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allegra
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 292 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2014
Die Kinder des Bergmanns
Hurst, Heidrun

Die Kinder des Bergmanns


ausgezeichnet

Mit diesem sehr gefühlvollen und bildstarken Roman zeigt Heidrun Hurst sehr anschaulich auf wie hart und entbehrungsreich das Leben der Bergarbeiterfamilien war. Die einzelnen Arbeiten bei der Gewinnung von Silbererz sind sehr anschaulich beschrieben. Besonders beeindruckt hat mich aber die Art und Weise wie die Autorin die Stimmung, die Kälte, die Ängste und trotzdem die Wärme der Familie vor dem Leser ausbreitet. Ich konnte die eisige Kälte förmlich spüren, wenn Jakob im dünnen Hemd und in seinen Holzpantinen ohne Socken durch den Schnee stapft. Auch die Verzweiflung wenn Krankheit und Kindbettfieber die Mutter raubt, ging mir wirklich unter die Haut.

Das Buch ist aber nicht nur geprägt von Hunger und Düsternis. Als sich die Kinder aufmachen, um ihre Verwandten zu suchen, sind sie voller Hoffnung und Zuversicht. Trotz einiger herber Rückschläge finden sie so zu einem Leben, wie es für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges typisch war. Jakob arbeitet als Knecht auf einem großen Hof, wo Hanf angebaut und verarbeitet wird. Sowohl der Hanfanbau auch die Arbeiten der Futtergewinnung für die Kühe sind sehr detailliert erklärt, so dass man eine gute Vorstellung des Lebens auf einem Bauernhof gewinnen kann.

Das Buch kommt relativ ruhig daher, dennoch gibt es immer wieder Phasen von Spannung. Das Leben der beiden Geschwister läuft nicht geradlinig, so dass es zu unerwarteten Wendungen kommt. Die Liebe – auch Jakob und Bärbel lernen sie kennen – kommt nicht zu kurz, bildet aber nicht das Zentrum des Buches, das eher durch die Beziehung der beiden Geschwister getragen wird.

Die sprachliche Ausdrucksweise ist sehr passend gewählt für ein Buch aus der betreffenden Zeit. Die Sprache lässt sich leicht und flüssig lesen. Einige ungewohnte Ausdrücke sind hinten in einem Anhang erklärt, so dass das Verständnis nicht aufgrund von Fachbegriffen leidet.

Das Ende des Buches finde ich ausgesprochen gelungen. Ich bin nicht der Fan von offenen Enden und aufgedrängten Cliffhängern, aber in diesem Fall ist das hervorragend gelöst. Das Buch endet nicht im Happy End für alle Beteiligten, aber es zeigt mit Hilfe einer sehr netten Geste, an der ein Hund beteiligt ist, so viel Hoffnung auf, dass man den Folgeband einfach lesen muss.


Mein Fazit

Ich habe in diesem Buch viel vom Erzabbau im Schwarzwald (heute: Schauinsland) sowie vom Hanfanbau gelernt. Der Roman enthält nur am Rande historisch belegte Persönlichkeiten, ist aber zeitlich und örtlich sehr genau festgemacht und zeigt auf authentische Weise die Welt von einfachen Menschen wie Bergarbeitern, Knechten und Dienstmädchen.
Für Liebhaber von historischen Romanen mit lokalem Bezug sehr zu empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.07.2014
Als wir unsterblich waren
Roth, Charlotte

Als wir unsterblich waren


ausgezeichnet

Der Roman „Als wir unsterblich waren“ verbindet das wunderbarste Kapitel innerdeutscher Geschichte, der Fall der Mauer mit den Erlebnissen der jungen Paula aus Berlin von 1912 bis 1933.

