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clematis

Bewertungen

Insgesamt 150 Bewertungen
Bewertung vom 28.06.2024
Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6
Eyssen, Remy

Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6


ausgezeichnet

Unfreiwillig

Der Lenker eines Schweinetransporters ist erschüttert, als ihm eine vermeintliche Selbstmörderin von einer Brücke vor die Räder springt. Allerdings kommt dem Rechtsmediziner Leon Ritter die Sache spanisch vor. Nicht alle Verletzungen können dem Unfall zugeordnet werden, vieles deutet auf Folter an den Tagen zuvor hin, der Sprung war womöglich gar nicht freiwillig.

Ein neuer, spannender Fall erreicht den Leser, zuweilen grausame Behandlungen junger, gefangener Mädchen, verquickt mit dem prachtvollen Lavandou mit seinen duftenden Pinien und alten Korkeichen, dem Rosé und dem weiten Meer. So nimmt der Autor dem Geschehen die ärgsten Spitzen der Brutalität und lenkt die Aufmerksamkeit auch immer wieder auf die schönen Dinge des Lebens und die Einzigartigkeit dieses wunderbaren Fleckens von Frankreich. Egal, ob man schon etwas aus der Reihe Leon Ritter gelesen hat oder nicht, rasch ist man gefangen von Remy Eyssens Zeilen, seine Art zu schreiben gefällt mir jedes Mal aufs Neue und lässt mich den Alltag rundum vergessen. Mit äußerst lebhaften Figuren, insbesondere dem charakterstarken, gelassenen Médecin Légiste (Rechtsmediziner), schafft der Autor eine glaubwürdige Atmosphäre. Der aufwühlende Fall bringt alle Ermittler an ihre Grenzen, besonders, weil bald auch die Tochter des Kultusministers verschwunden ist. Aber es wäre nicht Ritter, wenn er nicht auch diesmal die Polizei – und seine Lebensgefährtin Isabelle Morell, Capitaine der Gendarmerie nationale – tatkräftig unterstützen und auf die rechte Fährte lenken würde.

Wer gut durchdachte Krimis sucht und dazu eine tolle (Urlaubs)Stimmung, der liegt mit der Leon-Ritter-Reihe stets richtig. Alle Teile sind unabhängig voneinander lesbar, in sich abgeschlossen und gut verständlich. Mir liefern sie immer wieder beste Unterhaltung!

Bewertung vom 28.06.2024
Die Fischerhütte im Irgendwo
Haak, Rainer

Die Fischerhütte im Irgendwo


sehr gut

Morgen scheint die Sonne

Toms Leben ist freudlos geworden, er teilt eine Seite in seinem Notizbuch in zwei Hälften und schreibt Negatives und Positives auf, allein zu „positiv“ hat er kaum Ideen. Da ihm Campen immer Spaß bereitet hat, bucht er kurzentschlossen einen vermeintlichen Glampingurlaub – und landet in einer einfachen Fischerhütte ohne Strom und Fließwasser.

Diese nette kurze Geschichte bringt wieder Farbe in Toms Dasein. Der sanft rauschende Wald, die tschilpenden Vögel, das klare Wasser des Sees rufen den jungen Mann zur Besinnung auf sich selbst, weitab von Trubel, Schnelligkeit und Internet. Der grüne Briefkasten vor der Holzhütte enthält an manchen Tagen hübsche Post aus Büttenpapier und grundlegende Fragen von G:. Ob dies ein Hinweis auf Glaube und Gott ist, oder ein Anstoß, seinen Gefühlen, seinem Herzen Raum zu geben, sei dahingestellt. Allerdings bieten diese Fragen auch dem Leser Gelegenheit, im Jetzt innezuhalten und darüber nachzudenken, wie zufrieden man gerade selbst ist. Ob man da und dort nicht vielleicht aus der Routine ausbrechen sollte, um andere Wege zu beschreiten. Heute fällt Regen, aber morgen, morgen scheint wieder die Sonne …

Ein liebevolles Märchen für Erwachsene, ein nettes Präsent, ein hübsches Büchlein für eine Reise zu sich selbst. Wenn alles nur noch neblig und grau erscheint, spenden oft die kleinsten Dinge wieder Farbe, wenn man nur genau hinsieht. Leider ist das gar nicht immer so einfach.

