königin Margaret dabei. Verfolgt auf der anderen Seite aber auch die Geschehnisse in England aus Sicht des Rebellen Jake Cabe, der sich gegen die hohen Steuern und die Willkür der Lords auflehnt und mit Tausenden von Bauern gen London marschiert. Der Autor schildert zudem anschaulich die Lage der englischen Siedler im Anjou und vor allem in Maine, welche durch den Friedensvertrag ihre Gehöfte aufgeben müssten. Und so ist der Friedensvertrag bald schon Makulatur, da viele englischen Siedler sich gegen die Enteignung ihres Landes auflehnen, viele fliehen jedoch auch nach England oder werden von den Truppen des französischen Königs grausam hingemetzelt.

Im englischen Königshaus werden die Fäden von zwei ganz unterschiedlichen Figuren gezogen, dem Meisterspion Derry Brewer, einer fiktiven Figur und William de la Pole (1396 – 1450), dem Duke of Suffolk. Beide haben sehr starken Einfluss auf den willensschwachen, kränkelnden König, welcher der Meinung ist, nur durch seine Gebete die französischen Truppen aus England vertreiben zu können. Doch ihm zur Seite steht bald die willensstarke, selbstbewusste Margaret von Anjou, die ihren Gatten liebevoll pflegt, sich gleichzeitig aber auch um Staatsgeschäfte kümmert. Die sehr verzwickte politische Lage Englands vermittelt der Autor sehr anschaulich und verständlich.

Zudem verknüpft Conn Iggulden gekonnt fiktive Geschehnisse und Personen mit historischen Fakten und Persönlichkeiten. Der Autor nimmt sich dabei aber auch einige künstlerische Freiheiten, was der Dramaturgie mitgeschuldet ist, da zwischen den einzelnen Geschehnissen einige zeitliche Lücken klaffen, die Conn Iggulden in seinem farbenprächtigen Roman etwas strafft. Die Geschehnisse schildert der Autor sehr detailliert, was jedoch manchmal an Details etwas zu viel des Guten ist. Dennoch gelingt es Conn Iggulden seinen ersten Band der Rosenkriege bildhaft, unterhaltsam und meist auch kurzweilig zu erzählen.

Fazit: Opulenter, vielschichtiger und zumeist unterhaltsamer Roman über die Anfänge der Rosenkriege.

Bewertung vom 10.08.2014
Die azurblaue Insel
Rice, Luanne

Die azurblaue Insel


sehr gut

Seepferdchen und Seesterne

Nach dem Tod ihres Vaters haben die 16-jährige Pell und ihre 14-jährige Schwester Lucy nur einen Wunsch, endlich ihre Mutter wiederzusehen. Vor rund 10 Jahren hat diese die Familie verlassen und lebt seitdem auf Capri. In den Sommerferien beschließt Pell nun, zu ihrer Mutter zu reisen und diese zur Rückkehr in die Staaten zu bewegen. Das Zusammentreffen von Mutter und Tochter verläuft harmonisch, doch dann erfährt Pell, warum ihre Mutter damals die Familie verlassen hat.

Pell und Lucy gehören einer Familie des alten amerikanischen Geldadels an und wachsen entsprechend begütert auf. Doch Geld ist nicht alles, wenn die geliebte Mutter plötzlich die Familie verlässt, auch wenn der Vater alles versucht, den Kindern die Mutter zu ersetzen. Da Lucy über die Jahre hinweg nie über das Verschwinden von Lyra hinweg kam und immer noch große seelische Probleme hat, beschließt Pell nun kurzerhand, ihre Mutter zurückzuholen.

Das Ankommen auf Capri gestaltet sich für Pell sehr liebevoll, aber auch überraschend. Dachte sie doch all die Jahre, dass Lyra ein schillerndes Partyleben auf Capri führt, muss sie nun erkennen, dass ihre Mutter in einem kleinen Haus lebt und als Gärtnerin arbeitet. In der Künstlerkolonie hat Lyra eine neue Heimat gefunden und wirkt glücklich. Doch sie umgibt ein Geheimnis, welches Pell völlig aus der Bahn wirft.

