Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Sabine
Wohnort: 
Köln
Über mich: 
https://buchmomente.blogspot.com
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 404 Bewertungen
Bewertung vom 09.11.2014
Die vergessenen Worte
Trenow, Liz

Die vergessenen Worte


gut

Nachdem mich „Das Kastanienhaus“ restlos überzeugen konnte, war ich natürlich neugierig auf das neue Buch von Liz Trenow. Diesmal ist die Geschichte ganz anders, nicht linear erzählt, sondern als Familiengeheimnisroman konzipiert mit zwei Erzählsträngen zu verschiedenen Zeiten.
Zum einen erzählt die jetzt 74jährige Maria Romano ihre Lebensgeschichte, schwelgt in Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugend, in der sie Unglaubliches erleben durfte und man auch als Leser nicht weiß, ob dies eine erdachte Vergangenheit oder doch die Wahrheit gewesen ist.
In der Gegenwart im Jahre 2008 findet Caroline einen alten Quilt auf dem Dachboden ihrer Mutter, der eine Geschichte zu erzählen scheint und dessen Geheimnis Caroline zu lüften versucht.
Wie die beiden Geschichten zusammenhängen ahnt man als Leser vielleicht, dennoch bleibt es spannend, und langsam verknüpfen sich verschiedenen Begebenheiten und ergeben nach und nach einen Sinn. Hier hat die Autorin es wirklich geschafft, geschickt die beiden Erzählstränge miteinander zu verbinden, diese Verbindung aber erst nach und nach preiszugeben.
Die Geschichte um Maria hat mir sehr gut gefallen und auch fasziniert. Maria, die im Waisenhaus aufwächst, dann eine Stelle als Näherin findet und beginnt, ihre Geschichte in einen Quilt zu nähen, warum sie in einer psychiatrischen Klinik landet – all das wird wirklich sehr eindringlich und berührend von ihr erzählt. Die Umstände im frühen 20. Jahrhundert in einer psychiatrischen Anstalt sind wirklich erschreckend, die Not und Verzweiflung greifbar und ich habe mit Maria gelitten. Sie ist mir richtig ans Herz gewachsen, auch wenn sie zunächst jung, naiv und unerfahren erscheint und leider auch dafür auch einen hohen Preis bezahlt. Gefangen in ihrem Schicksal habe ich mit ihr gefühlt.
Der Erzählstrang der Gegenwart dagegen hat mir leider nicht so gut gefallen. Das liegt zum einen an der Geschichte selber, die mir an vielen Stellen zu konstruiert erschien, zu viele Zufälle, die letztlich zur richtigen Lösung führten, immer gerade die richtigen Experten am richtigen Ort – ich fand die einfach oft nicht glaubwürdig und hat mir ein wenig den Lesespaß genommen. Aber auch die Protagonistin der Gegenwart, Caroline, war mir einfach nicht sympathisch. Ihr Verhalten und ihre Handlungen konnte ich zumeist nicht nachvollziehen, zu wankelmütig schien sie mir in ihren Gedanken und manches Mal zu unentschlossen – wenn sie auch Hartnäckigkeit bewiesen hat, das Geheimnis um den Quilt zu lösen. Aber ohne die vielen Zufälle, die gerade immer zur rechten Zeit erschienen und die vielen ihr zuarbeitenden Menschen, hätte sie das wohl auch nicht geschafft,
Auch wenn mir der Erzählstrang der Gegenwart nicht so gefallen hat, habe ich das Buch gerne gelesen, denn Marias Geschichte war einfach berührend und ergreifend, zudem habe ich eine Menge über die Zeit und auch das Nähen lernen dürfen. Das war sehr interessant und hat das Buch nicht langatmig werden lassen, ganz im Gegenteil - das letzte Drittel, in dem sich die Verbindungen der Handlungsstränge abzeichnen, fand ich sehr spannend und fesselnd. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm, eingängig und gut lesbar, so dass ich das Buch innerhalb weniger Tage beendet habe.
Auch wenn mich dieses Buch nicht ganz so begeistern konnte, war es dennoch eine schöne Lektüre, die mir unterhaltsame Lesestunden geschenkt hat und die ich jedem empfehlen würde, der Bücher mit Familiengeheimnissen mag.