Bewertung vom 28.06.2024
Das Land zwischen den Meeren (eBook, ePUB)
Paredes, Anna

Das Land zwischen den Meeren (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dona Dorothea

Köln, 1848: Dorothea, 22, Tochter aus angesehenem Arzthause, verlobt sich heimlich mit dem nicht standesgemäßen Journalisten Alexander. Gemeinsam wollen sie nach Costa Rica reisen, aber das Schicksal hat anderes vor, so begibt sich Dorothea schließlich allein in die Fremde. Was wird sie dort erwarten, in einem Land mit aufregender Flora und Fauna, in einem Land mit anderen Sitten und Bräuchen?

Chronologisch aufgebaut, mit genauen Zeitangaben versehen, so darf der Leser der jungen Hauslehrerin Dorothea in ihrer Geschichte folgen. Erst lernt man das sympathische Fräulein kennen und ihren Bekannten, den Charmeur Alexander; nach einem tragischen Vorfall ändert sich alles für Dorothea. Wir verlassen Köln und begeben uns auf eine kräfteraubende Reise nach Mittelamerika, wo unterschiedlichste Herausforderungen auf die Deutsche warten. Spannende und emotionale Szenen beherrschen das Feld, manches ist vorhersehbar, aber das Ende dieses imposanten Einstiegs in die Costa-Rica-Saga kommt völlig überraschend und schürt entsprechend die Neugierde auf den folgenden Band.

Paredes‘ schön dahinfließender Schreibstil, die schillernden Vögel, die farbenprächtigen Blüten fesseln den Leser und steigern die Wissbegierde zu diesem fernen und exotischen Land Costa Rica. Dorothea, inzwischen Doña Dorothea, hat es nicht immer leicht als Fremde, meistert die ihr begegnenden Schwierigkeiten aber immer wieder souverän.

Ein wunderschönes Buch mit exotischem Flair und einer starken, mutigen Frau, die ich sehr gerne auch auf ihren weiteren Wegen begleiten möchte. Eine Leseempfehlung für den Start dieser Saga!

Bewertung vom 28.06.2024
Die Vikarin
Liebelt, Brigitte

Die Vikarin


sehr gut

Mut durch Glauben

Elly Haller aus dem deutschen Schwenningen wird 1938 nach Wien entsendet, um ihrer kranken Tante Julie zu helfen. Dort gewinnt sie in der Jüdin Lea Grünfeld eine liebe Freundin und lernt die „Schwedische Mission“ in der Seegasse kennen, wo Theologin Margarete Hoffer regelmäßig Bibelstunden abhält. Als die Schikanen gegenüber der jüdischen Bevölkerung immer größer werden und schließlich auch Ellys Onkel treffen, kehrt das junge Mädchen wieder in seine Heimat zurück. Dort trifft Elly drei Jahre später abermals auf Margarete Hoffer, welche als „Vikarin auf Kriegsdauer“ in Schwenningen eingesetzt wird und sich der Fluchthilfe verschreibt.

Elly und ihre Familie liefern eine gelungene fiktive Rahmenhandlung für das Wirken von Margarete Hoffer, welche durch ihren Glauben und ihr Tun auch andere Menschen dazu inspiriert, nicht wegzusehen. Und das, obwohl ihre beiden Brüder für den Nationalsozialismus brennen. Umfassende Recherchen lassen etliche historische Figuren wieder lebendig, das Leid im Krieg spürbar werden. Und doch sind Menschlichkeit, Nächstenliebe und Hilfestellung selbst in solch herausfordernden Zeiten nicht überall ein Fremdwort. Hoffer und ihre Unterstützer in der Württembergischen Pfarrhauskette sehen sich allerdings nicht als Helden, sondern leben „nur“ das, was ihren Werten entspricht, auch wenn sie stets mit einem Bein im KZ stehen.

Kann man sich als Leser in diese Zeit hineinversetzen? Kann man ein Gefühl dafür entwickeln, ob man genug Mut aufbringen würde, um sich „auf die Seite der Verlierer“ zu stellen? Nun, das muss auch nicht sein. Es ist durchaus verständlich, wie Angst prägt und Menschen dazu veranlasst, sich anzupassen, nicht auffallen zu wollen. Aber vergessen, vergessen sollte man nie! Und genau das ist auch einer der Gründe, warum Brigitte Liebelt sich mit dieser Thematik beschäftigt, reale Schicksale aus Archiven gesucht hat, mit Nachfahren von Betroffenen gesprochen hat, um all das zu einer faszinierenden Geschichte rund um Vikarin Margarete Hoffer zusammenzustellen. Für meinen Geschmack fließt ein bisschen zu viel Politisches und Kirchengeschichtliches in die Handlung ein, dennoch sind die genannten Details nicht völlig uninteressant. Auch der Vikarin selbst hätte man ein wenig mehr Raum zugestehen können, zuweilen hat man das Gefühl, dass Elly allein die Hauptrolle im Geschehen einnimmt. Andererseits ist dadurch natürlich Hoffers positiver Einfluss sehr deutlich zu erkennen.

