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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 268 Bewertungen
Bewertung vom 17.01.2020
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Stockholm: Ende des 18. Jh.
„Schreckliches ist geschehen, doch es wird noch grausamer."

Rund ein Dreivierteljahr nach „1793" habe ich nun den Folgeband gelesen. Niklas Natt och Dag gelang es nach seinem hervorragenden Debüt, mit „1794“ eine weitere hochbrisante Geschichte zu erzählen. Hier wie da überzeugte mich der 40jährige Autor.

Nachdem Jean Michael Cardell (genannt Mickel) im Jahr zuvor durch die Ermittlungen zu dem männlichen Torso einer sinnvollen Tätigkeit nachging, ist er nun wieder ganz unten. Der einarmige Stadtknecht und Häscher hat resigniert bis zu dem Tag, als ihn eine Frau aufsucht. Sie wendet sich an ihn, da die Tochter in ihrer Hochzeitsnacht auf bestialischste Art und Weise ums Leben kam, angeblich von Wölfen so zugerichtet, die aber in der Gegend gar nicht heimisch sind. Von der Schuld des frisch angetrauten, jungen Ehemanns, der im Tollhaus sein Dasein fristet, ist sie in keinster Weise überzeugt. Und wieder geht ein Duo Cardell/Winge auf Spurensuche. Dieses Mal ist es nicht Cecil, der inzwischen der Tuberkulose erlag, sondern sein verstörter Bruder Emil Winge.
Stockholms knallharte, rücksichtslose Realität im Machtvakuum Schwedens geht weiter. Es herrschen anarchische Zustände in einer vor stinkendem Unrat strotzenden Stadt! Viele Menschen leben in unbeschreiblicher Armut, in unhygienischen Verhältnissen mit Ungeziefer aller Art. Krankheiten, Siechtum, Tod sind an der Tagesordnung, ebenso wie Trunksucht, Hurerei, rohe Gewalt bis hin zu Totschlag und Mord...

In vier Teilen folgen die Begebenheiten den Jahreszeiten, allerdings auch hier wieder wie im vorigen Band nicht in ihrer natürlichen Abfolge. In kurzen Kapiteln zeichnet Natt och Dag ein dichtes, kompakt erzähltes Sittengemälde, das mir ab und zu wegen der unvorstellbaren Grausamkeiten und der allgemein herrschenden, unmenschlichen und gesetzlosen Zustände den Atem raubte. Die Atmosphäre ist vorherrschend düster und zumeist äußerst brutal. Und trotzdem wirken die Szenarien und die Charaktere so realistisch, so greifbar. Die Geschichte der Anna Stina Knapp wird weitererzählt und bringt damit eine weibliche Note ins Bild samt der Rolle der Frau Ende des 18. Jahrhunderts. Nicht vorstellbar, was dieses junge Mädchen durchmacht.

[S. 95] „Der Mensch ist dazu gedacht, frei zu sein, und doch liegt er in Ketten, wo immer man hinsieht.“ Es sind Sätze wie dieser, ausgesprochen von einem Sklavenhalter, die mich immer mal wieder verwirrten. Am Ende sind sie bezeichnend für die abgrundtiefe Bosheit, Verdorbenheit, Unmenschlichkeit der betreffenden Person.

Zum Finale hin eskaliert es nochmal, obwohl das kaum möglich erschien. Der letzte Teil ist mit „Minotaurus“ untertitelt und ich meinte wirklich, dass ein Ungeheuer die bösartigen Taten auslöste. Die Menschen wurden zu seinem Opfer und verfielen zum Schluß der (vorläufigen) Orientierungslosigkeit. Ich bin nun sehr gespannt auf „1795“! Kann es noch grausamer werden?

Fazit:
Das Buch ließ sich hervorragend lesen. Der Sprachstil des Autors scheint durch die Übersetzerin Leena Flegler exzellent ins Deutsche übertragen worden zu sein.
Allerdings warne ich zartbesaitete, sehr empfindliche Menschen vor der Lektüre!

