Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
ikatzhorse2005

Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 18.11.2018
Gefährten für immer
Voorhoeve, Anne

Gefährten für immer


ausgezeichnet

Gefährten für immer von Anne C. Voorhoeve, erschienen 2018 im Fischer Verlag – Sauerländer
Hannover 1943: Lotte, ein vierzehnjähriges Mädchen erlebt den Krieg hautnah in der Stadt, in der sie ihrem blinden Vater beisteht und die täglichen Dingen des vom Krieg gezeichneten Alltags erledigt. Mitte des Jahres 1943 schickt Lottes Vater sie entgegen der typischen Reiserichtung nach Ostpreußen auf das Gut einer Freundin ihrer verstorbenen Mutter. Das Trakehnergestüt Waldeck ist wie gemacht für idyllische Ferien inmitten einer grandiosen Natur. Bei langen Ausitten findet Lotte Freiheit und Freude über ihr neues zu Hause. Auf Lilies Rücken und mit ihrem Begleiter Harro auf Widukind an ihrer Seite, scheint der Krieg weit weg und die traumatischen Erlebnisse der Luftangriffe beginnen zu verblassen. Doch der Schein trügt. Die Ereignisse überschlagen sich. Die Vorstellung eines Sieges der deutschen Truppen und die Versprechungen des Führers verblassen angesichts der immer näher rückenden Front. Es ist Zeit zu handeln, im Sinne des Überlebens für Mensch und Tier. Daher muss Lotte nach zwei fast unbeschwerten Sommern, erneut alles hinter sich lassen. Vor ihr liegt ein schwerer Weg, den sie auf der Suche nach einer neuen Heimat mutig beschreitet. Eine Fluchtgeschichte voller Entbeerungen und Hoffnung in Zeiten erschaudernder Schicksale.
Die Autorin Anne C. Voorhoeve steht für außerordentlich gut recherchierte Literatur. Auch hier vermag sie in einem fesselnden Schreibstil die Erlebnisse und Begebenheiten der Geschichte eindringlich zu erzählen. Durchweg real, tapfer, unbeschwert sowie düster und bewegend erzählt die Autorin diese sagenhafte Geschichte gegen das Vergessen. Das Schicksal ihrer Protagonisten steht stellvertretend für das dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit. Allesamt wachsen sie dem Leser ans Herz und es fällt unheimlich schwer ihren fremdbestimmten Weg zu akzeptieren. Eine Zukunft, die es an dem Ort, den sie so lieben, der ihnen so vertraut ist – ihre Heimat - nicht mehr geben wird. Die Erkenntnis über den kommenden Verlust, gepaart mit dem vorausschauenden Denken der Menschen Ostpreußens, verdankt die älteste Pferderasse Deutschlands, die Trakehner ihre Rettung. Benannt nach dem Gestüt in Ostpreußen nahe der Ortschaft Trakehnen galt es die seit dem 13. Jahrhundert gezüchteten eleganten, ausdauernden Pferde vor dem nahenden Russen in Sicherheit zu bringen. Im eisigen Winter 1944/1945 begibt sich eine Gräfin, in Anlehnung an die wahrhaftige Marion Gräfin Donhöff mit ihrem Pferd Alarich und der Hauptprotagonisten Lotte auf die Flucht nach Westen. Lange Trecks von abertausenden Flüchtlingen kreuzen ihren Weg durch Eis und Schnee. Eine Reise von Entbeehrungen, Vertreibung, Hoffnung, Verlust, Ankommen und Zugehörigkeit beginnt.
Dieses wunderbare Zeitzeugnis, geschildert aus Sicht der jungen Lotte, hat mich nachdenklich gestimmt und zutiefst berührt. Es ist nicht nur ein Pferderoman, sondern ein wichtiger Teil unserer Geschichte, meiner Geschichte. Für mich ist die erzählte Vergangenheit um Lotte das Buchhighlight 2018, meine Buchentdeckung überhaupt.

