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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 567 Bewertungen
Bewertung vom 09.11.2023
So dunkel die Nacht
Clark, Mary Higgins;Burke, Alafair

So dunkel die Nacht


ausgezeichnet

Melissa Eldredge und ihr Bruder Mike haben in ihrer Kindheit ein traumatisches Erlebnis gehabt; entführt und missbraucht sind beide nur knapp mit dem Leben davongekommen. Als kurz nach Melissas Hochzeit mit Charlie Miller dessen kleine Tochter Riley spurlos verschwindet, ist das Entsetzen groß, denn es häufen sich die Parallelen. Als die Polizei sich dann augenscheinlich auf die falsche Person als Täter eingeschossen hat, müssen Melissa und ihre Familie sich ihrer Vergangenheit stellen.

Das Schicksal der Familie Eldredge hat Mary Higgins Clark (1927-2020) bereits vor Jahrzehnten (ET der Originalausgabe ist das Jahr 1975!) in ihrem Buch mit dem Titel Wintersturm beschrieben; da im vorliegenden Buch der Fall zur Sprache kommt inklusive der dazugehörigen Lösung, sollte klar sein, dass dies nicht ohne Spoiler ablaufen kann. Die Ereignisse von damals werden hier so ausführlich behandelt, dass es nicht nötig ist, das erwähnte Buch zu lesen, um die vorliegende Geschichte zu verstehen. Wer es trotzdem möchte, sollte dies aber unbedingt vorher tun.

Vorab möchte ich anmerken, dass die Autorin Mary Higgins Clark bereits vor dem vorliegenden Buch verstorben ist und selbst nicht mehr daran beteiligt war. Die Zusammenarbeit war allerdings in den Jahren davor so erfolgreich, dass Alafair Burke weiterhin unter beider Namen schreibt und dies tut sie, wie ich anführen möchte, großartig.

Wie immer gibt es im Buch verschiedene Sichtweisen, auch von Personen, die auf den ersten Blick nichts mit dem Geschehen zu tun haben. Dies hört sich verwirrend an, ist es aber nicht, denn es steigert im Gegenteil die Spannung. Nach einer kurzen Einführung, springt die Geschichte immer ein wenig vor, bis wir zu dem im Klappentext erwähnten Ereignis kommen, als Melissas Stieftochter verschwindet. Warum im Klappentext und auch im Innenteil steht, dass dies vor der Hochzeit geschieht, kann ich nicht nachvollziehen, denn geheiratet wurde definitiv davor.

Die Spannung baute sich immer mehr auf, Dinge kamen ans Licht, die der Story eine andere, eine verstörende Wendung gaben. Als weitere Erkenntnisse gewonnen wurden, konnte ich es kaum glauben, denn plötzlich ergab sich ein Szenario, das meine Vermutungen (und ich hatte einige) nicht nur nicht bestätigte, sondern weiteren Verdächtigungen Nahrung gab. Als ich sicher war, zu wissen, wie es ausgehen wird, überraschte mich die Auflösung erneut. Ich mochte es sehr, wie ich in die Irre geführt wurde, denn langweilig wurde es so natürlich nicht. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.11.2023
Frau Komachi empfiehlt ein Buch
Aoyama, Michiko

Frau Komachi empfiehlt ein Buch


gut

Das Buch beinhaltet fünf Geschichten, fünf vollkommen unterschiedliche Schicksale, die sich nur am Rande überschneiden, wenn Nebenfiguren plötzlich erneut auftauchen und eine besondere Rolle spielen. Allen Geschichten gemeinsam ist aber vorrangig die Bibliothekarin Sayuri Komachi, die es mit ihrer Frage „Wonach suchen Sie“ schafft, die vor ihr stehenden Personen förmlich zu bannen. Die Menschen, die vor ihr stehen, sind auf der Suche; nach dem Sinn, nach dem Inhalt, nach einer Freude in ihrem Leben.

Da ist einundzwanzigjährige Verkäuferin Tomoka, die alles aufregend und cool in Tokio findet, aber merkt, dass sie unzufrieden und unglücklich ist. Oder die vierzigjährige Natsumi, die Mutter geworden ist und seitdem versucht, Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen, wobei sie regelmäßig scheitert. Frau Komachi empfiehlt ihnen allen ein besonderes Buch, mit dem sie zuerst nichts anfangen können, das aber überraschende Auswirkungen auf ihr weiteres Dasein hat.

