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Lu
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 27.10.2023
Die kleinen Lügen der Ivy Lin
Yang, Susie

Die kleinen Lügen der Ivy Lin


sehr gut

Susie Yangs "Die kleinen Lügen der Ivy Lin" ist eine fesselnde Erzählung, die uns auf eine Reise mit Ivy Lin nimmt, die im Alter von fünf Jahren zu ihren Eltern in die USA kommt. Das Buch verfolgt ihr lebenslanges Bemühen, dazuzugehören, von ihrer Schulzeit bis ins Erwachsenenalter. Ivy verstrickt sich dabei in einem Netz aus Lügen, und der Roman bietet ständig neue überraschende Wendungen, die die Spannung aufrechterhalten.

Der Roman bietet einen Einblick in die Abgründe des Lebens der Reichen und Schönen der Upper Class der USA, zu denen Ivy unbedingt gehören möchte, aber trotz all ihrer Anstrengungen kann sie ihre Außenseiterrolle nie ganz abschütteln. Gleichzeitig bekommt man mit, welche Entwicklung Ivys chinesische Einwandererfamilie durchläuft, von der Ivy sich beständig abgrenzen will. Dabei lernt man auch die Geschichten von Ivys Eltern und ihrem Bruder näher kennen. Für Leser, die nach einer flüssig erzählten Geschichte suchen, bei der es bis zur letzten Seite spannend bleibt und die gesellschaftliche und soziale Dynamiken in den Blick nimmt, erweist sich dieses Buch als eine gute Wahl. Wer „Die Einladung“ von Emma Cline mochte, aber wem dort zu viele Fragen offenbleiben, wird Yangs Roman ebenfalls sicher gerne lesen. Man fliegt förmlich durch die Seiten.

Allerdings sollte beachtet werden, dass die düstere Stimmung des Romans im Laufe der knapp 500 Seiten möglicherweise belastend sein kann. Mich hat der Roman etwas heruntergezogen, ich lese normalerweise aber auch keine Thriller o.Ä. Der Roman hat definitiv das Potenzial, den Leser emotional mitzunehmen und nachdenklich zu stimmen.

Bewertung vom 24.10.2023
Damals im Sommer
Gottschick, Florian

Damals im Sommer


gut

Schon das Cover erweckt die Erwartung einer Sommergeschichte mit einer Prise Melancholie, der Umschlag innen versetzt einen dann direkt in die Urlaubskulisse der Familie des Ich-Erzählers. Diese Urlaubsreise steht als zügig und flüssige erzählte Haupthandlung im Mittelpunkt des Romans und wird gerahmt durch die Vor- und Nachgeschichte der Ich-Erzählers, die insbesondere am Ende des Romans mehrere Wendungen bereithält. Ich mochte die Verwobenheit einzelner Episoden des Romans, außerdem wurde das Verhältnis des Ich-Erzählers zu seinem großen Bruder einfühlsam und multiperspektivisch dargestellt. Insgesamt eine schnelle, durchaus spannende Lektüre mit einigen netten Metaphern (manchmal vielleicht etwas gewollt), daher 3,5 Sterne.
Was mich am Ende allerdings beschäftigt hat, ist, warum Frauen insgesamt so schlecht wegkommen bzw. nur als (schlechte) Mütter oder Mutterersatz gedacht werden. Das fand ich schade, denn der Ich-Erzähler stellt sein Verhältnis zu männlichen Personen wie Bruder, Vater und Freund deutlich mehrperspektivisch dar.

