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bolie
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Langscheid

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Insgesamt 835 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2023
Mameleben (eBook, ePUB)
Bergmann, Michel

Mameleben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Michel Bergmann eilt ins Krankenhaus. Zu seiner Mutter. Die nahm 20 Schlaftabletten und wurde sprichwörtlich im letzten Augenblick von der Nachbarin gefunden. Mutter und Sohn wohnen weit auseinander. Nein, nicht weil Michael die Mutter nicht in der Nähe haben wollte. Sie mochte nicht aus ihrem Zuhause ziehen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, das war ihr Motto. Vielleicht lag es ja daran, dass sie vor den Nationalsozialisten fliehen musste und ihre Eltern im KZ ermordet wurden. Früh musste sie alleine klar kommen und ihrem Sohn ein Fundament für seine Zukunft bereiten.

Welch ein Buch. Mame, wie der Autor seine Mutter liebevoll nennt, war auf dem besten Weg, eine gute Ärztin zu werden. Dann raunten die Nachbarn über schlimme Dinge, die den Juden angetan wurden. Die Eltern glaubten es nicht. Der Vater war doch schon im 1. Weltkrieg dabei und kämpfte für die Deutschen. Aber dann wurde ihr der Schulbesuch verboten. Sie musste alles abbrechen und mitansehen, wie ihre Familie deportiert wurden. Sie konnte in die Schweiz flüchten, allerdings wurden die Flüchtlinge nicht gut behandelt.

Herr Bergmanns Ausführungen über seine Mutter haben mich tief berührt. Ja, sie w a r schwierig, aber zugleich liebenswert. Was das Schicksal für sie bereit hielt, kann niemand nachempfinden. Und das sich ihre Erlebnisse auch in ihrem Sohn weitertrugen, ist wohl ganz natürlich. Wie geduldig müssen Frauen und Kinder von Männern sein, deren Familien so viel Leid erfuhren.

„Mameleben“ wurde in eine so angenehmen und berührenden Sprache geschrieben, dass ich kaum das Lesen unterbrach. Besonders gut gefiel mir auch dieses jüdische Lied über die Mame. Ganz wunderbar. Ich danke dem Autor für dieses wertvolle Werk, das ich mit Sicherheit noch häufiger lesen werden. Einen Sternenregen sowie eine Empfehlung gibt es von mir ebenfalls.

Bewertung vom 26.04.2023
The Housewarming: A completely unputdownable psychological thriller with a shocking twist
Lynes, S. E.

The Housewarming: A completely unputdownable psychological thriller with a shocking twist


gut

Ava kommt nicht zur Ruhe. Obwohl sie eine Therapeutin besucht und ihr Ehemann Mats sie immer wieder auffängt, sie will endlich wissen, wer ihre kleine Tochter entführte und/oder tötete. Lebt sie vielleicht doch noch? Auch ihr Baby Fred kann sie nicht ablenken von depressiven Gedanken. Ihre Freunde trauen sich gar nicht mehr, eine Unterhaltung mir ihr anzufangen und auch die Nachbarn sind distanziert. Bis, ja bis die reichsten Nachbarn eine Party geben. Dabei soll ein Umbau und mit ihm eine exklusive Küche bewundert werden. Was wird noch bei „Die Einweihungsparty“ aufgedeckt?

Unvorstellbar, wenn eine Mutter denkt, dass sie die Haustür unverschlossen ließ, während ihr zweijähriges Mädchen durch diese Öffnung verschwand. Wie sehr mögen die Schuldgefühle an ihr nagen? Da können alle reden, was sie wollen. Sie wird sich nicht beruhigen lassen. Ava schreibt aus ihrer Perspektive in der Ich-Form und Mats, ihr Ehemann kommt in dritter Person zu Wort. Sämtliche Suchaktionen mit Nachbarn und Freunden laufen ins Nichts. Aber, eine Leiche wird auch nicht gefunden. Und das ist für Ava nicht einzusehen.

Die Einleitung, bis zur Einweihungsparty ist sehr ausgedehnt. Also für meine Begriffe zu lang. Dafür überschlagen sich dann später die Ereignisse. Als Thriller würde ich „Die Einweihungsparty“ nicht bezeichnen. Viel eher ist es ein Krimi mit solider Spannung.