Bewertung vom 09.11.2014
Die Seele des Stachelschweins
Mehlhorn, Anne

Die Seele des Stachelschweins


sehr gut

Ein leises Buch, das nicht einfach nur unterhält, sondern nachdenklich macht und auch noch nach Beenden der Lektüre nachhallt.
Mich hat das Buch von Anfang an gefangen genommen. Zunächst lernt man den 27jährigen Noel kennen, der seinen Lebenstraum verloren hat und in seinem Leben keinen Sinn mehr sieht. Das ist die Eingangsszene des Buches – Noel, der sich betrunken in den Schnee legt, um zu sterben. Doch es kommt anders und er lernt bald Cassandra kennen, ein 17jähriges Mädel, dem das Schicksal in ihren jungen Jahren schon Großes aufgebürdet hat und die sich flüchtet in Alkohol und Aggression – gegen sich selbst und gegen andere. Sie fühlt sich schuldig und kann diese Schuld nicht mehr tragen – auch sie will sich das Leben nehmen, wird jedoch von Noel gerettet. Die beiden so unterschiedlichen Charaktere nähern sich langsam an, und aus verschiedenen Gründen haben beide ein gemeinsames Ziel: einmal noch nach Narvik zu kommen. Doch die Reise ist mehr und mehr eine Reise ins eigene Selbst.
Die Geschichte hat mich gefesselt und gleichermaßen auch berührt – es ist ein Buch, das mich nachdenklich macht, ein leises Buch, das sich mit dem Sinn des Lebens und der Verantwortung seiner selbst und anderen gegenüber beschäftigt. Dabei ist die Geschichte aber auch spannend, ein Road-Movie im hohen Norden, bei dem man mit den beiden Charakteren mitfiebert. Beide sind sehr gut gezeichnet, zwei Menschen, die eher am Rande der Gesellschaft stehen und mit sich einfach nicht mehr klarkommen – und das aus ganz verschiedenen Gründen.
Noel mochte ich sehr gerne, vielleicht, weil ich manche seiner Gedanken gut verstehen und nachvollziehen konnte. Ich schätze seine ruhige Art und sein Verantwortungsbewusstsein – auch wenn er erst lernen muss, auch sich selbst gegenüber Verantwortung zu tragen. Das lernt er im Laufe der Geschichte und macht eine erstaunliche Entwicklung durch. Noel war mir einfach sympathisch, vielleicht gerade auch, weil er so unsicher und verletzlich ist, wenn es um Menschen und Gefühle geht, und ich ihn gerne in solchen Situationen einfach in den Arm genommen hätte.
Cassandra tritt zunächst als aufmüpfiges, aggressives und mir völlig unsympathisches Mädel auf, und erst im Laufe des Buches zeigen sich ihre auch liebenswerten Seiten. Sie hat einiges durchgemacht in ihrem jungen Leben und weiß nicht, sich anders zu wehren als mit Alkohol und Aggression – vielleicht verständlich, für mich aber nicht akzeptabel – daher brauchte ich etwas, bis ich auch mit Cassandra warm geworden bin.
Der Schreibstil der Autorin hat mich sehr beeindruckt: er ist klar und konzentriert, die Worte sind treffend gewählt und keines scheint zu viel oder gar überflüssig. Dabei entsteht eine melancholische, manchmal sogar bedrückende Atmosphäre, die wunderbar zur Geschichte passt. Trotz der wenigen Beschreibungen sind dennoch Bilder in meinem Geist entstanden und ich habe Noel, Cassandra und vor allem auch die Landschaft stets vor Augen gehabt.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der beiden Protagonisten in Ich-Form- und das jeweils abwechselnd. Verwirrt hat mich das nur am Anfang, denn erst beim Lesen merkt man, wer nun gerade erzählt. Aber bald schon hatte ich mich eingelesen und fand es dann spannend, wie Noel und Cassandra jeweils Dinge sehen, bewerten und einschätzen. Cassandra träumt zudem immer wieder von ihrer Vergangenheit, so dass man beim Lesen auch langsam versteht, was eigentlich geschehen ist und warum sie so mit dem Leben hadert.
Durch die Wechsel der Erzählperspektiven entsteht zudem noch eine interessante Spannung – wobei diese in der zweiten Hälfte des Buches auch durch die Geschichte allein entsteht, die hier schon fast an ein rasantes Road-Movie erinnert und mich hat das Buch wirklich rasch beenden lassen.

Außergewöhnliche, eher am Rande stehende Charaktere in einer ungewöhnlichen Geschichte, die fesselt und spannend ist, aber auch berührt und nachdenklich macht – mich konnte dieses Debüt von Anne Mehlhorn wirklich überzeugen!

