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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2014 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2024
Der Morgen gehört uns
Coppo, Davide

Der Morgen gehört uns


ausgezeichnet

Ettore

Die Geschichte eines Jungen, der in Italien in rechte Kreise abrutscht, erzählt von ihm selbst.
Es sind die Jahre 2000 bis 2005. Ettore geht motiviert auf das Gymnasium, fühlt sich dort aber schnell isoliert und orientierungslos.

Davide Coppo hat einen guten Stil und er kann Ettores Gedanken vermitteln. Er versteht es auch Situationen darzustellen und viele Passagen sind eindringlich.
Zwar habe ich keine Sympathien für rechte, aber Ettore ist auch nicht direkt unsympathisch und seine Suche nach etwas Bedeutenden kann man verstehen, doch leider geht er den falschen Weg und das ist ein gesellschaftliches Problem. Man sieht auch, wie Ettore sich verändert und Gewaltbereitschaft zunimmt. Politisch fehlgeleitet radikalisiert er sich.

Ich begrüße derartig kluge, gesellschaftsrelevante Romane.

Bewertung vom 22.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


ausgezeichnet

Die Schwestern und der Bär

Cascadia ist ein Roman, der einige wichtige und relevante Themen behandelt, die mich sehr interessieren.
Zum Beispiel Armut in den USA.
Die Schwestern Elena und Sam kommen nur schwer über die Runden, denn ihre Mutter ist schwer krank. Krankenhauskosten und teure Medikamente treiben sie in Schulden.
Ich denke, dass das kein Ausnahmefall in den USA ist.
Im Hintergrund schwebt dann noch das Thema häusliche Gewalt. Ein ehemaliger Freund der Mutter hatte die Familie tyrannisiert und vermutlich gab es auch Gewalt.
Das hat die Schwestern eng zusammengeschweißt. Und so ist auch das Thema Schwesternschaft hier in einer Tiefe beschrieben und zeigt Verbundenheit, aber auch Grenzen.

Der Roman überzeugt durch seinen Schauplatz, der atmosphärisch stark eingesetzt wird. Eine US-amerikanische Insel, nicht weit von Kanada. Hier gibt es viel Fährbetrieb, denn die Insel ist für Touristen interessant. Sam arbeitet auch einer Fähre.
Doch als dann überraschend ein Bär auftaucht, beeinflusst dass das Leben der Schwestern. Während Sam vor dem Bär Angst hat, ist ihre ältere Schwester von ihm fasziniert und nähert sich ihm ohne Angst.
Wie es mit der Familie weitergeht und was alles passiert, darf hier noch nicht verraten werden.
Es ist ein packender Roman!

Bewertung vom 22.07.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Der Moment des Misstrauens

Jessica Linds erstes Buch hatte schon einen mysteriösen, psychologischen Ansatz. In ihrem neuen Buch ist das psychologische auch stark enthalten.
Die Protagonistin ist eine junge Mutter. Als es in der Schule zu einem Vorfall um ihren Sohn und einer Mitschülerin kommt, beginnt sie, ihrem Sohn zu misstrauen und steigert sich immer mehr hinein.
Dazu gehört auch, dass ihr eigenes Kindheitsdrama um ihre Schwestern und ihrer tragischen Trennung wieder in ihr Bewusstsein kommt.
Damals starb ihre jüngste Schwester und die andere Schwester, die adoptiert war, entfernt sich von der Familie. Diese Adoptivschwester Linda ist übrigens eine großartig gemachte, lebensechte Figur, wie man sie nicht in jedem Roman findet.
Jetzt stellt sich die Frage, ob die ganzen Erinnerungen helfen, die aktuelle Situation zu bewältigen und sich auch den alten Geschehnissen zu stellen.
Das fand ich schon sehr überzeugend, daher denke ich, dass die Autorin Jessica Lind ein großes Potential für auch kommende Bücher von Bedeutung haben wird.