Paula stammt aus einer eher wohlhabenden Intellektuellenfamilie. Der Vater ist Journalist und legt viel Wert auf Bücher. Paulas älterer Bruder Manfred studiert Philosophie und Paulas größter Wunsch ist es, ebenfalls zu studieren und Rosa Luxemburg nachzueifern, deren Engagement sie zutiefst bewundert. Doch es kommt anders. Der Vater verliert seine gut bezahlte Position bei der Zeitung, so dass er das Schulgeld für Paula nicht mehr aufbringen kann. Er vermittelt Paula eine Stelle bei der Zeitung als Schreibkraft. Paula ist sehr traurig darüber, schickt sich aber in ihr Schicksal. Zusammen mit Manfred trifft sie sich im Sommer täglich im Strandbad Wannsee mit einer Gruppe Jugendlicher, wo sie auch Manfreds besten Freund Clemens kennen lernt. Clemens entstammt einem sehr wohlhabenden Elternhaus, sein Herz schlägt aber für die Arbeiterbewegung. Er wird zusammen mit Manfred Mitglied bei den Sozialdemokraten, wo er sich als begnadeter Redner aber auch durch seine mutigen Taten schnell Respekt verschafft. Paula bewundert Clemens und verliebt sich in ihn.

Der Ausbruch des 1. Weltkriegs ändert alles. Clemens meldet sich zur Front. Manfred, der aufgrund einer Erkrankung an Kinderlähmung nicht eingezogen wird, arbeitet als Journalist und schreibt für eine Zeitung. Paula lernt die Sorgen und Nöte der Arbeiterfrauen kennen. Viele Arbeiter leben in großer Armut und in ihrer Verzweiflung greifen sie zu Alkohol und verprügeln ihre Frauen. Paula richtet Wohnungen ein, wo Frauen mit ihren Kindern Unterschlupf finden.

In einem anderen Erzählstrang lernen wir Alexandra Liebermann kennen. Sie lebt mir ihrer betagten Großmutter ein sehr zurückgezogenes Leben in Ostberlin. Ihre Freundin Meike versucht, sie öfters aus der bedrückenden, kleinen Wohnung heraus zu locken, um unter junge Menschen zu kommen. So auch an diesem Abend. Es ist der 9. November. Aus dem Fernsehen erfahren die jungen Frauen, dass die Grenze geöffnet ist. Meike will sich das nicht entgehen lassen und überredet Alex, mit ihr zum Grenzübergang zu gehen. Unter den Tausenden von Menschen verlieren sich die beiden Freundinnen. Alex, die sich in großen Menschenmassen unwohl fühlt, findet sich alleine wieder in Westberlin. Sie trifft auf Oliver, einen jungen Mann, der ihr hilft und sie in seine Wohnung bringt. Eine Liebe auf den ersten Blick. Alex bleibt einige Tage bei Oliver und ist überwältigt vom Leben im Westen. Als sie mit Oliver zu ihrer Oma zurückkehrt, erleidet diese bei Olivers Anblick einen Zusammenbruch. Tagelang bangt Alex um ihr Leben. Die Oma beginnt von ihrem Leben zu erzählen und füllt damit endlich das Vakuum, das Alex schon lange gequält hat, weil sie nichts von ihrer Familie wusste.

Mir hat dieser Roman, der einen Bogen spannt vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung, sehr gut gefallen. In diesem Buch habe ich sehr viele Informationen, die ich bis jetzt nur als Einzelsätze in Geschichtsbüchern kannte, auf anschauliche und klare Weise gefunden. Die Arbeiterbewegung, die Entwicklungen innerhalb der SPD, die zur Abspaltung des Spartakusbundes geführt hat, aber auch das Leben unter großer Knappheit hat die Autorin sehr klar und miterlebbar dargestellt. Auch im Zusammenhang mit dem zunehmenden Erfolg der NSDAP ist mir manches erst jetzt so richtig bewusst geworden.

