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Bücherwurm

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Insgesamt 190 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2022
Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1
Jager, Jennifer Alice

Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1


ausgezeichnet

„Emily Seymour“ von der Autorin Jennifer Alice Jager ist ein jugendlicher Fantasyroman, der mich sehr begeistert hat. Im Fokus steht dabei Emily, die den Seymours - einer Nekromanten-Dynastie - entstammt. Sie selbst hat aber leider keine der spannenden Fähigkeiten ihrer Familienmitglieder geerbt. So muss sie bei den Geisterbeschwörungen Hilfsdienste erledigen und darf sonst ausschließlich vom Rand aus zu sehen. Als der jahrelang währende Zwist mit der verfeindeten Nekromanten-Familie Goodwin durch den jüngsten Spross Ashton Goodwin beigelegt werden soll, sind alle sehr aufgeregt. Unglücklicherweise kommt Ash jedoch bei einer Totenbeschwörung durch einen von Emily verursachten Unfall zu Tode. Fortan steht für die Seymours alles auf dem Spiel und Emily versucht, ihren Fehler wieder gut zu machen…

Besonders gefallen und deshalb hervorheben möchte ich das Setting und Worldbuilding der Autorin. Der Roman ist unglaublich ideenreich und bunt gestaltet worden. Neben Nekromanten finden sich diverse weitere magische Gestalten mit den verschiedensten Fähigkeiten. Auch die Welt der magischen Wesen selbst wird überraschend überzeugend, detailverliebt und fantasievoll dargestellt. So lebt Emily z.B. in einer Nekromanten-Villa voller Geheimnisse und Zauber. Mittels Raumfalten reist sie in die Zwischenwelt, wo alle magischen Gestalten frei leben können. Unterstützt wird dies mit fantasievollen Beschreibungen und einem altersgemäßen und humorvollen Sprachstil.

Die Protagonistin Emily war mir auf Anhieb sympathisch. Sie ist tollpatschig, etwas unsicher, gleichzeitig aber überraschend mutig. Ihre ehrliche und hilfsbereite Art hat mich sofort für sie eingenommen. Auch die anderen Figuren ihrer Familie, ihre beste Freundin sowie Ashton Goodwin sind vielseitig ausgestaltet worden. Die Geschichte übte umgehend einen Sog auf mich aus und ich konnte das Buch kaum noch aus den Händen legen. Auch, wenn der Roman ein paar kleine Schwächen hat – so war zum Beispiel für mich recht schnell vorhersehbar, wer als Übeltäter im Hintergrund agieren müsste - und ich mir noch mehr Tiefe der Figuren gewünscht hätte, wurde ich positiv überrascht. Es ist eine witzige, teils skurrile, süße und vor allem kurzweilige Geschichte. Ich habe mich beim Lesen unglaublich wohl gefühlt und freue mich schon auf Band 2!

Bewertung vom 30.09.2022
Es kann nur eine geben / The School for Good and Evil Bd.1
Chainani, Soman

Es kann nur eine geben / The School for Good and Evil Bd.1


gut

Ich hatte bisher noch nie etwas von der Märchenreihe „The School for Good and Evil“ gehört und kannte auch den Netflix-Film nicht. Erwartet habe ich aufgrund des eindrucksvollen Buchcovers ein Fantasy-Epos. Hier wurde ich leider etwas enttäuscht. „The School for Good and Evil“ ist ein modernes Märchen, das viele Anspielungen auf andere Märchen beinhaltet. Dabei bleibt die Geschichte aber sehr klassisch-konservativ, was ich sehr schade fand. Auch der Schreibstil ist den klassischen Märchen angepasst, weshalb ich doch recht lange brauchte, um im Roman anzukommen. Stellenweise kam mir die Geschichte zudem recht vorhersehbar vor. Auch, wenn der Roman wirklich unterhaltsam und ideenreich war und ich ab der Hälfte sehr im Lesefluss war, konnte er mich nicht vollends überzeugen. Einerseits hatte ich zu hohe Erwartungen an ein mystisches Fantasy-Abenteuer, andererseits blieb mir das Märchen einfach zu klassisch.