Bewertung vom 06.11.2018
Das Herz der sieben Inseln
Haigh, Tara

Das Herz der sieben Inseln


ausgezeichnet

"Das Herz der sieben Inseln" von Tara Haigh deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2018 bei Tinte & Federn
"...in dem Moment schoss ein Falke an der scharfen Felskante hervor. Auf seinen Schwingen legte Aquil diese Botschaft,...
...,denn der Falke schwang sich empor und flog in Richtung des Teide."
Spanien 1492: Um den fordernden Umständen ihres vorgeschriebenen Lebens zu entkommen, flieht Laura nach Gran Canaria. Nach einer abenteuerlichen Flucht erreicht sie die Kanareninsel. In der Hoffnung ihre Familie wiederzusehen, erwartet sie eine böse Überraschung. In der Welt der spanischen Eroberer trifft sie auf den gebildeten Einheimischen Aquil, der ihr Herz in Aufruhr versetzt. ...
In der Gegenwart kämpft Jana für ihre Karriere als angehender Stern der Reisebranche. Dieses Ziel scheint baldigst greifbar. Zusammen mit ihrem Freund Marcel, Sohn ihres künftigen Chefs, soll sie in Kürze ein Luxushotel in Mexiko eröffnen und leiten. Doch die Nachricht über das Erbe einer Bananenplantage auf einer der kanarischen Inseln, wirft sie vollkommen aus der Bahn. Nach einem rätselhaften Gespräch mit ihrer Oma, begibt sich Jana auf deren Anraten nach Gran Canaria. Dort beginnt eine Spurensuche, die sie nicht mehr loslässt, ein dunkles Geheimnis preisgibt und unentrinnbar mit Lauras Vergangenheit und ihrem eigenen Leben verbunden ist. Janas Fragen lösen sich bald in Luft auf, da sie spührt, wo ihr Herz hingehört. Denn ein in Vergessenheit geratenes Unrecht verlangt nach Widergutmachung.
Packend und mit großen Emotionen schreibt Tara Haigh an zwei Erzählsträngen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei gelingt es ihr spielend die Balance zwischen Gegenwart und Vergangenheit zu finden. Das gibt ein sicheres Lesegefühl und man fühlt sich Angekommen in der Geschichte der Kanaren Erstaunliches fördert die Autorin im historischen Teil zu Tage und man staunt, welche strikten Verbrechen und Widrichkeiten dieser bezaubernden Urlaubsinsel anhängen. Die Spiritualität ist ein fester Bestandteil des bildreichen Romans und lassen ihn an manchen Stellen magisch erscheinen. Die klar und sehr gut ausgearbeiteten, ausdrucksstarken Charaktere tragen dies mit und zeichnen sich durch eine Bandbreite an spannungsgeladenen Stimmungen aus. Besonders Laura und Agil haben mir in ihrer unbeschreiblichen Anziehungskraft ungemein gut gefallen. Und auch Ines, Lauras Schwester lies mir ungeahnte Schauer über den Rücken laufen. Das Lebensgefühl und die Schönheit der Insel vermögen das wundervolle Cover und Tara Haigh in inspirierende Worte zu fassen, die Lust auf einen Besuch Gran Canarias machen.
Ein Herzensroman, der mich gefesselt und tief berührt hat, der nachhallt und ein unfassbar warmes Gefühl hinterlässt.