Lebensweisheiten, Sinnsprüche, Lebenshilfen und kleine Anregungen, wie und was man anders machen kann. Durch andere Denkweisen ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten, neue Wege entstehen und Krisen werden gemeistert. Die typisch japanische Denkweise wird hier ebenso berücksichtigt, wie die Mahnung, dass zusammen und gemeinsam alles besser geht. Es ist insgesamt alles sehr simpel; Problem gefunden, Lösung anvisiert und letztendlich wird alles gut. Nicht das schlechteste Konzept in der heutigen Zeit, das mir manchmal etwas zu glatt war. Dennoch fand ich die Geschichten interessant, fand mich gut unterhalten. Von mir gibt es drei Sterne und eine Leseempfehlung. Ein schönes Buch für angenehme Lesestunden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2023
Die Dauer der Liebe
Gruber, Sabine

Die Dauer der Liebe


sehr gut

Was bleibt, wenn der geliebte Mensch geht? Diese Frage muss sich die Übersetzerin Renata Spaziani stellen, als ihr eines Morgens ein Polizist die Nachricht überbringt, dass ihr Lebensgefährte Konrad Grasmann auf einem Parkplatz gestorben ist. Gestern bereits, informiert wurde jedoch nur die Familie, denn Renata und Konrad waren zwar fünfundzwanzig Jahre zusammen, aber nicht verheiratet. Konrads Familie hat Renata nie akzeptiert, ein rechtsgültiges Testament fehlt und so muss Renata zusehen, wie ihr nach und nach alles genommen wird.

„Wenn ich vor dir tot sein sollte, werde ich aus Sehnsucht nach dir im Jenseits noch einmal sterben. Konrad hat Renata viele solcher Sätze ins Ohr geflüstert. Was Konrad nicht ahnen konnte: dass auch die Sehnsucht der Überlebenden lebensgefährlich ist.“ (Seite 34)

Das abrupte Ende einer großen Liebe ist schlimm genug, wenn dazu aber noch eine herzlose und geldgierige Verwandtschaft des Partners die Trauer stört, ist das an Grausamkeit nicht zu überbieten. Renata ist wie paralysiert, sie realisiert anfangs nicht, worauf die plötzliche Zuwendung eines Familienmitgliedes Konrads hinausläuft. Ich konnte fast nicht mitansehen, was da passierte, meine Gefühle schwankten zwischen Mitgefühl, Zorn und Wut. Immer wieder fragte ich mich, ob ich genauso entscheiden, oder anders reagieren würde, aber solche Fragen können nur rein hypothetischer Natur sein, denn eine solche Situation ist so persönlich und intim, dass es keine allgemeine Antwort darauf gibt. Und das ist auch gut so.

Zu Beginn habe ich ein wenig gebraucht, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen, Gedanken und Erinnerungen kreuzten die Gegenwart, Vergangenes und Gegenwärtiges vermischte sich und es kam ziemlich viel Unruhe rein. Diese Erzählweise passte jedoch zur Situation, was mir half, mich darauf einzulassen, und bald fiel es mir gar nicht mehr auf. Der Fokus liegt überwiegend auf Konrad; seinen Werdegang, seine Karriere und die Liebe zur Kunst. Neben der Trauer nahmen die kulturellen Ausschweifungen einen großen Raum ein und dies ist für mich auch der einzige Kritikpunkt, der in der zweiten Hälfte des Buches meiner Begeisterung einen kleinen Dämpfer verpasst, das Lesevergnügen insgesamt aber nur etwas geschmälert hat.

Ein wunderbares Buch, viele Zitate habe ich markiert und las sie erneut; so schön fand ich sie. Feinfühlig und empfindsam, behutsam fast führte mich die Autorin durchs Buch. Dafür gibt es von mir vier Sterne und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2023
Wie Sterben geht
Pflüger, Andreas

Wie Sterben geht


ausgezeichnet

Im Winter 1983 soll auf der Glienicker Brücke der spektakulärste Austausch von Agenten stattfinden; der kriminelle und in den USA zum Tode verurteilte Sohn eines Politbüromitgliedes soll gegen einen ranghohen KGB-Offizier mit dem Decknamen Pilger ausgetauscht werden, dessen Identität nur die Agentin Nina Winter kennt. Vor drei Jahren war Nina beim BND tätig und mit der Auswertung von Spionage-Informationen betraut. Pilger wollte sie und nur sie als seine Führungsoffizierin in Russland haben. Die Ereignisse von damals enden 1983 in einem Inferno und Nina muss sich die Frage stellen, inwiefern sie durch ihre Handlungen Schuld daran trägt.

