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Benutzername: 
LindaRabbit
Wohnort: 
Freiburg
Über mich: 
Leseratte erster Klasse!

Bewertungen

Insgesamt 254 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2022
Rückwärts laufende Hunde
Wilke, Jesko

Rückwärts laufende Hunde


ausgezeichnet

Die verrückten 70er

Der Titel rückwärts laufende Hunde im Rote Katzen Verlag hat ein Alleinstellungsmerkmal. Da Hunde nicht rückwärts laufen, nur wenn sie Angst haben, und es auch sonst keinen Begriff dafür gibt, hat sich der Rote Katzen Verlag (auch ein sehr eigener Name) sich einen besonderen Titel ausgesucht. Im Roman kommt mehrmals der Begriff „rückwärts laufende Hunde“ vor – immer für bestimmte Wolkenformationen.

Das Buch über Joe Ahlers beginnt mit 1970 und zieht sich über vier Kapitel bis zum Jahr 1980. Es ist auch ein ‚coming to age‘ - Roman in den 70ern und alles, was dort so passierte, taucht auf:
Zu Joe – er verliert seinen Vater vor seiner Geburt (der Vater wollte bei einem Verkehrsunfall auf einer Autobahnbrücke helfen und wurde von einen Kleintransporter über die Leitplanke geworfen).Joe wächst mit seiner Mutter Victoria auf, die eine Schönheitsfarm aufmacht, jedoch immer unter finanziellen Problemen leidet. Joe erkennt Gudrun Enssling als Gast bei ihnen, durchwühlt ihr Gepäck und findet eine Knarre, Gudrun entdeckt ihn in ihrem Zimmer und gibt ihm 10.000 DM, wenn er die Schnauze hält. Dafür rettet Joe mal wieder die Schönheitsfarm seiner Mutter. Nicht das erste Mal und nicht das letzte Mal. Beim Rauchen im Wald überfällt ein Penner Joe und Ralle. Sie wehren sich und meinen, den Aggressor getötet zu haben. Am nächsten Tag jedoch ist er weg. Im nächsten Kapitel 1975 nähert sich Joe der holden Weiblichkeit (in Form von Sunny, in der er schon immer verknallt war). Peinlicher Kondomkauf in der Apotheke, Joe völlig schüchtern, der Apotheker ‚Fromms oder Blausiegel‘? Joe dreht eine Ehrenrunde in der Schule und er hat einen Freund im Wald, der in so einer ausgebauten Garage hockt, Sperrmüllmöbel und Hanf zieht, von Afghanistan träumt. Im dritten Teil haut Joe nach Christiania ab, um das freie Leben in Dänemark zu genießen und vor allem einer sehr unbequemen Wahrheit zu entweichen. Joe kann nicht riechen und nicht schmecken und wird trotzdem in Dänemark eine Kochausbildung machen. Und da gibt es noch ein dänisches Mädchen…

Das Leben ist voller Überraschungen!

Wäre es nicht niedergeschrieben, ich hätte tatsächlich vergessen, dass es damals solche Zigarettenmarken wie ‚Reval, Rothändle, HB, Ernte 23‘. Wann und warum sind die denn verschwunden? Da ich keine Raucherin bin, ist mir das nicht aufgefallen. Aber Begriffe wie ‚fahr nicht wie das HB – Männle in die Luft‘, die heutzutage keiner mehr bsteht.

Der Roman erinnert an vieles, was damals war und hat insofern wirklich die Möglichkeit ein Kultbuch zu werden. Es ist einfach alles drin – die RAF (Gudrun Enslin), der VW – Käfer, unser Marihuana Konsum, das Ausflippen, die Musik, Woodstock, freie Liebe und sich nicht binden, anders sein wollen als die alten Spießer.

Der Lesestil ist so etwas lustig und leicht lesbar. Die Seiten flutschen einem nahezu durch die Finger. Das Titelbild hat natürlich einen hohen Wiedererkennungswert – der bunte Bulli und darüber die rückwärts laufenden Hunde...

Muss man als Kind der 70er Jahre gelesen haben, um zu wissen, wir waren damals ein geiler Haufen! Und den nachfolgenden Generationen ins Bett gelegt – wir waren damals ein geiler Haufen und Ihr könnt echt was von uns lernen!