Stilistisch angenehm zu lesen, Kapitelanfänge sorgfältig mit zeitgenössischen religiösen Zitaten versehen und ein Geschehen, welches durch Personenverzeichnis und Nachwort bestens abgerundet wird – so kann dem Vergessen auf breiter Basis entgegengewirkt werden. Ich empfehle „Die Vikarin“ gerne weiter.

Bewertung vom 28.06.2024
Im Tal
Goerz, Tommie

Im Tal


ausgezeichnet

Gefangen

Ein einsames Tal, ein einsamer Mensch, gefangen in sich selbst. 1897 geboren, dem Leben ausgesetzt, hängt er einundsiebzig Jahre später vornübergesunken an seinem Küchentisch und wird so von einem Wanderer gefunden. Herzstillstand, sagt der Arzt, der war immer schon ein unnahbarer, verschrobener Kauz, sagen die Leut‘. Wie es wirklich in ihm ausgesehen hat, weiß – vielleicht – der liebe Gott, oder nicht einmal der.

Mit dem Tod von Toni Rossner beginnt diese Geschichte, mit seinem Tod endet sie, dazwischen liegt ein langer Weg voll Einsamkeit und Sehnsucht. „Im Tal“ heißt seine abgeschiedene Heimat, Prügel seine Kindheit, Krieg, Arbeit und wieder Krieg sein Dasein, Leben kann man es kaum nennen. Treffende Worte findet Tommie Goerz, um all das Leid, all die Suche zu beschreiben, welche den Toni stets begleitet, bisweilen auch übermannt. Was muss vorgegangen sein in diesem Kind, in diesem Mann, dessen Schicksal man sich kaum vorstellen kann? Kurze Kapitel, Blicke auf das Wesentliche, Nebel über den Rest. Knappe Sätze, die dennoch so viel aussagen, so viele Bilder zeichnen, so viele Emotionen schüren. Und dann noch Überraschungen am Ende, wo die Betroffenheit ohnehin schon höher ist als man zu ertragen vermag.

Tommie Goerz‘ hervorragender Schreibstil lässt Toni Rossners Geschichte trotz aller Tristesse lebendig werden, den Leser mitfühlen, trauern, wütend werden – und noch lange daran denken an dieses schmale, unscheinbare Büchlein, das über die Maßen hinaus zu bewegen vermag. Ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.06.2024
Der Gaukler (eBook, ePUB)
Hector, Wolf

Der Gaukler (eBook, ePUB)


sehr gut

Die Welt der Schausteller

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, unterschiedliche Religionsbekenntnisse sind wohl nicht der einzige Grund. Während Susanna im Betrieb des Vaters fleißig mithilft, geht Hannes auf Wanderschaft als Zimmermann. Der Dreißigjährige Krieg bringt die beiden Liebenden letztendlich ganz auseinander, als Susanna aus ihrem Dorf fliehen muss und Hannes sich als Landsknecht verdingt und bald totgesagt wird. Susannas Leben geht weiter, sie schließt sich einer Gauklertruppe an.

Imposant präsentiert sich dieses Werk rund um die Schaustellerei im 17. Jahrhundert, welche sich aus dem Tun von Gauklern, Hanswurstdarstellern und Zahnbrechern entwickelt hat. Bestens recherchiert und anschaulich verflochten mit Szenen aus Shakespeares Stücken wird (nicht nur) dieser Teil des Buches überaus lebendig. Weitere Handlungsstränge betreffen die unterschiedlichen Wege von Susanna und Hannes, sowie Kriegslist und Strategien einzelner Generäle im Dreißigjährigen Krieg. Kein Bereich kommt zu kurz, detaillierte Schilderungen und interessante Einzelheiten zu unterschiedlichsten Themen lassen die Begeisterung des Autors zwischen den Zeilen spüren, manchem Leser wird es allerdings da und dort vielleicht ein wenig zu viel und ein bisschen zu langatmig werden. Historische Fakten treffen auf fiktive, sehr anschaulich charakterisierte Figuren, eine ganze Menge an geschichtlichem Wissen wird gekonnt verknüpft mit menschlichen Schicksalen. Anfangs etwas verwirrend durch die verschiedenen Handlungsstränge und die große Zahl an Namen (Gaukler, Bischöfe, Kriegsherren,…), kristallisiert sich jedoch bald ein großes Ganzes heraus, das den Leser umfassend unterhält.