Bewertung vom 25.04.2023
Alles wird gut (eBook, ePUB)
Politycki, Matthias

Alles wird gut (eBook, ePUB)


sehr gut

Josef Trattner wird völlig unverhofft von einer ausgesprochen hübschen Frau untergehakt und über die Straße begleitet. Kurz darauf, er hatte sich noch gar nicht von dieser schönen Überraschung „erholt“, muss er mit ansehen, wie diese Frau misshandelt wird. Nein, eingreifen will er nicht. Zu groß ist die Gefahr, dass er selbst verletzt wird. Und er muss doch möglichst schnell das Land verlassen. Es bahnt sich ein Krieg an, der schon lange vorauszusehen war. In einem Vielvölkerstaat wie Äthiopien gibt es leider immer wieder kriegerische Handlungen und das kommt im Buch „Alles wird gut“ klar zum Ausdruck.

Herr Trattner ist für Natu, so heißt die junge Frau, ein außergewöhnlicher Mann. Er ist Weißer. Aus dem Grund wurde sie sofort auf ihn aufmerksam, obwohl ihre Aktion bei den Einheimischen nicht gut ankam. Der Autor beschreibt die Fahrt mit einem klapprigen Wagen durch die weiten Äthiopiens. Gleichzeitig erzählt er, wie die Menschen hier leben, welche Schwierigkeiten sie haben und wie sie mit ihrer Kultur eins sind. Eigentlich verachten sie die Hilfe von Außen. Und trotzdem warten sie darauf und freuen sich über Reisende, die das Land und seine Einwohner begutachten möchten. Kaum ein Urlauber scheut sich davor, selbst die intimsten Verrichtungen der Leute hier zu fotografieren.

Nicht nur die Landschaft, auch die Bräuche kennt der Autor Matthias Politycki sehr genau. Jetzt weiß ich, welche Bedeutung diese Lippenplatte hat und warum sie getragen wird. Ebenfalls sieht er schon lange die Gefahren des Internets. Das gibt es erst seit der Wahl des Friedensnobelpreisträgers und Präsidenten Abiy Ahmed. Der befürwortete das WWW und seitdem ist der Weg auch hier frei für Hass und Hetze.

Auch wenn mir der Erzählstil des Autors nicht immer zusagte, das Buch gefiel mir trotzdem. Für meinen Geschmack schmückt Herr Politycki seine Erzählungen unnötig aus. Das Wesen der Afrikaner und deren Kultur fing er allerdings perfekt ein. Es ist zu spüren, dass er das Land bestens kennt.

Bewertung vom 24.04.2023
Das Gedächtnis des Winters
Conte, Steven

Das Gedächtnis des Winters


ausgezeichnet

Hauptmann Paul Bauer ist 46 Jahre alt und als Chirurg an der Ostfront eingesetzt. Vier Monate nach dem Beginn des „Unternehmen Barbarossa“ schlingert er mit weiteren Soldaten durch einen Kiefernwald in Russland. Der „Gröfaz“, („Größter Feldherr aller Zeiten“) kommandiert noch immer seine Untergebenen herum und will nicht wahrhaben, dass der Krieg längst verloren ist. An Russland wird er sich die Zähne ausbeißen. Fatal, dass für ihn ein Menschenleben weniger als nichts an Wert hat.

Im Winter 1941 bekommen Bauer und seine Leute den Befehl, ein Feldlazarett aufzubauen. Nicht in einem Zelt, sondern im Landsitz des berühmten L. Tolstoi. In Jasjana Poljana, mitten in der Einöde. Menschen, die hier leben, heißen die Soldaten nicht willkommen. Warum sollten sie auch. Was die Deutschen damals anrichteten, das schürte nur Hass und Verachtung von den Einheimischen.

Der Autor Steven Conte ist bestens vertraut mit dem Leben des berühmten russischen Schriftsteller. Er beschreibt nicht nur sein Anwesen sehr detailliert. Auch auf das Buch „Krieg und Frieden“ weist er immer wieder hin. Und das gefiel mir sehr gut. Der heftige Winter, die Kälte und der Frust der Soldaten, all das ist so bildhaft dargestellt, dass ich gefesselt war mich fast an diesen Ort wähnte. Die zarte Liebe zwischen Bauer und einer selbstbewussten Russin nimmt keinen übermäßigen Raum ein und das schätzte ich ebenfalls.