Die Figuren sind sehr interessant angelegt. Sie machen es einem nicht immer leicht, ihre Handlungen und ihre Beweggründe gut zu heißen. Aber man kann dennoch sehr gut mit ihnen mitfühlen, weil sie so widersprüchlich sind, wie richtige Menschen.

Ich habe dieses Buch innerhalb weniger Tage gelesen und wirklich sehr genossen Das präzise historische Bild, das Charlotte Roth zeichnet und mit so vielen gefühlvollen Menschen bevölkert, erweckt Geschichte zum Leben.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2014
Die Wikingersklavin
Wassermann, Sabine

Die Wikingersklavin


sehr gut

Handlung

Der Schmied Askell kehrt nach einer Handelsreise nach Haithabu bei einer Hurenwirtin ein, wo er sich die Sklavin Sophia kauft, die er mit sich nach Hause nehmen will, um seine Felle zu wärmen. (Haithabu ist eine Wikinger Handelsstadt zwischen Hamburg und Flensburg.) Sophia war nicht immer Sklavin. Sie ist in einem kleinen Dorf bei Bremen als Tochter eines Pelzers aufgewachsen und kann gar nicht damit fertig werden, unfrei zu sein. Sie plant, bei der ersten Gelegenheit zu fliehen.
Askell kauft neben Sophia noch den Mönch Aidan und reist mit diesen beiden von Haithabu nach Norden in sein Dorf Bisund. Auf der Überfahrt nach Norwegen, kommt es zu einem Mordanschlag auf Askell, den er aber überlebt. In seinem Dorf ist er offenbar nicht willkommen. Er holt sich seine geistig zurückgebliebene Schwester Asla und reist weiter in den kargen Norden. Obwohl Askell Sophia als Sklavin recht freundlich behandelt, ist sie ihm gegenüber sehr wortkarg und abweisend, während sie zum Mönch Aidan recht schnell Vertrauen schöpft.
Zu Askell baut sie erst eine gewisse Bindung auf, wenn es schon zu spät erscheint.


Meine Meinung

Der Roman entführt den Leser in eine völlig ungewohnte Welt. Das Leben der Menschen in Norwegen zu Beginn des 11.Jahrhunderts ist sehr hart und geprägt von Krieg und Kälte. Sabine Wassermann kreiert eine Vielzahl von sehr interessanten Figuren, die im Laufe der Handlung eine Entwicklung durchmachen. Von den Protagonisten konnte ich mir ein gutes Bild machen, weil sie recht anschaulich beschrieben sind.

Die Autorin lässt sowohl sehr brutale als auch gefühlvolle Szenen zu, dennoch hatte ich immer etwas das Gefühl, nur durch eine dicke Glasscheibe Beobachter zu sein. Ich konnte die Stimmung in den Wikingerhäusern zwar recht gut nachvollziehen, hätte aber gerne etwas genauere Beschreibungen gehabt, wie die Häuser und das Mobiliar ausgesehen haben.

Die Handlung ist mir leider etwas statisch und passiv erschienen. Die interessantesten Abschnitte werden jeweils von einer Person im Buch erzählt, so dass man bei der spannenden Eroberungsschlacht von Hastings durch Wilhelm den Eroberer nur indirekt erfährt. Die einzelnen Handlungsabschnitte gehen mir manchmal nicht rund genug ineinander über, so dass ich mich das eine oder andere Mal etwas überrumpelt fühlte und mir nicht sicher war, ob ich etwas überlesen hatte.

Insgesamt hat mir aber das Buch ein gutes Stimmungsbild der Welt der Wikinger im Mittelalter vermittelt. Die Geschichte, die erzählt wird, ist gut, hätte aber mehr hergeben können.