„Atemzüge meißelten Angst in ihre Brust.“ (Seite 349)

Wenn Andreas Pflüger ein Buch schreibt, ist dies ein großes Ereignis für mich. Seit Jahren verschlinge ich alles, was aus seiner Feder stammt und bekomme nicht genug davon. Nun also ein politischer Thriller mit dem Schwerpunkt Spionage und Gegenspionage zu Zeiten des Kalten Krieges, in dem der politische Anteil einen unerwartet großen Raum einnimmt, was mich überrascht hat. Natürlich sind mir die damaligen Ereignisse noch im Gedächtnis, allerdings eher nebulös, denn ich war noch jung und politisch eher uninteressiert. Einer Auffrischung war ich insofern nicht abgeneigt, allerdings kann ich nicht behaupten, dass ich alles richtig verstanden hätte. Wie nicht anders zu erwarten, hat Andreas Pflüger akribisch recherchiert und auch, wenn die historischen Fakten durchaus interessant waren, haben mich diese stellenweise fast erschlagen. Immer wieder musste ich selbst nachforschen, denn auch wenn mir die Abkürzungen BKA, BND, AA, KGB, CIA oder UdSSR geläufig waren, wie wahrscheinlich den meisten Leserinnen und Lesern, konnte ich mit VF, UpDK, OPPA, ZK, KPdSU, HVA, WDNCh herzlich wenig anfangen. Auch die vielen russischen Namen, Orte und sonstigen Bezeichnungen waren ungewohnt für mich; alles in allem war höchste Konzentration gefragt, um den Geschehnissen folgen zu können. Belohnt wurde ich durch den Werdegang von Nina sowie die Beziehung von Nina zu Pilger und weiteren Personen, die ebenfalls eine große Rolle spielten.

„Sie wollte immer ewig leben, aber nie unsterblich sein. Bis zu jener Nacht, in der sie geglaubt hatte, sie sei die Frau, um die sich die Erde drehte. Die über kochende Meere tanzte und sie zu Eis erstarren ließ. Weil ihr danach war.“ (Seite 9)

Sprachlich konnte der Autor mich wie immer begeistern, Sätze einer Poesie gleich, die mich markieren ließen, was das Zeug hält. Zusammen mit dem grandiosen Humor, ergab dies eine Mischung, die mich begeistert und zufrieden durch die Seiten fliegen ließ, in Erwartung eines Endes, dessen Ausgang lange ungewiss war. Meine Vorstellung und Hoffnung trieb mich an, atemlos verfolgte ich die Ereignisse, war auf Spannung, hielt die Luft an und hatte Angst vor dem, was kommt. Das Ende dann, das war meisterlich! Fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2023
Die Einladung
Fitzek, Sebastian

Die Einladung


ausgezeichnet

Marla bekommt eine Einladung zu einem Klassentreffen, das in einem einsam gelegenen Berghotel stattfinden soll. Dort angekommen muss sie feststellen, dass von den anderen Reisenden jede Spur fehlt. Während draußen ein Schneesturm tobt, wird ihr klar, dass hier ein perfides Spiel gespielt wird, dem sie nicht entkommen kann.

Zu Beginn war ich maximal verwirrt durch die Zeitangaben und die Sprünge, die das Buch machte; zuerst hatte ich eine ganz andere Story im Kopf und wurde angenehm überrascht, als ich merkte, wie sich die Geschichte entwickelt. Im Laufe der Erzählung machten die Zeitsprünge immer mehr Sinn, die entsprechende Auflösung war einfach nur genial. Lange Zeit war ich mir nicht sicher, ob Marla Täter, Opfer oder Mitläufer war, das Raten machte mir unglaublich viel Spaß. Ich habe eine Vermutung gehabt und war überzeugt davon, dass diese zutreffend sein würde; umso überraschender fand ich, dass diese richtig war, aber eigentlich auch nicht. Herrlich! Die folgenden Ereignisse hätten spannender nicht sein können, die vielen Wendungen gaben dem Psychothriller die richtige Würze, immer wieder gab es einen Cliffhanger am Ende eines Kapitels, der dazu führte, dass eine Pause nicht möglich war, denn ich musste wissen, wie es weitergeht. Immer wenn ich dachte, aufregender könnte es nicht werden, kam eine Komponente dazu und mein Mund stand offen, so verblüfft war ich.