Bewertung vom 30.09.2022
Das Glück auf der letzten Seite
Bonidan, Cathy

Das Glück auf der letzten Seite


ausgezeichnet

Anne-Lise findet in einem Hotel in der Bretagne ein altes Manuskript, das sie so beeindruckt, dass sie spontan mit dem Autor in Kontakt tritt und ihm das Manuskript postalisch zusendet. Dieser ist gänzlich irritiert, denn er hat es bereits vor mehr als 30 Jahren verloren – und auch das Ende stammt nicht aus seiner Feder. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem Verfasser des Manuskript-Endes und begeben sich dabei auf eine abenteuerliche Reise, die sie mit den verschiedensten Menschen zusammenbringt.

„Das Glück auf der letzten Seite“ ist ein Roman in Briefform von Cathy Bonidan Beim Cover erwartete ich eine klassische französische Liebesgeschichte. Eigentlich ist es aber ein sehr besonderer Roman über Zufallsbekanntschaften, die zu Freundschaften führen. Dabei ist der Roman mit einer Leichtigkeit geschrieben worden, die in Kombination mit der besonderen Form, in der sich die Beteiligten ausschließlich über Briefe austauschen, einen unglaublichen Sog auf mich ausgeübt hat. Ich hatte befürchtet, einen Roman anhand von Briefkorrespondenzen aufzuziehen, wäre sperrig. Hier habe ich mich jedoch vollkommen getäuscht! Ich kam unglaublich schnell im Roman an und konnte ihn alsbald nicht mehr aus den Händen legen. Auf diese Art indirekt mehr über die einzelnen Beteiligten zu erfahren, wirkte auf mich überraschend erfrischend und spannend. Positiv empfand ich dabei auch, dass die Briefe bzw. Kapitel jeweils nur 1-4 Seiten umfassen, was unnötige Längen vermied. Ich wollte immer unbedingt wissen, wie es weiter geht.

Der Sprachstil war stets melodisch und elaboriert – er erforderte aber auch ein bisschen Konzentration beim Lesen. Zumal die Figuren nicht zielstrebig und direkt auf die Briefe anderer antworteten, sondern eher verschleiert Geschichten erzählten, nach denen sie eigentlich nicht gefragt wurden. Die Geschichte ist insgesamt herzallerliebst und das Ende wirkte fast kitschig, aber auch großartig und sehr überraschend. Der Kreis schließt sich und zurück bleibt vor allem eines: Lesen verbindet!

Fazit: Ein sehr empfehlenswerter Feel good Briefroman für jeden Buchliebhaber.

Bewertung vom 07.09.2022
Zehn Jahre du und ich
Hughes, Pernille

Zehn Jahre du und ich


sehr gut

Nachdem Becca’s beste Freundin, die zugleich Charlie’s Verlobte war, verstorben ist, fallen beide in ein tiefes Loch. Anstatt sich dabei gegenseitig herauszuhelfen, machen sie sich das Leben schwer und brechen den Kontakt ab, weil sie bereits seit der Uni eine tiefe Feindschaft pflegen. Als Ally die beiden jedoch in einer Nachricht „aus dem Jenseits“ bittet, stellvertretend für sie ihre Bucket List zu vollenden, haben die beiden mehr Kontakt miteinander als ihnen lieb ist. Können sie doch gemeinsam ihre Wunden heilen?

