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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 263 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2019
Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod
Barry, Jessica

Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod


gut

Mutter-Tochter-Konflikt mit unvorhersehbaren Folgen

Diese Geschichte empfand ich nicht als Thriller. Es war allenfalls ein Spannungsroman, wobei die dramatischen Momente sehr auf sich warten ließen. Über weite Strecken zog sich die Handlung wie Kaugummi. Immer wieder erfuhr ich von den gleichen Problemen, die die 31jährige Hauptperson Ally bewegten. Auch ihre Mutter Maggie wälzt fortgesetzt die gleichen Themen. Dadurch kommt die Story schwer in Schwung. Das wird allerdings in gewisser Weise im Laufe der Story dynamischer durch die kurzen Kapitel, die zwischen Ally und Maggy wechseln.
Gleich zu Beginn hatte ich ein komisches Gefühl, das da irgendetwas gar nicht rund ist. Die abgestürzte und verletzte Ally funktioniert mir viel zu abgebrüht, sehr rational. Das machte mich mißtrauisch. Ich hatte da schon eine Ahnung, die sich am Ende des Buches als richtig erwies.
Der gesamte Thriller wird mir zu flüchtig erzählt, die Charaktere erhalten dadurch keine Tiefe, die meisten bleiben konturenlos. Probleme werden angesprochen, Figuren ins Geschehen gebracht, aber bald wieder fallengelassen. Der Leser erfährt nur aus der Ich-Perspektive Allys, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Allein Maggie hat etwas „Biß". Die ältere Frau konnte ich mir gut vorstellen und die meisten ihrer Gedanken waren für mich nachvollziehbar. Sie bleibt hartnäckig und recherchiert die letzten zwei Jahre im Leben ihrer Tochter, die sie ohne Kontakt miteinander verbrachten und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Dabei bringt sie sich selbst in Gefahr. Der Countdown kommt schnell, sehr aktionsreich und blutig. Er endet unerwartet.
Der Pharmaskandal, das schlimme Schicksal der Betroffenen, die Rolle des Ehemannes Ben u.v.mehr bleiben als Behauptungen Allys stehen.

Fazit:
Für mich war die Handlung von „Freefall - Die Wahrheit ist dein Tod“ weitgehend vorhersehbar. Mein Anspruch an einen Thriller wurde zu großen Teilen nicht erfüllt und ließ mich irgendwie unzufrieden zurück. Die Idee fand ich super, aber wurde leider nicht konsequent genug erzählt. Vieles blieb im Dunklen und wurde nicht schlüssig ins Geschehen einbezogen.
Die euphorischen Bemerkungen von namhaften Autoren wie A. J. Finn, Karen Slaughter, Liv Constantine im Klappentext kann ich nicht teilen.

In Anbetracht dessen, dass es das Debüt von Jessica Barry ist, sie über einen guten Sprachstil verfügt und ich viel Potential in der jungen Autorin vermute, möchte ich mit drei von fünf Sternen bewerten.

Bewertung vom 06.12.2019
POPPY (eBook, ePUB)
Korten, Astrid

POPPY (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Emotional tief berührendes Mädchenschicksal
Mit dieser außergewöhnlichen, äußerst ergreifenden Geschichte hat mich Astrid Korten erneut überrascht. Wieder etwas vollkommen anderes erwartet einen. Das Besondere besteht darin, das dieser Psychothriller, den man eigentlich als Psychodrama bezeichnen sollte, authentisch ist. Es ist eine Geschichte, die das Leben schrieb. Mit „Poppy“ kommt eine reale Person zur Sprache und die Autorin hat es hervorragend verstanden, ihr Martyrium zu beschreiben.

Der Sprachstil ist den jeweiligen Altersstufen des Mädchens angepaßt. Diese Art der Schilderung, aus der Sicht des Kindes, hat mich sofort in den Bann gezogen. Einfach, aber unheimlich wirkungsvoll und ergreifend! Unglaublich, was da in der luxuriösen Villa hinter verschlossenen Türen abgeht. Der Kindesmißbrauch kommt explizit nicht zur Sprache, aber durch die Art und Weise des Umgangs und der Beschreibung der Szenen wird deutlich, was da abgeht. Der alte Mann manipuliert das kleine Mädchen von Anfang an.