Ein ansprechendes Cover ist bei neuen Büchern selten vorhanden, hier wurde es perfekt gewählt. Der Leser sieht sofort, dass ihn der Roman in die Einöde einer kargen Winterlandschaft entführt. Nicht nur, aber überwiegend für Kenner der russischen Literatur, wird
„Das Gedächtnis des Winters“ ein Lesegenuss sein. Die Übersetzung von Joannis Stefanidis ist sehr gut gelungen.

Bewertung vom 17.04.2023
Tatort Rheinbrücke
Keiser, Gabriele

Tatort Rheinbrücke


ausgezeichnet

Hauptkommissarin Franca Mazzari genießt ihren lang ersehnten Urlaub in Italien, der Heimat ihres Vaters. Und zuhause müssen ihre Kollegen sich an einen kniffeligen Fall herantasten. Auf einem Plateau vor den Brückenpfeilern in Remagen, lag ein Mann. Per Kopfschuss getötet. Das Schlimme daran ist, dass die Waffe Eigentum einer Polizistin war. Sie wurde bei einer Demo in Remagen schwer verletzt. Dabei verlor sie auch ihre Waffe. Aber stimmt das wirklich so, wie sie es schildert?

Das Cover sprach mich sofort an. Ich kenne die Brückentürme noch als Abenteuerspielplatz für uns „Pänz“. Wie oft lag ich oben und sonnte mich. Oder wir starteten wilde Verfolgungsjagden in den Türmen. Und nein, ich wurde nicht enttäuscht. Die Autorin führte mich durch mein Remagen der Vergangenheit. Die Seherin Buchela und ihr Neffe kommen genauso zu Wort, wie der alte Bürgermeister Kürten. Aber das ist es nicht alleine, was mich an diesem Buch so beeindruckte.

Niemals zuvor las ich, was im Zusammenhang mit Antiziganismus vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg geschah. Ist es, weil Roma und Sinti bis heute als Minderheit gelten? Oder gibt es tatsächlich nur wenige Menschen, die sich damit beschäftigen? In dem Buch „Tatort Rheinbrücke“ geht es nicht nur um den Aufmarsch der Rechten in Remagen. Der fand übrigens im Jahr 2022 nicht mehr statt und ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt.

Aber zurück zum Thema Antiziganismus. Eine junge Polizistin, ja, genau die, die während einer Demo niedergeschlagen wurde, ist eine Romina, der die Tatwache gehörte. Sie liest ein Tagebuch ihres Großvaters und exakt d a s war es, was mich so sehr erschütterte. Dazu gibt Gabriele Keiser auch noch Empfehlungen zu weiterführender Literatur von Autoren, die sich für das Leid der Sinti und Roma einsetzten.

Nein, hier geht es nicht nur um die unsägliche Geschichte Deutschland. Es ist ebenfalls ein spannender Krimi, der fesselt und gefangen nimmt. Ich danke der Autorin für spannende, aber auch zum Nachdenken anregende Unterhaltung. Ganz klare Empfehlung gibt es von mir.

Bewertung vom 10.04.2023
Der Waisenjunge und der Kardinal
Stolle, Michael

Der Waisenjunge und der Kardinal


sehr gut

Es ist im Jahr 1640, als Pierre und Armand in einer Klosterschule bei Reims eng befreundet sind. Pierre hat eine traurige Zukunft vor sich. Seine Mutter starb und sein Vater ist unbekannt. So wird er wohl bis zum Lebensende im Kloster bleiben müssen. Dabei hat er es jetzt schon nicht leicht, wenn er sich von den Annäherungsversuchen des Priesters und Lehrers „Bruder Jeronimus“ wehrt. Dieser hat nämlich Gefallen an ihm gefunden und lädt ihn kurzerhand zu „Privatstunden“ in seiner Klause ein. Tja, was macht der gewitzte Pierre? Er täuscht Durchfall vor und rettet sich auf diese Weise vor den Annäherungsversuchen. Erst mal. Und kurz danach macht Armand ihm einen Vorschlag, der zwar gefährlich ist, den er aber nicht abschlagen kann.

