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Benutzername: 
Sikal
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2022
In der Schlinge des Hasses
Dutzler, Herbert

In der Schlinge des Hasses


ausgezeichnet

Der Hass wächst mit
Leopold findet sich nach langem Suchen in einer schlagenden Burschenschaft endlich aufgehoben. Nach längerer Zeit in der Gruppe rechter und ultrarechter Kommilitonen muss er allerdings feststellen, dass er andere Vorstellungen mit der Gruppe verbindet. Während die meisten nur reden wie man agieren sollte um die Ausländer, die ihrer Meinung nach auf Kosten der Österreicher leben und teilweise sogar auf deren Kosten reich werden, los zu werden, will Leopold handeln.

Als er von den Mitgliedern einer weiteren rechten Gruppierung angesprochen und rekrutiert wird, beginnt sich das Leben von Leopold zu ändern – wie er denkt zu seinem Vorteil.
Nun fasst er den endgültigen Entschluss zu handeln – dem Treiben der Ausländer ein Ende zu setzen und an einem Besitzer eines Kebab-Standes ein Exempel zu statuieren.

Der Autor Herbert Dutzler wird den meisten Lesern im Zusammenhang mit den Kultromanen rund um den tollpatschigen Polizisten Gasperlmaier bekannt sein. In diesem Werk zeigt der Autor aber ein vollkommen anderes Gesicht. Er lädt seine Leser ein, sich in den Kopf eines von Hass durchdrungenen Rechtsradikalen zu begeben.

Herbert Dutzler gelingt es, in diesem ausgesprochen spannenden und faszinierendem Werk, seinen Lesern die Gedankenwelt von Leopold nahe zu bringen – ja, ihn sogar so weit zu bringen, sich mit dem Protagonisten zu authentifizieren. In mehreren Szenen wird das Leben und Aufwachsen Leopolds durch verschiedene Stationen beschrieben. Schnell zeigt sich, warum und vor allem wie er zu der Person geworden ist, in deren Kopf wir uns begeben.

Nach der Lektüre bleibt man als Leser teilweise verstört zurück – hat man wirklich bis zu einem gewissen Grad mit einem Mörder mitgefühlt? Man ertappt sich als Leser sogar dabei die Handlungen Leopolds zu verstehen…
Herbert Dutzler gelingt es, einen Mörder in unseren Köpfen zu platzieren und zum Leben zu erwecken. 5 Sterne

Bewertung vom 01.10.2022
Das Innere des Landes
Marchner, Günther

Das Innere des Landes


sehr gut

Auf der Suche nach den Wurzeln

John macht sich auf den Weg von Amerika ins Ausseer-Land, um eine Erbschaftsangelegenheit zu regeln. Er hat das Haus seiner Großmutter geerbt und möchte dieses verkaufen, denn in die alte Heimat seiner Großeltern wird er niemals mehr zurückkehren. Doch auch seine zerbrechende Ehe machen es ihm leicht, nach Österreich zu reisen und die Probleme mal wegzupacken.

John muss lernen, dass die Menschen im Ausseerland ein ganz eigener Schlag sind. Er trifft auf die unterschiedlichsten Charaktere, sei es die Journalistin Sarah, mit der John das Geheimnis rund um das Haus und seine Großmutter lüften möchte. Aber auch ein Immobilienhai sowie eine freundliche Nachbarin treffen auf John und bieten die eine oder andere Herausforderung.

Letztendlich ist John überrascht von der Lösung des Rätsels rund um seine Familie und scheint seine Wurzeln gefunden zu haben.

Der Autor Günther Marchner hat einen sehr nachdenklichen Roman übers Ankommen geschrieben. Der Schreibstil ist sehr ruhig und zum Teil beinahe philosophisch. Schön finde ich die Wandlung Johns, der letztendlich bodenständiger ist als er selbst von sich angenommen hat.

Das Thema der Immobilienspekulation ist seit vielen Jahren sehr explosiv. Man kann dazu stehen wie man möchte, aber was da alles am Gesetz vorbei spaziert, ist einfach nicht in Ordnung. Denn ganz sollte man nicht auf die Bedürfnisse der Einheimischen vergessen.
Ein lesenswerter Roman über ein brisantes Thema. 4 Sterne

Bewertung vom 29.09.2022
Und immer wieder aufbrechen
Msimang, Sisonke

Und immer wieder aufbrechen


ausgezeichnet

Was bedeutet Heimat

Sisonke Msimang wird als Tochter eines Freiheitskämpfers geboren und wächst im Exil auf. Es scheint, sie ist überall auf der Welt zu Hause ohne jemals in Südafrika – in ihrer eigentlichen Heimat – zu leben. Erst als junge Erwachsene betritt sie zum ersten südafrikanischen Boden. Doch was ist das für ein Land, das sie bis jetzt nur in ihren Träumen kannte? Als Nelson Mandela zum Präsidenten gewählt wurde, scheint Frieden einzuziehen und die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß ad acta gelegt werden. Doch wie man mittlerweile weiß, sind Freiheit und Gleichberechtigung zwar ein kostbares Gut aber nicht sonderlich stabil.