Bewertung vom 05.04.2022
Die Superkräfte der Pflanzen
Scheller, Anne

Die Superkräfte der Pflanzen


ausgezeichnet

Die Giftigen, die Starken, die Schönen und die Guten

Zuerst hat mich das unhandliche Format gestört, so ein großes, dünnes Buch. Nun denke ich, dass es für Kinder ab 6 Jahren doch sehr passend ist. Sie können es gut greifen. Doch vermutlich werden die Meinen es sofort bemalen, wenn sie es in die Hände bekommen:
Wobei die Zeichnungen im Buch dazu geradezu animieren. Außerdem sind Malbücher oft in diesem Format gehalten.

Das Thema des Buches ist großartig - Pflanzen zeigen ihre Stärke, ihre Größe, ihre Farben und auch wozu sie Gift- und Duftstoffe besitzen.
Ein superinteressantes Buch mit guten Informationen, neuem Wissen und spannenden Erkärungen. Die Fotos und die Zeichnungen dazu passen hervorragend.
Ganz speziell finde ich die tollen Rezepte - Löwenzahnsirup anfertigen, Blüten karamelisieren.

Was mich jedoch etwas störte, war das große Durcheinander der Pflanzen: Mal exotische, dann wieder heimische Pflanzen. Die Exoten sind natürlich zuerst einmal ein "aha Erlebnis", denn diese sind nicht häufig in unseren Breiten anzutreffen. In manchen Gewächshäusern findet sich mal eine Titanwurz, doch wenn sie blüht 'und stinkt', dann wird sie total belagert. Schwierig, gerade mit Kindern, dann an den Stinker ranzukommen, während die heimischen Pflanzen einfacher vorzustellen sind, denn diese wachsen überall. Die Experimente mit den heimischen Pflanzen sind leichter mit Kinder nachzustellen.

Ich wünsche mir daher, dass der Moses - Verlag ein solch ähnliches Buch nur mit heimischen Pflanzen macht. Denn die Frage tauchte gleich auf, wo können wir diese Pflanzen und Bäume sehen?

Der Moses - Verlag ist bekannt für kindgerechte Natur- und Pflanzenbücher. Auch dieses ist ihm wieder gelungen.

Bewertung vom 05.04.2022
Ostseekreuz / Pia Korittki Bd.17
Almstädt, Eva

Ostseekreuz / Pia Korittki Bd.17


ausgezeichnet

Eva Almstädt schreibt Krimis, die an der Ostsee spielen (mit schönen Landschaftsbeschreibungen, die aber auch eine aufregende Krimikulisse bieten).

Dabei spielt die Kripofrau Pia Korittkis die tragende Rolle, an ihrer Seite steht ihr Geliebter und Kollege Martens (mit dem sie früher wohl eine on off Beziehung hatte). Ihr geschiedener Mann und der Sohn Felix spielen ebenfalls mit. Pia ist eine starke Frau, die sich nichts bieten lässt und Zusammenhänge klar erkennen kann. In einem Vorläuferbuch wurde sie von einem manipulierenden Schwerverbrecher gefangen gehalten, was sie traumatisiert hatte (sie leidet an posttraumatischen Störungen). Der Verbrecher, Mark Albrecht Lohse, ist auf der Suche nach Pia (weil er einen perfiden Plan hat).

Daher wird Pia freigestellt und soll sich ein sicheres Versteck suchen. Das Versteck ist ein Kloster, in das nicht nur sie, sondern auch noch fünf weitere Klostergäste sich von ihrem Berufalltag die Nase freipusten lassen wollen. Im Kloster zu sein, heißt sich dem Klosteralltag der Mönche anzupassen: Früh aufstehen, früh ins Bett gehen, beten oder meditieren, geistlichen Beistand suchen, im Kloster mitarbeiten (ORA ET LABORA ET LEGE). Lege steht für lesen. Es gibt eine hervorragend Klosterbibliothek. Diese sucht Pia gerne auf, sie setzt sich mit der kleinen Klostergemeinschaft auseinander und lernt die einzelnen Mönche kennen (die meisten schon etwas älter). Pia arbeitet im Klosterforst mit und das hilft ihr ungemein. Die ‚labora‘ tut ihr gut. Dagegen ist die ‚ora‘ nicht ganz so ihr Ding.
Doch bald findet sich ein toter Mönch in der Klosterkirche, ausgerechnet derjenige, den alle mochten, ein sehr integrer Mann und der als der nächste Prior gehandelt wurde. Nachdem der erste Tote auftaucht, wird es richtig turbulent mit noch weiteren Toten und erstaunlichen Zusammenhängen.

