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Buecherundschokolade

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 07.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


ausgezeichnet

Das Cover ist Diogenes-typisch schlicht, ein Bild von einem Reh in einer luxuriösen Wohnung, ansonsten alles weiß. In dem Buch begibt sich die Autorin Shelly Kupferberg auf die Spuren ihres Großonkels Isidor (eigentlich Israel, aber das wäre zu verräterisch).
Dieser schaffte es zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem galizischen Schtetl bis zum anerkannten Dr. jur., Kommerzialrat und Millionär in Wien aufzusteigen. Doch die von den Nazis ausgehende Gefahr für sich erkennt er nicht rechtzeitig.
Das Buch ist gleichsam auch die Familiengeschichte der Autorin, da sie neben dem Isidor auch noch über weitere Verwandte berichtet. Dabei erzählt sie anhand von Briefen und Erinnerungsstücken und der fließende Ton macht es leicht ihr zu folgen. Zudem ist das Ganze wahnsinnig spannend und kurzweilig geschrieben. Ich habe es in einem Durchgang ausgelesen und war begeistert. Der Autorin ist nicht nur die Geschichte von Isidor Geller
gelungen, sondern die Geschichte einer (untergegangenen) Epoche. Daher ein absolut empfehlenswertes Buch.

Bewertung vom 30.07.2022
Jede*r kann die Welt verändern! - Ich bin Albert Einstein
Eliopoulos, Christopher;Meltzer, Brad

Jede*r kann die Welt verändern! - Ich bin Albert Einstein


ausgezeichnet

Das Buch kommt schon sehr frech daher mit einem locker gezeichneten Kinder-Einstein als perfekte Einstimmung auf das Blättererlebnis für unseren Sohn. Es hat uns beiden dann auch inhaltlich sehr gut gefallen: erzählt wird auf humorige und eigenwillige Art und Weise die Kindheit und Jugend von Albert Einstein. Das Ganze als Graphic Novel für Kinder, wobei die Illustrationen auch für erwachsene Leser ansprechend gestaltet sind. Die Geschichte selbst macht Mut, sich nicht durch andere definieren zu lassen, sondern mit seinen eigenen Talenten selbst zu definieren, wer man sein möchte. Der Schreibstil ist für Kinder gut verständlich, allerdings haben wir es unserem noch nicht-schulpflichtigen Kind vorgelesen und ihm die Bilder erklärt. Insgesamt ein schönes Kinderbuch, mit dem man eine berühmte Persönlichkeit der Weltgeschichte kennenlernen kann und sehr zu empfehlen!

Bewertung vom 25.07.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


ausgezeichnet

Andrej Kurkow ist seit Graue Bienen einer meiner Lieblingsautoren und daher war ich sehr gespannt auf seinen ersten Krimi. Samson und Nadjeschda spielt zur Zeit der Russischen Revolution in Kiew. Der Vollwaise Samson, dem Kosaken neben seinem Vater auch sein Ohr mit dem Säbel nahmen, stolpert quasi in den Polizeidienst der neuen bolschewistischen Staatsmacht. Prompt deckt er eine erste Diebstahlserie auf, doch bald münden diese Ermittlungen in Mord und Totschlag und auch Samson muss um sein Leben fürchten. Und da gibt es auch noch die hübsche Nadjeschda, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat. Dieser Kriminalroman ist spannend und hervorragend komponiert. Die historischen Umstände sind reizvoll und tragen die Handlung. Man steckt förmlich selbst mitten in der Bürgerkriegswirren und schmeckt die ungesalzene Maisgrütze in der sowjetischen Kantine. Der Stil ist Kurkow-typisch manchmal lakonisch, manchmal wild, vor allem aber ist die Handlung rasant. Summa summarum eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.07.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


ausgezeichnet

Matrix von Lauren Groff ist ein ungewöhnlicher Historienroman, nicht der übliche Kitsch und Schmonzettensalat, sondern eine spannende Geschichte über eine Frau, die sich in einem feindlichen Umfeld behauptet und alle überrascht mit ihrer Stärke. Marie ist die Halbschwester der englischen Königin im 11. Jahrhundert. Sie wird am Hof geduldet, aber oftmals als Bastard geschmäht. Und dann wird sie nolens volens in einem armen Kloster auf dem Land als Priorin gleichsam „entsorgt“. Doch damit beginnt die Geschichte erst und wie sich Marie ihren Platz in der Geschichte erkämpft und es auch zu weltlicher Macht bringt, ist hochgradig lesenswert und macht süchtig. Das Buch ist hervorragend geschrieben und Lauren Groff beweist sich einmal mehr als meisterhafte Erzählkünstlerin. Der Roman ist für mich ein Feier des Weiblichen und einer besonderen, starken Hauptfigur, die man so schnell nicht wieder vergisst. Eine 100%-Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.07.2022
Freizeit
Kaspari, Carla