Und die Mutter Patricia ist so komplex in der Verdrängung der offensichtlichen Tatsachen. Ich konnte es nicht fassen. Sie hat ein dermaßen schlichtes Gemüt, benutzt Poppy, um ein sorgloses Leben führen zu können! Für mich stellt sie sich als eine total selbstbezogene, egoistische, lebensuntüchtige, dumme Person dar. Das Kind ist vollkommen schutzlos den beiden Erwachsenen ausgeliefert! Ich bewunderte ihre innere Stärke und wie sie immer wieder für sich einen Weg fand, mit der Situation in ihrem Elternhaus zurecht zu kommen.

Das Schicksal von Poppy wurde von der Autorin sehr gut beschrieben. Die teilweise erschütternden Zusammenhänge stellte sie sehr klar dar, ohne in Details abzudriften. Behutsam und sehr feinfühlig erfolgte die Beschreibung des Leidensweges des kleinen Mädchens!

Fazit:
Die letzten Seiten des Buches inklusive der Danksagung haben mir sehr geholfen. Mich berührte dieses Schicksal sehr. Die Zeilen machten mir klar, dass Poppy für sich einen Weg aus der ganzen Misere gefunden hat. Was für eine riesige Kraftanstrengung dahinter stecken mag, kann ich nur erahnen! Ihr wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie ihr Leben weiterhin erfolgreich meistert.

Mein Dank geht an Astrid Korten für das Niederschreiben der ergreifenden, authentischen Geschichte. Mein nachdrücklichster Wunsch:

Viele Menschen sollen dieses Buch lesen und aufmerksamer ihre Umwelt betrachten, sensibler werden für das Thema Kindesmißbrauch!

Von mir gibt es die Höchstbewertung!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2019
Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2
Garcia Saenz, Eva

Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

EIN ERMITTLER MIT HANDICAP

„Keltische Opferrituale, eine Mordserie und das Erbe der Schuld"

„Das Ritual des Wassers" ist genauso ein ungewöhnlicher Thriller wie der erste Teil „Die Stille des Todes“.

Der zweite Fall für Inspector Unai López de Ayala , genannt Kraken, beginnt mit einer schwangeren Toten, die kopfüber ertränkt in einem historischen Wasserkessel, einem keltischen Bronzekessel, hängt. Die junge Frau war seine erste Liebe. Wieder bedeutet das für den Inspector, dass er sehr persönlich involviert ist und die weiteren Todesfälle eng mit seiner Vergangenheit in Verbindung stehen. Es wird höchst spannend auf dem Weg zur Lösung der Zusammenhänge. Zudem ist Kraken durch seine Broca-Aphasie (eine Sprachstörung, die von einer Schußverletzung herrührt), schwer gehandicapt...

Eva García Sáenz beschreibt in spannender Art und Weise die Beziehungen, Verflechtungen ihrer Romanfiguren. Sie läßt sie auf zwei wesentlichen Schauplätzen agieren und zu verschiedenen Zeiten. Da ist zum einen die Stadt Vitoria im Baskenland (wie auch schon in Band 1) im Jahr 2016 und zum anderen ein Ort in Kantabrien 1992. Im Sommer 1992 befinden sich Unai und seine drei besten Freunde dort, um an einem archäologischen Projekt teilzunehmen. Nacheinander verlieben sich alle vier in die rätselhafte Annabel Lee.
In wechselnden Perspektiven – in der Gegenwart aus der Sicht von Kraken, in der Vergangenheit auktorial – wurde immer weiter Spannung aufgebaut und verschiedene Verdächtige präsentiert. Es gab viele überraschende Wendungen bis hin zum Schluß. Die engsten Vertrauten von Kraken wie sein Bruder und sein Großvater oder seine wunderbare Kollegin Esti spielen auch hier wieder eine herausragende, wichtige Rolle für ihn.
Das Verbindende bei den Morden ist, dass die Menschen bald entweder Mutter oder Vater werden. Die Subcomisaria Alba Díaz de Salvatierra erwartet auch ein Kind und, indem sich Kraken zu seiner Vaterrolle bekennt, unterschreibt er sein Todesurteil. Es wird sehr emotional in dieser Geschichte, vom Anfang bis zum Ende.