Bewertung vom 23.10.2023
Echtzeitalter
Schachinger, Tonio

Echtzeitalter


ausgezeichnet

Ich hatte nicht erwartet, dass den Buchpreis einer der Coming of Age-Romane gewinnt, die nominiert waren - und war nun beim Lesen positiv überrascht! Bei „Echtzeitalter“ erwartet die Leser:innen ein schnell erzählter, die Handlung immer vorantreibender Roman über den Jugendlichen Till. Till geht auf ein Wiener Elitegymnasium und der Roman zieht sich über seine gesamte Schulzeit dort. In seiner Schul- und Freizeit spielt Till Age of Empires 2 und macht auch alle anderen Dinge, die Jugendliche so machen, um sich im starren System Schule Freiräume zu schaffen und das Leben auszuprobieren. Das ist nicht selten nicht nur unterhaltsam, sondern auch ziemlich witzig, vor allem wenn der Lehrer der alten Schule Dolinar ins Spiel kommt!
Bei der schnellen Lektüre war ich insgesamt nicht nur bestens unterhalten, ich habe auch eine Menge über Wiener Elitegymnasien, österreichische Politik und den österreichischen Blick auf Deutschland gelernt - who knew, dass das Hamburger Abi aus Wiener Sicht viel mehr Anspruch hat?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2023
Das Klugscheißerchen
Kling, Marc-Uwe

Das Klugscheißerchen


sehr gut

Also eigentlich müsste der Schriftzug auf dem Cover „Das KLUGSCHEIßERCHEN“ heißen - schließlich gibt es seit 2008 auch ein großes ß und nach einem Diphthong folgt im Deutschen… Ja, ich weiß! Das hier ist eine Rezension und keine Lektion über die deutsche Rechtschreibung! Aber wer ist nicht manchmal gern ein Klugscheißerchen?
Genau darum geht es in dem neusten Kinderbuch von Marc-Uwe Kling: Theo und Tina aus der Bilderbuchfamilie Theufel lernen, nachdem sie sich am Abendbrottisch (wobei: Es gab gar kein Brot!) altklug geäußert haben, das Klugscheißerchen kann, dass ihnen beim Spielen erscheint und noch viel mehr besser weiß als sie. Am nächsten Tag ist es weg - wie kann die Familie es zurückholen?
Ein bisschen hat mich die Familie in ihrer Kartoffeligkeit an Conny und ihre Familie erinnert, weshalb ich mich auch gefragt habe, ob eher Erwachsene und altkluge Kinder Freude an der Geschichte haben werden - schließlich kann man manche Witze und Anspielungen nur verstehen, wenn man z.B. weiß, welches Mädchen ein Pferd hochheben kann. Andererseits kann man vielleicht auch lachen, wenn man Familien wie die Theufels aus dem eigenen Umfeld kennt - und dann froh sein kann, dass die eigene Familie nicht so ist. Im Vergleich mit dem „Neinhorn“ fand ich die Geschichte insgesamt nett und kurzweilig, aber nicht so voller Fantasie und Sprachwitz wie das „Neinhorn“.

Bewertung vom 19.10.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Nein, dieser Roman ist keine Antwort auf den Barbie-Film, in dem Ken schnell erkennt, dass es in der realen Welt der USA vor allem um Männer und Pferde geht. Der Roman von Geraldine Brooks erschien nämlich schon 2022 unter dem Titel „Horse“ und kommt nun in der Übersetzung von Judith Schwaab auf den deutschen Buchmarkt. Dennoch liest sich der Roman über die Pferderennindustrie der USA im 19. Jahrhundert wie ein Versuch, die Sache mit den Männern und den Pferden zu erklären - mit allem, was dazu gehört: dem Patriarchat, das es Frauen kaum erlaubt, zur Hauptfigur der Geschichte aufzusteigen, dem Anti-Schwarzen Rassismus, der die amerikanische Gesellschaft noch immer auf eine speziellere Weise strukturiert und bestimmt als im Rest der Welt, dem Klassismus, der mit den Mechanismen von Rassismus und Patriarchat zusammenwirkt.
Die Autorin tut dies, indem sie einen Roman über ein berühmtes Rennpferd schreibt und dabei beständig zwischen Perspektiven der Vergangenheit und Perspektiven der Gegenwart wechselt, die sie wiederum durch ein Gemälde dieses Pferdes geschickt verwebt. Kann man der Autorin vorwerfen, dass sie es als weiße Frau nicht ganz schafft, die Perspektive Schwarzer Männer in den USA authentisch darzustellen? Ja, ihr ist es sicherlich nicht immer gelungen, die Schwarzen Charaktere hinreichend komplex zu zeichnen. Allerdings könnte man auch diskutieren, ob dies nicht wiederum als Verweis auf die amerikanische Gesellschaft zu lesen ist. So gibt am Ende des Romans auch nicht nur eine der Figuren die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in den USA auf.
Was der Autorin definitiv gelingt, ist, die Leser in die Geschichten eintauchen zu lassen - mir ist auf den knapp 600 Seiten nie langweilig geworden, so spannend, anrührend und aufwühlend sind die Episoden, die sie beschreibt und so sehr gehen die Figuren, die die Autorin für die Erzählung zu Historie des Rennpferds und seines Gemäldes dazu erfindet, ans Herz.