Bewertung vom 06.11.2018
Gehen. Weiter gehen
Kagge, Erling

Gehen. Weiter gehen


sehr gut

Gehen.
Weiter Gehen
Eine Anleitung von Erling Kagge aus dem Insel Verlag Berlin übersetzt aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg
Erling Kagge ist schon weit gegangen in seinem Leben. Er sucht seine Grenzen und überschreitet so manche. Der Drang sich zu bewegen, zu gehen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Um zu entdecken und uns gesund zu erhalten, müssen wir gehen! Alles bleibt im Fluss und wir im Einklang mit uns selbst, solange wir gehen!
Diese Variante des Gehens gefällt mir sehr gut. Man kann den Gedanken des Autors sehr gut folgen und die Worte laden zum Nachdenken ein. Es bleibt genügend Spielraum für eigenen Interpretationen. Kurze Abschnitte und Einteilungen ermöglichen die gedanklichen und philosophischen Ansätze weiter zu verfolgen. Nähere Erläuterungen dazu sind überflüssig. Die beigefügte Bilder fördern anschaulich das Verstehen.
Der Titel beinhaltet: "Eine Anleitung", auch da lässt der Autor Spielraum, wofür? Zum Gehen, zum Ankommen, Ratschläge für den Weg als solchen und für eine Suche nach Begründungen für Alltägliches und wahrhaft Unglaubliches, dem eigenen Wieder-Spühren, die Nuancen und die Vielfalt der Natur genießen? Das Gehen, wie der Autor es sieht, hat viel Wahres. Die Ratschläge und Anregungen sind leider im täglichen Leben, eingebunden in den heutigen Arbeits- und Familienalltag nicht immer umsetzbar. Beachtlich und schön, wer dies in sein eigenes Leben integrieren kann.
Der Mensch als ganzheitliches Individuum. Zum Denken gehören auch die Füsse. Nur wer sich spührt und die Umgebung wahrnimmt, kann einwandfrei funktionieren. Ein Ganzes, was auch in der Medizin viel mehr Berücksichtigung und Anklang finden sollte. Viel zu oft wird separiert, ganzheitlich denkende Patienten und alternative Heilpraktiker, Osteopathen, ect. werden belächelt.
Es schadet uns sicher nicht, uns wieder mehr zu erden, die Natur zu spüren und den Blick auf Wesentliches und Ursprüngliches zu legen. Die Ablenkungen um uns herum machen nur kurz oder gar nicht glücklich. Vielleicht ist der beschwerliche Weg doch besser?! Am Ziel hat man das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Das Ankommen wird zum Erfolg.
Trotzdem fand ich manche Stellen etwas schwierig nachzuvollziehen. Die Stelle in der Kanalisation konnte ich nicht verstehen. Was hoffte Erling Kagge dort zu finden, was er nicht auch an einem etwas schöneren Ort gefunden hätte? Andere Stellen sind sehr poetisch und ergreifend, begleitet durch den Austausch und die Geschichten von Weggefährten, Dichtern und Denkern. Besonders nahe ging mir die Geschichte der blinden Mutter und deren Helfern.
Fazit: Die Dinge wert zu schätzen und nicht als gegeben hinzunehmen, seine Existenz selbst sinnvoll gestalten und manches Tun zu hinterfragen, das Leben als Geschenk zu sehen und den eigenen Körper und die Seele zur Gesunderhaltung zu unterstützen,... das nehme ich mit aus dem Gesagten. Situationen, Dinge und Lebenseinstellungen sind Ansichtssache. So viele Individuen wie es auf dem Erdball gibt, so viele Einstellungen gibt es wohl auch. Der Autor gibt hier seine eigene preis und lässt den Leser und Hörer daran teilhaben. Ob das nun gut ist oder nicht ist vielleicht genauso individuell wie das ganze Buch.

Bewertung vom 23.10.2018
Elbspiel
Wollschlaeger, Nicole

Elbspiel


ausgezeichnet

"Elbspiel" ein Kriminalroman von Nicole Wollschlaeger (BoD-Books on Demand)
In Korphusen steht Großes an. Der "Jedermann" soll aufgeführt werden mit Laienschauspielern der Korphusener Bevölkerung als Besetzung. Die Leute reißen sich darum, Teil dieser Inszenierung werden zu können. Doch das letzte Wort, bei der Auswahl der potenziellen Kandidaten, hat der ehemalige Starschauspieler Arno Menzinger. Bei den Vorbereitungen tauchen plötzlich handgeschnitzte Marionetten und sogar eine Leiche auf. Kommissar Philip Goldberg und sein Team machen sich auf die Jagd nach dem vermeintlichen Saboteur des Spektakels.
Dies ist der dritte Teil der ELB-Krimireihe um den charismatischen Kommissar Philip Goldberg. Beim Lesen der Lektüre werden Zusammenhänge erklärt, doch ist es sicher von Vorteil, wenn man Band 1-"Elbschuld" und Band 2-"Elbschmerz" vorher gelesen hat. Die einfallsreiche Covergestalltung, besonders im jetzigen Band, hat mich auf diese Reihe aufmerksam gemacht.
Der Autorin merkt man die Begeisterung für das Schauspiel beim Lesen der Darbietung förmlich an. Detailliert und lebhaft beschreibt sie die Gegebenheiten der Bretter, die die Welt bedeuten. Dabei strickt sie einen glaubhaften Kriminalfall und schickt einen interessanten, zielstrebigen Ermittler an den Start. Goldberg, gezeichnet durch seine Vergangenheit ermittelt intuitiv in der Welt der Fakten.
"...Magda war eine sensible Frau. Sie würde sicher schnell dahinterkommen, dass seine Anspannung einen anderen Grund hatte. Aber zuerst musste er sich Klarheit verschaffen, dann würde er ihr alles erzählen. ..."
Seine berührende Art und intelligenten Weisheiten zum richtigen Zeitpunkt machen ihn äußerst charmant. Zusammen mit seinen Kollegen Hauke und Peter wird in alle Richtungen recherchiert. Jeder Charakter des Trios ist speziell und würzt die Geschichte durch seine typische Art und Weise mit kleinen Eigenheiten und Macken. Wichtige Treffpunkte der Ermittlungen sind das Büro und die Kneipe von Haukes Schwester, Rosi. Diese Lokalitäten bringen die teils witzigen Dialoge gut zur Geltung. Der unverblümte, locker angenehme Schreibstil lässt die Seiten dahinfliegen und man ist gefangen in der Welt aus Glanz und Schein.
Gern helfe ich mental bei der Suche nach den Bösewichten im 4. Kriminalfall von Nicole Wollschläger mit und hoffe auf weitere emotionale Verstrickungen, da mir Goldberg und die Korphusener ein Stück weit ans Herz gewachsen sind.