Von mir erhält es 3,5 Sterne

Bewertung vom 23.06.2014
Der arme Konrad
Seibold, Jürgen

Der arme Konrad


ausgezeichnet

Der historische Roman „Der arme Konrad“ erzählt an exemplarisch gewählten Figuren aus dem Remstaler Ort Beutelsbach die Entwicklungen nach, die 1514 zum Bauern Aufstand „Der arme Konrad“ geführt hat. Dazu hat der Autor Jürgen Seibold interessant gewählte fiktive Figuren glaubhaft verwoben mit einer Vielzahl an historisch verbürgten Personen. In einem ausführlichen Personenverzeichnis hinten im Buch kann man sich davon ein Bild machen.

Die Hauptfigur, Hannes Gais ist der Sohn des berühmten „Gaispeter“, der als Tagelöhner in Beutelsbach recht großes Ansehen genoss. Hannes und Jost, der Sohn des Gastwirts und Bürgermeisters Huetlin wachsen als Freunde auf. Doch als sie älter werden, verlieben sie sich beide in Katharina Schreiner, die Tochter eines wohlhabenden Wengerters. Katharina entscheidet sich für den mittellosen Hannes, aber Jost kann das nicht akzeptieren und intrigiert gegen Hannes, der das Glück hat, in Winterbach eine Zimmermannslehre absolvieren zu können. Seine Ausbildung führt ihn zurück nach Beutelsbach, da sein Lehrmeister einen lukrativen Auftrag beim Bau einer neuen Kirche an Land ziehen kann. Derweil gehen viele Jahre von großem Hunger übers Land. Die Bevölkerung muss hohe Abgaben zahlen, herzogliche Jagdgesellschaften verwüsten ihre Felder, so dass die Unzufriedenheit zunehmend steigt. Anhand verschiedener Einzelschicksale wird das dem Leser sehr anschaulich vor Augen geführt, so dass man gut nachvollziehen kann, wie sich die Bevölkerung zu Aufständen organisiert hat. Interessant für mich war, dass die sogenannten „Bauernaufstände“ gar nicht auf die Bauern begrenzt war. Es waren Aufstände mitten aus dem Volk, an denen sich Handwerker und Landbesitzer ebenso beteiligt haben wie Tagelöhner.

Dass der Aufstand „Der arme Konrad“ im Remstal blutig niedergeschlagen wurde, wissen wir aus der Geschichte. Dennoch bleibt die Spannung dieses Romans bis zum Ende erhalten und man fiebert mit der Familie des Gaispeters mit.

Von mir erhält dieser Roman, der ein wichtiges Kapitel lokaler Geschichte erzählt, eine Leseempfehlung mit 4,5 Sternen.

Bewertung vom 17.06.2014
Die Insel der roten Mangroven / Nora Fortnam Bd.2
Lark, Sarah

Die Insel der roten Mangroven / Nora Fortnam Bd.2


sehr gut

Handlung

Das vorliegende Buch „Die Insel der roten Mangroven“ ist der zweite Teil von Sarah Larks Inselsaga und somit die Fortsetzung von „Die Insel der tausend Quellen“.

Wir sind im Jahr 1753 auf Jamaika, wo die junge Deirdre Fortnam glücklich und geborgen auf der Zuckerrohr Plantage „Cascarilla Gardens“ aufwachsen kann. Ihre Eltern Nora und Doug Fortnam sind für ihre Zeit sehr fortschrittlich. Sie leben soweit möglich und ohne ihre Nachbarn und Bekannten allzu sehr zu brüskieren recht einfach und unkompliziert. Auch der Umgang mit den Sklaven ist vergleichsweise von Freundlichkeit geprägt.

An ihrem 18. Geburtstag lernt Deirdre den jungen Arzt Victor Dufresne kennen, der sich in sie verliebt und sie als seine Gattin nach Saint Domingue wo er in der Stadt eine Praxis als Arzt betreibt. Seine Eltern besitzen eine sehr große Plantage und führen einen pompösen und völlig gegensätzlichen Lebensstil im Vergleich zu Deirdres Eltern.

