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Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 14.01.2012
Hinter der Nebelwand
Bracker, Jörgen

Hinter der Nebelwand


sehr gut

Eine Bootstaufe ist eigentlich ein freudiger Anlass, um mit dem ganzen Dorf den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt zu feiern und vor lauter Stolz über das eigene Hab und Gut fast zu platzen. Für „Flosse“ liegt aber ein dunkler Schatten über diesem Tag, denn Nonnenwort, der ihm das restliche Geld für das Boot geliehen hat, verkündet ohne Absprache mit dem jungen Mann, die Verlobung mit seiner Tochter, die auch Namenspatin für den Kutter sein durfte – dabei hat er sein Herz schon einer anderer Frau geschenkt.
Am Pfingstmontag treibt dann der leblose Körper von Flosse ans Ufer - mit einer großen Schusswunde am Kopf. Hat sich der Schwiegervater in Spe für die Schmach gerächt?

Die Vorboten des Ersten Weltkrieges sind leider schon allgegenwärtig. So führen Doktor Wittenborg, als ehrenamtlicher Helfer der Polizei, die Ermittlungen zu dem mysteriösen Mord immer wieder zu dem neu gegründeten Wehrverein in Dithmarschen und Umgebung, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut, da ein Großteil der Bevölkerung den zunehmenden Anteil an polnischen Arbeitern in Schleswig Holstein und die daraus resultierenden multikulturellen Hochzeiten mit Schrecken und Hass begegnen. Doch würden die Mitglieder so weit gehen und die stumme Elsbeth, die Geliebte des toten Fischers, ebenfalls töten? Gefundene Verse, die an die Saga der Nebelbraut angelehnt sind, wie die junge Krabbenfischerin gerne verhöhnt wird, lassen Schlimmstes vermuten und sie bleibt spurlos verschwunden.

„Tanze, schöne Nebelbraut,
Tanze, bis der Morgen graut!“

Die Geschichte rund um die Ermordung des Jungfischers ist nicht der Fantasie des Autors entsprungen, sondern hat sich so bzw. ähnlich tatsächlich im Jahre 1911 abgespielt. Auf den letzten Seiten unter der Überschrift „Wahr oder wahrscheinlich“ bekommen wir von Herrn Bracker auch noch einen guten Überblick über die realen Begebenheiten, was diesen Krimi dadurch auch so authentisch macht.

Obwohl wir in „Hinter der Nebelwand“ nach Schleswig Holstein reisen, hält sich der Autor mit Plattdeutschen Dialogen zurück, was ich aber keineswegs negativ anmerken möchte, sondern im Gegenteil sehr begrüße, da der Leserhythmus wahrscheinlich sonst für uns „Landratten“ häufig unterbrochen worden wäre. Der Charme der Region und die Wildheit des Meeres kommen trotzdem sehr gut zur Geltung und der Titel ist wahres Programm im Verlauf der Handlung. Neben diversen Erläuterungen zu den Bootstypen und Landwirtschaftsgeräten, die unsere Generation nur noch aus Museen oder Berichten von Großeltern kennen, bildet die Natur und die wunderschön raue Landschaft, die meistens durch den dichten Nebel nur verschwommen gesehen wird, einen sehr guten Rahmen.

Auf den Mordfall müssen wir Leser zwar 100 Seiten warten, doch langweilig wurde es bei der Einleitung und Vorstellung der Charaktere nicht, weil sie in ihren Träumen und Eigenarten dort gut beleuchtet wurden, um uns (gemeinsam mit dem Doktor) eine notwendige Basis bei der Tätersuche zu geben.

Rasante Verfolgungsjagden sucht man bei diesem historischen Krimi vergeblich, deshalb sollte man sich von der geschickten Ermittlungen der Personen begeistern lassen und sich an dem einmaligen Gemüt der Dithmarscher erfreuen, das von einem waschechten Nordlicht perfekt in Szene gesetzt wird. Lassen Sie sich von Herrn Bracker in die Zeit vor dem großen Sturm der Nationalsozialisten entführen und genießen sie einen Krimi, der auf andere Weise überzeugt, als die blutrünstigen Serienkiller-Pendants.