Emotional und warmherzig erzählt Luanne Rice ihren Roman über eine Familie, die durch ein schwerwiegendes Ereignis aus der Vergangenheit getrennt wurde und nun versucht, wieder zueinanderzufinden. Stellenweise wird die Story schon ein wenig rührselig und das Ende ist ziemlich vorhersehbar. Allerdings versteht es die Autorin sehr gut, die vielen Emotionen und auch Schwierigkeiten, welche zwangsläufig im Verlauf des Wiedersehens zwischen Mutter und Tochter entstehen, unterhaltsam zu erzählen, ohne dabei kitschig zu werden.

Die Charaktere sind ausgereift und facettenreich beschrieben. Gerade die 16-jährige Pell wirkt durch die Erfahrungen aus frühestes Kindheit sehr reif für ihr Alter. Musste sie doch schließlich die Verantwortung und fast schon die Mutterrolle für ihre zwei Jahre jüngere Schwester übernehmen, die mit dem Verschwinden von Lyra nie zurechtkam. Und auch die Beschreibungen der azurblauen Insel sind sehr bildhaft und laden geradezu dazu ein, Capri mal einen Besuch abzustatten.

Fazit: Eine schöne Urlaubslektüre mit allem, was das Herz braucht.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2014
Onkel Humbert guckt so komisch
Kanitz, Brigitte

Onkel Humbert guckt so komisch


sehr gut

Der Glück-Fluch

Mit Dreißig sollte man sein Leben eigentlich im Griff haben, denkt sich zumindest Maja Glück, doch davon ist sie meilenweit entfernt. Maja jobbt bei einem Getränkemarkt, ist hoffnungslos in ihren Chef Kurt verliebt und zu allem Übel musste sie aus Geldnot wieder bei ihren Eltern einziehen. Und dann ist heute auch noch ihr 30. Geburtstag und ihre Mutter plant doch tatsächlich eine Überraschungsparty. Total gefrustet trinkt Maja bei der Feier einen über den Durst und wacht im Krankenhaus wieder auf. Eine dicke Beule ziert ihre Stirn und irgendwie muss ihr Kopf noch einiges mehr vom Sturz abbekommen haben, denn plötzlich hört sie Stimmen. Ist sie jetzt allen Ernstes auch noch verrückt geworden? Doch Onkel Humbert gibt Entwarnung: Durch den Sturz kann Maja Gedanken lesen, ein Familienerbe und ein Fluch, zumindest ist Onkel Humbert dieser Meinung, schließlich leidet er auch schon seit Jahrzehnten darunter.

Schlimmer kann es für Maja nun wirklich nicht mehr kommen und gegen den Familienfluch gibt es keine Heilung, nur lautes Singen oder seinen Gegenüber anstarren, wirkt ein wenig. Aber man kann doch nicht ständig singend und stierend durch die Gegend laufen. Wenn allerdings die eigene Mutter in erotischen Gedanken zu Majas Vater versinkt, hilft nichts anderes. Und gerade angenehm sind auch nicht immer die Gedanken anderer über einen selbst zu hören. Allerdings ist es auch nicht ungefährlich, wenn man nur Bruchstücke von Gedanken anderer hört, die Hintergründe für diese jedoch nicht kennt und seine eigenen Schlussfolgerungen zieht. Und dann hört Maja per Zufall, wie ihr Schwager Roland Pläne für zweifelhafte Immobiliengeschäfte hegt und dies in ihrem beschaulichen Heimatstädtchen Schaunbeck. Maja ist empört, doch wie teilt man seinem Umfeld von den Plänen mit, ohne von dem Familienfluch zu erzählen und für verrückt gehalten zu werden?

Sehr witzig und unterhaltsam erzählt Brigitte Kanitz die Geschehnisse, welche Maja dank des Gedankenlesens erlebt. Maja ist eine schusselige, sehr sympathische Chaotin mit einer blühenden Fantasie. Und da ist es kein Wunder, dass aus dem Zusammenhang gerissene Gedankengänge von Freunden, Familie oder Fremden bei ihr zu den haarsträubendsten Schlussfolgerungen führen.