Auch der zweite Teil ist in sich abgeschlossen, sehr unterhaltsam und intensiv erzählt. Trotzdem empfehle ich chronologisch zu lesen.

Hervorhebenswert finde ich, dass man am Ende des Buches nochmal einen Überblick über die handelnden Personen bekommt. Es gibt ein Glossar. In den Umschlagseiten befinden sich Karten über die Lage der Orte, die eine wichtige Rolle spielen. Die Leseprobe im Anhang gibt einen kleinen Einblick in den dritten Fall „Die Herren der Zeit“ (erscheint im März 2020).

Ich kann das Buch empfehlen, weil es die Kriterien eines Thrillers voll erfüllt. Ich wurde sehr gut unterhalten und erfuhr noch nebenbei Interessantes aus Spaniens Geschichte. Deshalb gibt es von mir die Höchstbewertung!

Bewertung vom 26.11.2019
Missing Boy
Fox, Candice

Missing Boy


ausgezeichnet

Schräge Ermittler im Sumpfgebiet Australiens

Ich möchte eigentlich zu diesem dritten Band nicht allzu viele Worte verlieren. Ohne die beiden vorherigen Bände wirklich zu kennen, denn ich las nur die Leseproben, muss ich sagen der Thriller begeisterte mich.

Wie der Titel schon verrät, wird ein Junge vermißt. Die Ausgangslage erscheint mysteriös. Der achtjährige Richie Farrow bleibt trotz intensivster Suche spurlos verschwunden. Es gibt keinerlei Spuren von ihm.

Candice Fox hat einen ganz eigenen fesselnden Schreibstil, den sie versteht mit ihren außergewöhnlichen Charakteren so zu verbinden, dass ich glaubte die Figuren werden lebendig. Sie gestaltet herrliche Charakterstudien. In der kurzen Vorstellung der Autorin im Klappentext wird von exzentrischen Menschen in ihrer unmittelbaren, familiären Umgebung geschrieben. Fox hat in der Geschichte einiges an Skurrilitäten aufgeboten. Die Eigenschaften der schrägen Ermittlerin Amanda Pharrell kann man nicht so erfinden. Mir gefiel allerdings diese Frau in ihrer total verrückten Art, so quirlig und abgedreht, mit ihrer Phobie gegen Kinder und gegen jegliche fremde Berührung. Sie mag keinen engen Kontakt mit anderen Menschen. Durch ihr äußeres Erscheinungsbild fällt sie total aus dem Rahmen. Sie ist ein ganz besonderer Mensch.
Ted Conkaffey, der mit Amanda gemeinsam nach dem Kind sucht, war notgedrungen zum Sonderling geworden durch den ständigen Kampf gegen die Vorurteile der Leute.

Auch berührende Szenen liefert die Autorin, ohne kitschig zu werden. Ted Concaffey, ihr gestrafter Protagonist berührte mich durch den fürsorglichen Umgang mit seinen Tieren (die Gänse und der Hund Celine) sowie durch seine behutsame, zärtliche Fürsorge für die kleine Tochter Lillian.
Das Ende überrascht, wie es sich für einen ordentlichen Thriller gehört. Es gibt viele unerwartete Wendungen.
Die ersten beiden Bände muss ich nun unbedingt noch lesen, um den vollständigen Durchblick zu haben.

Trotzdem bewerte ich mit fünf von fünf Sternen und empfehle „Missing Boy" gern.

Bewertung vom 17.11.2019
Das Barackenmädchen
Mainka, Peter

Das Barackenmädchen


ausgezeichnet

Ein packendes Familienschicksal

„Es geht um ein dunkles Kapitel aus meinem früheren Leben.“ [S. 8]