Ich vergebe fünf von fünf Sternen und meine Lese-/Kaufempfehlung.

Bewertung vom 04.01.2020
Zauberschön
Matt, Irene

Zauberschön


ausgezeichnet

FLORAPIS - WELT DER PFLANZEN UND BIENEN
Dieses als Märchenroman deklarierte Kinderbuch war für mich auch als erwachsene Person, als Mutter und Großmutter, eine vergnügliche und lehrreiche Lektüre.

In einem wunderschönen fiktiven Land, das sich Florapis nennt, regiert Florobert der 7. Die Bewohner sind heiter und glücklich unter seiner Regentschaft. Alles grünt und blüht. Jeder geht zufrieden seiner Arbeit nach. Sie leben in Wohlstand.

S. 30 „Es entsprach der Natur der Bürger von Florapis, sich nicht zu sorgen.“

Das ändert sich schlagartig als der König beschließt, seinem Sohn die Amtsgeschäfte zu überlassen. Da der Prinz als Kind von einer Biene gestochen wurde, entwickelte er im Laufe der Zeit eine krankhafte Angst vor allem und jedem. Er war sehr wunderlich geworden. Inzwischen hatte er Angst vor der Angst. Als er die Regierungsgeschäfte übernimmt, verlangt er den Bau einer Mauer um das gesamte Reich. Das bis dahin so friedliche, ruhige Land wird durch die lärmenden, dreckverursachenden Arbeiten empfindlich in seinen Grundfesten gestört. Das Getöse lockt Pankratz, einen Tatzelwurm an. Er sieht aus wie ein Drache, kann sich unsichtbar machen durch Ideenklau – Ideen sind seine liebste Nahrung. Sie schmecken ihm besonders gut. Von nun an geht es mit Florapis bergab. Die einzigste, die die Zusammenhänge erkennt, ist die hübsche Ava, die Tochter des Imkers...

„Zauberschön“ wurde fabelhaft und kindgerecht von Irene Matt erzählt und durch die farbig angenehm gestalteten teilweise ganzseitigen Zeichnungen von Silvia Paparella unterstützt.

Ich bewerte mit funkelnden fünf von fünf Sternen und empfehle das Buch für Groß und Klein!


Zusammenfassung:

179 Textseiten (gesamt 184)

7 Kapitel mit passenden Überschriften

Märchenroman

Hardcover

Illustrationen von Silvia Paparella

Bewertung vom 28.12.2019
Draußen
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Draußen


gut

BITTE WEITER MIT KLUFTINGER!
Um es ganz kurz und schmerzlos zu formulieren: „Draussen“ hat mich enttäuscht. Ich las den ersten Thriller von Klüpfel/Kobr zunächst mit voller Wissbegierde und einer gewissen Erwartungshaltung. Mein Interesse ließ aber leider schnell nach. Die Geschichte des Hauptcharakters Stephan hat ihren Ursprung in dessen Vergangenheit, ist auf seine Zeit in der Fremdenlegion beschränkt. Darauf bezieht sich die ganze Story mit ihren Charakteren.
Hier nur ein Zitat:

