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leserattebremen
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Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 07.05.2018
Mädchenware / Kommissar Steiger Bd.2
Horst, Norbert

Mädchenware / Kommissar Steiger Bd.2


sehr gut

Steiger und seine Kollegin Jana Goll sind wieder in einem spannenden Fall gefordert: Nach einer Schießerei in einem Bordell sind alle verschwunden, nur die Leiche einer Frau und eine Verletzte bleiben zurück. Doch es gibt keine Anhaltspunkte, wer die tote Frau ist und mögliche Zeugen mauern und wollen oder können nicht weiterhelfen. Die Lösung des Falls ist mühsam und die Geschichten der Frauen tragisch. Doch dies ist kein normaler Fall für Steiger, denn er ist auch persönlich betroffen: die verletzte Frau kennt er sehr gut und so bangt er um ihre Gesundheit, während er die Täter jagt.
Die Krimis von Norbert Horst sind immer sehr realistisch und brauchen keine künstlichen Verfolgungsjagden oder ähnliches, um spannend zu sein. So ist es auch dieses Mal wieder die besondere Verbindung, die man als Leser zur Hauptfigur aufbaut, die einen vorantreibt und die Lektüre so kurzweilig macht. Steiger ist schon jahrelang Polizist, auch wenn er die Grenzen manchmal etwas ausreizt, übertritt er sie nie völlig. Seine junge Kollegin Jana, die auf der Karriereleiter noch weiter aufsteigen will, bietet einen guten Ausgleich zu seiner Figur und gemeinsam lösen sie die Fälle auf manchmal etwas unkonventionelle Weise, die durch ihr gutes Zusammenspiel entsteht.
„Mädchenware“ von Norbert Horst ist ein spannender Krimi, der sich mit Thema Zwangsprostitution beschäftigt und einen als Leser nicht unbeteiligt lässt. Der Fall ist wieder kompliziert, aber sehr logisch angelegt, so dass man den Ermittlungen immer gut folgen kann und zudem noch mit Steiger mitfiebert. Ein sehr guter Krimi, wenn auch nicht der beste von Norbert Horst bisher.

Bewertung vom 02.05.2018
Die geliehene Schuld
Winter, Claire

Die geliehene Schuld


ausgezeichnet

Veras Freund Jonathan arbeitet wie sie Ende der vierziger Jahre in Berlin bei dem Magazin „Echo“. Als er für eine Geschichte über die Flüchtlingsströme in Europa recherchiert, muss er einer großen Story auf der Spur gewesen sein, denn aus Sorge, dass ihm etwas passieren könnte, schickt er Vera seine Unterlagen, verbunden mit der Bitte, die Recherche fortzuführen, wenn ihm etwas passieren sollte. Eigentlich wollte Vera die Vergangenheit voller Krieg, Hass und Verlust nur hinter sich lassen, doch als Jonathan tödlich verunglückt, ist es damit vorbei: Sie muss seine Geschichte zu Ende bringen und herausfinden, wer für seinen Tod verantwortlich ist.
Selten habe ich ein Buch so verschlungen wie „Die geliehene Schuld“ von Claire Winter. Der Aufbau des Romans mit Rückblenden zu Jonathans Recherchen im Wechsel mit der Gegenwart des Romans ein halbes Jahr später und Veras Recherche, sorgt für eine hohe Spannung und die Fakten, die die beiden über das Ende des Nationalsozialismus und handelnde Akteure aufdecken, lassen einen teilweise wirklich gruseln. Vera kämpft mühsam mit sich, um von einer antrainierten unpolitischen Haltung, in der sie einfach nur ihre Ruhe haben will, zu einer aktiven politischen Journalistin zu werden, die auch versteht, wofür Jonathan die ganze Zeit gestritten hat. Langsam tut sich ein Geflecht alter Mächte auf, die die Bundesrepublik keineswegs aus ihren Fängen gelassen hat, was auch Vera letztlich darin bestärkt, nicht aufzugeben. Sie ist eine starke Figur, die die Leser mitnimmt und berührt, was auch ein Grund dafür ist, dass einen diese Geschichte so angreift und bewegt, dass man nicht mehr aufhören kann. Man muss einfach immer weiterlesen.
Claire Winters historischer Roman „Die geliehene Schuld“ ist ein außergewöhnlich spannendes und mitreißendes Buch, das sich mit den Schattenseiten der Anfangszeit der Bundesrepublik beschäftigt. Es glänzt mit einer großartig durchstrukturierten Romanhandlung und lädt zum Nachdenken und Recherchieren buchstäblich ein, so unglaublich ist die Geschichte.