Bewertung vom 02.01.2012
Das Mädchen mit den gläsernen Füßen
Shaw, Ali

Das Mädchen mit den gläsernen Füßen


sehr gut

Der jungen Ida passiert etwas Unglaubliches, denn nachdem sie von ihrem Urlaub auf St. Hauda's Island nach Hause zurückkehrte, verwandelte sich ihr Zeh plötzlich zu Glas und es scheint immer weiter zu wandern. Sie erinnert sich an die Begegnung mit dem Einsiedler Henry Fuwa, der ihr mit einer - durch den Alkohol unbedachten - Bemerkung Hoffnung auf Heilung machte und so kehrt Ida auf die Insel zurück und trifft einen jungen Mann, der ihr Herz auf eine Weise berührt, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte. Kann das Glas aufgehalten werden und Ida wieder glücklich sein?

Ali Shaw hat mich mit seinen Worten von der ersten Seite verzaubert und berührt mit der zarten Annäherung von Ida und Midas bestimmt auch den größten Liebesmuffel!
Der Fotograph Midas kam mir, obwohl er schon erwachsen ist, in seiner unsicheren Art und den meist stotternden Antworten auf Idas Fragen, wie ein kleiner Junge vor, der von seiner ersten Liebe vollkommen überfordert ist. Dagegen war Ida in ihrer schwierigen körperlichen Situation ein wahrer Sonnenschein, die ihre Sorgen hinter einem herzlichen Lächeln versteckte und sich mehr um Midas Wohl kümmerte, als um ihr eigenes.
Als Leser spürt man genau, wie ihre Beziehung langsam wächst und ein zartes Band der Vertrautheit zwischen ihnen gesponnen wird, was aber von Carl, einem Freund von Idas verstorbener Mutter, nur zu gerne zerstört werden würde.
Dem jungen Liebespaar läuft durch Idas gläserne Füße die Zeit davon und schon bald rückt die Gewissheit immer näher, dass man sich besser die Taschentücher parat halten sollte.

Der Autor konzentriert sich aber nicht nur auf die zwischenmenschlichen Kontakte, sondern beschreibt auch eine Landschaft, die in jedem, der schon einmal eine Kamera in der Hand gehalten hat, den Wunsch wachsen lässt zu einer monochromen (schwarz-weiß) Fototour auf die malerische und zugleich seltsame St. Hauda's Island zu wandern.
Als Kinder haben wir die Märchen mit ihren unglaublichen Fabelwesen akzeptiert und uns nicht eine Sekunde gefragt, was für eine logische oder wissenschaftliche Erklärung hinter ihnen stecken, doch mit dem Alter wollen wir alles hinterfragen und deshalb bin ich etwas traurig, dass Ali Shaw uns mit einem offenen Ende und der eigenen Phantasie zurückgelassen hat.
Mit Kinderaugen gesehen vergebe ich daher fünf Sterne und in meinem Alter vier Sterne, was zusammen 4,5 Sterne macht. :-)

Bei diesem Buch kommt man auch nicht umhin die wunderschöne Gestaltung zu erwähnen, was bei dem eisigen und dennoch edlen Cover beginnt und sich bis zum silbernen Buchschnitt durchzieht.

Es besteht kein Zweifel, dass Ali Shaw mit diesem Debut den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere als Autor gelegt hat und da ist es nur beruhigend zu wissen, dass sein zweites Werk soeben unter dem genauso märchenhaften Originaltitel „The man who rained“ veröffentlicht wurde.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.12.2011
Die Tote vom Naschmarkt / Sarah Pauli Bd.2
Maxian, Beate

Die Tote vom Naschmarkt / Sarah Pauli Bd.2


sehr gut

Als Journalistin beim „Wiener Boten“ ist in Sarahs Leben weitestgehend Ruhe einkehrt, denn seit sie ihre wöchentliche Kolumne zum Thema Aberglauben schreibt, läuft die Arbeit richtig rund und vergessen sind die schlimmen Ereignisse, die sie mit ihrer verstorbenen Kollegin erlebt hat.
Eine Postkarte mit dem Sprichwort „Ob es Unglück bringt, wenn dir eine schwarze Katze über den Weg läuft, hängt alleine davon ab, ob du ein Mensch oder eine Maus bist!“ bringt allerdings etwas ins Rollen, wovon Sarah eigentlich dachte, dass sie niemals dem Sog verfallen wird, doch ihre Neugierde siegt und wenig später befindet sie sich in einem mörderischen Geheimnis zwischen Bestechungen, Lügen und hilflosen Opfern.