Die Geschichte verfolgt man aus Sicht von Maja und kennt somit nicht nur ihre eigenen Gedanken, sondern auch die, welche die junge Frau bei anderen wahrnimmt. Hieraus entstehen einige sehr humorvolle wie skurrile Szenen, die einen immer wieder schmunzeln lassen. Die Story entwickelt sich interessant und wendungsreich, bedingt auch durch die bis in die kleinste Nebenrolle lebendig gezeichneten Charaktere, die herrlich schräge Macken haben dürfen.

Fazit: Sehr unterhaltsamer, witziger Roman über einen alten Familienfluch.

Bewertung vom 28.07.2014
Die Blender / Maeve Kerrigan Bd.3
Casey, Jane

Die Blender / Maeve Kerrigan Bd.3


sehr gut

Hinter der schillernden Fassade

DS Maeve Kerrigan und ihr Partner DI Josh Derwent werden zu einem Tatort in Wimbledon gerufen. In der Villa des Kronanwalts Philip Kennford angekommen, bietet sich ihnen ein grausames Bild: Kennfords Frau Vita wie auch eines seiner Töchter, die 15-jährige Laura, wurden brutal ermordet, Kennford selbst wurde von dem Täter niedergeschlagen. Nur Lydia, die Zwillingsschwester von Laura ist körperlich unversehrt. Kerrigan und Derwent leiten erste Ermittlungen ein, doch die Zusammenarbeit mit Kennford und auch mit seiner stark traumatisierten Tochter gestaltet sich äußerst schwierig und die beiden Detectives werden das Gefühl nicht los, dass der Kronanwalt ihnen einiges verschweigt.

Jane Casey steigt mit dem Doppelmord in Wimbledon in den dritten Band um ihre Protagonistin Maeve Kerrigan in die Geschichte ein. Und obwohl die Autorin gleich mit den Morden beginnt, lässt sie es in der vorliegenden Story recht ruhig angehen. Akribisch verfolgen Maeve und Derwent die noch so kleinste Spur. Erschwerend kommt für Maeve noch hinzu, dass sie Zweifel an ihrer Beziehung zu Lebensgefährten Rob hegt und auch der Bandenkrieg in London, der mehrere Tote fordert, lässt sie nicht los. Da sind interne Reibereien mit einem Kollegen für sie eher schon Nebensächlichkeiten.

Obwohl Jane Casey bei ihrem neuesten Thriller, den ich als soliden englischen Krimi bezeichnen würde, wieder eine sehr ruhige Gangart bevorzugt und auch dem Privatleben von Maeve viel Platz einräumt, kommt während der rund 600 Seiten nicht einmal Langeweile auf. Geschickt verpasst Jane Casey dem Kennford-Fall immer wieder neue unvorhersehbare Wendungen und gibt nur bruchstückhaft etwas über die Anwaltsfamilie preis, wobei man hier schnell merkt, dass es hinter dieser schillernden Fassade mehr als bröckelt. Und neben den sehr facettenreich, lebendig beschriebenen Charakteren überzeugt auch wieder der einnehmende, mitreißende Schreibstil der Autorin. Da sieht man gerne darüber hinweg, dass von fesselnder Spannung kaum die Rede sein kann.

Die Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten Josh Derwent gestaltet sich für Maeve nach wie vor schwierig. Der zynische wie sympathische Rüpel geht keinem Fettnäpfchen aus dem Weg und kann sich gegenüber Maeve den einen oder anderen unflätigen Spruch selten verkneifen. Da Jane Casey ihrem Roman aus der Perspektive der sympathischen, sturen, spitzfindigen Maeve erzählt, kennt man ihre Gedanken jederzeit und bewundert stellenweise wirklich ihre stoische Ruhe, mit der sie Derwent gegenübertritt. Diese ständigen Geplänkel zwischen den beiden Ermittlern laden immer wieder zum Schmunzeln ein und heitern die ansonsten doch recht frustrierende Stimmung des Thrillers oft genug auf.

Aber nicht wegen des Thrillers an sich ist die Stimmung frustrierend, sondern einfach deswegen, weil sich kein Verdächtiger, geschweige denn ein Motiv finden lässt. Und von den Beteiligten, in dem Fall Lydia und Philip Kennford, absolut keine brauchbaren Informationen zu bekommen sind. Bis zum Schluss ist man als Leser genauso ratlos darüber, wer Vita und Laura ermordet hat wie Maeve und Derwent. Und von einem möglichen Motiv kann hier auch lange Zeit keine Rede sein. Zwar gibt es schon den einen oder anderen Verdächtigen, selbst Kennford gerät kurzweilig unter Verdacht, aber eine heiße Spur ergibt sich absolut keine.