„Zehn Jahre du und ich“ ist ein zugleich trauriger, aber auch schöner Liebesroman. Das Konzept erinnerte mich spontan an eine moderne Version von Cecilia Aherns „P.S. Ich liebe dich“, findet dabei aber einen neuen Weg. Die Protagonisten Becca und Charlie sind sich zunächst spinnefeind, was für viele ulkige Situationen sorgt, die mit Wortwitz gut herausgearbeitet wurden. Besonders gut gefallen hat mir, wie die beiden Hauptfiguren sich verändern und (unfreiwillig) miteinander (und aufeinander zu) wachsen. Diese Entwicklung ist Hauptessenz der Geschichte und hat mich sehr positiv beeindruckt. Leider war der Ausgang der Geschichte von Anfang an vorhersehbar und einige Streitigkeiten á la „wir können nicht zusammen kommen, weil …“ wirkten aufgesetzt und haben mich schnell genervt. Dennoch habe ich den Roman genossen und zudem den Umgang mit dem Thema Tod als leicht, aber stets angemessen empfunden. Der Sprachstil ist modern, leicht verständlich und von einem ironischen Unterton geprägt.

Fazit: Ein Hund und Katz Spiel der Protagonisten, die eine beeindruckende Entwicklung hinlegen. Ein ironischer Unterton und ulkige, als auch anrührende Situationen gleichen vorhersehbare und aufgebauschte Diskussionen aus.

Bewertung vom 02.09.2022
Drei Helden für ein Honigbrot / Detektei für magisches Unwesen Bd.1
Schweizer, Lotte

Drei Helden für ein Honigbrot / Detektei für magisches Unwesen Bd.1


gut

„Drei Helden für ein Honigbrot“ ist der erste Fall für die Detektei für magisches Tierwesen. Mit zauberhaften Illustrationen begibt sich der Leser dabei auf ein magisches Abenteuer. Im Zentrum befindet sich die (un-)freiwillige Detektivbande mit Jannik, Pola und Lulu. Als mysteriöserweise im Dorf Honig geklaut wird und der Polizist völlig überfordert ist, fangen die drei Kids mit ihren Ermittlungen an. Dabeid stoßen sie auf Feen, die Witze hören wollen, Leseratten und vor allem auf Peggory, Agent für Magisches und Tierwesen. Mit vereinten Kräften versuchen sie, einen Bösewicht aufzuhalten, der Tierwesen als Trophäen sammelt.

Die Geschichte ist für Kinder ab 8 Jahren geeignet, der Sprachstil dem Lesealter angepasst. Gut gefallen hat mir, dass auch Fremdwörter verwendet werden, die die jeweilige Figur erklärt. Der Fall ist niedlich und unterhaltsam konzipiert, insbesondere die Figur von Jannik ist gut ausgearbeitet. Ich hätte mir allerdings mehr Informationen und Begegnungen mit den Mädchen Pola und Lulu gewünscht, die leider insgesamt etwas blass blieben. Das Ende empfand ich als schlüssig, aber recht abrupt und simpel. Auch, dass bereits im ersten Drittel klar wird, wer der Bösewicht ist, wirkte auf mich etwas zu einfach. Dennoch bleibt die Kindergeschichte stets fantasievoll und bunt. Eine nette Lektüre für den jungen Detektiv.

Bewertung vom 13.08.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Inhalt: Eine außergewöhnliche Frau. Ein turbulentes Jahrhundert. Eine unvergessliche Geschichte. An einem stürmischen Tag des Jahres 1920 kommt sie zur Welt, jüngste Schwester von fünf übermütigen Brüdern, Violeta del Valle. Die Auswirkungen des Krieges sind noch immer spürbar, da verwüstet die Spanische Grippe bereits ihre südamerikanische Heimat. Zum Glück hat der Vater vorgesorgt, die Familie kommt durch, doch schon droht das nächste Unheil, die Weltwirtschaftskrise wird das vornehme Stadtleben, in dem Violeta aufwächst, für immer beenden, die del Valles ziehen sich ins wild-schöne Hinterland zurück. Dort wird Violeta volljährig, und schon steht der erste Verehrer vor der Tür …

Violeta erzählt uns selbst ihr Leben, am Ende ihrer Tage schreibt sie ihrem geliebten Enkel einen langen Brief – sie schreibt von ihren halsbrecherischen Affären, den Jahren der Armut, von schrecklichen Verlusten und tiefempfundener Freude, von historischen Vorkommnissen, die ihr Leben geprägt haben: von dem Kampf für die Rechte der Frauen, dem Aufstieg und Fall von Tyrannen und von zwei schrecklichen Pandemien.