Bewertung vom 14.10.2023
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


ausgezeichnet

Im Laufe des Buches wird der gesamte Prozess der Entstehung eines Buches anhand der verschiedenen beteiligten Berufsfelder erklärt. Durch die liebevollen Illustrationen und Fun Facts über den Literaturbetrieb kann man auch beim zweiten Mal lesen noch jede Menge entdecken. Oft werden die Inhalte der Erklärtexte durch die Illustrationen noch einmal veranschaulicht, sodass auch junge Leser:innen sich Begriffe wie den „Seitenaufriss“ besser erschließen können. Trotzdem würde ich sagen, dass das Bilderbuch eher anspruchsvoll ist und Erwachsene evtl. mehr Spaß an den in den Zeichnungen enthaltenen Easter Eggs und den Anekdoten um Schriftsteller:innen und ihre Bücher haben als Kinder. Außerdem ist die Schriftgröße mit 9 pt eher klein - wer wissen möchte, was die Angabe aussagt, muss ins Buch schauen! Zudem hat man nach dem Lesen dieses Buches richtig Lust, direkt in die Bibliothek zu gehen und eines der erwähnten Bücher auszuleihen. Das sind aber fast alles Bücher für Erwachsene, insbesondere Klassiker wie Tucholsky, Dostojewski oder Austen.
Erfahrene junge Leser:innen werden das Bilderbuch aber definitiv zu schätzen wissen, weil man einfach so einen liebevollen Einblick in die Welt der Bücher bekommt. Deshalb ist dieses Bilderbuch ein tolles Geschenk für alle Menschen zwischen 9 und 99 Jahren, die Bücher lieben! Bei mir wird es einen Ehrenplatz im Regal bekommen.

Bewertung vom 08.10.2023
Baustellen der Nation
Banse, Philip;Buermeyer, Ulf

Baustellen der Nation


sehr gut

Die Macher des Podcast „Lage der Nation“ haben gemeinsam mit ihrem Team eine informative, detailreiche Ergänzung zu ihrem Podcast geschrieben. Dieser wird durch das Sachbuch nicht überflüssig, evtl. hat man durch die vielen Hintergrundinformationen sogar noch mehr Spaß am Hören - und umgekehrt!
In „Baustellen der Nation“ werden die Leser:innen in grundlegende Probleme in Sachen Infrastruktur, Sozialstaat und Föderalismus eingeführt. Dabei wird teilweise ganz schön ins Detail gegangen, wenn z.B. kommunale Entscheidungsprozesse erläutert werden. Das kann mitunter anstrengend zu lesen sein, ist aber immer gut verständlich. Die Lösungen, die vorgeschlagen werden, gehen oft „lagetypisch“ in Richtung Liberalisierung und Entbürokratisierung einerseits und Zentralisierung andererseits - wir bewegen uns also politisch v.a. im ökolibertären bis linksliberalen Spektrum. Auch wenn durchaus auch Kritik an der Ampelkoalition geübt wird, bleibt sie immer konstruktiv und es wird auch auf Erfolge geschaut. Das fand ich persönlich sehr angenehm, weil die Probleme dann nicht in Hoffnungslosigkeit enden: Das Sachbuch bleibt eben nicht bei einer kritischen Analyse stehen, sondern zeigt auch realistische politische Lösungen auf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