In einem anderen Erzählstrang wird die Geschichte der jungen Sklavin Bonnie und ihrem Freund Jefe erzählt. Bonnie wird von ihrem Besitzer gequält und ausgenutzt in jeder Beziehung. Sie schafft es, zu fliehen und begibt sich mit Jefe auf ein Piratenschiff.


Meine Meinung

In diesem Buch gewinnt man einen guten Einblick in das Leben auf einer Plantage im 18. Jahrhundert. Man erfährt einiges vom Umgang mit den Sklaven, von ihren Lebensweisen und was mir am besten gefallen hat, vom Leben auf einem Piratenschiff. Obwohl das Buch eine Fortsetzung ist, steht es für sich allein und kann auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden. Die wichtigen Informationen werden an passender Stelle und so ausführlich wie nötig erwähnt. Allerdings empfiehlt es sich die Reihenfolge einzuhalten, wenn man sich den vollen Lesegenuss der beiden Bücher nicht verderben möchte.

Die Figuren sind sehr anschaulich beschrieben und von ihren Handlungen her stimmig charakterisiert. Das gleiche gilt für die abwechslungsreiche Landschaft und das Leben auf dem Schiff beziehungsweise in den herrschaftlichen Häusern der Plantagen. Gut gelungen ist Sarah Lark auch die Darstellung der gesellschaftlichen Zwänge und die Gegensätze zwischen der weißen, herrschenden Schicht und den farbigen und schwarzen Bevölkerungsgruppen.

Leider kann dieser zweite Teil der Inselserie die Spannung aus dem ersten Band „Die Insel der tausend Quellen“ nicht wirklich halten. Zumindest die erste Hälfte war für mich zwar schön zu lesen, aber doch etwas zu absehbar und es kommt zu recht vielen Parallelen mit dem ersten Teil. Dass in diesem Roman eine „Frau in Hose“ eine recht wichtige Rolle spielt, hinterlässt bei mir leider einen etwas schalen Geschmack. Ich weiß, dass es das in der Realität tatsächlich gegeben hat, aber es kommt mir in Romanen einfach zu oft vor, als dass es noch originell wirken würde.


Mein Fazit

Ein wunderschönes Buch, als leichte Reiselektüre bestens geeignet. Man kann wunderbar eintauchen in die karibische Inselwelt. Insgesamt ist es aber eine eher einfache Lektüre, kein „Muss“, aber ein schönes „Kann“. Von mir 4 Sterne.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.05.2014
Das Mädchen aus Bernau
Lyne, Charlotte

Das Mädchen aus Bernau


sehr gut

In ihrem historischen Roman „Das Mädchen aus Bernau“ erzählt Charlotte Lyne die Geschichte einer einfachen Bierbrauer Familie, die vom brandenburgischen Bernau in die aufstrebende Doppelstadt Cölln-Berlin zieht.
Bereits in Bernau wird die Familie, die aus Großvater sowie seiner Enkeltochter Magda und ihren Brüdern Lentz, Utz und Diether besteht, von einer Reihe von Schicksalsschlägen heimgesucht. Utz, der sich nicht als Bierbrauer geboren fühlt, sondern von einem Leben als wohlhabender Kaufmann in Berlin träumt, nimmt die Organisation des Umzugs der Familie in die aufstrebende Stadt in die Hand. Doch auch dort hält das Leben für die Familie nicht wenige Tiefschläge bereit, sodass Magda und der Großvater wieder beginnen, Bier zu brauen, um damit die Familie zu ernähren. Derweil gehen die Brüder verschiedenen Aktivitäten nach, die Magda immer wieder an den Rand der Verzweiflung bringen. Ein Franziskaner Novize namens Thomas kreuzt immer wieder Magdas Wege und scheint wie ein Schutzengel über den Geschicken der Familie Harzer zu schweben. Doch kann er Magdas Bruder helfen, als dieser in wirklich ernsthaften Schwierigkeiten steckt?