Bewertung vom 02.05.2018
Der Club der Traumtänzer
Izquierdo, Andreas

Der Club der Traumtänzer


sehr gut

Gabor Schöning ist äußerst erfolgreicher Unternehmensberater, sieht gut aus und arbeitet fleißig auf eine Partnerschaft in seinem Unternehmen hin. Doch alles ändert sich, als er einen Verkehrsunfall hat. Um keine unangenehmen Folgen zu riskieren, geht er mit dem Unfallopfer, einer Schulleiterin einen Deal ein: Sie zeigt ihn nicht an und dafür muss er eine Tanz-AG an der Schule leiten. Nur langsam merkt Gabor, worauf er sich da eigentlich eingelassen hat – und dass Kinder sich nicht so leicht organisieren und umstrukturieren lassen wie Unternehmen.
Andreas Izquierdo beschreibt mit seinem Protagonisten Gabor das Klischee eines erfolgreichen Geschäftsmannes, der oberflächlich durchs Leben geht, ohne sich auf tiefere Bindungen einzulassen. Doch trotz dieser vielleicht etwas flachen Schablone, die er für den Charakter verwendet, entwickelt er daraus eine Hauptfigur, die einen als Leser berührt, mal wütend macht und mal zum Lachen bringt. Gabor ist selbst überrascht davon, wie sehr das Leben der Schüler ihn einnimmt und so verkämpft er sich ein ums andere Mal für sie, um damit vieles nur schlimmer statt besser zu machen. Ganz langsam lernt er, dass wahre Freundschaft und Verlässlichkeit den jungen Menschen mehr geben als blinder Aktionismus. Es ist berührend, wie Gabor und sein Schüler sich aufeinander zu bewegen und gegenseitig ihr Leben verändern.
Mit „Der Club der Traumtänzer“ hat Andreas Izquierdo eine wunderschöne bewegende Geschichte geschrieben, die einem beim Lesen einfach ans Herz geht. Die Ehrlichkeit und Offenheit des Tanzclubs fasziniert von der ersten bis zur letzten Seite, bis einem der Schluss dann wirklich den Kopf zurecht rückt, denn was im Leben zählt wissen die Schüler am Ende genauso gut wie ihr Tanzlehrer: Freundschaft. Ein sehr schönes und berührendes Buch, aber Achtung: bitte die Taschentücher nicht zu weit weglegen, die Kids erobern ohne Umschweife das Herz der Leser.

Bewertung vom 27.04.2018
Mitte 40, fertig, los
Bloom, Franka

Mitte 40, fertig, los


sehr gut

Was kann man sich Schlimmeres vorstellen, als mit Mitte vierzig reumütig wieder bei der Mutter einzuziehen, nachdem man doch immer nur raus in die weite Welt wollte, weg aus der kleinen Stadt, in der man aufgewachsen ist? Es gibt wenig, was dem gleichkommt und doch muss Rike die Zähne zusammenbeißen und sich der Situation stellen. Ihr Mann hat sie verlassen und einen Berg Schulden hinterlassen, das Haus ist weg und der pubertierende Sohn wohnt auch lieber bei dem coolen Vater in der Stadt, als bei seiner langweiligen Mutter mit all den Vorschriften. Doch Rike lässt sich nicht unterkriegen und kämpft sich wieder nach oben – auch mit Hilfe alter Freunde aus Schulzeiten, die sie ebenso wie den Ort eigentlich hinter sich gelassen hatte. Und der ein oder andere kann sie dabei noch wirklich überraschen.
Der Roman „Mitte 40, fertig, los“ von Franka Bloom überzeugt von der ersten Seite an durch eine Menge Charme und eine sympathische und chaotische Hauptfigur. Rike musste eine Menge einstecken, aber sie lässt den Kopf nicht hängen, auch wenn sie sich bei allem manchmal spießiger vorkommt als ihre eigentlich doch so langweilige Mutter. Doch nicht nur ihre Mutter überrascht mit neuer Liebe und neuem Leben, auch der furchtbar langweilige Nachbarsjunge Michael, genannt Schmiddi, erscheint in völlig neuem Licht. Ein echter Freund, der hilft, wo er kann. Und Hilfe kann Rike wirklich gebrauchen. Die Lektüre des Romans ist sehr unterhaltsam, die Handlung fließt leicht dahin und bietet dennoch ein paar schöne Überraschungen und Wendungen, so dass es nie langweilig wird.
Mir hat Franka Blooms Roman „Mitte 40, fertig, los“ gut gefallen, die Lektüre war äußerst kurzweilig und die Charaktere sind von der Autorin mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet. Die perfekte Unterhaltungslektüre für ein verregnetes Wochenende und einen entspannten Tag am Meer.