Freizeit


ausgezeichnet

Manche Bücher haben einen eigenen Sound.

Einerseits natürlich die Sprachmelodie, aber auch ganz wörtlich gemeint, Bücher, in denen Musik eine zentrale Rolle zukommt, wo ständig Songs zitiert werden, gehört werden, wo sie Stimmungen beschreiben.
Ein bisschen wie Filmmusik, quasi Buchmusik, die die Handlung unterstützt und antreibt.

Und genau so ein Fall ist Freizeit, der Debütroman von Carla Kaspari.

Musik ist im Roman essentiell. Sie wird durch JBL-Boxen, auf Partys, auf Festivals oder einsam im Zug per Kopfhörer gehört. Die Handlung folgt - verkürzt gesagt - der Protagonistin Franziska ein Stück ihres Lebenswegs, gerade nachdem sie Freund und Paris verlassen hat, um wieder in einer westdeutschen Großstadt zu leben. An sich könnte man sie für zufrieden halten, sie kann vom Schreiben leben (meist Jingles oder Werbung oder Texte für Rapper) und schreibt gerade - genervt von ihrer crazy Lektorin - an ihrem ersten Roman. Doch irgendwie driftet sie nur so durchs Leben und es fehlt etwas (Lebensfreude?, Leichtigkeit?, Sinn?, Identität?). Ihre Freunde von früher versuchen alle ihr Leben irgendwie zu meistern: überbeschauliches Landleben, Drogen, Instagram hierzu als Schlagwörter. In Rückblenden und eingeschobenen Sequenzen aus dem gerade entstehenden Roman erfährt der Lesende mehr über die Vergangenheit der Figuren. Insgesamt entsteht so ein aufgeladenes Handlungsmosaik und man kann es nicht anders sagen: große Unterhaltung.

Vielleicht hat Carla Kaspari gerade für unsere Generation das geschrieben, was Christian Kracht mit Faserland für seine Generation geschrieben hat. Ist das jetzt ein Grund Popliteratur zu rufen?

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2022
Die Familie
Krupitsky, Naomi

Die Familie


sehr gut

Eigentlich lese ich keine Mafiaromane, schon eher Sachbücher, z. B. von Roberto Saviano. Die Familie von Naomi Krupitsky ist aber zum Glück gar kein Mafiaroman, auch wenn es den Anschein haben könnte: Antonia und Sofia sind beste Freundin, in ihrer Kindheit sogar die jeweils einzige Freundin der anderen und das liegt an ihren Familien. Die Väter der beiden sind
Mafiosi und das bringt ihnen im Brooklyn der 1920er/1930er Angst und Abscheu ein. Als Antonias Vater plötzlich verschwindet, entsteht einer feiner Riss in ihrer Freundschaft… Das Buch ist eine spannende Coming-of-age-Geschichte über zwei sehr unterschiedliche Mädchen, die zu Frauen werden, heiraten, Kinder bekommen. Alles eingebettet in die historischen Umstände der 1920er-1940er, Armutssiedlungen in Brooklyn, den 2. Weltkrieg. Der Autorin gelingt dabei eine gute Zeichnung ihrer Figuren und auch die Handlung nimmt nach einem eher langsamen Beginn Fahrt auf. Das Buch bietet mehr als man zunächst erwarten würde, vor allem ein vielschichtiges Tableau an Personen und einige schöne Bilder - die Autorin ist ein großer Fan sehr blumiger Bilder - und Zeitkolorit. Auch das Finale des Buches ist furios. Der Roman hat mich gut unterhalten und ich kann ihn ruhigen Gewissens als spannende Lektüre für ein Wochenende empfehlen.