Mit diesem Roman taucht man in das Leben von Handwerkern und Händlern in Bernau und in Berlin im 14. Jahrhundert ein. Man erlebt die Welt, wie sie sich für die kleineren Leute angefühlt hat, die nicht so wirklich informiert waren über die große Politik von Königen und Papst.

Die Hauptfigur Magda ist eine sehr rührige junge Frau, für die es selbstverständlich ist, sich bis zur Erschöpfung für den Zusammenhalt ihrer Familie zu verausgaben. Die Brüder lassen sich viel eher von Schicksalsschlägen unterkriegen, lediglich der Großvater erwacht so richtig zu neuem Leben, als seine Kenntnisse und Erfahrungen als Bierbrauer wieder gefragt sind.

Mir hat sehr gut gefallen, dass die mittelalterliche Stadt so richtig detailliert beschrieben ist, dass man wirklich meint die verschiedenen Düfte zu riechen und der Lärm auf den Marktplätzen zu hören. Es ist sehr interessant, mitzuverfolgen wie die Handwerkerleute versuchen Fuß zu fassen in der Großstadt und in wie viele Fettnäpfchen sie dabei treten.
Die historischen Hintergründe sind folgerichtig nicht im Zentrum der Geschichte, weil die Handlung aus der Sicht von einfachen Leuten erzählt wird, die selber nicht über die politischen Entwicklungen informiert waren. Sie werden immer mal wieder eingestreut, aber weil mir diese Zeit und die Geschichte Berlins so gar nicht bekannt sind, waren mir die Erklärungen zu den politischen Zusammenhängen etwas zu knapp. Das Glossar im Anhang des Buches sowie der historische Stadtplan von Berlin haben aber einiges wieder nachgeholt.
Etwas befremdlich finde ich den Text auf der Rückseite des Buches. Wer sich die Spannung nicht verderben möchte, sollte den Text nicht vor der Lektüre des Buches lesen. Er kann leicht zu Enttäuschungen führen, weil er eigentlich nur vom letzten Viertel des Buches handelt. Für mich spiegelt er den Inhalt des Buches nicht wirklich.

Ich kann dieses Buch Liebhabern von guten historischen Romanen nur ans Herz legen. Gerade weil es nicht so viele Bücher zum 14. Jahrhundert gibt, ist es sehr interessant, diese Zeit mit den sorgfältig gezeichneten Bildern einer aufstrebenden Stadt, zu füllen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.05.2014
Bluteis
Ritter, Marc

Bluteis


ausgezeichnet

Der Thriller spielt in der nahen Zukunft. Die deutsche Kanzlerin ist 64. Wir finden die heutigen technischen Möglichkeiten und ein klein wenig mehr, aber nicht so, dass ich von einem Science Fiction sprechen möchte. Üblicherweise mag ich allzu futuristische Elemente nicht. In diesem Fall finde ich es aber in Ordnung und bin sogar froh drum. Vermutlich wäre sonst die Sprengung des St. Moritzersees zu schlimm für mich gewesen, als dass ich weiter gelesen hätte.

Seit Langem habe ich mich wieder mal ein ganzes Buch hindurch nur amüsiert und gut unterhalten gefühlt. Es ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend, wartet mit zahllosen unerwarteten Wendungen auf, die aber immer schlüssig sind. Die Hauptfiguren sind sympathisch und glaubhaft charakterisiert. Es handelt sich nicht um „unkaputtbare“ Helden, die auch mit schlimmsten Verletzungen noch Kämpfe auf Leben und Tod durchstehen.

Sprachlich lässt sich der Thriller sehr angenehm und flüssig lesen. Marc Ritter schreibt in einer guten Mischung aus Dialogen und erzählendem Text. Die überschaubare Länge der Kapitel, die jeweils mit Datum und Ort der Handlung übertitelt sind, zieht einem richtig gehend durch das Buch.

