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sabatayn76

Bewertungen

Insgesamt 244 Bewertungen
Bewertung vom 03.06.2010
Vishnus Tod
Suri, Manil

Vishnus Tod


sehr gut

Vorbemerkung:
Vishnu ist 'der Erhalter' der Welt in der göttlichen Dreigestalt des Hinduismus, während Brahma 'der Schöpfer' und Shiva 'der Zerstörer' ist. Er ist ein Gott der Güte und der Wahrheit, und tritt der Legende nach in zehn Avatars auf, u.a. als Krishna und als Buddha. Die zehnte und letzte Inkarnation Vishnus steht noch aus. Es ist die des Kalki, der am Ende von Kaliyuga auf einem weißen Pferd erscheint, die Bösen bestraft, die Guten belohnt und die Welt zerstört.

Inhalt:
Manil Suri erzählt von einem Wohnhaus in Bombay, in dem auf dem Treppenabsatz Vishnu lebt. Er ist schon seit längerer Zeit dort zu Hause, hat jahrelang kleinere Dienste für die Hausbewohner erledigt und liegt nun im Sterben. Während die Asranis und die Pathaks miteinander streiten, wer den Krankenwagen bezahlt und wer sich bisher besser um Vishnu gekümmert hat, erinnert sich Vishnu an sein Leben, an seine Liebe zu Padmini und an seine Mutter, die ihm vom Gott Vishnu erzählt hat.
Vishnus Erinnerungen und Visionen werden mit den Geschichten der Hausbewohner verwoben, die mit unerlaubter Liebe, Verlust, Tod und der Suche nach dem Sinn des Daseins zu kämpfen haben.

Mein Eindruck:
'Vishnus Tod' liest sich unterhaltsam, ist farbenfroh und realitätsnah, erzählt von dem Zusammenleben verschiedener Kasten und Religionen und den Problemen, die sich dadurch bisweilen ergeben. Suri verzichtet auf die Schilderung politischer Ereignisse und auch weitestgehend auf eine Beschreibung der Welt außerhalb des Mietshauses, sondern beschränkt sich auf die kleine Welt der Asranis, der Pathaks, der Jalals, Vishnus und des Witwers Vinod Teneja. Durch die Erlebnisse und Erinnerungen der (sehr überzeugend charakterisierten) Hausbewohner entsteht ein Gesamtbild der indischen Gesellschaft von Traditionen, Zwängen, Armut, doch auch von Liebe, Glück und Zugehörigkeit. Der Leser erhält zudem Einblicke in die Bhagavadgita und den Mahabharata und lernt damit die religiöse Seite und die Legenden Indiens kennen.

Mein Resümee:
Unterhaltsam, spannend, lehrreich, farbenfroh. Der Nachfolgeroman 'Shiva' ist bereits auf den Weg zu mir.

Bewertung vom 29.05.2010
Zwischen den Attentaten
Adiga, Aravind

Zwischen den Attentaten


sehr gut

Inhalt:
Anhand der fiktiven Stadt Kittur erzählt Aravind Adiga vom Leben in Indien, von Traditionen, von den Zwängen und dem Durchbrechen des Kastensystems, von Vorurteilen, vom Konflikt zwischen Hindus und Muslims. Stellvertretend für den ganzen Subkontinent lässt er seine Protagonisten zu Wort kommen, die der Leser in manchmal kürzeren, manchmal längeren Episoden begleitet.

Mein Eindruck:
'Zwischen den Attentaten' liest sich bisweilen wie ein Reiseführer: Adiga gibt Empfehlungen, welche Orte der interessierte Reisende in Kittur aufsuchen sollte, und vermittelt Informationen zur Verteilung der Kasten und Religionen in der Stadt.
Die Schilderungen der Schicksale einzelner Bewohner Kitturs, deren gemeinsamer Nenner die Stadt selbst ist, verdichten sich zu einem umfassenden und komplexen Bild des indischen Subkontinents.

Mein Resümee:
Wer 'Der weiße Tiger' bereits kennt, wird 'Zwischen den Attentaten' vielleicht etwas redundant finden. Ich zumindest habe den Eindruck gehabt, dass der Autor bisweilen ähnliche Gedanken wieder aufgreift und sich dabei selbst wiederholt. Der 'Aufhänger' ist zwar ein anderer, doch inhaltlich bietet 'Zwischen den Attentaten' im Vergleich zu Adigas Erstling wenig Neues. Nichtsdestotrotz liest sich der Roman flüssig und unterhaltsam und gibt einen spannenden Einblick in eine Welt, in der die Fehler der Reichen auf den Rücken der Armen ausgetragen werden, und wo die Fehler der Armen bisweilen katastrophale und erschütternde Konsequenzen nach sich ziehen.

