All die Liebenden der Nacht

ausgezeichnet

In ihrem schon 2011 erschienenen Roman “All die Liebenden der Nacht” erzählt die japanische Autorin Mieko Kawakami von der Einsamkeit und der selbst gewählten Isolation der 34-jährige Korrekturleserin Fuyuko. Dabei zeichnet sie ein Bild von berufstätigen Frauen, die es in Japan oft viel schwerer haben als ihre Kollegen und die, wenn sie sich einmal für einen Beruf entschieden haben, oft alleinstehend bleiben, weil Arbeit, Freizeit und Familie zeitlich kaum miteinander zu verbinden sind. Dass die gesellschaftlichen Konventionen ihnen überdies eine Distanziertheit im Kontakt mit anderen nahelegen, macht die Sache nicht gerade einfacher. In Kawakamis Roman kompensiert die Heldin ihre Unzufriedenheit und ihr geringes Selbstwertgefühl mit Alkohol und der Schwärmerei für einen älteren Lehrer. Wo das wohl hinführt? “All die Liebenden der Nacht” wirft einen kritischen Blick auf die Lebenswelt der jüngeren weiblichen Generation in der traditionell eher konservativen Gesellschaft Japans.

Der Konzern / Laura Jacobs Bd.3

sehr gut

Pirscht sich der erste Teil “Die Filiale” noch langsam an das eigentliche Thema heran, geht Veit Etzold in dem zweiten Band “Die Zentrale” ziemlich schnell in die Vollen. Es geht um Bilanzskandale und Geldwäsche und die unrühmliche Aufgabe des Staates, die Steuergelder für die Rettung der Banken einzusetzen. Das letzte unrühmliche Beispiel war sicherlich der Skandal um das Credit Suisse. Seine Hauptfigur, die Bankangestellte Laura Jacobs, rutscht ohne Atem zu holen, von einem unglaublichen Szenario zur nächsten Machenschaft skrupelloser Manager. Dabei zeigt der Autor Veit Etzold wieder einmal, dass er sich mit der Materie auskennt. Dazu kommt noch sein Know How, ein spannungsgeladenes Szenario aufzubauen. So ist “Die Zentrale” ein fesselnder Thriller, der einen Insiderblick auf dubiose Geschäfte in der Welt der Banken und Investoren wirft.

The Atlas Paradox - Schicksal ist eine Entscheidung (MP3-Download)

sehr gut

Olivia Blake erzählt ihren zweiten Teil der Atlas-Reihe „The Atlas Paradox - Schicksal ist eine Entscheidung“ aus mehreren Perspektiven. Aus der von Libby, die sich an einem ungewöhnlichen Ort aufhält und versucht, wieder nach Hause zu kommen. Und aus der der anderen fünf angehenden Absolventen der alexandrinischen Medaer-Akademie: des Physiomagiers Nico, der Telepathin Parisa, des Empaths Callum, des Manipulators Tristan und der Naturmagierin Reina. Alle hadern derweil mit ihren unterschiedlichen Bestimmungen und den eigenen Wünschen für die Zukunft. Nebenbei bringt die Autorin auch Themen wie den Klimaschutz oder die Probleme des globalen Südens in ihre Story ein - auch die Fantasy-Welt wird inzwischen von der rauhen Wirklichkeit eingeholt. So machen sich die Figuren und die Handlung im Part zwei der Atlas-Reihe bereit für eine Ausgangsposition, die Lust auf den finalen Part macht. Großartig gelesen von Tim Gössler gelesen.

PUNKED

ausgezeichnet

Yasmin Sibais Roman „Punked“ ist eine fesselnde Story und zugleich ein ebenso intensiver wie turbulenter Genremix aus Krimi, Szenebericht, Musikhistorie, Freundschaftsgeschichte und Verschwörungsdrama. Die Autorin, die selbst Mitglied einer Avantgarde-Punkband in Hannover war, gibt viele spannende und authentische Einblicke in die Punk- und Alternative- Szene der 1990er Jahre und vermischt dies mit Episoden aus der Hackerszene sowie mit kriminellen Machenschaften und furchtbaren Ereignissen in Amsterdamer Kitas. Mit einer kraftvollen, poetischen Sprache switcht sich Yasmin Sibai durch mehrere Zeitebenen und entrollt dabei ihre schockierende, energiegeladene Story. Besonders charmant finde ich die Songausschnitte, deren Textzeilen die einzelnen Kapitel zieren, und die am Ende angefügte Playlist, die zum authentischen Stöbern auf YouTube oder Spotify einlädt. So ist „Punked“ ein grandioser Roman, der viel Spaß und Neugierde auf mehr macht.

Escape Time - Die Morde von morgen

ausgezeichnet

Chris McGeorge beginnt seinen Thriller zunächst ganz behutsam, bis sich die Ereignisse immer mehr überschlagen. Und dennoch ist hier nichts, wie es anfänglich scheint. Das fädelt McGeorge sehr geschickt ein, und so lässt er seine 70-jährige Ehrenamtlerin Shirley Steadmen im Lauf der Geschichte so manche Berg- und Talfahrt der Gefühle durchleben. Kurzum: Mit „Escape Time“ gelingt Chris McGeorge ein unterhaltsamer englischer Krimi, der für manche überraschende Wendung gut ist.