S. 125 „...Gewalt ist die Währung, mit der an diesem Ort bezahlt wird.“

Was für eine Aussage! Das gab mir sehr zu denken. Die Konflikte, die Zustände, der Alltag sind einfach nur furchtbar und menschenunwürdig. Es scheint nur harte, regelrecht entmenschte, emotionslose Männer dort zu geben.
Was vorher war und wie er dahin kam, wird nicht thematisiert. Ich empfand Stephan als äußerst seltsamen, lebensfernen, überdrehten Typ. Für mich ergründete sich nicht, warum er die beiden Jugendlichen, Joshua (15) und Cayenne (17), einem dermaßen kompakten, überaus harten, isolierten Überlebenstraining in den deutschen Wäldern unterzieht. Auch zu Ende des Buches nicht. War er auf persönlichem Rachefeldzug? Wenn es so sein sollte, warum zog er die Kinder da mit rein? Vollkommen unnötig! Die Gründe, die letztendlich angeführt werden, können dafür nicht herhalten. Um das darzulegen, müßte ich spoilern. Meine Begründung hat mit Stephans Fremdenlegionärszeit zu tun und den schrecklichen Geschehnissen dort. Diese lag aber schon einige Zeit zurück.
Ich habe die ganze Geschichte als nicht schlüssig empfunden. Es wird eine Menge angedeutet, vor allem aus der Ich-Perspektive aus der Zeit in der Fremdenlegion. Mehrere Erzählstränge werden eingeführt, die dann am Ende zwar zusammenführen, aber für mich in ihrer brutalen Härte nicht logisch und nachvollziehbar sind. Den Blackout (Stromausfall) in weiten Teilen Deutschlands fand ich für den Fortgang ebenfalls unnötig.

Die Auflösung war am Schluss spannend gestaltet, aber auch da wurde überspitzt gehandelt. Die Geschichte an sich mit ihren profillosen, klischeehaften Charakteren, teilweise langatmig erzählt, überzeugte mich nicht. Mir fehlte der Thrill. Unglaubwürdig, konstruiert, too much.

„Draussen“ ist kein herausragendes Werk von Klüpfel und Kobr. Sie sollten bei ihrem humorigen Kluftinger weitermachen!
Ich bewerte mit 2,5 Sternen, die sich auf den meisten Portalen als drei Sterne darstellen. Empfehlen kann ich die Geschichte als begeisterte Thrillerleserin leider nicht!

Bewertung vom 28.12.2019
Zerbrechliche Träume / Pferdeflüsterer Academy Bd.5
Mayer, Gina

Zerbrechliche Träume / Pferdeflüsterer Academy Bd.5


sehr gut

DAS WUNDERKIND UND DER APPALOOSA-HENGST
Vom Titelbild schaut den Betrachter ein junges, hübsches Mädchen mit selbstbewußtem Blick an. Im Hintergrund ist ein rassiges Pferd zu erkennen. Das ist ein Appaloosa, ein Pferd für Freizeit und Sport gezüchtet, das besonders durch das charakteristische Farbfleckenmuster auffällt. Beide, das Mädchen (Zoe) und das Pferd (Appaloosa-Hengst Eclipse), spielen in diesem fünften Band eine wesentliche Rolle. Da die Geschichte in sich abgeschlossen ist, muss man die vorherigen Bände nicht unbedingt kennen, um folgen zu können. Doch sicher werden besonders die jungen Pferdeliebhaber*innen die Bücher auch lesen wollen, am besten von Band 1 beginnend.

Gina Mayer schreibt so, dass man unbedingt dem Geschehen weiter folgen möchte. Ihre Hauptfigur Zoe Deventer war ein Wunderkind, das mit ihrer Querflöte in den größten Konzerthäusern der Welt aufgetreten ist. Sie gab das alles auf, um in Snowfields das Pferdeflüstern zu erlernen. Bevor die Schüler des Reitinternats ihre achtwöchigen Ferien antreten, werden in einem Festprogramm die Fortschritte präsentiert. Zoes Freund Cyprian nimmt nicht daran teil. Sie geht der Ursache auf den Grund. Es ist interessant zu verfolgen, was wirklich passiert ist und welche Konflikte sich anbahnen. Der Leser erfährt einiges zum Thema Reitsport und den Machenschaften, um ans große Geld zu kommen. Von den Quälereien, die man den Tieren antut, wird außerdem in kursiver Schrift berichtet, hervorgehoben aus der Ich-Perspektive des Pferdes. Das hat mich berührt. Wunderbar sind dessen Gedanken und Empfindungen dargestellt.

Ansonsten musste ich feststellen, dass die sehr jungen Leute schon ganz schön dominant auftreten. Es handelt sich ja wohl um 14/15jährige, aber sie fliegen große Strecken in den USA ohne Wissen der Eltern. Auch Geld scheint keine Rolle zu spielen. Ja, ich fand so manches etwas überspannt.