„Die Tote vom Naschmarkt“ hat mich besonders wegen der wichtigen Bedeutung der Symbolik gefesselt, da mich diese unterschwelligen Botschaften, die nur von ausgewählten Kreisen verstanden werden, faszinieren. Dank der sympathischen Protagonistin, die auf ihre Glücksbringer-Ohrringe schwört, und ihrer freundschaftlichen Zusammenarbeit mit der Polizei bekommt die Handlung eine sehr persönliche Seite und wir Leser sind daher nicht verdammt, nur unbeteiligt bei den Ermittlungen der Spurensicherung und im Obduktionssaal zuzuschauen, sondern können auf einer Ebene mit den Beteiligten miträtseln, was mir sehr gut gefallen hat!

Einige Perspektiven- oder Szenenwechsel waren mir allerdings zu sprunghaft, da hätte der Übergang gerne ein wenig „weicher“ sein können, doch fairerweise muss ich sagen, dass es dadurch niemals zu unnötigen Längen kam und so die Spannung nicht abbrach.
Die Überführung des Täters ist beim aufmerksamen Lesen gar nicht so schwierig, doch die Autorin hat das Ende überraschend gut verpackt und deshalb habe ich mich nicht gelangweilt, sondern gespannt auf das Zusammenlegen der letzten Puzzleteile gewartet. :-)

Für einen „Wien Krimi“ kamen mir aber die liebenswürdigen oder auch speziellen Eigenarten der Österreicher zu kurz, die einem Regionalkrimi doch erst den richtigen Charme geben. Ebenso fehlten mir die Beschreibungen der leckeren österreichischen Gerichte oder auch Wiener Wahrzeichen, die von einer Wahl-Österreicherin bestimmt noch intensiver wahrgenommen werden, als von dort Geborenen. Wobei ich sehr glücklich darüber bin, dass die Autorin auf Dialoge im typischen Dialekt verzichtet hat, da ich damit Probleme habe und sie den Leserhythmus ins Stock gebracht hätten.

Trotz kleiner Kritikpunkte hat mir der Krimi gut gefallen und immerhin habe ich in innerhalb von zwei Tagen verschlungen, was ja meistens für ein Buch spricht und deshalb warte ich gespannt darauf, was das Schicksal noch für Sarah bereit hält.

Bewertung vom 26.12.2011
Der Mann, der kein Mörder war / Sebastian Bergman Bd.1
Hjorth, Michael;Rosenfeldt, Hans

Der Mann, der kein Mörder war / Sebastian Bergman Bd.1


ausgezeichnet

Die Eliteschule in Västerås genießt einen hervorragenden Ruf, den der eifrige Direktor auch um jeden Preis verteidigen würde. Als Pfadfinder allerdings die Leiche des Schülers Rogers finden, dessen Herz aus der Brust gerissen und sein Körper anschließend in einem Tümpel geworfen wurde, merkt die Polizei schnell, dass Geheimnisse dort hinter jeder Tür lauern.

Das Autorenduo Hans Rosenfeldt und Michael Hjorth hat ein wirklich tolles Debüt vorgelegt, was vor allem dem „Ekelpaket“ Sebastian Bergmann zuzuschreiben ist. Bei dem schrecklichen Tsunami von 2004 verlor er seine Frau und seine kleine Tochter, seitdem stürzt er sich in eine Affäre nach der anderen und hält alle Menschen in seiner Umgebung durch sexistische oder freche Witze auf Abstand. In seinem Beruf als Kriminalpsychologe wird er damit schnell zum Außenseiter in dem Team, dennoch ist er wegen seines grandiosen Verstands und Menschenkenntnis beinahe unverzichtbar – zudem verbindet ihn die eigene Vergangenheit stark mit dem Gymnasium und so kennt er die Abläufe und Vorschriften ganz genau.
Dem gegenüber steht der vertrottele und vom Pech verfolge Ermittler Haraldsson, der unbedingt auf der Karriereleiter aufsteigen will, jedoch Fehler am laufenden Band macht und dadurch seine Kollegen in den Wahnsinn treibt.