Die spezielle Stimmung der Schweiz hat der Autor ausgesprochen gut getroffen. Es ist kein Buch „mit Lokalkolorit“ und dennoch kommen die besonderen Eigenheiten der Figuren sehr gut zur Geltung. Gut gefallen haben mir auch die Seitenhiebe in Richtung Wirtschaft. Die Unternehmen sind zwar anders genannt und Ähnlichkeiten rein zufällig. Aber es ist meistens doch klar, wer gemeint ist.


Dieser actionreiche Verschwörungsthriller ist sicherlich nicht von allzu hohem Anspruch. Dafür sorgt er für beste Unterhaltung. Für mich ist Marc Ritter der Dan Brown der Alpen.
Einziger Nachteil des Buches: Ich weiß nun in etwa wie der erste Teil „Kreuzzug“ ausgehen wird, weil ein paar Mal Bezug darauf genommen wird. Wer sich den vollen Spaß bewahren möchte, dem empfehle ich die Lektüre in der vorgesehenen Reihenfolge.


Von mit eine uneingeschränkte Leseempfehlung mit 5 Sternen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.05.2014
Die letzte Jüdin von Würzburg
Rausch, Roman

Die letzte Jüdin von Würzburg


sehr gut

Dieser historische Roman erzählt die Geschichte der fiktiven Jaelle, Tochter des Jitzak aus Straßburg. Er setzt ein im Jahr 1349 in der Nacht des Progroms, als die Juden aus Straßburg vertrieben und umgebracht wurden. Jaelle gelingt die Flucht. Ihr Vater hat ihr aufgetragen, sich nach Würzburg zu begeben, weil dort Verwandte von Jaelle leben. Da das Reisen für eine junge jüdische Frau zu gefährlich ist, verkleidet sich Jaelle als Mann, nennt sich Johan und gibt vor, Christ zu sein. Auf der Reise begegnet sie dem Michael de Leone aus Würzburg, der als zweiter Mann des Bischofs eine sehr wichtige Machtposition innehat. Er kümmert sich nebenbei noch um die Bearbeitung und Abschrift literarischer Texte und sucht dringend nach einem Schreiber. Da Jaelle/Johan des Schreibens mächtig ist, biete er ihm eine Stelle in seiner Schreibstube am Neumünster an.

Jaelle begibt sich ins Judenviertel, um nach ihren Verwandten zu suchen. Sie findet Unterschlupf bei Rabbi Moshe, der beunruhigt ist, weil sich auch in Würzburg Unmut gegen Juden breitmacht. In Würzburg herrscht die besondere Situation, dass die jüdische Gemeinde unter dem Schutz des Bischofs steht und Moshe sieht die Möglichkeit, Jaelle als Schreiber Johan bei Michael de Leone als Spion einzuschleusen.

Die Pest steht als Bedrohung im Land, so wird Juden zur Last gelegt, sie würden Brunnen vergiften. Ebenfalls für Frost, der die Ernte zu vernichten droht, werden sie zur Rechenschaft gezogen. Die Lage spitzt sich zu und Jaelle gerät zwischen die Fronten.


Meine Meinung

Dieser Roman zeigt auf sehr anschauliche Art, wie die politische und gesellschaftliche Situation der jüdischen Gemeinden zunehmend schwieriger wird. Leider kennen wir das Ergebnis aus der Geschichte, was diesem Buch eine gewisse düstere Stimmung auferlegt.

Ich konnte dem aufregenden Leben von Jaelle, das sie als Spionin führte, gut folgen. Leider habe ich so meine Probleme mit Frauen-in-Hosen Romanen. So fand ich es noch schlüssig, dass Jaelle sich für die Reise als Mann verkleidet hat. Dass Rabbi Moshe die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen konnte, sie als Spion ins Machtzentrum Würzburgs einzuschleusen, ist ein interessanter Schachzug. Dennoch fand ich es etwas unwahrscheinlich, dass Johan, als Auswärtiger, gleich jedermanns Vertrauen gewann.