Fazit: nichts für schnelles Zwischendurch, dafür umso lohnender, wenn man sich auf eine imposante Geschichte mit Geschichte einlässt.

Bewertung vom 28.06.2024
Unter Schwestern
Edenberg, Sophie

Unter Schwestern


ausgezeichnet

Zwillinge

Die Zwillingsschwestern Amelie (Lilly) und Franziska (Zissy) sehen einander so ähnlich, dass niemand außer ihrer Mutter sie auseinanderhalten kann. So nutzen die beiden diese Tatsache, um Lehrer bei Tests oder Freunde auf Partys hinters Licht zu führen, indem sie sich als die jeweils andere Schwester ausgeben. Als die erwachsene Amelie Probleme hat und einige Tage Auszeit aus ihrem Familienleben braucht, bittet sie Franziska abermals um einen spontanen Rollentausch. Der jedoch entpuppt sich zu einem Alptraum ohne Ende.

Franziska, Amelie und alle weiteren Figuren, die in dieser phantastischen Geschichte zu Wort kommen, erzählen in der Ich-Form, was besonders bei den Zwillingsschwestern immer wieder zu (erwünschter) Verwirrung beim Leser führt. Man wird im Laufe der Kapitel natürlich erkennen, was sich Sophie Edenberg dabei gedacht hat. Raffiniert führt die Autorin durch die Handlung, welche anfangs schwer greifbar ist, sich aber immer weiter zu einem hervorragenden Spiel von Überraschungen und Intrigen entwickelt. Ein fesselnder Schreibstil, vage Andeutungen und verstrickte Beziehungen unter den Figuren sorgen für Abwechslung und Kurzweil. Die knappen Kapitel und die raschen Änderungen des Blickwinkels präsentieren immer wieder neue Informationen und Erkenntnisse, kaum glaubt man, eine gute Idee zu haben, darf man diese auch schon wieder verwerfen. Auch wenn ich früh einen richtigen Verdacht gehegt habe, so haben mich der weitere Verlauf der Handlung und insbesondere das Ende dieses klug aufgebauten Thrillers doch noch mehrfach überraschen können. Bravo!

Ein absolut faszinierendes Szenario, das perfekt durchdacht ist und den Leser von Anfang bis zum Ende in Atem hält. Ich spreche aus Überzeugung eine Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 28.06.2024
Die Komponistin von Köln
Meves, Hanka

Die Komponistin von Köln


gut

Maria Herz - eine Romanbiografie

Maria und Franziska, zwei jüdische Freundinnen, wachsen im ausklingenden 19. Jahrhundert in Köln auf. Anders als ihre Brüder stehen ihnen nicht alle Möglichkeiten offen, Heiraten und Kinder Aufziehen ist immer noch der Weg einer Frau, auch wenn sie Künstlerin (im Falle von Maria Pianistin und Komponistin) werden will.

Sorgfältig recherchiert zeichnet Hanka Meves ein Portrait von Maria Herz, geborene Bing, im Roman liebevoll Mariechen genannt, und bedient sich der künstlerischen Freiheit, ihr eine fiktive Freundin, Franzi, zur Seite zu stellen, welche aus ihrer persönlichen Sicht in der Ich-Form erzählt. Die Geschichte beginnt im Schulalter von Mariechen und Franzi, zwei Mädchen, die als große Gemeinsamkeit die Leidenschaft für Musik und Klavierspiel teilen und dauert an bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Meves ist beeindruckt von Marias Energie (siehe Nachwort), welche einen Teil ihres Lebens in England verbringt, vier Kinder großzieht und wie nebenbei sich noch dem Klavierspiel widmet und beginnt, eigene Melodien zu kreieren, später sogar Texte zeitgenössischer Dichter zu vertonen. Leider springt diese Begeisterung der Autorin nicht auf mich über beim Lesen, Schicksalsschläge werden überwiegend emotionsfrei abgehandelt, kaum sieht man genauer auf eine Szene, wird der Vorhang auch schon wieder geschlossen und ein neuer Schauplatz eröffnet, als ob es um einen Wettbewerb ginge, möglichst viele Themen anzureißen (Frauenrechte, Cholera, Antisemitismus, Suffragetten, Tod, Krieg, Spanische Grippe, und noch vieles mehr). Nichtsdestotrotz ist der Einblick in das Leben einer wenig bekannten Künstlerin interessant zusammengefasst, sodass man Maria Herz ein wenig näherkommen kann.