Bewertung vom 13.07.2024
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


ausgezeichnet

Juno und Jupiter

Martina Hefter habe ich schon vor Jahren mal live bei einer Bewegungs-Gedicht-Performance gesehen. Auch die Protagonistin dieses Buches, Juno, ist Perfomance-Künstlerin, mittleren Alters. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Jupiter, der krank ist und im Rollstuhl sitzt. Vermutlich ist es multiple Sklerose. Ihren Alltag im Schatten dieser Krankheit wird nachvollziehbar gezeigt.
Juno leidet an Schlaflosigkeit. Um sich die Zeit zu vertreiben, chattet sie im Internet mit sogenannten Love-Scammern. Das sind Leute, die Kontakte zu Frauen suchen, um sie um Geld zu betrügen.
Juno macht sich einen Spaß daraus, diese Typen auszutricksen. Doch dann gerät sie mit dem Love-Scammer Beno, der in Nigeria lebt, in eine Art Beziehung. Ihre Gespräche werden immer vertraulicher, aber wie Benos Absichten sind, bleibt dem Leser immer fraglich.

Martina Hefter hat ihren Roman geschickt gemacht, er wirkt realistisch und echt. Junos Gedanken und Empfindungen kann man dicht folgen. Ich halte „Hey Guten Morgen, wie geht es Dir?“ für einen sehr guten Roman!

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.07.2024
Heim schwimmen
Levy, Deborah

Heim schwimmen


gut

Kitty Finch

Von Deborah Levy habe ich eine Reihe exzellenter Romane gelesen. Heim schwimmen ist überraschenderweise nicht mein Favorit, denn so ganz viel konnte ich mit dem Buch nicht anfangen.
Hauptproblem ist die Fokussierung auf die exzentrische Hauptfigur Kitty Finch, die für mich von Anfang bis Ende rätselhaft geblieben ist. Gleichzeitig rückt das die anderen Figuren in eher passive, beobachtende Rollen.
Dabei hatten Joe, Isabel, Nina oder Mitchell durchaus Potenzial.
Dennoch gibt es natürlich eine ganze Reihe bemerkenswerter Passagen, die wirklich gut geschrieben sind.

Bewertung vom 12.07.2024
Willkommen auf Tuga
Segal, Francesca

Willkommen auf Tuga


gut

Eine Tierärztin im Südatlantik

Woanders ist der Roman mal als gemütlich bezeichnet worden. Das ist wohl zutreffend.
Eine englische Tierärztin zieht auf Tuga de Oro, eine Insel im Südatlantik. Das wirkt so echt und exotisch wie eine Traumschiff-Folge.
Stilistisch wirkt der Roman altmodisch, aber nicht übel. Am Anfang wird Charlotte Walkers Jugend erzählt, ihre Charaktereigenschaften werden erläutert und doch wird sie für mich nicht wirklich eine glaubwürdige Protagonistin. Auf Tuga kann Charlotte sich relativ schnell in die Inselgemeinschaft einfügen, da sei als Tierärztin akzeptiert wird.
Ein wenig Romantik gibt es auch.
Aber ich hätte mir doch bessere Beschreibung der Natur der Insel und der Bewohnerschaft gewünscht.
Das ganze soll eine Trilogie werden. Also kann sich das Ganze vielleicht noch steigern.
Für mich war es nicht das richtige Buch, aber es gibt sicher eine Leserschaft, die den Roman wohlwollend aufnehmen wird.Schließlich liest sich der Roman so vorhersehbar wie flüssig, also für ein entspanntes Lesen geeignet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2024
Fremder Champagner
Berscheid, Martina

Fremder Champagner


sehr gut

Geschichten des Alltags

Ein Band mit Kurzgeschichten. Die erste ist eine originelle Geschichte um die Phantasie einer Frau.
Auch die zweite Geschichte hat was. Es geht um zwei Familien im Urlaub. Wieder ist die Perspektive ganz bei einer Frau und ihrer Gefühlswelt.
Diese Art der Perspektive behält die Autorin bei, auch wenn die Geschichte „Passwort“ von einem Mann erzählt wird. Er und seine Freundin geraten in eine Krise, er beginnt ihren Laptop auszuspionieren und erfährt unerwartetes.
Unbedingt erwähnenswert auch “Die Besuche meiner Mutter“. Ein Höhepunkt ist dann noch die Geschichte Der Schmerz.
Es folgen viele ähnliche Stories. Das wird mit der Zeit gleichförmig, doch damit hält die Autorin auch ein gewisses Niveau, dass sie nie über- oder unterschreitet.
Martina Berscheid überzeugt mit Geschichten des Alltags, die ihre Erschütterungen haben.