Je näher das Ende kam, desto neugieriger war ich, was für eine Auflösung der Autor für mich bereithalten würde. Mit diesem Abschluss allerdings hätte ich im Leben nicht gerechnet; wie, zur Hölle, konnte das passieren und wieso ergibt das Ganze rückwirkend so unglaublich viel Sinn?! Dieser Abschluss war großartig, ein besseres Ende könnte ich mir nicht vorstellen, wobei Fitzek nicht Fitzek wäre, käme nicht noch ein Sahnehäubchen oben drauf, das mich endgültig an meinem Verstand zweifeln ließ. Fitzek in Bestform und sogar ein Logikfehler ändert nichts daran, dass dieser Psychothriller das beste Buch aus der Feder des Autors in den letzten Jahren gewesen ist. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung dazu. Wer dieses Buch nicht liest, ist selbst schuld!

16 von 18 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2023
Da bin ick nicht zuständig, Mausi
Conny from the block

Da bin ick nicht zuständig, Mausi


ausgezeichnet

Conny ist seit Jahrzehnten Beamtin im öffentlichen Dienst. Sie und ihre Kolleginnen kommen in diesem Buch zu Wort und das ist so ehrlich wie echt, was an Tragik nicht zu überbieten ist, wenn es nicht so unglaublich lustig wäre.

„Parallel zum brüllenden Gisela-Gesicht beobachte ich Doris dabei, wie sie sich die dritte Zigarette anmacht, heiter in die Kamera quatscht und sich dabei halbtot lacht. Ohne Ton. Dilara in Schockstarre, Ronja kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Herzlich willkommen auf dem Amt, liebe Videokonferenz, hier hat wirklich niemand auf dich gewartet.“ (Seite 14)

Ob Digitalisierung, Home Office, Videokonferenz oder die schier unglaubliche Papierflut; diese und viele andere Themen werden im Buch behandelt und ließen mich nicht nur einmal vor Lachen fast vom Sofa fallen. Dies alles in einem Berliner Dialekt, lustiger gehts nicht, das hatte wirklich Charme. Wer vom Buch nicht genug bekommt, schaut sich die Videos von Conny auf Social Media-Seiten an, einen größeren Angriff auf die Lachmuskeln bekommt ihr woanders nicht. Ich jedenfalls wurde bestens unterhalten und vergebe dafür gerne fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2023
Sekunden der Gnade
Lehane, Dennis

Sekunden der Gnade


ausgezeichnet

Es ist das Jahr 1974, es gibt Unruhen in Boston, nachdem Richter W. Arthur Garrity Jr. aufgrund einer Sammelklage entschieden hat, dass künftig schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden sollen und weiße Kinder in schwarze Schulen. Als die 17jährige Jules Fennessy nach einem Treffen mit ihren Freunden nicht nach Hause kommt, setzt ihre Mutter Mary Pat alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden. In ihrem irischen Viertel stößt Mary Pat auf eine Mauer des Schweigens und ist außer sich vor Schmerz, als ihr klar wird, dass Jules nicht mehr heimkommt. Sie macht sich auf, die Schuldigen zu finden, um sie zu bestrafen. Zu verlieren hat sie nichts mehr.

„Sie erinnert sich nicht an dieses Mädchen, aber sie spürt es noch in sich. Sie spürt seine Verblüffung und sein Entsetzen. Über den Lärm und die Wut. Den Zornessturm, der sie umtobte und im Kreis herumwirbelte, bis ihr so verdammt schwindlig davon war, dass sie für den Rest ihres Lebens lernen musste, darin zu laufen, ohne hinzufallen.“ (Seite 203)

Dennis Lehane war im Sommer des Jahres 1974 neun Jahre alt, als er mit seinem Vater mitten in die Unruhen geraten ist. Dieses Erlebnis war so erschreckend und angsteinflössend, dass er sich entschlossen hat, die geschichtlichen Fakten mit einer fiktiven Geschichte zu verbinden. Mir waren die historischen Fakten unvollständig bekannt, dieses Buch hat dazu beigetragen, dass ich mich mit dem Thema näher beschäftigt und einiges dazugelernt habe. Wer ebenfalls interessiert ist, mehr darüber zu erfahren, dem empfehle ich, sich das Urteil Morgan gegen Hennigan anzusehen und durchzulesen. Ergänzend verweise ich darauf, dass die damalige Sprache nicht zeitgemäß ist und das N-Wort durchgehend im Gebrauch, was der Story eine Authentizität verleiht, die ansonsten fehlen würde.

