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Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Der Fotograf Tom macht sich mit dem Auto von Irland aus auf die Reise nach England, um seinen kranken Sohn Luke zu Weihnachten nach Hause zu holen. Schwere Schneefälle verhindern eine Flugreise, auch die Straßen sind gefährlich glatt und schlecht zu befahren. Doch für die Familie ist es ganz wichtig, dass Luke nach Hause kommt und Tom nutzt die Stunden alleine im Auto, um sein Verhältnis zu seinem ältesten Sohn Daniel aufzuarbeiten und sich seinem Verhalten in der Vergangenheit zu stellen.
Erst nach und nach lernt der Leser Tom kennen, aus der zunächst etwas übertriebenen Fürsorge für Luke wird zunehmend Verständnis. Nur begleitet von der Stimme des Navis lässt er die Gedanken an Daniel zu, seine Kindheit, die unbeschwerten Zeiten als glückliche Familie. Er, der sich als Fotograf immer ein bisschen hinter dem Objektiv versteckt, setzt sich gedanklich mit seiner Sprachlosigkeit, mit Liebe, Verlust und Schuld auseinander.
Sprachgewaltig und intensiv beschreibt David Park diese Reise durch ein fremdes Land, das sich sowohl auf die Landschaft als auch auf Toms schonungslose Selbstreflexion bezieht. Hier ist der Titel hervorragend gewählt und das Cover ist wunderschön. Der Schreibstil vermittelt einem fast das Gefühl, mit Tom im Auto zu sitzen und durch die verschneite Landschaft zu fahren.
Diese Buch hat mich zutiefst berührt und ist einerseits sehr traurig, hinterlässt jedoch zum Ende trotz allem einen Hoffnungsschimmer. Die Qual des Vaters ist so authentisch beschrieben, dass ich kaum glauben konnte, dass David Park nicht selber so eine Erfahrung gemacht hat.
Eine unbedingte Leseempfehlung für dieses ganz besondere Buch, das noch lange im Gedächtnis bleibt.

Bewertung vom 30.08.2021
Wo das Licht herkommt
Skorpil, Clementine

Wo das Licht herkommt


gut

Im 18. Jahrhundert flieht die junge und wissbegierige Philippine als Mann verkleidet nach Wien, um der Hochzeit mit einem ungeliebten und brutalen Mann zu entfliehen. Als Philipp lebt sie fortan immer mit der Angst vor Entdeckung, studiert in Rom Medizin und in Coimbra Kartografie und verliebt sich, flieht schließlich nach China.
Das wunderschöne Cover und der passende Titel machen sofort neugierig, der Inhalt dieses Romans von Clementine Skorpil überrascht vor allem durch den anspruchsvollen Schreibstil: teils blumige, teils äußerst brutale Beschreibungen, immer wieder altmodische umgangssprachliche Ausdrücke und häufige Zeitsprünge. Sehr interessant zu lesen ist diese Geschichte über den abenteuerlichen Lebensweg einer jungen Frau im 18. Jahrhundert, dabei kein leichtes Lesevergnügen.
Man hat das Gefühl, dass die Autorin ihre Liebe zur Sinologie und Geschichte in diesem Buch perfekt vereint hat.
Eine Empfehlung für Liebhaber*innen von anspruchsvollen Büchern und ungewöhnlichem Schreibstil.