Den Leser erwarten noch viele weitere Charaktere, die sich dank der Autoren in all ihren Macken und Stärken austoben dürfen. Die persönlichen Geschichten und Hintergründe, sowie Anfeindungen innerhalb des Präsidiums nehmen einen Großteil in dem Krimi ein, der dadurch sehr unterhaltsam und abwechslungsreich wird.
Der tragische Fall um den ermordeten Roger kommt natürlich auch nicht zu kurz und geschickt lenken die Autoren unsere Aufmerksamkeit von dem Täter weg, indem sie den Mann, der kein Mörder war zu Wort kommen lassen und uns so sein Handeln erklären und zahlreiche Anhaltspunkte geben, die ich dennoch bis zum Schluss nicht zusammensetzen konnte.

Obwohl bzw. gerade weil Sebastian Bergmann nicht der typisch sympathische Protagonist ist, habe ich mich von ihm prima unterhalten gefühlt und werde ihm auch in seinem zweiten Fall treu bleiben. Eine Verfilmung rund um den kauzigen Psychologen ist auch schon geplant und da kann man nur sagen, dass der Vergleich zu dem schwedischen Autor Stieg Larsson mehr als berechtigt ist, und Rosenfeldt und Hjorth würdige Nachfolger sind, die aus der Buchbranche so schnell nicht mehr wegzudenken sind.

5 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2011
Der Beobachter
Link, Charlotte

Der Beobachter


sehr gut

Die Neugierde ist ein menschliches Bedürfnis und es ist nur natürlich, dass wir immer gerne auf dem neuesten Stand darüber sein wollen, was die Menschen aus unserer Nachbarschaft den ganzen Tag so tun. Samson Segal übertreibt es aber mit seinen Beobachtungen, die für den Arbeitslosen schon fast zu einer Sucht geworden sind. Er lebt gemeinsam mit seinem Bruder und dessen Frau in seinem Elternhaus, unweit von Gillian - Samsons Objekt der Begierde.
Kurz darauf wird die Leiche von Clara in ihrer Wohnung gefunden. Ihre Tochter berichtet, dass die Frau seit einiger Zeit Angst davor hatte, beobachtet zu werden und nun starb sie unter merkwürdigen Umständen. Ist der friedliche Samson ein brutaler Mörder und noch mehr Frauen dadurch in Gefahr oder deckt der Fall viel dunklere Schatten der menschlichen Seele auf?

Bei einem Krimi von sagenhaften 650 Seiten kann man natürlich nur schwer erwarten, dass die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite gleich bleibend hoch ist und so ist es nicht verwunderlich, dass sich das erste Drittel des Buches teilweise etwas in die Länge gezogen hat und die Handlung noch etwas stagnierte. Charlotte Link wäre aber nicht eine begnadete Krimi-Autorin, wenn nicht selbst bei diesem eher schwachen Einstieg unterschwellig das gewisse Etwas mitschwingt, was mich doch neugierig auf den Verlauf der Handlung machte.
Wie die Polizei hatte ich nämlich auch keinen geeigneten Täter auf dem Radar, wodurch die Täter-Frage lange ungeklärt bleibt und jeden zu einem potenziellen Killer macht. Bei der Auflösung war ich dann genauso schockiert wie alle Beteiligten und bin wieder einmal von diesem tollen Gespür für 1A Nervenkitzel begeistert!
Zudem hat mich die winterliche Stimmung prima auf das nahende Weihnachtsfest eingestimmt, denn - im Gegensatz zu dem verregneten und viel zu warmen Dezember in Berlin - in Thorpe Bay und Umgebung herrschte ein gnadenloser Winter und obwohl der Schein der friedlichen Winterwelt täuscht, war dieser Krimi genau die richtige Lektüre für diese Jahreszeit.