An ihrem 90. Geburtstag entscheidet Helene, der Enkelin Selina von ihrer bewegten und leidvollen Vergangenheit zu erzählen. Sie ist 17 Jahre alt, als sie im Frühjahr 1945 mit der Mutter und dem kleinen Bruder die Heimatstadt Brünn aus Angst vor Übergriffen der Roten Armee verlässt. Nach Kriegsende, kurze Zeit später, kehren sie zurück und müssen feststellen, dass sie nichts mehr besitzen. Als Angehörige der deutschen Minderheit werden sie ausgegrenzt und erniedrigt. Nach außen hin sind sie gekennzeichnet mit dem „N“ für Němec (Deutsche) an ihrer Kleidung. Neben dem Verlust der schönen Wohnung müssen sie Zwangsarbeit und die schrecklichen Zustände im Krankenhaus sowie die Ungewissheit über das Schicksal des Vaters ertragen. Dazu kommt für Helene, dass ihre innige Beziehung, die Liebe zu Jan nun eine verbotene ist...
Nachvollziehbar werden anhand des Schicksals Helenes und ihrer Familie die Ereignisse um die kollektive Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Mähren geschildert. In die Geschichte ging es ein als der Brünner Todesmarsch.

Was für eine berührend geschriebene Geschichte! Sofort war ich mittendrin im Geschehen. Das Thema hatte mich sofort im Griff. Ich konnte mich dem elementaren, mit einfachen treffenden Worten agierenden Schreibstil nicht entziehen. Ich habe schon einige Bücher gelesen, die sich mit Flucht und Vertreibung beschäftigten. Sehr anschaulich beschreibt Peter Mainka in was für einer rasanten Geschwindigkeit sich die ohnehin schon schwierigen Verhältnisse im Leben der Menschen änderten. Das Verhalten und der Umgang zwischen Deutschen und Tschechen wandelten sich radikal. Die vorherige scheinbare Normalität brachte die negativsten Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Umgangs zu Tage. Da waren tiefe Hassgefühle, Verachtung, Demütigung, Geringschätzung bis hin zu Gewalt und Mord. Das Unheil bricht massiv über die deutsche Bevölkerung herein, was schließlich in der Vertreibung gipfelt.
Mainkas Hauptperson, die Ich-Erzählerin Helene, ist ein starkes Mädchen, gesund an Seele und Geist. Sie versucht immer wieder das Beste aus den scheinbar ausweglos erscheinenden Situationen zu machen und zieht gedanklich oft ihre Kraft aus ihrem intakten, innigen Verhältnis zu den Eltern oder aus der Zuwendung ihr wohl gesonnener Personen.
S. 85 „Wer seinem Herzen folgt, wird auf seinem Lebensweg fast immer richtig liegen.“ (Dr. Pokorná, der tschechische Arzt zu Helene)
Da kann sie auch der böse Vojtêch nicht aus dem Gleichgewicht bringen. In dem riesigen Elend begegnet ihr hin und wieder uneigennützige Menschlichkeit, die Helene nicht verzweifeln und zum Ende ihren Weg finden lassen.
Ich lernte einen bewegenden, zu Herzen gehenden Bericht einer Flucht aus der Heimat ins Ungewisse kennen.
„Das Barackenmädchen“ bezeichne ich als zeitgeschichtlich wichtiges Werk über eine brisante Zeit, gegen das Vergessen und als Mahnung an uns Nachgeborene. Es ist realistischer Geschichtsunterricht! Die finsterste deutsche Geschichte wurde in einem gut erzählten Roman gepackt. Das Wissen um die Vorgänge in der Zeit des Deutschen Reiches und unmittelbar danach muss wach gehalten werden. Gerade jetzt , wo die braune Gefahr wieder heraufzieht, sichtlich an Macht gewinnt. So etwas darf niemals wieder passieren! Ich möchte Bertolt Brecht zitieren:
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Wir alle müssen wachsam bleiben und gegen menschenverachtende Tendenzen in der Gesellschaft angehen.

Ich vergebe sehr gern fünf von fünf Lesesternen und meine Lese-/Kaufempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2019
Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1
Lodge, Gytha

Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1


gut

AURORAS SPURLOSES VERSCHWINDEN
Sechs Freunde. Ein Mörder. Wem vertraust du? (Untertitel)

Der Titel (im Original „She Lies in Wait“), das geheimnisumwobene Cover, die Leseprobe und nicht zuletzt die lobenden Worte von dem englischen Autoren-Ehepaar Nicci French, dem amerikanischen Schriftsteller A.J. Finn...weckten in mir große Erwartungen an dieses Debüt von Gytha Lodge.