Fazit:
Außer um die Themen Reitsport und Tierquälerei geht es in Band fünf „Pferdeflüsterer – Academy: Zerbrechliche Träume“ um große Gefühle zwischen Mensch und Tier, um Freundschaft und Zusammenhalt. Den Zusatztitel „Zerbrechliche Träume" konnte ich allerdings nicht nachvollziehen.

Ich möchte dieses Jugendbuch empfehlen und bewerte mit vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 15.12.2019
Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2
Bogner, Anja

Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2


ausgezeichnet

Spezialeinheit "Landfrieden" im zweiten Einsatz
„Bülent Rambichler und der störrische Karpfen" ist der zweite Fall für den Kommissar, den er in seiner Heimatgemeinde Strunzheim aufklären muss. Muss deshalb, weil er das mit absolutem Widerwillen tut.
Der Erzählstil mit dem fränkischen Dialekt (- ich bin Sächsin und hatte trotzdem keinerlei Schwierigkeiten es zu verstehen - Fußnoten zur Erklärung sind zudem vorhanden) ist für mich besonders. Schon der Vorgängerband gefiel mir sehr und hier war ich von Anfang an gleich mittendrin. Die handelnden Personen sind zum größten Teil vertraut. Ich habe mehrmals herzlich gelacht, sehr amüsante, zuweilen skurrile Typen! Die alten, winzigen Walder-Zwillinge sind so herrlich verschrobene, wirklich sehr putzige Weiber. Und ausgerechnet sie finden auch hier wieder eine Leiche!
Es liest sich leicht und vor allem schnell.

Ich lese alle Krimis, die in Deutschland spielen, da sind mir die Örtlichkeiten relativ egal. Das sind für mich interessante Zutaten. Für mich ist die Story an sich ausschlaggebend. Ich habe den ersten Rambichler gelesen und habe mich trotz des ernsten Hintergrundes auch da schon köstlich amüsiert. Im vorliegenden Band erging es mir genauso. Dieser unterhaltsame schwarze Humor, diese urigen Typen, diese komischen Zufälle und die überzeichneten, herrlichen Charaktere.

Die Kommissare kommen beide arg ins Strudeln bei ihren Ermittlungen und in reichlich absurde Situationen. Bülent ist zudem immer wieder persönlich involviert, sein türkischstämmiger Vater Erkan gilt als verdächtig. Neue Informationen kommen ans Licht; Bülent und seine Assistentin Astrid kommen arg ins „Schwimmen“. Vieles ist wunderbar verwirrend und die Ermittlungsmethoden sind schon arg seltsam. Trotzdem führen sie am Ende zum Erfolg. Die Sprache bleibt über die gesamte Geschichte sehr derb, eben volkstümlich und meist den Kern der Sache treffend. Also, nichts für empfindsame Leser*innen. Das sollte man schön mögen. Ich genoß die lustige Lektüre!

Mehr durch Zufall und dadurch, dass in Strunzheim jeder jeden kennt, kommt am Ende eine traurige Wahrheit ans Licht und der Fall wird aufgeklärt. Bülent und Astrid kommen sich näher und werden vielleicht doch noch ein Paar. Alles in allem ein versöhnliches Ende, gut und witzig erzählt. Eine herrliche Krimikomödie!

Ich empfehle den Krimi für alle, die Regionalkrimis lieben und bewerte mit fünf von fünf Sternen.