„Violetta“ ist der neue Roman von Isabel Allende und mein erster Roman der Autorin. Das Leben der Protagonistin Violeta ist sehr intensiv und geprägt von vielen Schicksalsschlägen. Der Roman ist als Brief aus Sicht der Protagonistin an ihren Enkel geschrieben worden. Violeta erzählt ihm dabei ungeschönt von ihren Erlebnissen aus jüngster Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter. Vor allem der wort- und bildgewaltige Sprachstil der berühmten Autorin übte dabei einen unglaublichen Sog auf mich aus. Auch, wenn ich nicht alle Handlungen der Figur nachvollziehen konnte, imponiert Violetta mit einer beeindruckenden Willensstärke, Lebensmut und Eigensinnigkeit. Keine Figur wird geschönt dargestellt, keine Tat übersehen. Die Eindringlichkeit und die unverblümte Art haben mir bei diesem Roman am besten gefallen. Obwohl er auf mich stellenweise etwas ausufernd wirkte, ist der Roman ein spannendes Epos einer jungen Chilenin im 20. Jahrhundert.

Bewertung vom 25.07.2022
Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12


ausgezeichnet

"Affenhitze" ist der neue Kriminalroman rund um Kommissar Kluftinger des Autorenduos Klüpfl und Kobr. Ich habe alle Kluft-Romane gelesen und mehrfach gehört und bin ein großer Fan des kauzigen Kommissars. Auch dieser Roman war wieder sehr unterhaltsam und gespickt mit dem besonderen Humor der Autoren. Kluft gerät von einer peinlichen Situation in die nächste - und genau deshalb muss man ihn lieben. Mit von der Partie sind die "übliche Verdächtigen", die Romane sind einfach Kult! Viel zu lange werde ich nun auf den nächsten warten müssen - aber es lohnt sich!

Bewertung vom 22.07.2022
Yadriel und Julian. Cemetery Boys
Thomas, Aiden

Yadriel und Julian. Cemetery Boys


ausgezeichnet

Inhalt: Kurz vor dem Tag der Toten will Yadriel seiner traditionellen lateinamerikanischen Familie beweisen, dass er ein brujo ist. Alle in seiner Familie können Geister beschwören oder haben Heilkräfte, aber weil Yadriel trans ist, lassen sie ihn nicht das Ritual durchlaufen. Mit der Hilfe seiner Cousine Maritza schafft er es allein. Doch bei seiner ersten Geisterbeschwörung geht etwas schief und Julian steht vor ihm, der Geist des Bad Boys seiner Highschool. Und der ist weit davon entfernt, bereitwillig ins Reich der Toten überzutreten. Mit Yadriels Hilfe will er herausfinden, wie er gestorben ist. Und je mehr Zeit sie gemeinsam verbringen, desto weniger will auch Yadriel, dass Julian geht.