Die vorliegende Geschichte fing ganz harmlos an, es gab einen Vorfall, der zunächst von mir als nebensächlich eingestuft wurde, bis eine Wendung kam, die dazu führte, dass die geschilderten Ereignisse plötzlich mit im Vordergrund standen. Die raffinierte Verknüpfung erstaunte mich, gab der Erzählung ab da einen ganz anderen Sinn, als ich vermutet habe. So kam es, dass ich mich unerwarteterweise in einem irischen Krimi wiederfand, der vor Spannung platzte, bis es wieder einen Twist gab, der mich sprachlos machte.

„Einmal blickt er zur Seite, als sie ihn gerade mit einem verstohlenen Lächeln ansieht, und erwägt die Möglichkeit, dass das Gegenteil von Hass nicht Liebe ist. Sondern Hoffnung. Denn Hass braucht Jahre, um sich zu entwickeln, aber Hoffnung kann um die Ecke gefegt kommen, wenn man nicht mal hinsieht.“ (Seite 170)

Ich schwankte zwischen Mitleid, Verständnis und Zorn, fühlte mich machtlos, gefangen in der Spirale von Hass. Ich litt zusammen mit Mary Pat, hielt den ermittelnden Beamten die Daumen, weinte mit trauernden Eltern, schrie mit der Menge, erlebte die Gewalt und platzte vor Wut. Manchmal musste ich innehalten und das Buch zur Seite legen, zu groß waren meine Emotionen; sie überfluteten meinen Körper und Tränen verschleierten meinen Blick. Was für ein Drama, welch eine Tragödie, grandios in Worte gefasst, erzählerisch eine große Wucht. Dieses Buch wird mir lange im Gedächtnis bleiben! Ein Highlight für mich, das fünf Sterne mit Sternchen bekommt und eine Leseempfehlung dazu.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.10.2023
Wenn ich nicht mehr ich bin
de Vries, Franziska

Wenn ich nicht mehr ich bin


ausgezeichnet

Der Untertitel zum vorliegenden Buch lautet: „Ein Nachschlagewerk für alle, die wissen wollen, wer ich war“; womit wir mitten im Thema wären. Was passiert, wenn es uns aus Krankheits-, Alters- oder sonstigen Gründen nicht mehr möglich ist, uns mitzuteilen, unsere Gedanken und Wünsche zu äußern? Wenn andere Menschen für uns entscheiden oder sich um uns kümmern müssen. Woher wissen diese Personen, woher wir kommen, wer wir sind, was wir möchten und was nicht? Wohl dem, der von der Familie umsorgt wird, die im Regelfall zu seinen oder ihren Gunsten entscheidet und Rücksicht nimmt. Dieses Ausfüllbuch soll eine Hilfe sein, es bietet die Möglichkeit, mehr von sich zu erzählen, Fakten zu schaffen und dafür zu sorgen, dass unsere Wünsche respektiert und durchgesetzt werden sollen. Es gibt Platz für Fakten, Fotos, Anregungen, Gedanken und vieles mehr. Ein Buch zum selbst ausfüllen, ausfüllen lassen, behalten oder verschenken. Ein großartiges Werk! Volle Punktzahl gibt es dafür von mir.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.10.2023
Auf dem Nullmeridian
Lewis, Shady

Auf dem Nullmeridian


sehr gut

Der Ich-Erzähler ist ein ägyptischer Immigrant, allerdings kein Muslim, sondern ein koptischer Christ. Zehn Jahre ist seine eigene Flucht her, auf seiner Suche nach einem sicheren und besseren Leben landete er schließlich in London, wo er, mittlerweile eingebürgert, in der Wohnraumbehörde tätig ist, in einem für seinen hohen Anteil an Migranten bekannten Bezirk. Eine Tätigkeit, die an der Bürokratie verzweifelt, denn Sozialwohnungen, die man vermitteln könnte, existieren schlicht und ergreifend nicht. Eines Tages bittet ihn sein Onkel, das Begräbnis eines jungen Syrers zu organisieren, der nach seiner Flucht plötzlich und unerwartet in London verstarb.