Nicht allzu weit weg von aktuellen Diskussionen…
Unterdessen hängt sich ihr Geliebter an die Ferse von Lohse, der ein gewiefter Verbrecher ist und der in den Süden Europas abhaut, bis es zu einem gewaltigen 'show down' kommt. Einige ‚gleich haben wir ihn‘ - Momente lassen die Verfolgung aufregend werden.

Ostseekreuz ist der 17. Fall von Pia Korittki, das heißt die Kommissarin dürfte schon eine Fangemeinde haben. Für mich war es mein erster Fall. Es liest sich flüssig und mit spannenden Momenten, wenn man die ersten 100 Seiten überwunden hat. Die Autorin hat über das Klosterleben (Mönchskloster) intensiv recherchiert. Klöster haben heutzutage Rekrutierungsprobleme und sind fast am Aussterben – auch das wird thematisiert. Gleichzeitig bieten viele Klöster Aufenthalte in ihren Gemäuern an, wo gestresste Menschen des 21. Jahrhundert eine Auszeit nehmen können.

Die Ostsee wird eher am Rande erwähnt: Das Kloster liegt an der Ostsee, früher näher, doch die Bucht ist versandet. Der Strand spielt eine Rolle, wird aber nicht intensiv genutzt aufgrund der eher rauen Jahreszeit. Da oft der Entführungsfall angesprochen wird (Pia traumatisiert) wäre interessant den 16. Fall parallel zu lesen.

Gute Unterhaltungsliteratur – denn der Krimi liest sich einfach, flüssig, logisch aufgebaut, ohne sprachliche Stolperfallen und nachvollziehbar. So nachvollziehaber, dass man sich gerne an reale Momente erinnert.

Das Umschlagsbild (krimimäßig, denn bei Krimis wird gerne solch ein Landschaftsbild gezeigt): Eine am Meer gelegene Landschaft, mit einer Klosterruine (nomen est omen, deutet das auf das etwas marode Klosterleben mit seinen ‚brüderlichen‘ Fallen?) Dunkle Wolken sind aufgezogen (was auch gerne bei Krimilandschaften gezeigt wird), das Böses lauert irgendwo… Das Landschaftsbild ist sehr schön!

Der Titel passt sich in die Reihe der Almstädt‘schen Titel ein, wo oft ein Ostsee auftaucht, dieses Mal eben weil die Morde im Kloster passieren, das Kreuz.

Bewertung vom 30.03.2022
Danke, Afrika! Was ich zwischen Dschibuti und Marokko fürs Leben lernte.
Wendt, Lena

Danke, Afrika! Was ich zwischen Dschibuti und Marokko fürs Leben lernte.


gut

Afrika

Das Büchlein mit 271 Seiten ist sehr persönlich: Lena Wendt erzählt von ihren diversen Aufenthalten in unterschiedlichen Ländern. Wer interessiert an Afrika ist und wer sich fragt, wie sich so ein Aussteigerleben organisieren lässt, dem gefallen die Erzählungen bestimmt. Lena Wendt hat in Südafrika in einem Projekt mitgemacht (und dort erfahren, dass ‚Rassismus‘ eben nicht nur auf Europa beschränkt ist - wobei den Begriff 'Rassismus' gibt es ja nicht mehr, da es nach offizieller Deutung auch keine Rassen gibt). Und so, wie bei den Kriegen und blutigen Streitereien in Afrika, wird auch künftig nur von ‚ethnic clashing‘ die Rede sein.

Wenn sie davon redet, dass nachts junge Männer die dreizehn Kilometer zwischen der Nordspitze Marokkos nach Spanien rüber surfen wollen, und wieder aufgegriffen werden, oder fast dabei umkommen, dann ist das ein Beispiel für die Politik von Marokko, die der Jugend des Landes keine Chancen gibt. Bei durchschnittlich 3,5 % jährlichem Bevölkerungswachstum in den meisten afrikanischen Ländern ist es wirklich schade, dass diese Länder es nicht verstehen, ihre Jugend auszubilden und Arbeitsplätze ihnen anzubieten. Doch wenn diese jungen Männer, statt sich nach Europa zu sehnen wo auch die meisten scheitern, sich zusammenschließen und Forderungen aufstellen – dann wäre das etwas! Lena Wendt wird von den jungen Männern auch als Beraterin und Wegbereiterin angesehen. So hat sie durchaus einen bestimmten Einfluss, wie sie in ihrem Buch beschreibt, auf die jungen Männer.