Es ist schön, dass auch die Welt der Bücher zunehmend divers wird. In seiner Hauptfigur Yadriel hat der Autor Aiden Thomas viel aus seinem eigenen Leben einfließen lassen. Yadriel ist trans und trägt einen Binder. In der Familie, aber auch in der Schule kämpft er um Anerkennung seiner Identität. Sehr vorsichtig und zaghaft behandelt der Autor seinen Protagonisten, der sich selbst noch in der Findungsphase befindet und für viele Dinge (wie z.B. die Benutzung der Jungstoiletten) Mut und Überwindung benötigt. Mir hat sehr gut gefallen, wie der Autor für diese empfindlichen und schwierigen Situationen mich als Leserin abgeholt hat, um mir zu verdeutlichen, wie schwierig Yadriel Dinge fallen, die für mich alltäglich sind. Auch der Gegenwind, der ihm widerfährt, obwohl seine Mitmenschen es „nicht böse meinen“, ist sehr gut dargestellt. Es zeigt, wie viel Arbeit noch vor uns allen liegt. Die aufkeimende Romanze zwischen Yadriel und Julian ist niedlich und schön zu lesen. Julians Charakter hat mir ausgenommen gut gefallen. Er vertritt nach außen hin den „Bad Boy“, ist aber ein guter Mensch, der sich um seine Familie sorgt. Die magische Geschichte rund um den Dies muertos ist fantasievoll und bunt. Ich liebe diese Tradition, weil sie zeigt, dass man mit den Verstorbenen und dem Tod auch ganz anders umgehen kann. Umso mehr habe ich mich über die vielen Informationen rund um den Feiertag gefreut. Die Haupthandlung rund um die Geister und Bruios ist stellenweise sehr vorhersehbar, macht sie aber nicht weniger unterhaltsam und spannend. Der Sprachstil ist locker, eher einfach und altersentsprechend.

Insgesamt hat mir dieser Jugendroman ausgesprochen gut gefallen. Es gab zwar viel Vorhersehbares, aber die Kernbotschaft ist wichtig und zieht sich als roter Faden durch den Roman.

Bewertung vom 08.07.2022
Schlaflos auf Sylt
Thesenfitz, Claudia

Schlaflos auf Sylt


weniger gut

„Schlaflos auf Sylt“ ist der neue Roman von Claudia Thesenfitz. Ich habe bereits mehrere Romane der Autorin gelesen und stets die lockere, leichte Unterhaltung genossen. Auch in ihrem neuen Roman findet sich der spritzige Sprachstil der Autorin wieder. Allerdings gibt es in diesem ein paar Mal zu oft Zitate oder Anspielungen auf das, was angebliche Prominente mal geäußert hätten. Die Protagonistin Merle ist sympathisch und steht mitten im Leben. Anlässlich ihres 50. Geburtstages überdenkt sie die ein oder andere Lebensentscheidung. Als ihre Eltern statt wie geplant ein entspanntes Syltwochenende mit ihr verbringen und sie auf eine Überraschungsparty entführen, hatte ich großes Mitleid mit ihr. Die Eltern hatten kein gutes Händchen bei der Gästeauswahl – es finden sich viele Menschen, mit denen sie überhaupt nichts mehr am Hut hat. Darüber hinaus entwickeln sich auf der Geburtstagsfeier diverse Szenen des Fremdschämens. Statt über die Skurrilität zu lachen, habe ich mich manchmal ziemlich unwohl gefühlt. Merle jedoch ist wirklich herzig und hat ihr Happy End sehr verdient, was aber am Ende sehr überstürzt wirkt. Insgesamt habe ich den Roman als nicht so rund und lustig empfunden wie die Vorgänger. Schade! Nichtsdestotrotz bin ich neugierig auf den nächsten Roman der Autorin – denn Sylt ist immer eine Reise wert, auch wenn es nur in Gedanken stattfindet ;)

Bewertung vom 08.07.2022
Ein französischer Sommer
Reece, Francesca

Ein französischer Sommer


weniger gut

„Der Roman, der in diesem literarischen Sommer den Ton angibt“ steht auf der Rückseite des Romans „Ein französischer Sommer“ von Francesca Reece. Dies hat meine ohnehin hohen Erwartungen nach positivem Befinden des Layouts sowie des Klappentextes noch zusätzlich in die Höhe schnellen lassen. Leider wurden diese jedoch nicht auch nur annähernd erfüllt.