Bei diesem Krimi handelt es sich um einen Cold Case. Nach 30 Jahren werden durch einen Zufall die Überreste der 14jährigen Aurora Jackson gefunden. Sie verschwand nach einer sommerlichen Zeltnacht mit den Freunden ihrer Schwester Topaz, ohne eine Spur zu hinterlassen. Detective Chief Inspector Jonah Sheens untersucht mit seinem Team den Fall noch einmal und beginnt die Ermittlungen mit der erneuten Befragung der sechs Freunde...

Ja, was soll ich schreiben? Es fällt mir ehrlich gesagt ziemlich schwer, meine unzähligen Gedanken in passende Worte zu kleiden. Die teilweise euphorischen Beurteilungen zu diesem Buch kann ich leider überhaupt nicht teilen. Es fehlte mir zu vieles in dieser Geschichte. Zunächst haperte es an der durchgehenden Spannung. Mich trieb ständig die Frage beim Lesen weiter: “Wann passiert endlich was?“ Die eingestreuten Rückblenden in das Jahr 1983 mit Aurora in der Hauptrolle trugen bei mir auch nicht zur Erhellung bei.

"Ein dunkler, tiefgehender, grandioser Krimi - das flammende Porträt einer Freundschaft und ihres Verrats." Nicci French

Was sind das für große Worte! Absolut nichts von dieser Aussage kann ich bestätigen. Für mich waren die sechs angeblichen Freunde eine seltsame Gemeinschaft von jungen Menschen, die nichts weiter verband als belangloser Sex, Eifersüchteleien und eine Unmenge an Drogen.
Mich störten außerdem als Vielleserin von Krimis und Thrillern die mangelhafte Logik in den Handlungsabläufen und die häufigen Banalitäten. Genannt sei hier Jonahs Geheimnis aus der Jugend. Das spielte am Ende eine untergeordnete Rolle, muss aber zum Schluß als Erkenntnisgewinn und zur Entlarvung des Täters herhalten. Seine guten privaten Verbindungen von der Schule her und als Polizeianfänger wirken für den Fall zu konstruiert. Insgesamt gesehen wären für die Story weniger Zufälle besser gewesen. Die Vorgänge um die Ermittlungen nehmen zu viel Raum ein, waren mir zu langatmig. Dahinter blieben die Charaktere zu blass, zeigten zu wenig Profil. In der Jugend mag das ja noch angehen, aber 30 Jahre später? In der Ausformung der Figuren liegt noch viel Potential für den Folgeband.

Würde ich weniger kritisch an dieses Werk herangehen, bleibt eine Erzählung über einen lang zurückliegenden Vermißtenfall, der sich leicht lesen läßt. Als Kriminalroman bezeichne ich „Bis ihr sie findet“ nicht. Eine weitere Folge werde ich voraussichtlich nicht lesen.

Ich bewerte das Debüt der jungen Autorin mit gutgemeinten 3 von 5 Sternen und vergebe eine eingeschränkte Empfehlung.

Bewertung vom 25.10.2019
Der Tibeter
Leenen, Stephan

Der Tibeter


ausgezeichnet

Tibet ist ein Teil unserer Welt

Obwohl „Der Tibeter“ Teil 4 der Spreenebel-Berlin-Reihe ist, bin ich hervorragend und problemlos in das Geschehen eingestiegen. Ich brauchte keine Vorkenntnisse.
Wie der Titel schon verrät, widmet sich der Autor Stephan Leenen einem Thema, dass nicht alltäglich ist und aus dem weltpolitischen Blickwinkel so gut wie verschwunden scheint.

Es beginnt mit einem ziemlich grauenhaften Fund mitten in Berlin, in der Nähe des Ostbahnhofs. Auf dem Dach eines historischen Wasserturms werden grausam zerfledderte und weit verstreute Teile eines männlichen Leichnams gefunden. Die Spuren führen zu Geiern, die eigentlich im tibetischen Hochland zu Hause sind. Auch sonst führen die Ermittlungen der beiden Hauptkommissare Britt Bredehorst und Ralf Ziether immer wieder in Richtung Asien. Ein chinesischer Anwalt spielt eine wesentliche Rolle. Die politische Brisanz ist immens hoch. Es gibt weitere Tote und Ralf Ziether erleidet einen psychischen Zusammenbruch, der zur Zwangseinweisung in die Psychiatrie führt. Ausgerechnet dort entwirrt sich der scheinbar undurchdringliche Fall und führt in die richtige Richtung.