Da ich mein halbes Leben in Afrika verbrachte und viele Freund:innen habe, die in unterschiedlichen afrikanischen Ländern leben (und weil das anscheinend auch wichtig ist – aller Farbschattierungen), ich habe ein anderes Afrika kennengelernt, obwohl ich in den meisten Ländern, die Lena Wendt beschreibt, gelebt habe. Sie war touristisch in Afrika unterwegs, ich habe dort offiziell gearbeitet.

Das Buch ist haptisch schön griffig, es ist kein Hochglanzumschlag um das Buch geschlungen worden, sondern ein papierenes Etwas. So liegt es gut in der Hand. Durch die großzügige Schriftform lässt es sich auch gut lesen. Der Titel sagt aus, dass die junge Frau in Afrika ihren Halt gefunden hat und, als jemand, die sich nach Freiheit sehnt, ihre Freiheit dort gefunden hat, gleichzeitig musste sie aber erfahren, dass durch eine Pandemie 'Freiheiten' eingeschränkt werden.

Jede:r sucht sich so seine / ihre Nische – Lena Wendt hat die ihre gefunden: Als Tanz- und Yogalehrerin. Ihr Freund Mohammed hat ihr einen Heiratsantrag gemacht – gut für sie. Ich hoffe, dass sie glücklich wird und ihre Ehe Bestand hat.

Bewertung vom 30.03.2022
Großstadtgeheimnisse

Großstadtgeheimnisse


sehr gut

Eine Stadt, so wie Berlin, besteht aus vielen Facetten. Und Geheimnissen, verworrenen Ecken und Irrgängen. 26 Kurzgeschichten, die von der Tristesse einer solchen Großstadt erzählen. Berlin ist bestimmt eine schillernde Stadt, aber im Nordosten, kalt, und bevölkert von vielen Menschen. Lebt es sich angenehm in so einer großen Stadt? Es gibt viel Kultur, Museen, es gibt die Politik, die Regierung, viel Internationales, es gibt aber auch die erbärmlichen Schattenseiten: Einige davon sind in dieser Kurzgeschichtssammlung vorgestellt…. Einsamkeit. Alter. Wandel. Depressionen

Es sind Geschichten vom Abschiednehmen (nach einem langen Arbeitsleben), über Einsamkeit, über Queersein, Alleinsein und doch nicht einsam sein wollen…von den Gedanken, die jemand hat, wenn man in der Nacht unterwegs ist oder einfach nur die Menschen um sich herum betrachtet. Manchmal sind die Geschichten verstörend, oft aber machen sie nachdenklich (ist mir das auch in dieser Weise schon passiert?).

Ich empfehle auf jeden Fall diese Geschichten. Das Titelbild ist natürlich schön berlinerisch – Museumsinsel im Dunkeln mit Lichtschimmer vor der Linse

Bewertung vom 30.03.2022
Liquid
Genzmer, Herbert

Liquid


sehr gut

"... Wir saßen an einem Abend zusammen, als Anna sagte, es gäbe demnächst kein Bargeld mehr, davon sei sie überzeugt, und technisch sei es kein Problem. Technisch ist es sicher kein Problem, aber politisch kaum durchsetzbar, sagte ich damals. Sie ließ sich nicht überzeugen und paraphrasierte ein Zitat von Jean Claude Junker: Man beschließt etwas und wartet ab, welche Reaktionen es daraufhin in der Gesellschaft gibt. Die meisten wissen gar nicht, worum es genau geht und kümmern sich nicht darum. Erfolgen keine Reaktionen, macht man weiter, bis es kein Zurück mehr gibt. An dem Punkt begann ich darüber nachzudenken, wer in einer Gesellschaft an der Beibehaltung des Bargelds interessiert ist und was es für ein System bedeutet, wenn es kein Bargeld mehr gibt und wie es davon profitieren kann. So entstand dieses Buch (Danksagung des Autors)"