Sein Dasein in einem „christlichen“ Jungeninternat zu fristen, das ist wahrlich kein einfaches Unterfangen. Wie mag es im Jahr 1640 den Jugendlichen in einer dieser Einrichtungen wohl ergangen sein? Pierre ist hier als Waise untergekommen und Armand widersetzte sich häufig den Anordnungen seines Vaters, der in der Klosterschule den Willen des Jungen brechen möchte. Die Abenteuer der beiden jungen Männer sind gefährlich. Immer wieder geraten sie an falsche Freunde, die ihnen nicht ohne Grund nach dem Leben trachten. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Dass dabei auf detaillierte Beschreibungen des Aktes verzichtet wurde, war für mich wohltuend.

Ein dicker Wälzer, der mir zu keiner Zeit langweilig wurde. Die abwechslungsreiche Sprache ließ mich eintauchen in eine Vergangenheit, die interessanter nicht sein konnte. Fäden, die gesponnen wurden, klar, alles zum Wohle der „Einzig wahren Kirche“, das war schon unglaublich. Politik war zu der Zeit ein Privileg des Adels und des Klerus. Nicht immer sind es Fakten, die der Autor dokumentierte. Aber das ist seiner künstlerischen Freiheit geschuldet und störte mich keineswegs.

Bewertung vom 08.04.2023
Geliebte Kinder (eBook, ePUB)
Müller-Erichsen, Maren

Geliebte Kinder (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Autorin des Buches „Geliebte Kinder“ ist die Mutter von Olaf. Einem liebenswerten Jungen, der mit Trisomie 21 geboren wurde. Was sie damals, 1975 erlebte, das schildert sie in dieser Biographie. Sie beschreibt, wie ihre Umwelt auf die Geburt reagierte und mit welchen herabwürdigenden Kommentaren sie konfrontiert wurde.

Das wunderschöne Cover zeigt zwei fröhliche Kinder. Sie wollen leben und bereichern nicht nur das Leben ihrer Familie. Wie kann eine Gesellschaft es zulassen, dass 98% der Kinder mit DS (dem Down-Syndrom) abgetrieben, also im Mülleimer entsorgt werden? Selbst die sogenannte „Spätabtreibung“ ist gestattet. Aber zurück zum Buch. Frau Maren Müller-Erichsen erzählt vom Leben mit Olaf und auch ihren eigenen Lebensweg erwähnt sie. Nach dem ersten Schock wächst Olaf gemeinsam mit seinem größeren Bruder gut behütet, und vor allen Dingen gefördert auf.

Olaf hat das große Glück, dass sein Bruder ihn mit unter seine Fittiche nimmt. Er lehrt ihn sprechen und sie unternehmen sehr viel miteinander. Olaf kann ein selbständiges Leben führen, welches dann leider viel zu früh beendet wurde. Er starb am 08.04.2021 auf der Intensivstation im Uniklinikum Gießen. Das zu der Zeit grassierende tödliche Virus, war Schuld an seinem Tod.

Neben dem Leben Olafs erfährt der Leser auch einiges über die Anfänge der „Aktion Sorgenkind“ und seiner Einrichtungen. Heute heißt es „Aktion Mensch“ und die Initiative wächst zum Glück weiter. Zum Schluss schenkt die Autorin den Lesern auch einige Bilder von Olaf. Das Buch hat mich sehr berührt und zuweilen erbost. Es wäre so schön, wenn wir auch oder gerade Menschen annehmen könnten, die anders sind als die sogenannte „Norm“.

Bewertung vom 06.04.2023
Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)
Tomasson, Ben Kryst

Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)


sehr gut

Kari ist frustriert. Dieses Herumsitzen im Büro mag sie gar nicht. Viel lieber wäre sie wieder im Außendienst auf Sylt unterwegs. Schwangerschaft hin, Schwangerschaft her. Ihrem Krümelchen täte ein wenig Abwechslung auch gut. Da kommt der Auftrag ihres Chefs wie gerufen. Er vermutet, dass unter anderem in einem Schwangerschaftszentrum in Westerland Abrechnungsbetrügereien mit Krankenkassen stattfinden. Kari freut sich und Jonas Voss ist besorgt. Wer kann es ihm verdenken? „Sylter Gier“ ist ein weiteres Abenteuer der undercover Ermittlerin Kari.