Meine Empfehlungen:
'Der weiße Tiger' von Adiga und 'Kein Gott in Sicht' von Altaf Tyrewala.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.05.2010
Sigmund, Anna M.

"Das Geschlechtsleben bestimmen wir"


sehr gut

Inhalt:
Anna Maria Sigmund berichtet von Adolf Hitler und seinem mysteriösen Sexualleben, von seinen Ansichten zur Rolle der Frau, von Moralvorstellungen in der NS-Elite, von Abtreibungsverbot und Förderung von Geburten, von Himmlers 'Lebensborn', von Homosexualität, von Prostitution im Dritten Reich, von Aufklärung und Verhütungsmitteln.

Mein Eindruck:
Anna Maria Sigmund hat ausführlich und gewissenhaft recherchiert und einen umfassenden Bericht zur Sexualität im Dritten Reich abgelegt. Sie gleitet dabei nicht in Mutmaßungen ab und belegt ihre Angaben durch zahlreiche Quellenangaben, hält sich an Tatsachen und verliert sich nicht in skandalösen Geschichtchen um Hitler und seine Anhänger. Sigmunds Buch ist einfach zu lesen, sprachlich jedoch bisweilen etwas reißerisch oder abgedroschen (z.B. Himmler als 'Bürokrat des Schreckens').

Mein Resümee:
Ein interessanter Einblick in das Sexualleben im Dritten Reich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2010
Brandstifter
Stéfansson, Jón H.

Brandstifter


gut

Inhalt:
Ein Anruf reißt den Polizeiobermeister Smári Jósepsson aus dem Schlaf: ein Feuer hat gewütet, und ein Haus ist ausgebrannt. Der Besitzer und seine Familie sind glücklicherweise gerade im Urlaub, so dass es keinen Personenschaden gab. Bald gibt es einen Verdächtigen, und in dem kleinen Ort an der Ostküste Islands wird viel gemunkelt, getratscht und intrigiert. Und schließlich brennt das nächste Gebäude...

Mein Eindruck:
'Brandstifter' mag den Leser anfangs aufgrund der zahlreichen Namen der Bewohner und der noch zahlreicheren Beziehungen zueinander etwas verwirren, doch schließlich entsteht ein komplexes Bild des kleinen Ortes und seiner durch Geschichte und Geschichten miteinander verwobenen Protagonisten. Die Schilderungen des isländischen Ortes haben mir gefallen, für einen Krimi empfand ich das Buch jedoch bisweilen als zu schwerfällig.

Mein Resümee:
Eine Lektüre, die mich insgesamt wenig mitgerissen hat. 'Eiskalte Stille' desselben Autors hat mir um einiges besser gefallen.

Bewertung vom 16.05.2010
Das ABC rund um Harry Potter
Schneidewind, Friedhelm

Das ABC rund um Harry Potter


gut

Inhalt:
'Das ABC rund um Harry Potter' enthält umfassende Informationen zu Protagonisten, Schauplätzen, Geschichten der ersten vier Harry Potter-Bände. Friedhelm Schneidewind beschreibt dabei auch unbekanntere Personen (z.B. Nevilles Großonkel Algie), übergreifende Themen (z.B. Alkohol) und sprachwissenschaftliche Hintergründe (z.B. Alliteration).

Mein Eindruck:
Man merkt es schnell: Friedhelm Schneidewind ist begeistert von Harry Potter und fasziniert von Joanne K. Rowlings Ideen. Der Autor hat jede Kleinigkeit zusammengetragen und ein Lexikon erstellt, das viele Erinnerungen auffrischt und manches erwähnt, das einem vorher nie aufgefallen ist. Leider tummeln sich im Buch jedoch auch zahlreiche Fehler - neben Tippfehlern gibt es leider auch viele Inkonsistenzen und inhaltliche Fehler.