Im Jahr 2029 arbeitet die Biochemikerin Madeleine Alberti in einem künstlich geschaffene Agrarort in der Wüste New Mexicos, in einem Kaff namens Esperanza (fiktiv). Sie soll dort bei einem Bewässerungsprojekt neue Genstrukturen mitentwickeln. Alberti spricht Spanisch und versteht sich mit den Arbeitern gut. Taco erzählt ihr Dinge, denn an diesem Ort und seinen mexikanischen Arbeitern wird experimentiert: mit neuen, bargeldlosen Zahlungsmethoden mittels eines liquiden Chips. Einmal implantiert in den Menschen ist der gesamte Mensch transparent und kontrollierbar (als Kredit- und Informationsträger). Alberti nimmt Kontakt auf mit einer Organisation „Gedruckte Freiheit“ in Frankfurt und Richard Weigelt. Bald wird durch die permanente Überwachung bekannt, dass Albertine das System erkannt hat und sie wird zum Feind der Firma (die weltweit ein gutes Ansehen hat). Madeleine Alberti flieht über den Rio Grande nach Mexiko. Dort kann sie Tacos Kontakte nutzen, ein einheimischer Drogenboss löscht ihre alte Existenz aus (auf die üblich von solchen Kartellen benutzten Wegen) und vermittelt ihr eine neue Identität, unter der sie nach Europa reist. Ausgerechnet ein Drogenboss, aber die Kriminellen haben Geld, Verbindungen und sind skrupellos.

In diesem Roman (ein Polit Thriller!) geht es um die Abschaffung des Bargeldes und um die totale Kontrolle der Bürger:innen. Es tauchen auch Namen auf, die in der momentanen Politszene negativ bekannt sind und denen man genau solche Machenschaften auch zutrauen kann. Dass die Abschaffung des Bargeldes nicht unrealistisch ist sondern ein Fakt, zeigt die Aussage von Juncker, von Griechenland und von Schweden. Es geht um Naturkatastrophen, die den Regierenden gerade richtig kommen, denn damit kann man die Bevölkerung kontrollieren. Angesichts von Überschwemmungen, Seuchengefahren und Angst um Leib und Seele lassen sich alle impfen.

Es ist ein Roman, der mit Spannung aufrütteln soll. Denn das ist kein Zukunftsszenario, sondern es passiert jetzt und könnte noch schlimmer werden. Auch pandemische Momente wurden in den Roman eingearbeitet. 2019 hat sich noch niemand vorstellen können, dass das passiert, was passiert ist. Doch das mit dem Impfen ist so eine Sache, denn Impfen hilft (wer mit Polio kämpft, wäre dankbar gegen Polio geimpft worden zu sein. Wer im Mittelalter dem Schwarzen Tod erlag, wäre dankbar gewesen gegen diese Zoonose, von Eichhörnchen übertragen denen man das Fell über die Ohren gezogen hatte, geimpft worden zu sein). Besser ist natürlich der Natur ihren Raum zu lassen. Doch mit acht Milliarden Menschen weltweit…
Schlusskapitel: ... und trotz der grauen Unausweichlichkeit der Situation, auf die das Land und große Teile der Welt zutreiben, verspürte jeder von ihnen etwas wie einen Anflug unbändiger Unabhängigkeit. Sie waren erregt und dachten an das, was vor ihnen lag und jeder malte sich aus, wohin die Reise sie führen könnte …

(es besteht also noch Hoffnung… )

Teilweise ist der Romanablauf nicht nachvollziehbar, warum passieren bestimmte Abläufe in dieser Weise? Manchmal hektisch schnell und dann wieder sehr langandauernd. Dass sich die geflüc

Bewertung vom 16.03.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Tod im Watt

„Die Eingeborenen sind unruhig und behalten uns im Auge“, flüsterte Rudi Lehmann „halt‘ die Glasperlen bereit und lass sie die Führung übernehmen. Wir tun so, als würden sie bestimmen, dann wird‘s einfacher. Denk daran, es ist für uns ein Auswärtsspiel.“ (Rudi Lehmann, Ermittler aus Flensburg, zu seiner Kollegin Lykke Teit aus Kopenhagen)

Ein Lehrer, Lasse, ist mit seinem Lieblingsschüler Villads im Watt unterwegs. Doch dann kommt Nebel auf, der so dicht ist, dass sich die beiden nicht mehr sehen. Außerdem ist die Uhr des Lehrers stehengeblieben und die Flut kommt. Während sie im Watt herumstolpern und sich gegenseitig suchen, findet Villads einen im Sand eingegrabenen Toten. Lasse treibt Villads an zum Festland zurückzukehren, er hat Angst vor dem Wasser, als plötzlich aus dem dichten Nebel ein riesiger Mann mit einer Schlagkette auftaucht und den Lehrer zusammenschlägt. Der Junge dagegen verschwindet spurlos.