ausgezeichnet

Anika Landsteiners Roman "Nachts erzähle ich dir alles“ zeigt erneut, wie talentiert die Autorin ist. Mit ihrem unverkennbaren Stil beherrscht Landsteiner die Kunst der Coming-of-Age-Geschichte für Frauen Mitte dreißig wie keine andere. Dieser Roman ist keine Ausnahme und bietet eine fesselnde Handlung, komplexe Charaktere und ein herrlich sommerliches Setting in Südfrankreich.
Eines der herausragenden Merkmale dieses Buches sind zweifellos die Frauenfiguren, die von Landsteiner mit großer Tiefe und Komplexität gezeichnet wurden - man will sie eigentlich alle kennenlernen, am besten im kleinen Ort am Meer in Frankreich, der ebenfalls nah und dicht beschrieben wird. Jede einzelne Figur besitzt eine eigene Geschichte, eine einzigartige Persönlichkeit und individuelle Herausforderungen, mit denen sie sich auseinandersetzen muss. Ihre Stärken, Schwächen und Emotionen sind so realistisch und nuanciert dargestellt, dass man schnell eine Verbindung zu ihnen aufbaut.
Landsteiner gelingt es, ernste Themen wie Tod und Reproduktionsrechte auf eine Art und Weise anzusprechen, die die Lesenden sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt. Sie schafft es, diese Themen sensibel und einfühlsam in die Geschichte einzuflechten, ohne den Lesefluss zu beeinträchtigen oder den Roman zu überladen. Große Empfehlung!

Bewertung vom 07.10.2023
Rattensommer
Pickel, Juliane

Rattensommer


ausgezeichnet

Juliane Pickel hat einen weiteren sehr guten Jugendroman geschrieben, der sich mit Wut, Freundschaft und versagenden Erwachsenen auseinandersetzt, die die Jugendlichen nicht wirklich sehen bzw. die einfach weitgehend abwesend sind. Dabei verwendet die Autorin wie auch in Krummer Hund eine bittersüße, poetische Sprache, die eine melancholische Atmosphäre schafft. Die Geschichte von Lou und Sonny ist nur oberflächlich betrachtet eine queere Liebesgeschichte oder eine packende Story um einen Mordfall, wie der Klappentext es andeutet. Es geht vor allem darum, wie Lou sich von ihrer Freundin und ihren Eltern abnabelt und zu ihrem eigenen Weg findet. Dabei bleibt Vieles in der Geschichte ambivalent und offen, etwas, womit auch Lou lernen muss umzugehen und woran Sonny zu scheitern droht.
Coming-of-age + Sommer + Schwimmen scheint das Erfolgsrezept für Romane in diesem Sommer zu sein, es gelingt auch Juliane Pickel!

Bewertung vom 07.10.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


sehr gut

Was für ein netter Sommerroman! Man merkt den verschroben gestalteten Charakteren an, mit wie viel Liebe und Spaß hier geschrieben wurde. Am besten hat mir Erna Rohdiebl gefallen, mit der alles beginnt: Nachts bricht die patente ältere Dame in einen Garten in ihrem Dorf Nincshof ein, um dort im Pool schwimmen zu gehen. Was für ein Skandal in Nincshof, als das auffliegt! Auch die Hauptstoryline muss der Autorin unheimlich viel Spaß gemacht haben: Eine kleine Gruppe aus Verschwörern will das Dorf verschwinden lassen, damit man von Touristen und co in Ruhe gelassen wird. Sogar ein theoretisches Fundament mit Bezug zu Arendt und co wird dafür entwickelt, verschiedene Aktionen werden durchgeführt. Am Ende wird schließlich alles auf die Spitze getrieben, es geht weiter ins Absurde - vielleicht nicht weltverändernd, aber rundum ein nettes Lesevergnügen!