Fazit: Ein Thriller ist etwas anderes. Aber wer solide englische Krimis mit einer gut durchdachten Story und ausgereiften Charakteren bevorzugt, wird von „Die Blender“ nicht enttäuscht sein.

Bewertung vom 23.07.2014
Falkensturz
Köstering, Bernd

Falkensturz


sehr gut

Der Richter und sein Henker

Gerade eben noch mit dem Fall eines Handtaschenraubes befasst, den der pensionierte Journalist Herbert Falke zusammen mit seiner 17-jährigen Enkelin Franziska erfolgreich zum Abschluss gebracht hat, steht schon wieder der nächste Fall ins Haus. Die eine oder andere Information oder einen Auftrag erhält Falke regelmäßig von seinem besten Freund Gianni Mussner. Und auch dieses Mal hat Gianni einen brisanten Fall für Falke: Ein Pensionär erhält immer wieder Todesanzeigen mit seinem Namen. Da Alfred Sival ein recht zwiespältiges Verhältnis zur Polizei hat, betraut er Herbert Falke mit den Ermittlungen und Falke ahnt nicht, dass der Auftrag weit größere Ausmaße hat, als anfangs angenommen. Und dann wird auch noch ein Trinkhallenbesitzer ermordet und Franziskas Klassenkamerad gerät unter Mordverdacht.

Franzi kann es nicht glauben, ihr Schulkamerad Alex soll tatsächlich den Trinkhallenbesitzer ermordet haben, jedenfalls behauptet dies ein anonymer Anrufer und die Beweise, die er liefert, scheinen die Kommissare Nina Heckmanns und Matthias Bennert zu überzeugen. Nicht so jedoch Franzi und so bittet sie Opa Herbert, ihrem Freund zu helfen. Allerdings geht Franzi auch davon aus, dass sie Falke bei dem Mordfall unterstützen kann. Doch Opa Herbert hält hiervon gar nichts und außerdem ist er ja mit dem Fall um die rätselhaften Todesanzeigen beschäftigt.

Inwieweit die beiden Fälle zusammenpassen, erfährt man im Verlauf des Literaturkrimis und Bernd Köstering verrät seinen Lesern bereits recht früh, wer der Täter ist und welches Motiv hinter seinen Taten steht. Allerdings gelingt es dem Autor wirklich sehr gut, noch genug Fragen offen zu lassen und der Geschichte immer wieder interessante Wendungen zu geben, sodass dieses Wissen nicht störend ist.

Unterhaltsam, packend und mit viel Lokalkolorit rund um Offenbach versehen, erzählt Bernd Köstering den ersten Fall von Herbert Falke und seiner starrköpfigen Enkeltochter Franzi. Die 17-jährige steckt mitten in den Abiturvorbereitungen, ist ein großer Fan der Offenbacher Kickers, deren Spiele sie regelmäßig mit Opa Herbert besucht und lebt bei ihrem Vater. Ihre Mutter Karin hat vor Jahren die Familie verlassen, worüber ihr Vater Andreas bis heute nicht hinweg ist. Opa Herbert dagegen langweilt sein Rentnerdasein und ist deswegen immer wieder auf der Suche nach Kleinkriminellen und Fahrraddieben, tatkräftig unterstützt dabei von Franzi. Diese privaten Ermittlungen haben dem rüstigen Pensionär bei der Offenbacher Polizei mittlerweile auch einen gewissen Ruf eingebracht.

Fazit: Ein Offenbachkrimi, der zwar den Täter schnell preisgibt, durch interessante und unvorhersehbare Wendungen dennoch durchgehend spannend und unterhaltsam bleibt.