Der Leichenfund im Grenzgebiet Dänemark - Deutschland und die Suche nach dem verschwundenen Schüler bestimmen die Untersuchungen des Ermittlerduos Rudi Lehmann und Lykke Teit.

Wunderschön beschrieben als bei der Wattwanderung Nebel aufzieht und die beiden Gehenden verschluckt. Gruselig wie plötzlich der hünenhafte Schatten kettenschwingend auftaucht und zuschlägt.
Die beiden Ermittler:in, Lykke Teit und Rudi Lehmann, sind sympathisch und überaus menschlich dargestellt. Dagegen ist Mogens Krogh ein Kotzbrocken, wie sie leider auch im Berufsleben auftauchen und von denen jede:r hofft, dass sie durch einen Herzinfarkt endlich von dannen gehen. Niemand kann Krogh leiden, doch er ist nicht loszukriegen, trotz seiner professionellen Schwächen und seiner unleidigen Art.

Sehr gut beschrieben, flüssig, logisch und spannend erzählt. Das Umschlagsbild reiht sich ein in die Folge der vielen Krimis, die gerne Landschaftsbilder nehmen: Auffällig, aber wie gesagt üblich... trotzdem schön.
Ein Küstenbild mit düsterem Himmel. Gut gemacht ist die Faltlinie im Bild – weil der Tote auf der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark lag?

Das Buch ist der erste Band der neuen Reihe von Jürgensen mit dem Deutsch-Dänischen Ermittlerduo Lykke Teit und Rudi (Rudolph) Lehmann.

334 Seiten, Gezeitenmord von Dennis Jürgensen, in Dänemark ein bekannter Autor; übersetzt von Ulrich Sonnenberg, preisgekrönter Übersetzer dänischer Werke

Bewertung vom 16.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


ausgezeichnet

Dror Mishani

Dror Mishani, ein in Israel bekannter Autor, schreibt Krimis über den Polizisten Avi, der es Leid ist nur solche Fälle aufzuklären, wo der Vater den Sohn umgebracht hat und der Ehemann die Mutter seiner Kinder. Doch nun wird ein Baby abgelegt und dann verschwindet ein Tourist. Avi versucht in einem herunter gekommenen Hotel am Strand Hinweise auf dessen Identität zu erhalten...Aber eigentlich träumt Avi davon, dass sich CIA oder MI6 bei ihm melden. Weil er will etwas für die Gerechtigkeit in der Welt unternehmen...
Auf subtil - geniale Weise bringt Avi Informationen zusammen. Nicht umsonst wird er als einer der besten Ermittler in Israel genannt.

Zuerst einmal spannend, doch auch zwiespältig (das Leben ist ein Trümmerhaufen mit angenehmen Momenten)

Dror Mishani schafft es auf seine Weise eine gute Spannung aufzubauen, die am Lesen hält. Dabei wird man intellektuell auch gefordert. Da ich selbst in Israel lebte, hat auch vieles, was er beschreibt, einen hohen Wiedererkennungswert. Den Autor kannte ich bislang noch nicht, doch ich werde ihn mir merken!

Der Diogenes - Verlag steht für gehobene Literatur (bislang haben mich viele Bücher aus diesem feinen Verlag begeistern können). Auch mit Dror Mishani hat Diogenes gut gewählt.

Das Umschlagsbild - eine Frau, geheimnisvoll, modern - ist im Diogenes - Stil gemacht worden und passt zu dem Roman. Es braucht nicht immer schrille Bilder auf dem Umschlag.

Bewertung vom 16.03.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


ausgezeichnet

Sylt, so richtig intern

Von Strandräubern und Walfängern stammt die Mehrheit der Sylter ab: Aber was sind Strandräuber? Gehört Strandgut nicht immer dem/der Finder:in?
Sylt, die völlig verkaufte Insel, wo mittlerweile selbst die Einheimischen abhauen, weil sie sich nicht mehr die Insel leisten können (Ich war nur einmal im Winter da und das fand ich gut, ne steife Brise um die Ohren und wenig Touristen).

Die Autorin stammt aus Sylt, das heißt, sie hat durchaus Ahnung von was sie schreibt. Und wer sich mit Sylt schon mal beschäftigt hat, weiß, dass die Insel im Ausverkauf liegt. Die Reichen und Schönen… die Neureichen und diejenigen, die glauben sie sind schön… haben sich das schöne Inselchen unter den Nagel gerissen. Sylt gilt heute als Synonym für den brutalen Ausverkauf, so wie ein paar andere Flecken in Deutschland….Schaurig!