Die vier Häkeldamen freuen sich sehr, dass Kari endlich wieder in ihre Mitte tritt. Alle sind davon überzeugt, dass die Recherche bald erledigt ist und sie sich schönen Dingen zuwenden können. Aber leider gibt es dann doch Komplikationen und es bleibt auch nicht bei einem Toten. Kari und ihre „Häkelmafia“ sollten aber aus vergangenen Abenteuern wissen, dass die Gefahr ihr ständiger Begleiter ist.

Das Buch lässt sich gut ohne Vorkenntnis lesen. Zwar nimmt die private Situation von Kari und Jonas viel Raum ein, die Autorin macht es aber leicht, der Story zu folgen. Wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit erwähnt sie und stört dabei keineswegs den Lesefluss. Mit viel Humor, der mir zuweilen dann doch zu plump daherkam, und gut dosierter Spannung, machte das Lesen Freude. Ein Schmöker zum Ablenken. Sehr gut gefiel mir mal wieder die Beschreibung der Insel. Obwohl ich noch nie dort war, kenne ich mich fast schon gut aus.

Kari und die Häkeldamen ergänzen sich auf ihre Art perfekt. Der Arme Jonas tut mir bei den vielen Damen dann doch leid. Er hat es nicht leicht. Vier Sterne und eine Leseempfehlung gebe ich gerne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.04.2023
Nicht ohne meine Schwester
Marion, Kummerow

Nicht ohne meine Schwester


ausgezeichnet

Rachel Epstein, 17 Jahre alt, lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in einem Dorf und bisher verschlossen sie ihre Augen vor den Deportationen der Juden. Auf ihrem Hof hatten sie alles, was sie zum Leben brauchten. Bis dann eines Tages der Landrat Keller, ein strammer Nazi, ihre Eltern als Gefangene vom Hof holte. Zum Glück war Rachel mit ihrer kleinen Schwester, 4 Jahre alt, nicht zuhause. Sie wurden gewarnt und konnten vor den Häschern flüchten. Ihr Glück währte aber nicht lange. Schon bald wurden sie verhaftet und kamen 1944 ins Lager Bergen-Belsen. Bei ihrer Ankunft dort musste die kleine Mindel mit ansehen, wie Rachel von ihr fortgezogen wird. Sie weint und ruft, aber die Aufseher haben kein Verständnis für ihre Not. Dabei fühlte sich für sie die Gefangenschaft doch gar nicht so schlimm an, wenn sie zusammen wären.

Bergen Belsen besuchte ich vor vielen Jahren mit meinen Eltern. Ohne Vorbereitung oder Aufklärung durch die Schule. Diesen Schock beim Anblick der Fotos werde ich nie vergessen. Rachel und Mindel vegetierten also in diesem Lager dahin. Unter den wachsamen Augen der Aufseher und ohne jegliche Zuwendung. Besonders für die kleine Mindel war das kaum zu ertragen. Und die Große kam fast um vor Sorge. Und trotzdem wurden Freundschaften geschlossen. Wie wichtig diese zum Überleben waren, kann niemand nachempfinden, der es nicht selbst erlebte.

Marion Kummerow schrieb einige Bücher über die grausame Zeit des zweiten Weltkriegs. In diesem Band stellt sie ein Ehepaar vor, das sich für die Kinder im Lager einsetzte. Sie bemühten sich dabei, den Kleinen Liebe und Geborgenheit zu geben. Erstaunlich für mich, dass die Nazis ihnen das gestatteten. Es gibt also nicht nur Leid und Schmerz zu erlesen. Auch schöne Erlebnisse richteten die Gefangenen immer wieder auf und lockern die Geschichte der Mädchen ein wenig auf. So ist auch kurz erwähnt, dass Anne Frank und ihre Schwester zu den Freundinnen Rachels gehörten. Was mit Anne geschah, wir jedem bekannt sein, der Bücher zu ihrem Leben las.