Es gibt zwar bessere Bücher der Autorin, aber entgehen lassen sollte man sich „Der Beobachter“ trotzdem nicht. Schließlich kann man sich immer noch in den Sog von Links tollem Schreibstil ziehen lassen und sich an den authentischen Charakteren erfreuen. :-)

9 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.11.2011
betörend!

betörend!


sehr gut

Düfte begleiten uns täglich im Leben und werden von uns entweder nur subtil wahrgenommen, da sie still und heimlich durch die Luft gleiten, oder sie ziehen uns in ihrer Intensität oder Ausdrucksstärke in den Bann und lassen uns nicht mehr los, sodass bei diesem Geruch nun ein bestimmtes Ereignis, eine besondere Person oder einfach nur ein gutes oder schlechtes Gefühl damit einher schwingt. Genauso vielseitig wie die Düfte in der Welt sind, so sind auch die Geschichte in „betörend!“ - jede einzigartig und mit den unterschiedlichsten Assoziationen gespickt.

Stories & Friends – der Verlag, der sich auf Kurzgeschichten spezialisiert hat – bietet uns fünfundzwanzig Erzählungen, die mal sehr realitätsnah und damit den Leser direkt ansprechen können oder etwas abstrakter und fantasievoller sind und uns so die Möglichkeit geben in ausgefallene Duftkreationen fallen zu lassen und Gerüche vielleicht auch ein Stück intensiver wahrnehmen zu können.
Unterteilt sind diese zusätzlich noch in fünf Unterkategorien und vor jeder neuen Einteilung wartet eine schöne gezeichnete Blume, die die Liebe zum Detail der Autoren und Autorinnen ebenso widerspiegelt, wie den Ursprung der Parfums – nämlich dem Duft der Natur, mit all ihren farbenprächtigen Vertretern.
Das Schöne an dem Buch ist auch, dass es eine Sammlung aus nahezu allen Genres in sich vereint und daher zwar nicht jede Geschichte den Geschmack eines jeden Lesers treffen wird, aber die Abwechslung ganz erfrischend ist und keine Langeweile aufkommt. Denn von einem Alchemistin aus dem Mittelalter, über einen pubertierenden Jungen mit Liebeskummer und einem ehrgeizigen Abenteurer ist wirklich alles dabei.

Wichtig ist bei „betörend!“ nur, dass man die Geschichten wohldosiert liest, da sonst der Zauber verfliegt und man nur die Kopfnote wahrnimmt, aber nicht mehr empfänglich für die Herz- oder Basisnote ist und das wäre bei einem guten Parfum genauso fatal, wie bei diesen Kurzgeschichten.

Einer lieben Freundin oder Tanten und Müttern kann man mit dieser Sammlung mit Sicherheit eine Freude machen und sie gemeinsam mit einem schönen Flakon, der gefüllt ist mit einer persönlichen Duftnote verschenken - so kann man Erlerntes aus den Berichten der Parfumeure gleich anwenden. :-)

Bewertung vom 19.11.2011
Die venezianische Agentin
Lenormand, Frédéric

Die venezianische Agentin


gut

Die Lagunenstadt Venedig ist für viele ein perfekter Pilgerort für Verliebte, weil die auf dem Wasser gebaute Stadt mit ihren zahlreichen Brücken eine ganz spezielle Atmosphäre zaubert und selbst William Shakespeare diesem kleinen italienischen Ort mit „Der Kaufmann von Venedig“ ein ganzes Stück gewidmet hat. Venedig hat aber noch viel mehr zu bieten, denn nicht umsonst ranken sich auch viele düstere Legenden darum und diese Seite zeigt uns Frédéric Lenormand in seinem neuesten Roman „Die venezianische Agentin“.