Bewertung vom 21.07.2014
Krähenmädchen / Victoria Bergman Trilogie Bd.1
Sund, Erik Axl

Krähenmädchen / Victoria Bergman Trilogie Bd.1


sehr gut

Man erntet, was man sät

In einem Stockholmer Park wird ein kleiner Junge tot aufgefunden. Seine Leiche weist Spuren schwerster Misshandlungen auf. Kommissarin Jeanette Kihlberg wird mit dem Fall betraut, allerdings verlaufen ihre Ermittlungen immer wieder ins Leere. Als ein weiteres Mordopfer gefunden wird, setzt sich Jeanette mit der Psychologin Sofia Zetterlund in Verbindung, da eines der Opfer bei ihr in Therapie war. Sofias Spezialgebiet sind Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet auch deren Patientin Victoria Berglund. Victorias Schicksal lässt Sofia nicht los, immer intensiver beschäftigt sie sich mit dem Trauma ihrer Patientin, währenddessen lässt Jeanette nichts unversucht, um den Mörder der Kinder zu finden.

Das Autorenduo Erik Axl Sund macht es seinen Lesern mit dem Einstieg in den ersten Band ihrer Victoria-Bergmann-Trilogie nicht gerade leicht. Fast schon distanziert wirkt anfangs der Schreibstil, die Geschichte nimmt kaum Fahrt auf und an den Ermittlungen ist man fast gar nicht beteiligt.

Allerdings ist es gerade der präzise, nüchterne Erzählstil, der einen schleichend in seinen Bann zieht. Nach und nach lernt man die Protagonisten der Trilogie kennen, die wahrlich keine einfachen Charaktere sind. Jeanette hat nicht nur privat so einige Probleme, auch beruflich erhält die engagierte Kommissarin kaum Unterstützung von ihren Vorgesetzten. Ganz im Gegenteil, wiegelt der Staatsanwalt doch jedes Mal ab, wenn Jeanette ihm einen Verdächtigen präsentiert und diese sind in dem Fall äußerst rar gesät. Und auch Sofia führt nur nach außen hin eine glückliche Beziehung, selbstsüchtig wie ihr Freund ist, geht er kaum auf ihre Gefühle und Probleme ein. So lebt Sofia eigentlich nur für ihre Arbeit und investiert sehr viel Zeit in die Therapien ihrer Patienten.

Auch die Spannung des Psychothrillers kommt eher durch die Hintertür. Fragt man sich anfangs noch, in welche Richtung sich der Thriller entwickeln wird, findet man sich bald schon unversehens in einer äußerst komplexen wie hervorragend durchdachten Story wieder, die einem mit jeder Seite mehr in seinen Bann zieht. Die Geschichte entwickelt sich vollkommen anders als anfangs gedacht und lässt seine Leser mit einem Cliffhanger am Ende zurück, der das Warten auf Band 2 im September 2014 ziemlich lang werden lässt.

Das große Plus des Psychothrillers ist nicht nur die ausgefeilte, wendungsreiche Story, sondern vor allem die überzeugend und authentisch agierenden Charaktere. Man ist nicht nur bei den Ermittlungen und dem Privatleben von Jeanette dabei oder verfolgt Therapiesitzungen von Sofia, sondern erfährt auch ein wenig über das Leben von Victoria Bergmann wie auch über die Opfer und der Täter selbst kommt nicht zu kurz. Und gerade Victoria bleibt dem Leser lange Zeit ein absolutes Rätsel. Ist doch die Trilogie nach ihr benannt, doch tritt sie im vorliegenden Band kaum in Erscheinung und lange Zeit ist absolut unklar, welche Rolle Victoria überhaupt in diesem verzwickten Roman spielt.

Fragen über Fragen, die den Leser die ganze Zeit beschäftigen, aber nicht nur das. Die Themen, welche Erik Axl Sund in ihrem Psychothriller behandeln, sind - gelinde gesagt - sehr heftig und schwer zu verarbeiten. Und gerade durch die schnörkellosen Schilderungen der Geschehnisse geht einem die Geschichte bald richtiggehend unter die Haut. Die Stimmung des Thrillers ist durchweg sehr beklemmend und oftmals bleibt einem gar nichts anderes übrig, als das Buch zu Seite zu legen, um die Geschehnisse erst einmal zu verdauen. Und irgendwann fragt man sich selbst, wieviel ein Mensch wirklich ertragen kann, bevor er zum Monster wird.

Fazit: Ein mehr als gelungener Auftakt einer ungewöhnlichen Trilogie.