Dieser Krimi hatte für mich alles, was man von dem Genre erwartet. Der Autor versteht es meisterhaft die Spannung hochzuhalten. Ich irrte ebenso ratlos wie die beiden sympathischen Ermittler durch das Geschehen. Unglaublich, was am Ende da ans Licht kommt, was für eine menschenverachtende, auf Profit ausgerichtete Mafia am Werk ist.
Dabei rückt „Tibets Status“ in den Vordergrund und zeigt in diesem Krimi wie rechtlos und ohne Lobby die Menschen in dem fernen Land sind. Die Vorgänge, die hier thematisiert werden, konnte ich nicht fassen. Das ist mehr als Menschenrechtsverletzung. Das ist Mord im großen Stil. Ich habe davon noch nie gehört!

Die gegenwärtige Zugehörigkeit zur Volksrepublik China ist völkerrechtlich umstritten und die Selbstbestimmung des Landes wurde stark eingeschränkt. Das sollte man beim Lesen im Hinterkopf behalten.

Ich erhielt einen kleinen Einblick in den tibetischen Buddhismus (z.B. die Bestattungskultur...)

Besonders gefallen haben mir die beiden Ermittler. Britt und Ralf lernte ich als sensible, gewissenhafte Polizisten kennen. Vor allem Britt versucht ihre und Ralfs persönliche Belange in Einklang mit der Polizeiarbeit zu bringen. Da schreckt sie auch nicht vor drastischen Maßnahmen zurück. Ich denke, da wird sich in Zukunft im Privaten bei den beiden noch mehr entwickeln. Evtl. auch miteinander? Jedenfalls harmonieren sie gut.

Fazit:
Es ist ein spannender Krimi in angenehmer Länge (243 Textseiten) mit einer ungewöhnlichen, unterhaltsamen Handlung in einem exotischen Milieu.

Ich empfehle diesen Krimi und bewerte mit fünf von fünf Sternen!

Bewertung vom 25.10.2019
Heimat ist ein Sehnsuchtsort / Heimat-Saga Bd.1
Münzer, Hanni

Heimat ist ein Sehnsuchtsort / Heimat-Saga Bd.1


ausgezeichnet

SCHLESISCHE FAMILIENGESCHICHTE
„Heimat ist ein Sehnsuchtsort" erzählt eine dramatische, schicksalhafte Geschichte, die 1928 in einem kleinen schlesischen Örtchen in der Nähe von Gleiwitz, ihren Anfang nimmt. Die Chronik des Vorkriegs- und Kriegsgeschehens erfolgt insbesondere anhand der Personen, die mit der Bauernfamilie Sadler zu tun haben.

Laurenz Sadler lernt seine Annemarie durch einen unachtsamen Zusammenstoß auf der Straße kennen. Der verträumte Musikstudent verliebt sich Knall auf Fall. Allerdings verhindern mehrere Tragödien auf dem elterlichen Bauernhof seine Komponistenkarriere. Laurenz muss den Hof tatkräftig und in voller Verantwortung übernehmen. In großem Abstand bekommen sie zwei außergewöhnliche Töchter. Die erstgeborene Katharina ist hoch begabt, vielseitig talentiert. Franziska leidet unter einer seltenen Erkrankung, die sie zu einer hochsensiblen, empfindsamen Seele macht. Die Gemeinschaft auf dem Sadlerhof ist geprägt von einem harmonischen Zusammenspiel in den Verantwortlichkeiten für Mensch und Tier, von gegenseitigem Respekt, Fürsorglichkeit, Liebe und Verständnis. Bevor die braune Gefolgschaft Hitlers von der dörflichen Idylle Besitz ergreift, sorgt eine Bewohnerin mit ihrem abgrundtief schlechten Charakter, ihrem Haß und Neid für ständigen Unfrieden. Auf die Familie Sadler hat sie es im besonderen Maße abgesehen und ihre giftigen Attacken finden einen guten Nährboden bei den Nazis. Das Unheil nimmt seinen Lauf...