Bewertung vom 12.12.2019
Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod
Barry, Jessica

Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod


gut

Mutter-Tochter-Konflikt mit unvorhersehbaren Folgen

Diese Geschichte empfand ich nicht als Thriller. Es war allenfalls ein Spannungsroman, wobei die dramatischen Momente sehr auf sich warten ließen. Über weite Strecken zog sich die Handlung wie Kaugummi. Immer wieder erfuhr ich von den gleichen Problemen, die die 31jährige Hauptperson Ally bewegten. Auch ihre Mutter Maggie wälzt fortgesetzt die gleichen Themen. Dadurch kommt die Story schwer in Schwung. Das wird allerdings in gewisser Weise im Laufe der Story dynamischer durch die kurzen Kapitel, die zwischen Ally und Maggy wechseln.
Gleich zu Beginn hatte ich ein komisches Gefühl, das da irgendetwas gar nicht rund ist. Die abgestürzte und verletzte Ally funktioniert mir viel zu abgebrüht, sehr rational. Das machte mich mißtrauisch. Ich hatte da schon eine Ahnung, die sich am Ende des Buches als richtig erwies.
Der gesamte Thriller wird mir zu flüchtig erzählt, die Charaktere erhalten dadurch keine Tiefe, die meisten bleiben konturenlos. Probleme werden angesprochen, Figuren ins Geschehen gebracht, aber bald wieder fallengelassen. Der Leser erfährt nur aus der Ich-Perspektive Allys, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Allein Maggie hat etwas „Biß". Die ältere Frau konnte ich mir gut vorstellen und die meisten ihrer Gedanken waren für mich nachvollziehbar. Sie bleibt hartnäckig und recherchiert die letzten zwei Jahre im Leben ihrer Tochter, die sie ohne Kontakt miteinander verbrachten und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Dabei bringt sie sich selbst in Gefahr. Der Countdown kommt schnell, sehr aktionsreich und blutig. Er endet unerwartet.
Der Pharmaskandal, das schlimme Schicksal der Betroffenen, die Rolle des Ehemannes Ben u.v.mehr bleiben als Behauptungen Allys stehen.

Fazit:
Für mich war die Handlung von „Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod“ weitgehend vorhersehbar. Mein Anspruch an einen Thriller wurde zu großen Teilen nicht erfüllt und ließ mich irgendwie unzufrieden zurück. Die Idee fand ich super, aber wurde leider nicht konsequent genug erzählt. Vieles blieb im Dunklen und wurde nicht schlüssig ins Geschehen einbezogen.
Die euphorischen Bemerkungen von namhaften Autoren wie A. J. Finn, Karen Slaughter, Liv Constantine im Klappentext kann ich nicht teilen.

In Anbetracht dessen, dass es das Debüt von Jessica Barry ist, sie über einen guten Sprachstil verfügt und ich viel Potential in der jungen Autorin vermute, möchte ich mit drei von fünf Sternen bewerten.

Bewertung vom 06.12.2019
POPPY (eBook, ePUB)
Korten, Astrid

POPPY (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Emotional tief berührendes Mädchenschicksal
Mit dieser außergewöhnlichen, äußerst ergreifenden Geschichte hat mich Astrid Korten erneut überrascht. Wieder etwas vollkommen anderes erwartet einen. Das Besondere besteht darin, das dieser Psychothriller, den man eigentlich als Psychodrama bezeichnen sollte, authentisch ist. Es ist eine Geschichte, die das Leben schrieb. Mit „Poppy“ kommt eine reale Person zur Sprache und die Autorin hat es hervorragend verstanden, ihr Martyrium zu beschreiben.

Der Sprachstil ist den jeweiligen Altersstufen des Mädchens angepaßt. Diese Art der Schilderung, aus der Sicht des Kindes, hat mich sofort in den Bann gezogen. Einfach, aber unheimlich wirkungsvoll und ergreifend! Unglaublich, was da in der luxuriösen Villa hinter verschlossenen Türen abgeht. Der Kindesmißbrauch kommt explizit nicht zur Sprache, aber durch die Art und Weise des Umgangs und der Beschreibung der Szenen wird deutlich, was da abgeht. Der alte Mann manipuliert das kleine Mädchen von Anfang an.