Ausgewählte Beispiele für Fehler:
(1) Der Autor beschreibt, dass der Name der Zaubererschule Durmstrang vom Wort 'Sturmdrang' abgeleitet ist und deshalb auf die Hitlerdiktatur und den Zweiten Weltkrieg anspielt. Es ist mir schleierhaft, wie er zu dieser Assoziation kommt. Erstens heißt es 'Sturm und Drang' und zweitens beschreibt 'Sturm und Drang' eine Strömung der deutschen Literatur in der Epoche der Aufklärung, d.h. im 18. Jahrhundert.
(2) Das Zauberergefängnis Askaban heißt im Englischen weder 'Ascaban' noch 'Azcaban', sondern 'Azkaban'.
(3) 'Numerlogie' schreibt man mit einem 'm' und nicht 'Nummerlogie', wie Schneidewind es im gesamten Buch tut.
(4) 'The Invisible Book of Invisibility' heißt auf Deutsch 'Das Unsichtbare Buch der Unsichtbarkeit'.
(5) 'Diagon Alley' ist keine 'Allee', sondern eine 'Gasse'.

Mein Resümee:
Schade! Das Buch liest sich unterhaltsam und fasst die ersten vier Bücher der Reihe umfassend und dennoch übersichtlich zusammen. Die Fehler und das damit verbundene Halbwissen sind jedoch ärgerlich und führen leider dazu, dass ich die Recherchearbeit des Autors nicht ganz würdigen kann.

Bewertung vom 14.05.2010
Wie ein Stein im Geröll
Barbal, Maria

Wie ein Stein im Geröll


sehr gut

Inhalt:
Die Ich-Erzählerin Conxa wird im Alter von 13 Jahren zu ihrer Tante in ein benachbartes Dorf geschickt, da es dort genug Arbeit und auch genug zu essen gibt. Conxa muss damit alles Bekannte zurücklassen und fernab ihrer Eltern und Geschwister leben. Sie baut sich schließlich ein neues Leben in Pallarès auf und lernt die Liebe ihres Lebens - Jaume - kennen. Der Heirat folgen drei Kinder und die glücklichste Zeit in Conxas Leben, 'obwohl das ganze Unglück, wenn man es genau betrachtet, hinter all dem fröhlichen Lachen schon auf der Lauer lag'.

Mein Eindruck:
Sehr eindringlich und bildhaft erzählt Barbal auf nur 100 Seiten von einem ganzen Leben, von einer Kindheit in Ermita, von einer Jugend und einem glücklichen Familienleben in Pallarès, von dem Alter(n) in Barcelona. Auf diesen wenigen Seiten wird dem Leser das kleine Dorf in den Pyrenäen, wo die Zeit still zu stehen scheint und wo der Alltag von Entbehrungen und Mühe geprägt ist, näher gebracht. Barbal vermag es, trotz der Kürze eine lebendige und authentische Geschichte von Frieden und Eintracht zu erzählen, die plötzlich vom Terror des Franco-Regimes durchbrochen werden.

Mein Resümee:
Eine Reise in eine längst vergangene Zeit und ein wunderbares Zeugnis eines Lebens in Katalonien.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.05.2010
Das wilde Kind
Boyle, T. C.

Das wilde Kind


ausgezeichnet

Der Homo Ferus und der konzentrierte, stechende Gestank der Zivilisation

Inhalt:
Im Jahre 1797 wurde das 'wilde Kind' erstmals in Südfrankreich gesichtet. Mehrmals wurde der nackte Junge, der sich mehr wie ein Tier und weniger wie ein Mensch verhält, gefangen genommen, mehrmals konnte er fliehen. 1800 beginnt schließlich die Odyssee des Jungen, der später als Viktor von Aveyron in die Geschichte eingehen wird. Er wird von mehreren Personen in Pflege genommen, jedoch bald wieder weitergereicht. Schließlich gelangt er in die Obhut des jungen Arztes Itard, der der erste zu sein scheint, der versucht, sich in den Jungen hinein zu versetzen, der verstehen will, was dieser fühlt, wie er die Welt erlebt, wieso er reagiert oder auf vieles nicht reagiert.

Mein Eindruck:
Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autor, die Zeit des endenden 18. Jahrhunderts und beginnenden 19. Jahrhunderts auferstehen zu lassen. Er beschreibt das Misstrauen gegenüber Fremden, das oft unmenschliche, wenig am Individuum interessierte wissenschaftliche Interesse, die abergläubischen Überzeugungen sowie die Grundannahmen der Philosophie Lockes und Rousseaus.
'Das wilde Kind' liest sich schnell und unterhaltsam und überzeugt doch durch Tiefe und Faktenreichtum. Lediglich die Übersetzung erschien mir bisweilen etwas zu holprig (z.B. 'und an den Knien hatte er eine Hornhaut sowie an den Füßen' und 'verbleichtes Fell').

Mein Resümee:
Sehr spannend und sehr aufschlussreich. Ein sehr gelungenes Buch von T.C. Boyle!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.