Ich fand es sehr beeindruckend, wie die Autorin Hanni Münzer ihre Protagonisten durch die Handlung führt und mit den relevanten, geschichtlichen Ereignissen in Verbindung bringt. Da wären der Überfall auf Polen, die geheimen Forschungen an der V2-Rakete, die polnische Widerstandsbewegung, Agententätigkeit u.v.mehr. Daraus entstand ein unglaublich lebendig wirkender Ablauf, in dem sich alle Personen bewegen. Bis in die kleinste Nebenrolle erfahren die Akteure eine detailreiche Zeichnung ihrer Charaktere. Auch die Handlungsabläufe sind sorgfältig erdacht. Nichts scheint mir dem Zufall überlassen. An einigen Stellen ist es mir etwas zu viel des Guten (z. B. die Umstände, um Kathi als Hochbegabte nach Berlin zu holen oder die Wandlung des Fräulein Liebig, die Verhörmethoden im Hause Sadler...). Die tragischen Momente überwiegen und doch gibt es immer wieder Hoffnung, kleine Lichtblicke im immer trister werdenden Alltag. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Dieser Humor und der Zusammenhalt läßt die Menschen vieles ertragen und immer wieder nach Auswegen in dieser trostlosen, vom Werteverfall, Tod und Verderben gekennzeichneten Zeit suchen.

Fazit:
Es ist trotz der angesprochenen Kritikpunkte ein lesenswertes, bewegendes Buch mit starken Charakteren, das mich neugierig macht auf die Fortsetzung. Ich möchte gern verfolgen, wie es im zweiten Band der epischen Saga mit der Familie Sadler weitergeht.
Erwähnenswert ist die Karte von Schlesien in den Grenzen von 1914 vorn im Buch. Eine ausführliche „Dramatis Personae" gibt Auskunft über die Personen.

Ich bewerte diesen Roman mit fünf von fünf Sternen und empfehle ihn für alle Leser, die es lieben, historische Fakten fantasiereich verpackt zu erleben.

Bewertung vom 20.10.2019
Umarmst du mich mal?
McLaughlin, Eoin

Umarmst du mich mal?


ausgezeichnet

SEHNSUCHT NACH ZÄRTLICHKEIT UND NÄHE
Das Buch handelt von Igel und Schildkröte und ihrer Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Nähe, Liebe... Auch die Frage nach dem Glück und der Zufriedenheit wird gestreift.

Der Igel ist sehr traurig. Und warum? Er sehnt sich danach, umarmt zu werden.
Er fragt die Tiere, eins nach dem anderen, aber die haben alle schrecklich viel zu tun, finden fadenscheinige Gründe, Ausreden, um das nicht zu tun. Die kluge Eule tröstet ihn, macht ihm Mut.
Identisch widerfährt das der Schildkröte. Das Aufeinandertreffen in der Mitte des Büchleins ist rührend. Endlich haben sie jemanden gefunden zum Umarmen! Jemand, der mit offenen Armen auf den jeweils anderen zugeht. Sie rennen einander in die Arme! Toll gemacht!
In einem handlichen Format können die kleinen Leser die Erzählungen hin- und herdrehen. Das Buch hat eine quadratische Größe von 14,5 cm x 14,5 cm. Allerdings sind die Seiten nicht aus Pappe, sondern etwas kräftigerem Papier, so dass die Feinmotorik der Kleinen schon gut entwickelt sein sollte. Ich finde es besonders geeignet für die Kleinsten, so ab 3 Jahren bis Vorschulalter. Der Preis von 10 € geht auch in Ordnung.

Das Cover besticht durch seine schöne Gestaltung, durch die farbliche Abgrenzung am Buchrücken - grün für die Schildkröte, rot für den Igel. Wie schon erwähnt, es ist ein Wendebuch. Das ist nichts Neues, aber für Kinder ganz sicher ein besonderer Spaß. Die Zeichnungen von Polly Dunbar finde ich sehr gelungen, ebenso wie die kindgerechte Sprache von Eoin McLaughlin. Sie haben sich wie Schildkröte und Igel auch gut zueinander gefunden.