Bewertung vom 21.10.2018
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Der Wortschatz, geschrieben von Elias Vorpahl
Diese unglaubliche Geschichte handelt von einem Wort und der Reise zu sich selbst. Das kleine Wort hat seinen Sinn verloren und begibt sich auf die Suche in die Welt der Buchstaben und Wörter.
Wer sich auf diesen fantastischen Streifzug gemeinsam mit dem Wort einlässt, begibt sich auf anspruchsvolle und spannende Erlebnisse der Grammatik, Orthographie und der vielfälltigen Möglichkeiten der deutschen Sprache. Im höchsten Maße geistreich erschafft Elias Vorpahl in jedem einzelnen Kapitel eine Symbiose aus Buchstaben, deren Bedeutung uns ungeahnte Mittel und Wege aufzeigen. Diese aufgeweckte Lektüre liest sich wie ein Märchen für Erwachsene. Mich haben die Zeilen mit einer Fülle von Emotionen beglückt und so manchen Lacher aus mir herausgelockt, als der eigentliche Sinn kurz nach dem Lesen in seiner berauschenden Fülle in mein Bewußtsein drang. Hier konzentriert man sich wirklich auf das geschriebene Wort im gesamtem Repertoire der Sprache und deren Variationen. Der Autor befasst sich mit der Ausformulierung und Umstellung von Wörtern, Wortarten sowie Zusammensetzungen, Worterweiterungen- und verlusten. Die Lyrik und Poesie kommt dabei nicht zu kurz. Ein allumfassender Text, der soviel zu erzählen hat.
Dieses kleine Büchlein mit den filigranen Illustrationen und dem beschreibendem Cover ist ein absoluter (Wort-)Schatz. Vielleicht findet diese besondere, scharfsinnige Lektüre einen festen Platz in höheren Klassenstufen als mögliches Unterrichtsmaterial, ohne Textstellen auseinander zu pflücken, sondern einfach zum Genuß, zur Anregung sowie zum Nachdenken. Dies ist eine gelungene Gelegenheit, die deutsche Sprache als Wunderwerk zu erkennen und zu lieben.