„Und immer wieder Aufbrechen“ ist die Autobiografie von Sisonke Msimang und sie schafft es, mit einer wunderbaren Erzählweise uns an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Das Thema ist schwierig und berührt oder schockiert auch zum Teil. Frauenfeindlichkeit, Missbrauch, Apartheit – um nur einige Themen zu nennen. Während man dem Leben der Autorin folgt, ihren Werdegang, ihren persönlichen Kampf gegen Rassismus oder ihren Weg zur Emanzipation, liest man über den politischen Kontext sowie über die gesellschaftlichen Strukturen Südafrikas.

Spannend finde ich die Suche nach der wahren Heimat. Während sie ihren Wohnort sehr oft wechselt, steht die Suche nach den Wurzeln im Vordergrund. Dabei wird sie begleitet von Familie und Freunden, die ihrerseits selbstbewusst ihren Weg gehen.

Die Autorin überrollt uns förmlich mit einer großartigen Fabulierkunst, was mich nicht mehr losgelassen hat. Mittlerweile habe ich Teile der Biografie schon ein zweites Mal gelesen und ich bin nach wie vor begeistert wie überzeugend die Figuren beschrieben wurden – beinahe wie bei einem Roman.

Ein überzeugendes, sehr persönliches Buch, das sich auf jeden Fall 5 Sterne verdient

Bewertung vom 29.09.2022
Couchgeflüster
Soyel, Leonie-Rachel;Edhofer, Sinah

Couchgeflüster


sehr gut

Couchgeflüster, was sonst

Die beiden Autorinnen Sinah Edhofer und Leonie-Rachel Soyel betreiben den gleichlautenden Blog „Couchgeflüster“, der schon seit einiger Zeit sehr erfolgreich ist. Der erste Liebeskummer, das erste Zusammenziehen, dem ersten Job oder was auch sonst noch die Welt zum Erwachenenleben turbulent gestaltet.

Genauso unterhaltsam wie die Themen in den Podcasts, werden diverse Themen auch hier geboten. Die einzelnen Kapitel sind geclustert in:
Das erste Mal …
Life Lessons
Es wird ernst
Lerne Loszulassen

Tipps für zwischenmenschliche Interaktionen, mit viel Empathie und Persönliches der beiden Autorinnen findet man in dem Buch. Das Buch punktet mit einem frischen Layout und vielen Fotos. Viele Fragen, die für junge Frauen Anfang 20 interessante Antworten aufzeigen, sind hier zu finden. 4 Sterne

Bewertung vom 26.09.2022
Wiener Hochzeitsmord
Ritter, Michael

Wiener Hochzeitsmord


sehr gut

Gefährliche Hochzeit

Wien, 1912: Als die Tochter von Kriminaloberinspektor Dr. Otto W. Fried heiratet, soll alles perfekt sein und so werden keine Kosten und Mühen gescheut und Pfarrer samt Stanislaus-Kostka-Kapelle organisiert. Die Gäste und das Brautpaar sind bereits beim Feiern im nahen Gasthaus als der Priester ermordet wird. Anfangs wird ein Raubmord vermutet weil eine wertvolle Petrus-Statue verschwunden ist. Doch nichts ist so wie man meint.

Otto Fried hat als Brautvater natürlich großes Interesse daran, das Verbrechen aufzuklären und stürzt sich mit Engagement in die Ermittlungen. Doch was soll dem Priester zum Verhängnis geworden sein? Scheint dieser doch ein tugendhafter Mensch gewesen zu sein – oder vielleicht ist doch nicht alles so wie es anfangs scheint.

Der Auftakt dieser Reihe hat mir sehr gut gefallen. Der Autor Michael Ritter schafft es, die Atmosphäre Wiens Anfang des 20. Jahrhunderts und vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wunderbar einzufangen. Man bangt mit dem Unschuldigen, der gleich als Täter parat steht und hofft, dass Fried mit Empathie und Menschenkenntnis sowie der gehörigen Portion Kriminalistik dem wahren Täter das Handwerk legt.