Bewertung vom 30.08.2021
Wellenflug
Neumann, Constanze

Wellenflug


sehr gut

Zwei starke Frauen beschreibt Constanze Neumann in ihrem Roman, in dem sie geschickt ihre eigene Familiengeschichte mit Fiktion verbindet.
Da ist zunächst die Geschichte von Anna, erzählt zwischen 1864 und 1905. Geboren in einer großbürgerlichen jüdischen Familie erfüllt sie ihre Pflicht, heiratet standesgemäß und bekommt 5 Kinder, an die sie große Ansprüche stellt. Ausgerechnet ihr ältester Sohn Heinrich jedoch geht eigene Wege, kümmert sich nicht um Konventionen und heiratet die aus einfachen Verhältnissen stammende Marie.
Der zweite Teil handelt von der Schwiegertochter Marie, erzählt ihren Lebensweg von einer einfachen Garderobenhilfe zur Ehefrau von Heinrich, das Auf und Ab ihrer Ehe und der Beginn des 2. Weltkrieges in Deutschland.
Beide Frauenleben sind Beispiele ihrer Zeit: für Anna zählt vor allem, selber eine gute Partei gemacht zu haben und ihre Kinder so gut wie möglich zu verheiraten. Der in ihren Augen missratene Sohn Heinrich passt nicht in ihr Weltbild, beschädigt den guten Ruf und wird mitsamt der ungeliebten Schwiegertochter verstoßen. Darunter leidet Marie zeitlebens, sie bemüht sich sehr um ihren Mann und dessen Familie, ist jedoch gegenüber dem Standesdünkel der Schwiegermutter machtlos.
Beide Frauenschicksale lesen sich spannend und authentisch, beschreiben zugleich ein Sittengemälde ihrer Zeit.
Cover und Titel des Buches sind sehr gut gewählt und passen hervorragend zum Inhalt. Der Schreibstil von Constanze Neumann ist angenehm zu lesen, ein Familienstammbaum auf den ersten Seiten wäre eine angenehme Ergänzung gewesen.
Ein sehr empfehlenswerter Roman über zwei starke Frauen, deren Leben zwar gänzlich unterschiedlichen sind, deren Lebenswege aber schicksalhaft miteinander verknüpft sind.

Bewertung vom 19.08.2021
Die letzten Romantiker
Conklin, Tara

Die letzten Romantiker


ausgezeichnet

Der frühe Tod des Vaters und die darauf folgende schwere Depression der Mutter schweißt die vier Kinder Renee, Caroline, Joe und Fiona fest zusammen. Doch als sie erwachsen werden geht jeder seinen eigenen Weg und ein Unfall verändert ihr Verhältnis untereinander zusätzlich.
Es ist eine Geschichte über Liebe und Verantwortung, die Tara Conklin in ihrem Buch erzählt. Anders als der Titel suggeriert beschreibt sie keine romantische Liebesgeschichte sondern viele verschiedene Facetten: Mutterliebe, Geschwisterliebe, Elternliebe und partnerschaftliche Liebe. Die Lebensgeschichten der vier Geschwister sind jede für sich interessant und faszinierend, die Charaktere sind überzeugend dargestellt. Auch das Thema Verantwortung zieht sich durch diese Familiengeschichte, wie sie die Leben aller beeinflusst und unterschiedlich prägt.
Ein schönes Cover und ein gelungener Titel, der sich im Laufe der Erzählung erklärt, runden dieses Buch wunderbar ab. Eine absolute Leseempfehlung für Freunde von etwas anspruchsvolleren Familiengeschichten.

Bewertung vom 17.08.2021
Greta und Jannis
Kuratle, Sarah

Greta und Jannis


sehr gut

Es besteht eine tiefe Verbundenheit zwischen Greta und Jannis, die als Nachbarskinder aufwachsen. Aus Freundschaft wird mit zunehmendem Alter Liebe, und obwohl Jannis wegzieht und heiratet bleibt die Verbindung der beiden bestehen.
Ein wunderschönes Cover und der schlichte Titel machen neugierig auf dieses Buch, der Untertitel "Vor acht oder in einhundert Jahren" macht die Zeitlosigkeit dieser Geschichte deutlich. Das harte Leben im letzten Dorf im Gebirge, die ausgesetzten Kinder, die Gretas Tante Severin aufnimmt oder die hindernisreiche Liebesbeziehung könnten eine traurige Geschichte ergeben, Sarah Kuratle hat daraus jedoch eine etwas mystische und fast schon märchenhafte Erzählung gemacht. Ihr Schreibstil ist ungewöhnlich, die wörtliche Rede wird kursiv gedruckt und ist mitten in die Sätze eingestreut. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, aber man liest sich schnell ein. Ihre Beschreibungen sind oft sehr bildgewaltig und poetisch, hier merkt man, dass die Autorin auch Gedichte schreibt.
Eine anspruchsvolle und ungewöhnliche Liebesgeschichte in ausgefallenem Schreibstil.