„Umarmst du mich mal?“ ist ein Buch, das ganz schnell Emotionen weckt, weil die Gefühlsregungen von Igel und Schildkröte sehr deutlich ausgedrückt werden.
Dazu passt der Titel und die treffend gezeichnete Mimik (geschlossene Augen) und Gestik (vorgestreckte Arme) sowohl von Igel als auch von der Schildkröte.

Das Büchlein bekommt die kleine Tochter meiner Nichte von mir geschenkt. Sie wird im Januar vier Jahre alt und hat genau das richtige Alter für die Geschichte.

Von mir gibt es fünf von fünf Sternen und eine Lese-/Kaufempfehlung!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.10.2019
Schonungslos offen
Matt, Irene

Schonungslos offen


ausgezeichnet

KRIMI IN THRILLERQUALITÄT

„Schonungslos offen...“ – das ist ein überaus treffender Titel für diesen Kriminalroman. Schonungslos offen, so begegnet der Täter den Lesern.

Der Krimi beginnt zunächst mit einer Tat in einem Pfarrhaus, die recht schnell geklärt wird. Dabei bekam ich den ersten Leseeindruck von den beiden Hauptermittlern Kommissarin Alexandra Rau und ihrem etwas verschrobenen Assistenten Isidor Rogg. Der erste Eindruck sollte ein bleibender sein. Sie sind Menschen, die ich sehr sympathisch fand in ihrem Zusammenspiel bei der kriminalistischen Arbeit, mit ihren Hobbys, mit ihren Eigenheiten und Marotten. Isidor ist ein Glücksgriff für Alexandra trotz seines manches Mal nervtötenden Spleens, Wörter und Redewendungen bis ins kleinste Detail verstehen zu wollen. Er führt ständig ein etymologisches Wörterbuch bei sich. Doch das nützt mehr als es schadet! Der junge Mann ist ungewöhnlich gebildet und hat eine alternative Weltanschauung.

Die Handlung wird aus zweierlei Sichtweisen beschrieben. Der Täter berichtet aus der Ich-Perspektive in einer Art Selbsttherapie und schockiert mit seinen Offenbarungen. Alles andere verfaßte die Autorin in einem auktorialen Schreibstil.

Sehr bald hatte mich das unfassbare Geschehen um den sadistischen, menschenverachtenden Mann in den Bann gezogen. Für mich war schnell klar, dass ein Serientäter seinen kranken Neigungen nachgeht. Für die Kriminalisten bleibt der niederträchtige Verbrecher lange wie ein Phantom, aber als Leser erhält man tiefe Einblicke in die Kindheit, in seine personelle Entwicklung, in die familiären Verhältnisse des gefühlskalten Menschen. Mich schauderte es ein- ums andere Mal und ich fühlte mich an den Film „Psycho" erinnert, mit der unsichtbaren Mutter im Hintergrund. Ich glaubte sogar, die nervzerfetzende Musik zu hören!

Die expliziten Vorfälle werden durch die Autorin erzählerisch äußerst geschickt verarbeitet. Durch glaubwürdige, unvorhergesehene Wendungen, die bis in die kollegialen Reihen und in Alexandas Privatleben führen, erhält der Krimi zusätzliche gruslige Szenen. Ich fühlte mich bis zuletzt gut unterhalten. Man merkt, dass sich die Autorin Irene Matt sehr gut im Markgräfler Land auskennt. Sie schreibt liebevoll über ihre Heimat. Dazu erfuhr ich einige Dinge, die mir neu waren, z. B. was es mit den Salpeterern auf sich hat. Ja, lesen bildet und das sogar in diesem Genre!

Fazit:

Es ist eine Geschichte, die spannend bis zum Schluß bleibt, mit authentischen und glaubwürdigen Charakteren. „Schonungslos offen" wird als Kriminalroman ausgewiesen. Ich bezeichne das Werk als Krimi in Thrillerqualität. Für mich war ein sehr angenehmer Nebeneffekt, dass das Buch mit 282 Textseiten auskommt.

Von mir gibt es die Höchstbewertung: AUSGEZEICHNET!