Der Spaten! So lange man den Spaten in Deich steckt... Da steckt so viel Weisheit in dem Büchlein, was sich leicht übertragen lässt auf andere Regionen / Lebensumstände. Doch die Szene, wo beim schlimmsten Sturm, die die Autorin erlebte, der Hund 'Öko alias Ilko' lebendig begraben wird, weil 'etwas Lebendiges eingraben gegen den Sturm'... und dann dreht der Wind... unglaublich.

Die Autorin Susanne Matthiesen erzählt unterhaltsam, aber auch nachdenklich, von ihrer Kindheit, ihrer Familie und ihrer Beziehung zur Heimatinsel Sylt:
Mittels Kindheitserinnerungen, vielen Anekdoten und Historischem, Sprüchen und Aberglauben und Verhalten von Erwachsenen (wo es mich echt umhaut). Der 70er-Flair (es gab noch Pelzmäntel) wird wieder wach.

Das erste Syltbuch von Matthiesen: „Ozelot und Friesennerz" wurde von einer Leserschaft begeistert angenommen.

"Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen" ist ein Buch mit ernsten und kritischen Teilen, aber auch so etwas von liebe- und humorvoll, in nostalgischer Erinnerung schwelgend, doch eine sehr gute Auseinandersetzung mit der Insel und einer vergangenen Zeit, die nicht wiederkehrt.

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Bewertung vom 16.03.2022
Caspar und die Träne des Phönix / Die vier verborgenen Reiche Bd.1
Elphinstone, Abi

Caspar und die Träne des Phönix / Die vier verborgenen Reiche Bd.1


ausgezeichnet

Die Allianz der Außenseiter in einer Welt voller Magie

Phönix aus dem Ei (nicht aus der Asche) erschuf eine mystische Welt (insofern bleibt es beim Bild des magischen Vogels), die jedoch wichtig für den Planeten Erde ist. In diese taucht jetzt Caspar ein. Und trifft das Mädchen mit den Sternen auf den Wangen.

Caspar, der mit seinen Eltern in Little Whollop, England, in einem Internat lebt, in dem auch verzogene Sprößlinge reicher Familien logieren, wird von den reichen Bullies drangsaliert und fühlt sich daher als Außenseiter. Denn seine Familie ist arm und arbeitet hart für ihren Lebensunterhalt. Nun dringt eine der Bullies sogar in den Wohnturm seiner Familie ein, Caspar versteckt sich in einer zu reparierenden Standuhr... und findet sich plötzlich in einer ganz anderen Welt wieder: Und nun beginnt das Abenteuer. Caspar, eher ein Stubenhocker, wird eingeführt in Wolkenstern, wo es gilt ein Wagnis nach dem anderen zu bestehen. Während es Bösartige gibt, die ihm nicht gut gesinnt sind, finden sich aber zunehmend jene, die in ihm einen wichtigen Helden sehen. Wilda Undank (der Wildfang - Nomen est Omen) ist genauso wie Caspar eher eine Außenseiterin, doch nun schmieden die beiden eine Allianz, zwar mit Stolpersteinen, und bestehen gemeinsam Abenteuer. Nicht zuletzt spielt der kleine Drache Aldo eine wichtige Rolle.

Eine Welt voller Überraschungen, wo Wildas Wissen, Caspars plötzlich erkannte Willenskraft und Aldos Intelligenz zusammen wichtig sind - gemeinsam sind wir stark. Großartig, um das genau zum Ausdruck zu bringen... sehr magisch beschrieben. Lässt Kinderherzen jubeln, vor allem wenn sie vorher noch zitterten...
Von Nachtlingen, Knastvögel, Schlingpflanzen alias Schlammschlingerer, Nieselhexen (die alles einpökeln wollen), einem verführerischen Silberfluss, Wolkenriesen und vielem mehr - eine Welt voller Fantasie!

Das Titelbild ist superschön, diese blau-grüne Farbe (Nacht und Abenteuer im Dunklen) mit den blitzenden hellen Tupfen (die Ballonisten), ein Caspar im Boot, der gar nicht so verzagt aussieht und Aldo vor ihm, Wilda als strahlender Kontrapunkt hinter den beiden