Bewertung vom 29.06.2024
Wer findet das Opfer
Macdonald, Ross

Wer findet das Opfer


gut

Mit Wer findet das Opfer (find a Victim) kann man Ross MacDonald wiederentdecken oder vielleicht auch zum ersten Mal lesen.
Es ist der fünfte Teil der Reihe um den Privatdetektiv Lew Archer.
Archer ist ein Prototyp des toughen Ermittlers, der sich nie einschüchtern lässt und stets selbstbewusst auftritt. Außerdem fällt es ihm nicht schwer, immer einen ironisch-zynischen Spruch zu finden. Viele Dialoge sind davon geprägt.
Der Plot beginnt mit Tempo, das auch weiterhin einigermaßen gehalten wird. Es gibt vielleicht ein paar Kampfszenen zu viel.
Es ist ein relativ harter Krimi, für seine Zeit. Das Buch wurde 1954 geschrieben.
Man muss es entsprechend einordnen, gerade auch vom Frauenbild.
Der Krimifall selbst reicht nur knapp über Durchschnitt raus. Aber man muss es sicher nicht bereuen, diesen Roman zu lesen.

Bewertung vom 28.06.2024
In den Farben des Dunkels
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


ausgezeichnet

Die Suche nach Grace

In den Farben des Dunkels ist ein emotional berührender Roman.
Das liegt zum großen Teil in der Figurengestaltung und -entwicklung.
Die Hauptfiguren Patch und Saint werden beim Lesen für den Leser lebendig.
Die Handlung beginnt in den Siebzigern. Patch und Saint sind Kinder, und Außenseiter. Dann wird Patch verletzt und entführt, weil er ein Mädchen von den Entführer rettete.
In seiner Gefangenschaft befindet sich auch ein Mädchen, Grace, das ihm Trost gibt.
Patch lässt das Erlebnis auch nach seiner Befreiung nicht los. Von Saint hat er sich entfernt. Als er älter wird, sucht er nach Grace, mit allen Mitteln.
Saint leidet darunter. Chris Whitaker wird beiden Figuren gerecht. Und er kann auch Nebenfiguren gut gestalten, zum Beispiel Misty, das Mädchen das Patch damals gerettet hatte. Sie kommt auch nicht los davon.

Die Jahre vergehen. Patch gerät auf schiefe Wege und Saint wird Polizistin.

Als Leser weiß man auch nicht so recht. Gab es Grace wirklich, oder hat Patch sie sich in seiner Not eingebildet?
Ich denke, dass der Autor recht weit geht mit dem psychologischen Aspekt, der seine Figuren so sehr beeinflusst. Aber es ist glaubhaft. Ein so gewaltiges Ereignis, prägt die betroffenen.
Es passiert noch viel in dem Buch, das trotz seines Umfangs vielleicht etwas überfrachtet ist.
Das Buch hat eine Intensität, die man erst einmal aushalten muss, aber es ist ein Leseerlebnis!

Bewertung vom 28.06.2024
Lass uns doch noch etwas bleiben (eBook, ePUB)
Shriver, Lionel

Lass uns doch noch etwas bleiben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

gehen oder bleiben?

Lionel Shriver hat ein originelles Buch geschrieben über das Thema selbstbestimmtes Sterben. Das geht sie in diversen Variationen durch.

Mir gefällt der Originaltitel „Should We Stay Or Should We Go“ besser als der deutsche.

Das englische Ehepaar Kay und Cyril Wilkinson beschließen, sich nach ihrem 80 Lebensjahr zu töten, um Krankheit oder Demenz zu entgehen. Ein Pakt, der in mittleren Jahren geschlossen, noch unverbindlich klingt, wird schließlich konkret.
Aber bei Kay schleichen sich Zweifel ein.
Lionel Shriver weicht dann von einem konventionellen Erzählen ab. Es wird ein Buch mit vielen Verästelungen. In den folgenden Kapiteln spielt sie mögliche Situationen durch. Kay zieht es nicht durch, während Cyril stirbt, dann auch andersrum und die Autorin spinnt aus, wie es mit ihnen weitergeht. Schließlich wird es mit diesen Alternativwelten immer abgedrehter, weicht vom realistischen ab, aber überwiegend ist es stimmig und überzeugend. Es bleibt gut lesbar.
Und vielleicht der stärkste Aspekt: bei all dem zeigt Lionel Shriver auch die Nähe des Paars. Und die Zeit spielt eine Rolle. Es ist die Zeit des Brexit und die der Pandemie. Dadurch entsteht nebenbei auch eine gesellschaftliche Analyse.

Lionel Shriver hat wieder bewiesen, was für eine geschickte Autorin sie ist.