Bewertung vom 19.10.2018
Der Apfelbaum
Berkel, Christian

Der Apfelbaum


gut

Der Apfelbaum ein Familienepos, geschrieben von Christian Berkel aus dem Ullstein Verlag Berlin
1915: Aus Dialogen im Berliner Dialekt erfährt man, dass Ottos Vater (gleichnamig Otto) für das deutsche Kaiserreich sein Leben lies. Im gleichen Jahr wird Otto in schwierige Familienverhältnisse hineingeboren. Durch seinen starken Willen und ein enormes Durchhaltevermögen erkämpft er sich seinen Platz im Leben. Aus Dehmütigungen und Erniedrigungen zieht er seine Kraft. Sein Mut lässt ihn leichtsinnig werden. Doch bevor er mit 17 Jahren abzurutschen droht, rettet ihn Sala die Halbjüdin. Mit ihren 13 Jahren, aus einer intellektuellen Familie stammend, ist sie das ganze Gegenteil von Otto, der zur Arbeiterklasse gehört. Eine für die damalige Zeit skurile Verbindung. Als sich die unerbittlichen Klauen des drohenden 2. Weltkrieges erbarmungslos austrecken, verlässt Sala ihre deutsche Heimat Richtung Frankreich. Otto zieht als Sanitätsarzt in den Krieg und so trennen sich ihre Wege für lange Zeit. ...
Heiß ersehnt habe ich diese besondere Familiengeschichte, die Christian Berkel über 3 Generationen hinweg erzählt. Unnatürlich schwer tat ich mich mit der Lektüre. Die wechselnden Zeitebenen und eine Vielzahl an handelnden Personen, ohne vorangegangene Kapitelüberschriften oder Zeitangaben erschwerten mir, mich im Fortlauf des Geschehens zurechtzufinden. Hier wäre ein Glossar oder Stammbaum sicher von Nutzen gewesen. Letztendlich schade, da ich es anstrengend empfand, diesen autobiographischen Roman zu lesen und auch zu verstehen. Trotzdem blieb die Neugier auf Ottos und Salas Geschichte, wobei mir der charakterstarke Otto gefühlt näher war als Sala. Die schwammigen Zusammenhänge und Handlungsstränge machten die Protagonisten nicht vollends greifbar.
Durch Gespräche und Einblicke in die letzten Tage seiner dementen Mutter sowie Recherchen an vergangenen Orten hält man eine bunte Mischung mit erschütterden Details in Händen. Dieses unsägliche Kapitel, sowohl Berkels Familiengeschichte als auch der deutschen Geschichte wird ergreifend, echt betrachtet und geschildert. Man fühlt sich als Zuschauer und ist gleichzeitig Teil dieser Erzählung. Trotz des außergewöhnlichen Schreibstils kamen mir manche Textstellen, gerade zu Anfang zu abgeklärt daher.
Fazit: Schade! Solch ein toller Roman, der mich in meinen Lesestunden verwirrend, allein zurücklässt. 3 gute Sterne, da Lesen Genuß bedeutet, doch hierbei mühevoll und erschöpfend auf mich wirkte. Vielleicht wäre hier die Hörbuchvariante, gelesen vom Autor selbst, die bessere Wahl gewesen.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2018
Rilke Projekt
Schönherz & Fleer

Rilke Projekt


sehr gut

Rilke Projekt Wunderweiße Nächte Schönherz & Fleer eine Hör-CD mit 19 Tracks, 57 Minuten Lübbe Audio
Mit diesem Hörerlebnis der besonderen Art gestalten Richard Schönherz und Angelica Fleer die Herbst- und Winterzeit passend. Rilke hautnah durch gefühlvolle und impossante Stimmen getragen von wunderschönen Klängen. Diese lyrische Zusammenstellung führt in 18 performten Gedanken und dem Epilog am Ende langsam näher an die kühle Jahreszeit heran. Stimmungsvolle Musik und Texte, Geflechte aus Worten und Bildern lassen die Gedanken fliegen und laden zum Ausruhen und Träumen ein. Samtweich, wie aus einer anderen Welt, taktvoll eingesprochen, feinfühlig interpretiert, so hört sich Poesie spannend und zeitnah erzählt an, wobei interessante Variationen entstehen.
Fazit: Diese Art des Erzählens ist Geschmackssache. Nicht alle vorgetragenen Texte haben mir gleich gut gefallen. Besonders berührt hat mich "Jetzt ist es Herbst". Diese Zeilen sind mir nachhaltig in Erinnerung geblieben. Das wundervoll mysisch anscheinende Cover hat meine Neugier für diese überzeugenden Stimmen geweckt. Ein Hörgenuss zum Entspannen für kleine Pausen im Alltag! 4 Supersterne von 5 für dieses mutige und zauberhafte Projekt!

Bewertung vom 18.10.2018
Rosi & Mücke - Eine Käferfreundschaft: Die ersten Abenteuer
Stokloßa, Simone