Bewertung vom 27.04.2018
Eine Metapher wandelt sich / Die Ermordung des Commendatore Bd.2
Murakami, Haruki

Eine Metapher wandelt sich / Die Ermordung des Commendatore Bd.2


sehr gut

Die Geschichte um einen Porträtmaler und seinen seltsamen Nachbarn Menshiki geht weiter. In seinem Auftrag arbeitet der Maler am Porträt des Mädchens Marie, das Menshikis Tochter sein könnte. Langsam lernen sich auch Menshiki und Maries Tante näher kennen. Doch alles gerät aus den Fugen, als Marie plötzlich verschwindet und der Maler sie mit Hilfe des Commendatore suchen muss. Dabei landet er in einer Welt, in der völlig andere Gesetze zu gelten scheinen.
Auch im zweiten Band um den Commendatore entführt Murakami die Leser in ein spannendes in faszinierenderes Zwischenreich, indem sich Traum und Realität immer zu überschneiden scheinen. Die wunderbare Sprache des Autors, wieder in der großartigen Übersetzung von Ursula Gräfe, zieht den Leser schnell in seinen Bann und reißt ihn mit in die Geschichte. Dennoch konnte mich der zweite Band nicht so uneingeschränkt begeistern wie der erste Teil, manchmal war die Handlung mit all ihren Geheimnissen für mich einfach nicht mehr richtig nachvollziehbar, auch wenn ich gerade diese Elemente bei Murakami eigentlich sehr schätze. Irgendwo im Verlauf des zweiten Bandes habe ich den Anschluss an die Geschichte verloren und fühlte mich auch als Leser nicht mehr mitgenommen. Dennoch bleibt der Roman allein durch seine sprachliche Kraft und Ausdrucksstärke immer noch ein ganz besonderes Buch.
Auch wenn "Die Ermordung des Commendatore Band 2. Eine Metapher wandelt sich" von Haruki Murakami mich nicht so überzeugen konnte wie der erste Band, ist es ein bemerkenswertes Stück Literatur, egal ob man sich für die Handlung uneingeschränkt erwärmen kann, denn Murakamis Stil und Sprache begeistern von Anfang bis Ende.

Bewertung vom 19.04.2018
Der Himmel über unseren Träumen
Rehn, Heidi

Der Himmel über unseren Träumen


sehr gut

Veras Eltern flohen als Juden mit ihr aus München vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust nach Amerika. Dennoch kamen sie zurück nach Deutschland, ihr Vater sitzt Anfang der fünfziger Jahre für die SPD im Bundestag in Bonn und sie selbst arbeitet als Architektin in ihrer Heimatstadt München. Dort lernt sie Arthur kennen und lieben, doch die Vergangenheit steht zwischen den beiden, denn Vera kann ihre Sorgen nicht ganz abschütteln: Was hat Arthur während der Nazi-Zeit gemacht, war er wirklich so unbeteiligt, wie er tut?
Heidi Rehn setzt sich in ihrem neuen Roman „Der Himmel über unseren Träumen“ mit der spannenden Situation von Menschen auseinander, die unter den Nazis verfolgt wurden und es dennoch wagten, in der Bundesrepublik noch einmal neu anzufangen. Auch für Vera ist es schwer, einerseits sind vielen Posten noch mit der alten Riege besetzt, die gegenüber Juden und zusätzlich oft auch gegenüber Frauen Vorurteile hat. Zugleich wird ihr vorgeworfen, sie habe es sich leicht gemacht, habe den Krieg in Amerika verbracht und würde gar nicht verstehen, wie die Menschen gelitten hätten. All das führt in eine moralische Zwickmühle, aus der Vera sich nur schwer befreien kann. Die Autorin beschreibt diese Problematiken sehr realistisch und schafft es auch gut, das Problem der berufstätigen Frauen in der 50ern mit den Problematiken der Rückkehrer nach dem Weltkrieg zu verknüpfen. Das gelingt ihr, wie auch bei der Liebesgeschichte von Vera und Artur, ohne viel Kitsch und Pathos, was das Lesen sehr angenehm macht. Lediglich die Formulierung „Der Himmel über unseren Träumen“, die ich schon als Titel sehr sperrig finde, wird im Verlauf des Romans meiner Meinung nach viel zu oft ausgeschlachtet. Immer wieder benutzen Vera, Arthur oder Veras Mutter diese Formulierung, die für mich künstlich konstruiert ist, um einen Bezug zum Titel herzustellen.
Der Roman „Der Himmel über unseren Träumen“ ist eine sehr gut geschriebene Geschichte über die Anfangszeit der Bundesrepublik mit starken und spannenden Hauptfiguren, die lediglich an winzigen Formulierungen kränkelt, die mir beim Lesen aufgestoßen sind. Alles in allem aber eine spannende Lektüre, die ich nur weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 13.04.2018
Böse Schatten / Stachelmann Bd.7
Ditfurth, Christian von