16 von 17 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2014
Schandgold / Ernestine Nachtigall Bd.2
Weichmann, Helge

Schandgold / Ernestine Nachtigall Bd.2


sehr gut

Die Oppenheimer Rose

Wie schon bei seinem Debüt-Krimi „Schandgrab“ steigt Helge Weichmann nicht gleich mit der eigentlichen Geschichte in seinen neuesten Krimi ein, sondern entführt seine Leser erst einmal ins Jahr 1631 als die Oppenheimer Bürger durch marodierende schwedische Truppen um ihr Leben fürchteten. Danach findet man sich im Jahr 1939 wieder und erlebt, wie der Schwimmbagger „Rheingold“ in Betrieb genommen wurde.

Diese historischen Geschehnisse sind jedoch recht kurz gehalten und man findet sich zügig in der eigentlichen Geschichte wieder und trifft auf eine ziemlich frustrierte Tinne, die vom ZDF als Beraterin engagiert wurde, aber eigentlich nur als Kabelträgerin fungiert. Elvis kämpft sich derweil in der Sommerhitze zur Burgruine Landskron hinauf, um dort ein Interview zu führen. Die braune Gesinnung der dort Anwesenden ist mehr als offensichtlich und die Oppenheimer Bürger laufen bereits Sturm gegen das Foto-Team. Ganz in der Nähe bearbeiten zudem eine Gruppe Jugendlicher vom Oppenheimer Sommercamp einen Weinberg. Dem nicht genug, wird im Kellerlabyrinth eine Mumie gefunden und während eines Krimidinners ein Mordanschlag auf einen Schauspieler verübt. Viele lose Fäden gibt Helge Weichmann seinen Lesern da an die Hand und man fragt sich lange Zeit, wie diese unterschiedlichen Geschehnisse in Verbindung zu der eigentlichen Story stehen - der Suche nach den 12 silbernen Aposteln aus der Katharinen-Kirche oder sind diese nur ein Vorwand und ein ganz anderer Schatz soll gefunden werden?

Ortskundige Leser werden schnell erahnen, um was es bei sich bei dem weit größeren Schatz handelt, doch dieses Wissen nimmt der Geschichte keineswegs die Spannung, ganz im Gegenteil und Helge Weichmann verrät zudem auch recht schnell den wahren Hintergrund des Rätselbriefes. Gebannt verfolgt man fortan die knifflige Auflösung des Briefes von Großvater Wenzel, welches auch den größten Teil des Krimis einnimmt. Dabei stellt man schnell fest, dass Helge Weichmann wieder sehr akribisch recherchiert hat und dieses Hintergrundwissen bildhaft und unterhaltsam vermittelt.

Munter verknüpft Helge Weichmann seine fiktive Story mit historischen Ereignissen; was der Wahrheit entspricht und was der Fantasie des Autors geschuldet ist, erfährt man im Glossar. Von Beginn an erzählt der Autor seinen Krimi sehr fesselnd, ideenreich, spannend und mit viel Lokalkolorit. Die Story ist gespickt mit unvorhersehbaren Wendungen und mithilfe seines lockeren, unterhaltsamen, oft auch sehr humorvollen Schreibstils schickt der Autor seine Protagonisten in einige ziemlich verzwickte und gefährliche Situationen. Zum Schluss fügen sich die vielen losen Enden zu einer schlüssigen Geschichte zusammen, bei der keine Fragen offenbleiben. Allerdings gab es mir beim Showdown doch die eine oder andere Zufälligkeit zu viel, was jedoch der Spannung keinen Abbruch tut.

Neben der fesselnden Story hat Helge Weichmann auch originelle Charaktere geschaffen. Allen voran seine eigensinnige, schlagfertige Protagonistin Tinne. Und natürlich Elvis, der durch seinen Beruf wirklich jeden kennt, keinem guten Essen aus dem Weg gehen kann, oft ziemlich schnoddrig ist und mit seiner gemütlichen Art und seinem herrlich trockenen Humor der perfekte Gegenpart zur liebenswerten, manchmal etwas schusseligen, ungeduldigen Tinne ist. Einfach ein herrlich sympathisches Gespann.

Fazit: Ein temporeicher, hochspannender Lokalkrimi voller Wortwitz und einer wendungsreichen Story, die bis zum Schluss überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.