Rosi & Mücke - Eine Käferfreundschaft: Die ersten Abenteuer


ausgezeichnet

"Rosi & Mücke" Eine Käferfreundschaft Die ersten Abenteuer erzählt von Simone Stokloßa eine Produktion aus dem Stockmaus Verlag
Eine dicke Freundschaft verbindet die beiden heimischen Käfer, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Rosi, goldglänzend und dicklich, liebt Blüten- und Baumsäfte. Mücke, farblich blauviolett schimmernd mit langen Beinen ist ein flinker Fleischliebhaber. Diese beiden neugierigen Gesellen erkunden den naheliegenden Eichenwald und erfahren von ihren Waldbekanntschaften, dem Mistkäfer Melli, Marienkäfer Pünktchen, Eichelbohrer Emil und Co. viele spannende Details über unsere heimische Natur.
Dieses kleine liebevoll gestaltete Buch teilt sich in ein wissenschaftliches Vorwort des Museum für Naturheilkunde Berlin, 15 kurze Kapitel und ein Glossar mit Fotos sowie Namen und lateinische Bezeichnungen der Mitwirkenden. Die Autorin beschreibt in einer naturnahen Geschichte die Vorgänge und Eigenarten der Tier-und Pflanzenwelt vor unserer Haustür. In sehr gut verständlicher Sprache und erläuternden, kindgerechten, lustigen und anschaulichen Zeichnungen schließt sie bei kleinen und großen Leseratten Wissenslücken mit spannenden Fakten. Liebenswerte winzige und riesige Protagonisten mit entzückenden Namen stellen die richtigen Fragen und bekommen erstaunliche Antworten. Fangen wir bei den Kleinsten an und erklären interessante Zusammenhänge über den Wald und seine Insekten in dem ein oder anderen Kindergarten oder in der Grundschule. Durch das Vorlesen und Lesen dieser anschaulichen und lehrreichen Lektüre über unsere schützenswerte Natur weckt Simone Stokloßa das Interesse für das Ökosystem Wald.
Fazit: Unheimlich viel Spaß hat uns dieser entzückende Lesestoff bereitet. Wir haben mit Rosi & Mücke gelacht und gestaunt, uns die detailreichen Illustrationen immer wieder angesehen. Am Ende sind wir erstaunt und viel zu schnell aus der vorwitzigen Geschichte aufgetaucht. Die kleinen Helden haben uns begeistert. Jedes Alter kommt hier auf seine Kosten!
Neugierig sind wir auch auf das Hörspiel, welches es zu diesem Buch gibt sowie auf weitere Abenteuer mit der Käferrasselbande. Der 2. Band Rosi & Mücke - Eine Käferfreundschaft - Die erste Reise steht schon fest auf unserem Wunschzettel.

Bewertung vom 03.10.2018
Das Glück an meinen Fingerspitzen
Leuze, Julie

Das Glück an meinen Fingerspitzen


ausgezeichnet

Das Glück an meinen Fingerspitzen geschrieben von Julie Leuze aus dem Ravensburger Verlag
Das romantische, liebevoll gestalltete Cover ist beschreibend für diesen Roman. Jana hat sich in ihrem Leben verlaufen und sucht neuen Halt. Dafür schicken sie ihre Eltern aus Deutschland an die Westküste Kanadas zu Onkel und Tante. Beide sind Naturforscher und lieben die unberührte Natur British Columbias mit ihrer Tierwelt. Jana, ein Geheimnis im Gepäck und Onkel Richard, brennend auf seine Wolfserkundungen starten gemeinsam zu einer fast verlassenen Insel. Richard verschwindet spurlos und Jana bleibt allein in einer Blockhütte zurück. Ist das jetzt schlimmer, als das, was ihr letztes Frühjahr passiert ist? Oder stolpert sie auf der Suche nach Vergessen von einer Katastrophe in die nächste?...
Julie Leutze beschreibt in ihrem einfühlsamen Buch einen Weg, der physisch und mental eine Gratwanderung darstellt und der ihre Protagonisten am Ende stärkt, reifen und über sich hinaus wachsen lässt. Der Weg dorthin ist aufgetürmt mit tiefen Wunden aus der Vergangenheit, Hilflosigkeit und Verunsicherung. Doch Vertrauen, Freunschaft und letztendlich Liebe öffnen den Blick auf die angstmachenden Dinge und die vermeintlichen Probleme und Sorgen bekommen eine ganz andere Bedeutung. Kanada und Luke lassen Jana Raum zum Atmen und sie finden gemeinsam Platz für Heilung.
Geschildert werden die Erlebnisse und Empfindungen aus Sicht von "Luke", der mit Jana durch die wilden Wälder Kanadas und entlang des Pazifiks wandert und "Jana", die sonderbar, schüchtern, anders und unglaublich schön ist. Die einzelnen Kapitel tragen ihre Namen als Überschrift. Einen dritten, erdenden und spannenden Eindruck vermittelt das Kapitel "Die Insel". Die Autorin versteht es, in taktvollen Dialogen und einem mitreisenden, real erscheinenden, fast empfindsamen Schreibstil den Leser zwischen den Zeilen wichtige Botschaften erkennen zu lassen. Die Worte klingen nach und entfalten eine angenehme Spannung, Herzklopfen sowie ein warmes leichtes Gefühl. Trotz trauriger und schonungsloser Zwischentöne liest man eine mutmachende Geschichte mit belohnendem Happy End. Besonders die naturnahen Schilderungen und der Respekt der beiden Jugendlichen voreinander haben mir sehr gut gefallen.
Fazit:
Die Botschaft: Stell dir vor, du hast es in der Hand und dein Schicksal entscheidet sich genau jetzt!
Eine tragisch, schöne Geschichte, virtuos, atemberaubend und berührend erzählt. Dieser packende Abenteuer-, Liebes- und Jugendroman mit dem höchst passendem Titel geht zu Herzen und und prickelt bis zum großen Finale! Eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.10.2018
Ein deutsches Klassenzimmer
Kammann, Jan