Nicht ganz das, was ich mir vom Klappentext erwartet habe – drei Sterne.

Bewertung vom 27.06.2024
Dunkler Abgrund (eBook, ePUB)
Lillegraven, Ruth

Dunkler Abgrund (eBook, ePUB)


gut

Die Justizministerin

Frisch zur Justizministerin gekürt, geht Clara Lofthus ganz in ihrem neuen Aufgabengebiet auf. Ihre Kinder jedoch, die achtjährigen Zwillinge Andreas und Nikolai, passen irgendwie nicht in ihren Tagesablauf als Witwe und somit Alleinerziehende. Als die beiden spurlos verschwinden und nur ein Drohbrief im Haus liegt, will Clara ohne Hilfe der Polizei auf die Suche gehen, lediglich ihren Chauffeur Stian weiht sie ein.

Mit einem spannenden Prolog rund um die beiden Buben beginnt dieser Thriller, dann verliert sich die Handlung leider ein wenig im Politikeralltag von Clara und bringt im Laufe der Handlung Details über die Ministerin ans Licht, welche zwar an Teil Eins erinnern, aber hier ohne Kenntnisse der Vorgeschichte nicht ganz glaubwürdig beim Leser ankommen. Überhaupt bleibt Clara als Hauptfigur recht distanziert, was natürlich auch an ihrem Charakter liegt, aber etwas mehr an Emotionen wäre schön gewesen. Andererseits überrascht Lillegraven mit Wendungen, die nicht vorhersehbar sind und fesselt dadurch bis zur letzten Seite. Angenehm im Lesefluss sind auch die kurzen Kapitel, welche jeweils unterschiedliche Perspektiven aufzeigen und somit einen umfassenden Einblick ins Geschehen bieten. Dass mehrere Personen in der Ich-Form erzählen, ist nicht weiter störend, da dies immer gut gekennzeichnet ist.

Trotz einiger Schwächen – wie es bei Mittelteilen von Trilogien öfter vorkommt – handelt es sich um ein interessantes Buch, das ich all jenen empfehle, welche auch „Tiefer Fjord“ schon gelesen haben.

Bewertung vom 27.06.2024
Hast du Zeit? (eBook, ePUB)
Winkelmann, Andreas

Hast du Zeit? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Rasant

Menschen verschwinden, Erwachsene dürfen das, sie müssen sich nicht bei Verwandten oder Freunden „abmelden“. Sofern keine Gefahr in Verzug ist, geht die Polizei den Vermisstenmeldungen auch nicht übermäßig engagiert nach, es gibt wichtigere Delikte und Mangel an Personal.

Das Buch beginnt – sehr passend und atmosphärenreich – in einem Bestattungsinstitut. Ohne langes Vorgeplänkel wird der Leser einfach mitten ins Geschehen geworfen und ist ebenso ahnungslos, worum es geht, wie die Person, welche anfangs die Hauptfigur spielt. Unterschiedliche weitere Handlungsstränge werden in den folgenden Kapiteln eröffnet, der Zusammenhang ergibt sich erst im Laufe der Zeit. Das Tempo ist durchwegs hoch, die einzelnen Szenen spannend. Unterschwellig schwingt stets eine gewisse Beklemmung mit, welche Andreas Winkelmann gekonnt durch seinen flotten Schreibstil kreiert. Rasant geht es von einem Schauplatz zum nächsten, von einer wesentlichen Figur zur anderen. Was wie lauter Einzelteile wirkt, wird aber schlussendlich logisch und verständlich zusammengeführt, das ungewöhnliche Motiv bündelt alle losen Fäden zu einem passenden Ende. Unter den Figuren tut sich speziell Lars Erik Grotheer hervor mit seinem Jemand, der die Handlung perfekt abrundet.

Nicht allzu brutal, dafür mit steter Spannung, die einen nicht loslassen lässt – so empfinde ich diesen neuen Thriller von Winkelmann. Nach ausgezeichneten Lesestunden kann ich dieses Buch nur weiterempfehlen.