Shady Lewis kam selbst 2006 als Einwanderer nach London und war mehr als zehn Jahre im sozialen Dienst der Stadtverwaltung tätig, hat also genug eigene Erfahrungen gemacht, um dieses Thema in seinem Buch aufgreifen zu können. Der namenlose Erzähler plaudert quasi aus dem Nähkästchen und dies tut er manchmal so beiläufig, dass man fast vergessen könnte, wie tragisch das Erzählte eigentlich ist. Das Leben der Geflüchteten ist schon schwer genug, diese Umstände gepaart mit der diesen Menschen gegenüber erfolgenden Willkür, dem stetigen Rassismus und der erfolglosen Suche nach einer Wohnung, sind stellenweise an Absurdität und Tragik kaum zu überbieten.

„Die erstaunliche Lektion, die ich in meinem damals sehr jungen Alter lernte, war die, dass uns Unrecht häufig dann weniger schlimm vorkommt, wenn wir erfahren, was das Motiv dafür war. Schlimm ist nur Unrecht, das man sich nicht erklären kann.“ (Seite 19)

Manchmal wurde mir die Erzählung zu phantastisch, Träume wechselten sich ab mit Situationen, die ich nur als surreal beschreiben kann. Darauf muss man sich als Leser einlassen können, ich jedenfalls habe dafür ein paar Seiten gebraucht. Hierbei gefiel mir besonders gut, dass die Gesellschaftskritik zwar offen, aber nicht aggressiv erfolgte; die Ironie vieler Ereignisse entging mir dabei nämlich nie. Ein interessanter Blick, der mir einiges aufzeigte, über das ich mir keine Gedanken gemacht habe, der mich gut unterhalten und manchmal sogar zum schmunzeln gebracht hat. Gerne vergebe ich vier Sterne und empfehle diesen Roman weiter.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2023
Kattekerwalden
Husmann, Sy

Kattekerwalden


sehr gut

Telja wohnt in Kattekerwalden, sie hat sich ein kleines Häuschen gekauft und lebt dort mit ihrem Hund und zwei Islandponys, von denen eines ihrer besten Freundin gehört. Im Paddock der Pferde finden die Freundinnen die Reste eines alten Skeletts und versuchen, auf eigene Faust herauszufinden, wie dieses dahingekommen sein könnte. Mit Hilfe von Nachbarn und Freunden kommt Telja einer Geschichte auf die Spur, die ihr mehr über Kattekerwalden der 1950er Jahre verrät, als sie zu hoffen gewagt hätte.

Das vorliegende Buch mit dem ungewöhnlichen Titel Kattekerwalden ist das Debüt von Sy Husmann, die unter einem Pseudonym schreibt. Ich habe eine interessante Geschichte erwartet, aber nicht, dass diese so spannend erzählt würde, dass man fast von einem Kriminalroman sprechen kann. Die gegenwärtige Erzählung wird unterbrochen durch Tagebucheinträge einer in den 1950ern lebenden jungen Frau, was dazu führt, dass die heutigen Ereignisse unter einem ganz anderen Licht erscheinen. Erst nach und nach ergibt sich ein Gesamtbild, kommen ungeheuerliche Umstände zutage, und ich bin gespannt, ob ich erfahre, was vor so langer Zeit geschehen ist. Hierbei finde ich die Tagebucheinträge aufregender, als die Geschehnisse in der Gegenwart; das Schicksal der jungen Frau berührt mich sehr.

Ich habe mitgefiebert und mitgeraten, habe Theorien entworfen und festgestellt, dass meine Vermutungen in die falsche Richtung gehen. Kurz war ich sicher, der Lösung nahegekommen zu sein, nur um feststellen zu müssen, dass alles anders war, als gedacht. Dies hat mir sehr viel Spaß gemacht und spannend war es auch. Es gab ein paar eigenartige Satzstellungen und der Fehlerteufel schlug ebenfalls ein paar Mal zu, aber alles in allem gab es keinen Grund zum meckern. Gerne vergebe ich vier Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.