Zwischendurch eingestreute historische Fakten finde ich sehr bereichernd. Von mir gibt es für diesen Start auf jeden Fall 4 Sterne.

Bewertung vom 26.09.2022
Hexenloch
Lindenmeyer, Christoph

Hexenloch


gut

Zwischen Salzburg und München

Wie fühlt man sich in einer Villa, deren Fenster vergittert sind? Eingesperrt oder sicher? Neben dieser Villa begegnen wir einer Schauspielerin, deren beste Zeit vorbei ist und ihrem Mann, der sich zum Eigenbrötler entwickelt. Daneben gibt es noch einen Kunsthändler, der nicht sonderlich vertrauenserweckend scheint sowie ein Gemälde, um das sich alles zu drehen scheint.

Der Redakteur Al Wolff ist das Bindeglied zwischen all diesen einzelnen Sequenzen, der versucht hinter so manches Ereignis zu kommen und Schlüsse aus diversen Unterhaltungen zieht. Das ist jetzt nicht uninteressant, aber eben bei weitem kein Krimi. Denn – man möchte es nicht glauben – auch als eine Tote auftaucht, scheint sich immer noch alles um viele Kleinigkeiten zu drehen und der Mord wird eher nebensächlich behandelt.

Der Schreibstil Christoph Lindenmeyers ist ruhig, detailbehaftet und so taucht man gerne in beinahe philosophische Gedankenspielereien. Was aber meiner Meinung nach so ganz und gar nicht passt, ist dieser Mordfall, der sowieso nicht im Zentrum der Handlung steht.

Die Stimmung ist düster und man merkt die Jahre der Pandemie – depressiv, trübsinnig. Am Ende bin ich etwas ratlos und zwiegespalten. 3 Sterne

Bewertung vom 28.08.2022
Auftritt der Frauen

Auftritt der Frauen


ausgezeichnet

Künstlerinnen, von denen man endlich etwas wissen will …

… denn „man will ja überhaupt von den gottverfluchten Malweibern nichts wissen“. Wir dürfen heute froh sein, in einer Zeit zu leben, wo bildende Künstlerinnen auch eine Chance erhalten und beachtet werden. Die hier vorgestellten Künstlerinnen bzw. Kunstwerke kann man bis Ende Oktober im Linzer Museum Nordico betrachten. Was diese Frauen vor allem auszeichnet ist Mut, den künstlerischen Weg zu gehen.

Ein großer Teil des Buches ist der Künstlerin Agathe Schwabenau gewidmet, die eine Malschule gründete und eine Wegbereiterin und ein Vorbild für Frauen in der Kunst darstellt. Neben der Lebensgeschichte von Agathe Schwabenau erfahren wir auch einiges über die Kunststadt Linz. Viele Fotografien geben einen guten Einblick in das Können der „Malweiber“ und Künstlerinnenbiografien finden sich noch im Anschluss.

Das Buch, erschienen im Verlag Anton Pustet, finde ich qualitativ hochwertig gestaltet mit Leineneinband und Lesebändchen.

Ein tolles Geschenk – vielleicht mit einem Besuch der Ausstellung im Linzer Nordico, wo man bis Oktober noch den Künstlerinnen folgen kann. 5 Sterne

Bewertung vom 18.08.2022
Donaumelodien - Leichenschmaus
Zach, Bastian

Donaumelodien - Leichenschmaus


ausgezeichnet

Historischer Wien-Krimi

Wien 1876: Mittlerweile sind Geisterfotograf Hieronymus Holstein und der bucklige Franz bereits zum dritten Mal auf Mörderjagd. Immerhin wurde vor dem Stephansdom ein grausam zugerichteter Toter gefunden und Polizeipräsident Marx vertraut auf die Fähigkeiten der beiden Freunde – beinahe mehr als auf seine eigene Mannschaft könnte man meinen. Als ein weiterer Mord begangen wird (wieder auf diese grausame Weise) werden Gerüchte über Vampire, Wiedergänger und Untote immer lauter. Doch wie passt alles zusammen? Hieronymus und Franz tappen dieses Mal lange Zeit im Dunkeln und finden nur langsam die einzelnen Teilchen zusammen. Wie auch in den Vorgängerbänden geraten die beiden auch selbst in Gefahr …

Wieder dürfen wir mit dem Autor Bastian Zach ins Wien des Kaiserreichs eintauchen. Während wir einerseits auf Bällen dem Getümmel folgen, treffen wir andererseits auch auf die Ärmsten der Armen, die nicht wissen wie sie ihre Familie ernähren sollen. Immer wieder interessant bei dieser Reihe finde ich die Polizeiarbeit, die oftmals vom Zufall geleitet wird.