Und die Mutter Patricia ist so komplex in der Verdrängung der offensichtlichen Tatsachen. Ich konnte es nicht fassen. Sie hat ein dermaßen schlichtes Gemüt, benutzt Poppy, um ein sorgloses Leben führen zu können! Für mich stellt sie sich als eine total selbstbezogene, egoistische, lebensuntüchtige, dumme Person dar. Das Kind ist vollkommen schutzlos den beiden Erwachsenen ausgeliefert! Ich bewunderte ihre innere Stärke und wie sie immer wieder für sich einen Weg fand, mit der Situation in ihrem Elternhaus zurecht zu kommen.

Das Schicksal von Poppy wurde von der Autorin sehr gut beschrieben. Die teilweise erschütternden Zusammenhänge stellte sie sehr klar dar, ohne in Details abzudriften. Behutsam und sehr feinfühlig erfolgte die Beschreibung des Leidensweges des kleinen Mädchens!

Fazit:
Die letzten Seiten des Buches inklusive der Danksagung haben mir sehr geholfen. Mich berührte dieses Schicksal sehr. Die Zeilen machten mir klar, dass Poppy für sich einen Weg aus der ganzen Misere gefunden hat. Was für eine riesige Kraftanstrengung dahinter stecken mag, kann ich nur erahnen! Ihr wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie ihr Leben weiterhin erfolgreich meistert.

Mein Dank geht an Astrid Korten für das Niederschreiben der ergreifenden, authentischen Geschichte. Mein nachdrücklichster Wunsch:

Viele Menschen sollen dieses Buch lesen und aufmerksamer ihre Umwelt betrachten, sensibler werden für das Thema Kindesmißbrauch!

Von mir gibt es die Höchstbewertung!

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Bewertung vom 02.12.2019
Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2
Garcia Saenz, Eva

Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

EIN ERMITTLER MIT HANDICAP

„Keltische Opferrituale, eine Mordserie und das Erbe der Schuld"

„Das Ritual des Wassers" ist genauso ein ungewöhnlicher Thriller wie der erste Teil „Die Stille des Todes“.

Der zweite Fall für Inspector Unai López de Ayala , genannt Kraken, beginnt mit einer schwangeren Toten, die kopfüber ertränkt in einem historischen Wasserkessel, einem keltischen Bronzekessel, hängt. Die junge Frau war seine erste Liebe. Wieder bedeutet das für den Inspector, dass er sehr persönlich involviert ist und die weiteren Todesfälle eng mit seiner Vergangenheit in Verbindung stehen. Es wird höchst spannend auf dem Weg zur Lösung der Zusammenhänge. Zudem ist Kraken durch seine Broca-Aphasie (eine Sprachstörung, die von einer Schußverletzung herrührt), schwer gehandicapt...

Eva García Sáenz beschreibt in spannender Art und Weise die Beziehungen, Verflechtungen ihrer Romanfiguren. Sie läßt sie auf zwei wesentlichen Schauplätzen agieren und zu verschiedenen Zeiten. Da ist zum einen die Stadt Vitoria im Baskenland (wie auch schon in Band 1) im Jahr 2016 und zum anderen ein Ort in Kantabrien 1992. Im Sommer 1992 befinden sich Unai und seine drei besten Freunde dort, um an einem archäologischen Projekt teilzunehmen. Nacheinander verlieben sich alle vier in die rätselhafte Annabel Lee.
In wechselnden Perspektiven – in der Gegenwart aus der Sicht von Kraken, in der Vergangenheit auktorial – wurde immer weiter Spannung aufgebaut und verschiedene Verdächtige präsentiert. Es gab viele überraschende Wendungen bis hin zum Schluß. Die engsten Vertrauten von Kraken wie sein Bruder und sein Großvater oder seine wunderbare Kollegin Esti spielen auch hier wieder eine herausragende, wichtige Rolle für ihn.
Das Verbindende bei den Morden ist, dass die Menschen bald entweder Mutter oder Vater werden. Die Subcomisaria Alba Díaz de Salvatierra erwartet auch ein Kind und, indem sich Kraken zu seiner Vaterrolle bekennt, unterschreibt er sein Todesurteil. Es wird sehr emotional in dieser Geschichte, vom Anfang bis zum Ende.