Böse Schatten / Stachelmann Bd.7


gut

Als in Hamburg eine zwanzig Jahre alte Leiche gefunden wird, steht die Polizei vor einem Rätsel. Ein Papierschnipsel bei dem Opfer verweist auf einen historischen Bezug, Professor Stachelmann von der Uni Hamburg soll wieder helfen können. Doch der Fall scheint auch für ihn unlösbar und als seine Freundin und ihr Sohn auch noch in eine bedrohliche Lage geraten, wird auch sein Privatleben auf den Kopf gestellt. Dieser Fall ist für Stachelmann ein besonders schwieriger – beruflich wie auch privat.
Ich habe bereits einige Stachelmann-Krimis gelesen und sie haben mir immer sehr gut gefallen. Mit dem neuesten Band „Böse Schatten“ hatte ich jedoch so meine Probleme, die Perspektivwechsel waren mir teilweise zu abrupt und nicht gut gekennzeichnet. Dadurch wurde die Lektüre etwas verwirrend, auch wenn ich den Fall an sich und den Lösungsweg sehr spannend fand. Die privaten Einlassungen des Professor Stachelmann nahmen hier meiner Meinung nach einen etwas zu großen Raum ein, das hätte die Geschichte nicht gebraucht und weniger wäre mehr gewesen. Zudem fehlte mir teilweise etwas der rote Faden für eine klare und stringente Kriminalhandlung, zu viele Nebenbereiche spielten eine Rolle.
In „Böse Schatten“ reaktiviert Christian v. Ditfurth seinen ermittelnden Geschichtsprofessor Stachelmann, der seine Fälle auf unkonventionelle Art und Weise zu lösen vermag. Dieser Fall war zwar spannend, mir aber zu strukturlos, um richtig überzeugen zu können.

Bewertung vom 12.04.2018
Das Lied des Nordwinds
Kabus, Christine

Das Lied des Nordwinds


sehr gut

Karoline glaubt zunächst, mit der Hochzeit mit dem adeligen Moritz großes Glück zu haben. Doch schon bald stellt sich heraus, dass ihr Gatte kein liebender Ehemann werden wird und er sie nur wegen der finanziellen Möglichkeiten ihres Vaters geheiratet hat. Fast zeitgleich kämpft die junge Liv in Norwegen mit ihrer neuen Arbeitsstelle als Hausmädchen bei einem strengen Lehrer, der seinen Sohn drangsaliert. Die Rolle der Frau in der damaligen Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts lässt beiden wenig Handlungsspielraum, doch beide kämpfen für sich und die, die sie lieben, um ein glückliches Leben führen zu können. Über viele Umwege führt diese Geschichte die beiden Frauen zusammen.
Christine Kabus hat mit „Das Lied des Nordwinds“ einen schönen Roman über zwei starke Frauenfiguren geschrieben, die sich in schweren Zeiten durchsetzen und vielen Frauen der damaligen Zeit ein großes Stück voraus sind. Eindrucksvoll beschreibt sie das Leben der beiden, ihre Schwierigkeiten und Kämpfe. Doch auch die Nebenfiguren sind sehr gut und detailliert dargestellt, besonders die emanzipierte Frau Betge ist mir schnell ans Herz gewachsen. Die Geschichte fliegt beim Lesen nur so dahin und man kann gar nicht mehr aufhören. Die Erzählung springt immer hin und her zwischen dem Leben von Karoline und Liv, was die Spannung zusätzlich erhöht. Hat man sich gerade widerwillig von der einen Geschichte verabschiedet, wird man sofort in den nächsten Handlungsstrang hineingezogen und lebt wieder voll und ganz im zweiten Teil der Story. Diese Wechsel treiben die Geschichte kontinuierlich voran und lassen die Zeit regelrecht verfliegen.
Mir hat „Das Lied des Nordwinds“ von Christine Kabus ausgesprochen gut gefallen, die Geschichten waren spannend und kurzweilig geschrieben und dass die beiden Erzählungen erst so spät zusammenfinden, hat die Spannung zusätzlich gleichbleibend hoch gehalten. Ein tolles Buch für alle, die starke Frauengeschichten vor historischer Kulisse zu schätzen wissen.