Im Dogenpalast herrscht gewaltige Aufruhr, denn während einer wichtigen Abstimmung wurde der Patrizier Zan Pelizzioli hinterhältig erdolcht! Jeder der Anwesenden kommt als Täter in Frage, schließlich ist das Venedig des 18.Jahrhunderts bekannt als ein wahrer Sündenpfuhl an Intrigen, die ein gewisses Risiko mit sich bringen. Der Rote Inquisitor und der Rat wollen diesen schrecklichen Vorfall erst einmal geheim halten und beschließen, die junge Leonora Frascadina aus dem Ursulinenkloster erneut in ihre Reihen zu holen, denn vor einiger Zeit hat sie sich schon einmal als kluge Agentin in ihren Diensten erwiesen. Die junge Frau verlässt nur zu gern die ruhigen Klostermauern und gerät allerdings bei ihren Ermittlungen schon bald selbst in Gefahr und niemals hätte sie gedacht, dass Gedichte einmal der Schlüssel zum Erfolg sein würden.

Der Einstieg in das Buch ist mir leider ungewöhnlich schwer gefallen - auf den ersten Seiten werden nämlich schon reichlich Charaktere eingeführt, die leider auch noch ziemlich ähnliche Namen haben. Ich hätte mir am besten sofort eine Liste mit den Personen anfertigen sollen, damit ich nicht den Überblick verliere und da einige der Herren erst später wieder eine entscheidende Rolle spielen, konnte ich mich kaum noch an sie erinnern bzw. habe sie mit anderen verwechselt. Das und viele italienische Begriffe, die aber nicht immer erklärt wurden, haben das Lesevergnügen etwas getrübt.
Zudem wurde mir die Protagonistin im gesamten Buch nicht sympathisch, sodass ich mit ihr nur bedingt mitfiebern konnte. Leonora ist zwar für eine Frau des 18.Jahrhunderts ungewöhnlich mutig und selbstbestimmt, doch diese Stärke hatte bei mir leider den negativen Effekt, dass sie einen ziemlich selbstbewussten und dadurch arroganten Eindruck auf mich machte. Sie zeigt nur selten eine menschliche oder mädchenhafte Seite an sich und verhält sich gegenüber ihrer Freundin Cornelia oder Familienmitgliedern nicht immer freundlich. Einzig ihr Zynismus war an manchen Stellen amüsant und hat gut in die Situation gepasst.
Zum Glück gab es noch anderer interessante Personen, wie zum Beispiel Leonoras Begleiter Flaminio, der witzig und munter an ihrer Seite auf Verbrecherjagd geht, oder den Räuber Corner, der in seiner derben Art zwar nicht der Liebling der Schwiegermütter werden würde, aber ein toller Gegenspieler zu Leonoras Charakter darstellt.

Der Schreibstil entführt uns gekonnt 300 Jahre in die Vergangenheit und die Beschreibungen der imposanten Bauwerke oder der Kanäle waren sehr malerisch und haben mir einen schönen Einblick in die Stadt der Verliebten gegeben und machen Lust auf eine Reise nach Venezien.

Das Finale ab dem 20.Kapitel nimmt gehörig an Fahrt zu und ließ mich gespannt den Ereignissen folgen, die der Autor ganz geschickt zusammengeführt hat und überrascht mich mit einer Auflösung, die einem Venedig mit all seinen Legenden gerecht wird!
Frédéric Lenormand hat mich in die unbekannte Welt der Dogen entführt, bei der es nicht nur um trockene politische Entscheidungen geht, sondern in der viele die eigenen Ziele mehr im Sinn haben als das Wohl der Region, was auch heute noch Alltag ist, aber damals nicht so schnell zu durchschauen war. ;-)

Alles in allem vergebe ich 3,5 Sterne, weil mich einige Kritikpunkte schon gestört haben, aber das Ende bei mir noch deutlich punkten konnte. Eine Fortsetzung mit einer Protagonistin, die etwas sanfter geworden ist, könnte ich mir aber durchaus vorstellen! :-)

Bewertung vom 16.11.2011
Die Gesichtslosen / Carina Kyreleis Bd.1
Fey, Stephanie

Die Gesichtslosen / Carina Kyreleis Bd.1


ausgezeichnet

Carina Kyreleis hat einen Beruf, dem wahrlich nicht jeder gewachsen wäre, denn sie umgibt sich täglich mit Leichen, die fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurden, oder bei denen der Verwesungsprozess weit vorangeschritten ist. Diese Toten wurden Opfer von Verbrechen und Carina hilft dank der Gesichtrekonstruktion, sie für die Polizei und die Hinterbliebenen für einige letzte Stunden wieder lebendig zu machen
.
Die Rechtmedizinerin liebt ihren Job und sie ist erst seit Kurzem wieder in München gelandet, doch das Angebot von Professor Paula Feininger war zu verlockend, um es einfach abzulehnen. Zudem waren die letzten Ereignisse in ihrer alten Wahlheimat Mexiko alles andere als erfreulich und da fiel ihr der Abschied von dem Land nicht sonderlich schwer.