Auch der zweite Teil ist in sich abgeschlossen, sehr unterhaltsam und intensiv erzählt. Trotzdem empfehle ich chronologisch zu lesen.

Hervorhebenswert finde ich, dass man am Ende des Buches nochmal einen Überblick über die handelnden Personen bekommt. Es gibt ein Glossar. In den Umschlagseiten befinden sich Karten über die Lage der Orte, die eine wichtige Rolle spielen. Die Leseprobe im Anhang gibt einen kleinen Einblick in den dritten Fall „Die Herren der Zeit“ (erscheint im März 2020).

Ich kann das Buch empfehlen, weil es die Kriterien eines Thrillers voll erfüllt. Ich wurde sehr gut unterhalten und erfuhr noch nebenbei Interessantes aus Spaniens Geschichte. Deshalb gibt es von mir die Höchstbewertung!

Bewertung vom 26.11.2019
Missing Boy
Fox, Candice

Missing Boy


ausgezeichnet

Schräge Ermittler im Sumpfgebiet Australiens

Ich möchte eigentlich zu diesem dritten Band nicht allzu viele Worte verlieren. Ohne die beiden vorherigen Bände wirklich zu kennen, denn ich las nur die Leseproben, muss ich sagen der Thriller begeisterte mich.

Wie der Titel schon verrät, wird ein Junge vermißt. Die Ausgangslage erscheint mysteriös. Der achtjährige Richie Farrow bleibt trotz intensivster Suche spurlos verschwunden. Es gibt keinerlei Spuren von ihm.

Candice Fox hat einen ganz eigenen fesselnden Schreibstil, den sie versteht mit ihren außergewöhnlichen Charakteren so zu verbinden, dass ich glaubte die Figuren werden lebendig. Sie gestaltet herrliche Charakterstudien. In der kurzen Vorstellung der Autorin im Klappentext wird von exzentrischen Menschen in ihrer unmittelbaren, familiären Umgebung geschrieben. Fox hat in der Geschichte einiges an Skurrilitäten aufgeboten. Die Eigenschaften der schrägen Ermittlerin Amanda Pharrell kann man nicht so erfinden. Mir gefiel allerdings diese Frau in ihrer total verrückten Art, so quirlig und abgedreht, mit ihrer Phobie gegen Kinder und gegen jegliche fremde Berührung. Sie mag keinen engen Kontakt mit anderen Menschen. Durch ihr äußeres Erscheinungsbild fällt sie total aus dem Rahmen. Sie ist ein ganz besonderer Mensch.
Ted Conkaffey, der mit Amanda gemeinsam nach dem Kind sucht, war notgedrungen zum Sonderling geworden durch den ständigen Kampf gegen die Vorurteile der Leute.

Auch berührende Szenen liefert die Autorin, ohne kitschig zu werden. Ted Concaffey, ihr gestrafter Protagonist berührte mich durch den fürsorglichen Umgang mit seinen Tieren (die Gänse und der Hund Celine) sowie durch seine behutsame, zärtliche Fürsorge für die kleine Tochter Lillian.
Das Ende überrascht, wie es sich für einen ordentlichen Thriller gehört. Es gibt viele unerwartete Wendungen.
Die ersten beiden Bände muss ich nun unbedingt noch lesen, um den vollständigen Durchblick zu haben.

Trotzdem bewerte ich mit fünf von fünf Sternen und empfehle „Missing Boy" gern.