Bewertung vom 29.07.2021
Der Panzer des Hummers
Minor, Caroline Albertine

Der Panzer des Hummers


sehr gut

Es sind drei völlig unterschiedliche Charaktere, die Caroline Albertine Minor in ihrem Roman beschreibt. Die alleinerziehende Sidsel managed ihr Leben als Kuratorin, braucht dabei jedoch manchmal die Hilfe ihres Bruders Niels, dessen Lebensweise sie aber nicht wirklich versteht. Er arbeitet als Plakatierer und legt mehr Wert auf seine Freiheit als auf Geld und Ruhm. Die älteste Schwester Ea lebt seit vielen Jahren in den USA, sie vermisst die tote Mutter so sehr, dass sie über eine Seherin versucht, Kontakt mit ihr im jenseits aufzunehmen.
Das zugegeben schöne Cover irritiert mich, weil es nur zwei Menschen zeigt, obwohl es um drei Geschwister geht. Der Titel erschließt sich im Text und passt sehr gut zum Inhalt. Hilfreich ist auf jeden Fall die Auflistung der wichtigsten Personen dieses Romans zu Beginn des Buches.
Die Figuren werden überwiegend einzeln in ihrem Leben und ihren Ansichten dargestellt, hier hätte ich mir tatsächlich etwas mehr einen gemeinsamen Nenner unter den Geschwistern gewünscht, vor allem gegen Ende. Sehr interessant liest sich die Geschichte der Seherin Beatrice, die neben den drei Geschwistern intensiv beschrieben wird. Eher unnötig für mich die Passagen über die tote Mutter Charlotte, die sich aus dem Jenseits meldet.
Ein durchaus interessantes Buch über Familienbande mit interessanten Charakteren, das mir jedoch in seiner Gesamtheit ein bisschen zu unrund ist.

Bewertung vom 25.07.2021
Im Reich der Schuhe
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


sehr gut

Alex Cohen soll mit 26 in das Schuhimperium seines Vaters in China einsteigen. Dabei gerät er zwischen die Fronten seines übermächtigen Vaters, der chinesischen Arbeiterin Ivy und der Politik Chinas.
Das Cover ist schön gestaltet, passt im Gegensatz zum Titel jedoch in meinen Augen nicht optimal zum Inhalt.
Sehr eindringlich beschreibt Spencer Wise den Vater-Sohn-Konflikt, der durch das Leben und Arbeiten in einem fremden Land noch deutlicher hervortritt. Während der Vater vieles in China verabscheut, steht sein Sohn den Dingen deutlich offener gegenüber. Im Gegensatz zur Person des Vaters wird einem Alex Cohen im Verlauf des Romans immer sympathischer, je mehr er versucht, seinen eigenen Weg zu gehen. Diese Entwicklung ist spannend zu verfolgen.
Sehr interessant sind die Beschreibungen über die Zustände in den Fabriken in China und über die jüngere Geschichte. Hier steht die junge Fabrikarbeiterin Ivy stellvertretend für eine Generation, die sich nach dem Massaker auf dem Tian'anmen-Platz in Peking nicht mehr alles gefallen lassen will.
Ein interessantes Debüt von Spencer Wise, bei dem man den Eindruck hat, dass er viele eigene Erfahrungen in seinen Roman hat einfließen lassen.
Eine Leseempfehlung für alle, die gute Unterhaltung mit einem geschichtlichen und kulturellen Hintergrund zu schätzen wissen.