Ein deutsches Klassenzimmer


ausgezeichnet

Ein deutsches Klassenzimmer - 30 Schüler, 22 Nationen, 14 Länder und ein Lehrer auf Weltreise von Jan Kammann, aus dem Malik (Piper Verlag)
Den vermutlichen Beweggrund für eine Auszeit vom Lehrerdasein als Geographie-und Englischlehrer an der Hamburger Europaschule Hamm liefert eine bulgarische Schülerin. Sie kommt nicht weniger als 3 Tage zu spät aus ihrem Heimatland aus den Sommerferien zurück. Ihre Entschuldigung bezieht sich auf die abenteuerliche Rückfahrt mit dem Bus aus Bulgarien. Endlose Umwege, Pannen und den daraus resultierenden Verspätungen und Erschöpfungen des langen Weges, gibt sie zur Begründung an. Jan Kammann ist neugierig und begibt sich nun selbst auf diese Reise über Österreich, Ungarn, Serbien nach Sofia. Nach einer über vierzigstündigen, erschöpfenden Busfahrt hat der Lehrer ein Einsehen mit seiner Schülerin und weiss, ihre Fehlzeiten sind unbedingt zu entschuldigen...!
Doch jetzt hat er Gefallen an dieser Idee gefunden. So beantragt Jan Kammann ein Sabbatjahr und reist auf den Spuren seiner aus verschiedenen Nationen stammenden, wissbegierigen Schüler und Schülerinnen und erkundet deren Heimat. Im Gepäck: gebastelte Reise-und Sprachführer aller Kontinente (außer der Antarktis) der Schüler der 10d. Seine Reiseroute: Deutschland, Iran, Armenien, Georgien, Türkei, Kosovo, Albanien, Italien, Polen, Kuba, Nicaragua, Kolumbien, Südkorea, China, Mongolei, Russland, Ghana und zurück nach Deutschland. Er berichtet von unterwegs in dem Blog: wwweindeutschesklassenzimmer.com. Am Ende prägt, bereichert und verändert ihn diese ungewöhnliche Weltreise, fern von Touristenpfaden.
So liest sich das Buch unheimlich gut. Der fesselnde und anspruchsvolle Reisebericht mit den interessanten Begegnungen gibt zahlreiche Einblicke in unterschiedlichste Lebensumstände und Weltanschauungen. Die Zeilen lesen sich wie ein internationales Zusamentreffen, abgerundet mit geschichtlichen, geopraphischen, kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, indivuduellen und alltäglichen Details. Oft betrachtete ich einige der zahlreichen, eindrücklichen Fotos, die passend zu den Kapiteln eingefügt sind oder verfolgte Jan`s Reiseroute anhand der gezeichneten Skizzen. Seine unkonventionellen, teils prekären, lustigen aber auch befremdlichen Begegnungen beschreibt er spannend und warmherzig. Dank der unterschiedlichen Erfahrungen öffnet sich sein Weitblick und er versucht zu verstehen, was den Alltag und das Lernen in Deutschland für seine Schüler so schwierig macht.
Fazit: Mir hat dieses Buch besonders gut gefallen, vor allem die landschaftlichen Details und die Einblicke in fremde Kulturen. Nicht alles, was wir täglich in den Nachrichten hören, macht uns Menschen aus. Es gibt noch viel mehr hinter den politischen Situationen und dem wirtschaftlichen Gerangel zu entdecken. Die Gefüge der Welt hängen zusammen und dieses Buch macht es auf seine Art dem Leser verständlich. Nachdenklich lege ich diese besondere Lektüre zur Seite und fühle mich, wie Jan Kammann als Schüler, zu dem er da draußen wurde.