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Bewertung vom 10.04.2018
Blasse Helden
Isarin, Arthur

Blasse Helden


ausgezeichnet

Nach dem Ende der Sowjetunion begibt sich Anton in das aufstrebende Russland, um dort als Geschäftsmann zu arbeiten. Es gefällt ihm dort, es gibt viel Geld zu verdienen, viele schöne Frauen und das kulturelle Umfeld mit Bolschoi Theater, Ballet, Theater, Oper und vielem mehr begeistert ihn. Es ist eine wilde und unruhige Zeit in Russland unter Jelzin. Die Zeit, bevor Putin an die Macht kam, es wenig Regeln gab und sich nach dem Umbruch und dem Untergang der Sowjetunion alles finden musste. Und Anton nimmt alles mit, was sich bietet. Bis sich das gesellschaftliche Klima zu ändern beginnt.
Es ist ein bizarres Leben, dass Arthur Isarin seinen Protagonisten, den „Blassen Helden“ wie er im Titel heißt, leben lässt. Alles scheint möglich und passiert entweder aberwitzig schnell oder über hunderte Umwege in schleichendem Tempo, Korruption und Bestechung finden sich an jeder Ecke. Obwohl einem Anton eigentlich unsympathisch sein müsste, wie er als westlicher Kapitalist nach Russland kommt und mit seinem Chef die Kohlebranche regelrecht an sich reißt, ich konnte nicht anders, irgendwie wurde er im Laufe des Romans sympathisch. Seine Sicht auf das damalige Russland wirkt so ungefiltert, die 90er Jahre durch seine Augen so wild und fast schon romantisch verklärt, dass man sich von ihm mitreißen lässt in seine Welt und „sein Russland“. Die Geschichte entwickelt schnell einen Sog, man kann nicht mehr aufhören, man muss weiterlesen, weiterleben in dieser chaotischen Welt voller Willkür, aber auch voller Chancen und Möglichkeiten.
Es ist wie ein Blick durch ein Schlüsselloch, eine kurze Zeit sieht man einen eingeschränkten Ausschnitt eines größeren Bildes und lässt sich davon faszinieren. Arthur Isarin ist mit „Blasse Helden“ ein spannender Roman gelungen, der einem Russland und die herrschende Mentalität in den 90er Jahren näherbringt. Aber auch etwas das Verständnis für den danach stattfindenden Wandel nährt und die Folgen, die er mit sich brachte. Auf alle Fälle ist es ein großartiger Roman, der einen als Leser anspricht und mitnimmt.

Bewertung vom 03.04.2018
Der Vater, der vom Himmel fiel
Henderson, J. Paul

Der Vater, der vom Himmel fiel


ausgezeichnet

Nach dem Tod ihres Vaters müssen Greg und Billy sich wieder zusammenraufen. Sieben Jahre haben sie nach einem Streit nicht miteinander gesprochen, doch nach der Beerdigung gilt es, das Erbe zu klären. Greg zieht zunächst in das Haus seines verstorbenen Vaters und soll auf dessen Wunsch die Familie wieder zusammenbringen. Gar nicht so leicht, bei all den Verrücktheiten, die hier ans Tageslicht kommen.
„Der Vater, der vom Himmel fiel“ ist eine schöne, lustige und gleichzeitig traurige Geschichte über Familienzusammenhalt und Vergänglichkeit. J. Paul Henderson beschreibt eine Familie, die eher nebeneinander als miteinander lebt, der plötzliche Tod rüttelt sie jedoch auf. Nicht alle, aber doch einige, wie die Brüder Greg und Billy, beginnen sich Gedanken über das Leben zu machen und darüber, dass man manchmal einfach machen sollte, was einem Spaß macht und den Menschen, die man liebt, das auch besser rechtzeitig sagt. Denn das Leben kann schnell vorbei sein. All das klingt jetzt sehr weise und tragend, wird aber vom Autor auf äußerst kurzweilige Art und Weise beschrieben, mit viel Witz und Humor an den richtigen Stellen. Meine absolute Lieblingsfigur war der einen Banküberfall planende Onkel Frank, dessen größter Traum es ist, als Cowboy in Montana seinen Lebensabend zu verbringen. Greg versucht, ihm wenigstens einen Teil seines Traums zu erfüllen – möglichst ohne dafür kriminell zu werden.
J. Paul Henderson hat mit „Der Vater, der vom Himmel fiel“ eine perfekte Mischung aus kurzweiliger Unterhaltung und höchst lesenswerter Literatur geschaffen, die auf leichte Art ein ernstes Thema aufbereitet – einfach großartig. Dies ist ein Buch, das definitiv in Erinnerung bleibt.