Der hektische deutsche Alltag holt die junge Frau aber schneller wieder ein, als ihr lieb ist. Denn nicht nur, dass ihre chaotische Schwester Wanda den ersehnten Wohnungsschlüssel verlegt hat, so legt ihr Vater sich mächtig ins Zeug, die verlorene Zeit mit seiner ältesten Tochter mit seinem unverbesserlichen Beschützerinstinkt, der beinahe in Kontrollzwang übergeht, zu kompensieren und als die erste Leiche auf einem Spielplatz entdeckt wird, geht der Stress erst so richtig los.

Der Einstieg mit dem Prolog und dem ersten Kapitel wird einem Thriller definitv gerecht, denn wir sind sozusagen live dabei, wie “Romeo” an seinem Opfer seine kranke Phantasie austobt und sind sofort gefesselt von diesem rasanten Thriller-Debüt.

Wir hören fast täglich von schrecklichen Taten, die manche Menschen wehrlosen Opfern antun, doch was "Romeo" angeht, verkörpert er einen Mann, der in den schlimmsten Albträumen sein Unwesen treibt. Zuerst freundet er sich mit seinen weiblichen Opfern an, um dann deren Geischter zu entfernen und für sich zu konservieren. Die Beschreibungen bewegen sich auf einem schmalen Grad zwischen purem Ekel und der Faszination für diese grausige Tat.
Die Autorin hat eine sehr bildliche Ausdrucksweise , wobei sich mir teilweise die Nackenhaare aufstellten, ich aber zu keinem Zeitpunkt das Bedürfnis hatte eine Szene auszulassen, wie ich es bei manch anderen Autoren erlebt habe, die sich einzig auf diesen Faktor konzentriert haben. Für schwache Nerven ist dieser Thriller dennoch nicht zu empfehlen, aber genau das macht den Reiz von "Die Gesichtslosen" aus!

Verknüft wird die Handlung mit einem Erzählstrang aus der Vergangenheit, um das Jahr 1986. Rosa arbeitet im Westen für das Innenminesterium und hat sich in den DDR-Spion Felix verliebt, für den sie nun fast täglich ihren Job aufs Spiel setzt, um für ihn brisante Dokumente zu kopieren. Diesen Rückblick in eine eher düstere Zeit von Deutschland habe ich eigentlich gleich zu Beginn mit wenig Interesse verfolgt, da ich die DDR und den Mauerfall nicht erlebt und daher nicht ganz so viel Bezug dazu habe. Dennoch musste ich diese Einstellung kurz darauf revidieren, denn das meist trockene Thema wird hier von einer (für mich) neuen Seite beleuchtet, die selbst mich “Geschichtsmuffel” gespannt folgen ließ. Felix ist nämlich nicht nur ein einfacher Spion, sondern gehört zu einem großen Netz von Romeo-Agenten, die gezielt den Kontakt zu Frauen suchten, um an Informationen zu gelangen. Rosa ahnt davon nichts und wird schon bald merken, dass es ein Fehler war, so blauäugig einem Unbekannten zu vertrauen.

Der Schreibstil ist außergewöhnlich gut und die Autorin schafft es, dank perfekt dosierte Kapitel in jedem der Handlungsstränge die Spannung durchgehend auf einem hohen Niveau zu halten.
Fragt man sich nun, wie diese doch sehr unterschiedlichen Personen mit ihren persönlichen Schicksalen zusammengeführt werden, so kann ich nur verraten, dass Stephanie Fey sich ein grandioses Finale ausgedacht hat, das wohl niemand vorher im Ganzen überschauen kann und somit bis zum Schluss für eine Überraschung gut ist!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.