Bewertung vom 25.07.2021
Von hier bis zum Anfang
Whitaker, Chris

Von hier bis zum Anfang


ausgezeichnet

Die 13jährige Duchess Radley und ihr Bruder Robin sind nicht gerade vom Leben verwöhnt. Ihre Mutter kann sich nicht wirklich um sie kümmern, der Vater unbekannt, die Tante vor vielen Jahren auf tragische Weise umgebracht. Deren Mörder Vincent King soll nach 30 Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden, sein Freund Polizeichef Walker hat immer an seine Unschuld geglaubt. Es setzt sich eine Verkettung von tragischen Ereignissen in Gang.
Chris Whitaker gelingt es mit seinem Schreibstil ein intensives Bild einer beschaulichen Kleinstadt in Kalifornien und ihren Bewohnern zu zeichnen. Das Schicksal von Duchess und ihren Familie zu verfolgen ist tief bewegend, ihr fast übermenschlicher Kampf gegen Armut, Gewalt und die Depressionen ihrer Mutter ist genauso kompromisslos wie die Liebe zu ihrem kleinen Bruder.
Auch die Zerrissenheit von Chief Walk beschreibt der Autor so einfühlsam, dass man sich als Leser manchmal schon fast schmerzhaft in die Charaktere hinein versetzen kann.
Das schöne Cover und der Titel passen hervorragend zum Inhalt des Buches. Die Kombination aus Familienroman, Justiz-Thriller und Krimi sowie einige überraschende Wendungen in der Geschichte machen diesen Roman von der ersten bis zur letzten Seite zu einem absoluten Lesevergnügen.

Bewertung vom 25.07.2021
Wild Card
Thompson, Tade

Wild Card


gut

Weston Kogi lebt in London seitdem ihn seine Tante vor 15 Jahren aus Afrika heraus schleusen konnte. Nur aus Pflichtgefühl reist er nun zur Beerdigung in seine Heimat zurück, wo er sofort mit seiner Familie, ehemaligen Freunden und Feinden konfrontiert wird. Durch eine vermeintlich kleine Lüge manövriert er sich in eine Situation, in der er sich mit den kulturellen und politischen Gegebenheiten seines Landes auseinander setzen muss. Bei dem Versuch, Freunde und Feinde auseinander zu halten, geht es nicht selten um Leben und Tod.
Tade Thompson skizziert in seinem Thriller ein Bild von dem Staat Alcacia das geprägt ist von Korruption, Bandenkriegen, Gewalt und Geisterglauben. Sein durch das Leben in England etwas verwöhnter Protagonist Weston Kogi stolpert zunächst etwas unbedarft in diese ihm fremd gewordene Welt, muss sich jedoch schneller als ihm lieb ist und oft schmerzhaft mit den afrikanischen Gegebenheiten auseinander setzen.
Da der Autor selber nigerianische Wurzeln hat vermute ich, dass viele seiner drastischen Beschreibungen von dem fiktiven westafrikanischen Staat einen realen Hintergrund haben. Die Ausmaße der beschrieben Korruption und Gewalt sind erschreckend und dabei trotzdem sehr interessant zu lesen.
Für mich ist der Thriller insgesamt zu sehr beherrscht von gewaltsamen Szenen und Brutalität, zudem ist die Sprache oft unnötig derb und roh. Der Schreibstil ist geprägt von kurzen Sätzen, der zwischendurch immer wieder aufblitzende schwarze Humor lockert viele Szenen angenehm auf. Sehr interessant ist es zu verfolgen, wie der Mensch Weston Kogi sich im Laufe der Geschichte verändert und sich den afrikanischen Gegebenheiten anpasst.
Ein ungewöhnlicher Thriller, sehr spannend und genau das Richtige für Leser, die harte Action und dabei Informatives über ein fremdes Land mögen.