Die Geschichte wird in wechselnden Kapiteln aus der Sicht der Protagonistin Leah, einer Britin Mitte Zwanzig, die in Paris lebt und sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält, sowie dem Schriftsteller Michael Anfang 70, ebenfalls Brite und überwiegend in Paris lebend, wiedergegeben. Michael lädt Leah bei einer zufälligen Begegnung in einer Galerie ein, ihn und seine Familie nach Südfrankreich über den Sommer zu begleiten, um ihn als Assistentin bei seinem neuen Buchprojekt zu unterstützen. Was sie nicht weiß ist, dass sie einer Verflossenen von Michael unglaublich ähnlich sieht und er nur deshalb (primär sexuelles) Interesse an ihr hat. Innerhalb Michaels Sichtweise finden sich dabei immer wieder Rückblicke in seine Jugend und Studentenzeit. Hierdurch wird dem Leser dargestellt, wem Leah ähnlich sieht und welche Verbindung zu Michaell bestand. Diese Rückblicke sind jedoch leider weder optisch, noch durch Jahreszahlen o.Ä. gekennzeichnet worden. Dies verwirrte mich sehr oft und ich verlor den roten Faden und Überblick.

Während ich Leah zunächst noch sympathisch fand, war mir Michael von Beginn an zuwider. Als Student bereits ein überheblicher, selbstgerechter und sich selbst überschätzender Lackaffe, der bis in die Gegenwart nichts dazu gelernt hat. Eine Nebenfigur sagt über ihn an einer Stelle sehr treffend: „Ich habe immer gewusst, dass er ein Idiot ist. Er ist kein guter Mensch“. Er begeht sein Leben als wäre es ein Drehbuch und benimmt sich wie die Axt im Walde. Für sich selbst fordert er nur das Beste ein, wird dafür jedoch zu keinem Zeitpunkt selbst aktiv. Am liebsten soll ihm alles in den Schoß fallen, während er andere beneidet und es ihnen nicht gönnt, wenn sie sich erfolgreich etwas erarbeiten. Unfassbar, dass er überhaupt einen Familien- oder Freundeskreis um sich sammeln konnte.

Doch auch die Protagonistin Leah wurde mir schnell unsympathisch. Sie wirkt in Bezug auf ihre Lebensplanung, aber auch bezüglich amouröser Begegnungen absolut verloren auf mich. Als Spielball der Männer lässt sie sich nahezu alles gefallen, erst zuletzt zeigt sie ein bisschen Schneid. Einen Sinn in ihrem Leben findet sie bis zuletzt leider nicht.

Darüber hinaus war im Klappentext ein großes Geheimnis angekündigt worden. Dieses entpuppt sich nach ewig währendem Aufbau erst ganz zum Schluss. Das Geheimnis an sich empfand ich als interessant, in der Umsetzung ist hier jedoch viel Potential liegen gelassen worden. Nicht zuletzt habe ich mich ferner gewundert wie unfassbar niederschwellig in diesem Roman durch die Figuren Alkohol als auch Drogen, besonders Kokain, konsumiert wurden.

Die Autorin Francesca Reece wartet mit einem besonderen Schreibstil auf, der eloquente Formulierungen sowie Anspielungen und Hinweise auf diverse literarische Werke und Berühmtheiten beinhaltet. Dabei bleibt die Sprache jedoch stets klar und gut verständlich, was mir sehr gefallen hat. Auf Dauer empfand ich den Sprachstil dennoch als anstrengend, es wurde mir einfach zu ausufernd und langatmig beim Warten auf das „große“ Geheimnis. Dennoch waren die Beschreibungen der Landschaft Südfrankreichs gut gelungen und sehr bildhaft. Die versprochene französische Leichtigkeit und das entsprechende Flair haben mir gänzlich gefehlt. Vielmehr empfand ich die Atmosphäre des Romans als träge und schwer.

Fazit: Ein insgesamt eher unausgegorener Roman mit zwei unglaublich unsympathischen Protagonisten, der stellenweise aber kleine Lichtblicke bot. Insgesamt dennoch eine Enttäuschung für mich.