Bewertung vom 17.11.2019
Das Barackenmädchen
Mainka, Peter

Das Barackenmädchen


ausgezeichnet

Ein packendes Familienschicksal

„Es geht um ein dunkles Kapitel aus meinem früheren Leben.“ [S. 8]

An ihrem 90. Geburtstag entscheidet Helene, der Enkelin Selina von ihrer bewegten und leidvollen Vergangenheit zu erzählen. Sie ist 17 Jahre alt, als sie im Frühjahr 1945 mit der Mutter und dem kleinen Bruder die Heimatstadt Brünn aus Angst vor Übergriffen der Roten Armee verlässt. Nach Kriegsende, kurze Zeit später, kehren sie zurück und müssen feststellen, dass sie nichts mehr besitzen. Als Angehörige der deutschen Minderheit werden sie ausgegrenzt und erniedrigt. Nach außen hin sind sie gekennzeichnet mit dem „N“ für Němec (Deutsche) an ihrer Kleidung. Neben dem Verlust der schönen Wohnung müssen sie Zwangsarbeit und die schrecklichen Zustände im Krankenhaus sowie die Ungewissheit über das Schicksal des Vaters ertragen. Dazu kommt für Helene, dass ihre innige Beziehung, die Liebe zu Jan nun eine verbotene ist...
Nachvollziehbar werden anhand des Schicksals Helenes und ihrer Familie die Ereignisse um die kollektive Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Mähren geschildert. In die Geschichte ging es ein als der Brünner Todesmarsch.

Was für eine berührend geschriebene Geschichte! Sofort war ich mittendrin im Geschehen. Das Thema hatte mich sofort im Griff. Ich konnte mich dem elementaren, mit einfachen treffenden Worten agierenden Schreibstil nicht entziehen. Ich habe schon einige Bücher gelesen, die sich mit Flucht und Vertreibung beschäftigten. Sehr anschaulich beschreibt Peter Mainka in was für einer rasanten Geschwindigkeit sich die ohnehin schon schwierigen Verhältnisse im Leben der Menschen änderten. Das Verhalten und der Umgang zwischen Deutschen und Tschechen wandelten sich radikal. Die vorherige scheinbare Normalität brachte die negativsten Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Umgangs zu Tage. Da waren tiefe Hassgefühle, Verachtung, Demütigung, Geringschätzung bis hin zu Gewalt und Mord. Das Unheil bricht massiv über die deutsche Bevölkerung herein, was schließlich in der Vertreibung gipfelt.
Mainkas Hauptperson, die Ich-Erzählerin Helene, ist ein starkes Mädchen, gesund an Seele und Geist. Sie versucht immer wieder das Beste aus den scheinbar ausweglos erscheinenden Situationen zu machen und zieht gedanklich oft ihre Kraft aus ihrem intakten, innigen Verhältnis zu den Eltern oder aus der Zuwendung ihr wohl gesonnener Personen.
S. 85 „Wer seinem Herzen folgt, wird auf seinem Lebensweg fast immer richtig liegen.“ (Dr. Pokorná, der tschechische Arzt zu Helene)
Da kann sie auch der böse Vojtêch nicht aus dem Gleichgewicht bringen. In dem riesigen Elend begegnet ihr hin und wieder uneigennützige Menschlichkeit, die Helene nicht verzweifeln und zum Ende ihren Weg finden lassen.
Ich lernte einen bewegenden, zu Herzen gehenden Bericht einer Flucht aus der Heimat ins Ungewisse kennen.
„Das Barackenmädchen“ bezeichne ich als zeitgeschichtlich wichtiges Werk über eine brisante Zeit, gegen das Vergessen und als Mahnung an uns Nachgeborene. Es ist realistischer Geschichtsunterricht! Die finsterste deutsche Geschichte wurde in einem gut erzählten Roman gepackt. Das Wissen um die Vorgänge in der Zeit des Deutschen Reiches und unmittelbar danach muss wach gehalten werden. Gerade jetzt , wo die braune Gefahr wieder heraufzieht, sichtlich an Macht gewinnt. So etwas darf niemals wieder passieren! Ich möchte Bertolt Brecht zitieren:
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Wir alle müssen wachsam bleiben und gegen menschenverachtende Tendenzen in der Gesellschaft angehen.

Ich vergebe sehr gern fünf von fünf Lesesternen und meine Lese-/Kaufempfehlung!

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