Michael de Leone ist eine sehr interessante historisch verbürgte Person, er hat so was wie die Tätigkeit eines Literaturförderers oder Verlegers ausgeübt und hatte eine sehr widersprüchliche Haltung in seinem Verhältnis zu den Juden. Im Buch wird das sehr gut herausgearbeitet, weshalb das so war, würde jetzt aber zuviel verraten.

Leider ist mir die Hauptfigur Jaelle/Johan nicht so wirklich vor meinem inneren Auge zum Leben erwacht. Ich hätte mir etwas mehr Beschreibungen ihres Aussehens und ihrer Gefühle und Stimmungen gewünscht da ich mich gefühlsmäßig nicht wirklich in sie hinein versetzen konnte.

Sehr gut gefallen hat mir, dass es zwar durchaus einmal zwischen zwei Menschen knistert, es aber doch nicht zu einer ausgewachsenen Liebesgeschichte kommt. Im Mittelpunkt stehen die Wochen, die zum Judenprogrom in Würzburg führten.


Mein Fazit

Ein sehr guter historischer Roman, der nicht übermäßig auf die Tränendrüsen drückt und die traurigen Entwicklungen, die zum Mord an den Würzburger Juden führten, sachlich und gut nachvollziehbar, darstellt.
Von mir eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2014
By Its Cover
Leon, Donna

By Its Cover


gut

„By its Cover“ heißt der neue Krimi von Donna Leon. Und genau durch das Cover fällt er auch ausgesprochen positiv aus der Vielzahl an neuen Büchern auf. Vor einem kräftigen Blau steht der stolze Markuslöwe, dessen Pranke auf einem geöffneten Buch ruht. Das samtig weiche Cover mit den hervorgehobenen goldenen Buchstaben ist nicht nur fürs Auge sondern auch für den Tastsinn ein Genuss. Aber wie steht es mit dem Inhalt.

In einer Bibliothek bemerkt man, dass zahlreiche antike Bücher und teilweise einzelne Seiten aus wertvollen Folianten fehlen. Der Verlust in Geld unbezahlbar, weil die Bücher nicht ersetzt werden können. Brunetti ermittelt in der Bibliothek und stößt dabei auf ein Geflecht aus legalem und illegalem Handel mit alten Büchern. Als im Umfeld der Bibliothek eine Leiche auftaucht ist sein gesamtes Team vor Ort.

Der Krimi handelt in einem für Bücherfreunde wirklich faszinierenden Umfeld. Man erfährt einiges über die Faszination und Schönheit von alten Büchern und wie damit Geld gemacht wird. Sobald die Leiche auftaucht nimmt der Krimi auch von der Spannung her an Fahrt zu. Donna Leon spickt so manches Gespräch zwischen Brunetti und seiner Frau Paola, aber auch mit anderen Figuren mit zahlreichen gesellschaftskritischen Seitenhieben, was immer ein Genuss ist zu lesen und das eine oder andere Schmunzeln hervorruft. Aber insgesamt bietet mir dieser Band zuwenig Stoff zum Mitraten und Mitfiebern. Obwohl das Buch für ein Taschenbuch wirklich ausgesprochen liebevoll gestaltet ist, kann ich es für Liebhaber von spannenden Krimis nicht empfehlen. Es liest sich locker flockig daher, aber mehr nicht. Wenn ein Buch nur „By its Cover“ punktet, ist das doch etwas wenig.

Wer die Brunetti Reihe verfolgt, wird dennoch Freude am Wiedersehen mit den alt bekannten Figuren haben. Auch wenn man sich langsam fragt, wie lange die beiden Kinder noch brav fast jeden Mittag und Abend gemeinsam mit der Familie speisen. Langsam wäre es Zeit, das Hotel Paola in Frage zu stellen.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.