Schön finde ich, wie sich Hieronymus und Franz um die Kinder von Anezka kümmern und sogar zu Nikolaus und Weihnachten Überraschungen parat haben. Doch Anezka hat auch einen emotionalen Kampf mit sich selbst auszustehen …

Mit einigen Verzweigungen findet man letztendlich doch noch den Täter und so endet dieser Krimi mit einem spannenden Showdown – nicht nur wegen der Auflösung des Falles, denn Hieronymus hat ja auch privat noch einiges zu klären.

Auf jeden Fall bleibt für den Folgeband bestimmt noch genügend Stoff übrig und man darf sich schon jetzt darauf freuen. 5 Sterne.

Bewertung vom 17.08.2022
Die Kunst der Freude
Sapienza, Goliarda

Die Kunst der Freude


sehr gut

Eine starke Persönlichkeit
Die Autorin Goliarda Sapienza hat mit Modesta eine ungewöhnliche Frauenfigur geschaffen. In ärmlichen Verhältnissen in Sizilien aufgewachsen, wird sie in ein Kloster gebracht nachdem ihre Mutter und Schwester tot sind. Doch Modesta selbst hat die beiden umgebracht. Ohne Rücksicht auf Verluste geht sie ihren Weg, ist zielstrebig und hat auch die Entschlossenheit über Leichen zu gehen, wenn es denn sein muss.
Modesta ist ehrgeizig und drängt nach Freiheit und einer gewissen gesellschaftlichen Stellung. Diese erlangt sie, als sie in eine adelige Familie einheiratet und somit als Fürstin ihr Leben bestreitet.
Wir begleiten Modeste durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und erleben den Aufstieg der Faschisten und Mussolinis Erfolge. Doch diese politische Richtung befürwortet Modestas modernen Lebenswandel nicht und so muss sie letztendlich ins Gefängnis.
Dies hat sie mit der Autorin gemein, denn auch Goliarda Sapienza musste während der Arbeit an diesem Roman ins Gefängnis. Sie gibt ihren Job auf, um Schreiben zu können und findet jahrelang keinen Verlag. Verzweifelt bestiehlt sie eine Freundin und kommt für einige Monate nach Rebibbia. Ihre Erlebnisse hat sie in „Tage in Rebibbia“ verarbeitet.
Der Hauptcharakter Modesta ist nicht unbedingt ein Sympathieträger, so muss man während des Lesens mehrmals die Seiten wechseln. Einerseits hat sie eine soziale Ader, andererseits ist sie bei der Partnerwahl nicht besonders wählerisch und geht dabei rücksichtslos ihren Weg.
Eine ungewöhnliche, moderne Frau, die mit Durchsetzungskraft und einer gehörigen Portion Egozentrik ihren Weg geht. 4 Sterne.

Bewertung vom 02.08.2022
Rotkäppchen rettet den Wolf
Piuk, Petra

Rotkäppchen rettet den Wolf


ausgezeichnet

Kinder für aktuelle Themen begeistern

Die Idee zu diesem Nicht-Märchen finde ich großartig, denn ganz ehrlich: Die wenigsten Märchen von früher werden von den Kleinen heute begeistert verschlungen. Doch hier haben Handy und Demos Einzug gehalten, Themen, die den Alltag unserer Kinder begleiten. Warum sollen diese dann nicht in ein Kinderbuch Einzug halten?

Der Ursprung der Geschichte ist ähnlich dem Original, denn auch hier soll das Mädchen der Großmutter Kuchen bringen. Doch dieses Rotkäppchen ist aufgeschlossen und couragiert, will sich nicht von den Erwachsenen etwas einreden lassen sondern denkt selber und beginnt die Geschichte immer wieder in eine neue Richtung zu lenken. Das ist auch die Grundaussage des Buches: Niemand muss sich gedankenlos beeinflussen lassen sondern jeder darf sich selbst Gedanken zu unterschiedlichen Themen (in dem Fall Umweltschutz und Tierschutz) machen und kann auch einiges tun.

Toll finde ich, dass das Buch zu einigen Aktivitäten einlädt. Beispielsweise gibt es ein Kuchenrezept von Rotkäppchens Mama zum Nachbacken oder auch ein Quiz sowie einen Steckbrief.

Die Texte von Petra Piuk ergänzen sich perfekt mit den Illustrationen von Gemma Palacio. Ohne allzu viele Details sind die Zeichnungen auf das Wesentliche reduziert.

Eine moderne Umsetzung eines Märchens, die ich sehr gerne weiterempfehle. 5 Sterne