Die Macht der Wölfe / Melia und Vincent Bd.4

ausgezeichnet

Im vierten Band der Adan-Veih Reihe geht es dem Autor Horst Eckert um Macht und Einfluss. In seinem großartigen Polit-Thriller zeigt er, wie erschreckend einfach es sein könnte, die Leute durch gezielte Aktionen zu manipulieren und den Mob auf seine Seite zu bekommen. Dass Menschen schnell bereit sind, auf emotional hochgepitchte Themen ohne Logik und Verstand zu reagieren, ist allseits bekannt, wird hier aber noch einmal deutlich vor Augen geführt. Wird das Ganze dann auch noch von einem ausländischen Geheimdienst großzügig unterstützt und gelenkt, gerät schon bald das ganze System ins Wanken - zumindest in Eckerts Roman. In dessen Mittelpunkt stehen wieder der eigensinnige Kommissar Vincent Veih und die designierte Leiterin der Düsseldorfer Kripo, Amelia Adan. Beide werden in ein Spiel von grenzenlosem Machtstreben hineingezogen, das „Die Macht der Wölfe“ zu einem temporeichen und bedrückend aktuellen Politthriller macht.

All die ungesagten Dinge

ausgezeichnet

Die Probleme in Cabramatta der 1990er Jahre sind zahlreich. Die Vietnamesen, die nach dem Krieg als Flüchtlinge in die Region von Sydney kamen, sind tief gezeichnet von den Schrecken, die sie erlebt haben und geben die Traumata weiter an ihre Kinder, die meist schon in der ersten Generation Australier sind. Tracy Liens Debütroman “” gibt dabei einen intimen Einblick in dieses Generationentrauma. Hinzu kommen dazu noch die Probleme mit den damaligen Heroin-Epidemie und der institutionalisierte anti-asiatische Rassismus unter den „Blondies“ von White Australia. Die Autorin switcht dabei nicht nur in die Vergangenheit ihrer Protagonisten, sie erzählt die Vorgänge auch aus verschiedenen Perspektiven. So entsteht ganz langsam ein erschütterndes Gesamtbild. So ist “All die ungesagten Dinge” ein kraftvolles und emotionales Drama.

Das Spiel - Desert Rogue

ausgezeichnet

Julia Hensea Debütthriller hat alles, was ein Top Pageturner braucht: eine gut inszenierte Story, ein mysteriöses Spiel, hochbrisantes Geheim-Material, eiskalte Agenten, jede Menge Hit & Run quer durch Berlin und mittendrin ein junger IT-ler, der völlig ahnungslos in eine schier aussichtslose Situation gerät und sich durch eine rasante Story fighten muss. Und dazu natürlich noch ein Cliffhanger, der absolut Lust auf mehr macht. So ist Julia Henses Thriller „Das Spiel: Desert Rogue“ beste Kopfkino-Unterhaltung.

Idol in Flammen

ausgezeichnet

In ihrem Debütroman erzählt die erst 21- jährige japanische Autorin Rin Usami von der intensiven Fankultur ihrer jungen Heldin Akari, die Masaki, den Gitarristen einer J-Pop Band anhimmelt. All ihre Energie setzt sie daran, um Informationen über ihn und sein Leben zu bekommen. Die Autorin, fast noch im Alter ihrer Romanfigur, beschreibt die oft empfindsame Psyche junger Leute, die sich wie Akari den harten Anforderungen der Gesellschaft verweigern und in ihre eigene, scheinbar selbst bestimmte Idol-Welt flüchten. Usami begleitet diesen Prozess in einer wunderschön poetischen Sprache und wirft dabei zugleich einen grellen Lichtstrahl auf die Geldmaschine der japanischen Pop-Industrie, die wie geschmiert läuft und ihre ergebenen Fans durch Social Media und Merchandising zu immer neuen Käufen anstachelt. So ist „Idol in Flammen“ ein feinfühliger Blick auf das Fandom-Phänomen in einer komplett durchkapitisierten Jugend-Pop-Maschinerie. Poetisch und authentisch erzählt.

Kim Jiyoung, geboren 1982 (MP3-Download)

ausgezeichnet

Verwoben in die fiktive Geschichte der 1982 geborenen Kim Jiyung erzählt Cho Nam-Joo ganz beiläufig, aber messerscharf und sehr authentisch von der Sitation der Frauen in Süd-Korea. Im Mittelpunkt steht dabei die studierte Marketinspezialistin Kim, die wegen der Geburt ihrer Tochter nicht mehr arbeiten geht. Zugleich geht es aber auch um ihre Mutter und Großmutter und darum, wie sich die patriarchalen Strukturen von Generation zu Generation vererben. Zwar ändern sich die Dinge auch in Korea ganz allmählich - ihre Großmutter etwa forderte von ihrer Tochter noch vehement den männlichen Erben ein -, doch noch immer bleiben Kindererziehung und Haushalt an den Frauen hängen. Denn trotz modernisierter Gesetzgegebung und besserer Ausbildung kündigen viele Frauen mangels Alternativen mit Beginn der Familienplanung, während die Männer wie selbstverständlich im Job bleiben. Die Autorin zeigt, wie schwer es ist, aus diesen Strukturen herauszukommen - nicht nur in Korea. So ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ ein auf den Punkt gebrachter, intelligenter und scharfsinniger feministischer Roman, der ganz nebenbei noch mit allerlei Zahlen und Fakten untermauert ist.