Bewertung vom 26.10.2014
Das geheime Versprechen
Dutton, Annette

Das geheime Versprechen


sehr gut

Ein Buch über die Liebe und den Tod, über das Gewinnen und Verlieren und über die Kraft und den Mut, sich für seine Überzeugung einzusetzen.
Mir hat dieses Buch sehr gefallen: es war spannend und fesselnd, aber auch berührend und sentimental – und hallt auch noch nach Beenden der Lektüre nach.
Es spielt auf mehreren Zeitebenen, die aber alle miteinander verbunden sind und nach und nach zu einer großen gemeinsamen Geschichte werden. Da jedem Kapitel immer voransteht, wann und wo es gerade spielt, kann man beim Lesen gar nicht durcheinander kommen.
Die Geschichte beginnt im Jahre 1939. Die kleine Leah ist Jüdin und wird mit einem Zug nach England gebracht wird, um sie vor dem deutschen Regime zu schützen. Schon auf der Zugreise lernt sie den nur wenig älteren Michael kennen, und die beiden freunden sich an. Er hat es in England leider nicht so gut getroffen, denn für ihn findet sich keine Pflegefamilie wie für Leah, doch die beiden bleiben in Kontakt, denn sie haben einen Plan. Sie wollen ihre Familien ebenfalls nach England holen.
Der andere Erzählstrang handelt in der Gegenwart, in der Sarah etwas über „die vergessenen Kinder“ liest, englische Kinder aus armen Familien, die noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein nach Australien gebracht wurden, um ihnen hier ein besseres Leben zu ermöglichen. Ihr Vater David ist in einem Waisenhaus aufgewachsen und weiß kaum etwas über seine Eltern. Sarah fragt sich nun, ob auch er eines dieser vergessenen Kinder sein könnte.
Beide Erzählstränge hatten ihre verschiedenen Reize und beide haben mir sehr gut gefallen. Als Leser ahnt man schon früh, wo hier die Verbindung liegen könnte, dennoch hat das Buch dann im Weiteren noch viele für mich unerwartete Wendungen gebracht. So war ich also stets neugierig, wie die Geschichte weitergeht, und das Buch wurde von mir in kürzester Zeit verschlungen.
Das liegt sicherlich auch an dem angenehmen, wenn auch einfachen Schreibstil, der die Seiten hat nur so dahinfliegen lassen. Langatmig ist es zu keinem Zeitpunkt gewesen, Beschreibungen tauchen nur wenige auf – sind aber auch gar nicht nötig, denn die Geschichte und Personen selbst lassen ganz eigene Bilder vor Augen entstehen. Zwar ist das Buch nicht spannend im eigentlichen Sinne, dennoch mochte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht und ich habe mit Leah, aber auch Sarah und David mitgefiebert.
Die Charaktere sind alle sehr gut gezeichnet, vor allem Leah und Michael hat man ja von Kindheit an begleitet und sie heranwachsen sehen. Beide haben erstaunliches erleben müssen, schlimme Dinge, die sie dann zu den Menschen gemacht haben, die sie letztlich waren. Nicht alles konnte ich gutheißen, dennoch habe ich Verständnis entwickelt auch für die eine oder andere Handlung, auch wenn diese dadurch nicht gut oder entschuldbar geworden ist. Gerade Leah aber ist mir wirklich ans Herz gewachsen und ich habe Respekt vor ihr, wie sie ihr Leben dann doch trotz der ganzen widrigen Umstände zu leben weiß.
Die Autorin schafft es, auch schwierige Themen sensibel anzupacken und sie – obwohl sie so schwer und bedrückend sind – in eine fesselnde Geschichte zu packen. Man kann beim Lesen die Wut und Verzweiflung spüren, die bei den Überlebenden des Holocaust herrscht, genauso aber auch ihre Hilflosigkeit und Verletzlichkeit. Und ganz nebenbei lernt man beim Lesen auch noch einiges Geschichtliche dazu.
Mich konnte dieses Buch wirklich überzeugen und sicherlich ist es nicht das letzte Buch, das ich von der Autorin gelesen.

Mein Fazit
Man sollte vielleicht wissen, dass es in diesem Buch um die bekannten Kindertransporte nach England geht und der Holocaust eine große Rolle in der Geschichte spielt – lässt man sich aber darauf ein, bietet das Buch eine große Spannbreite von Gefühlen: es ist bedrückend und emotional, aber auch spannend und fesselnd und bietet interessante, starke Persönlichkeiten in einer bemerkenswerten Geschichte.

Bewertung vom 19.10.2014
Das Haus der vergessenen Bücher
Morley, Christopher

Das Haus der vergessenen Bücher


sehr gut

Ein tolles Buch und eine klare Leseempfehlung von mir! Mich hat das Cover angesprochen und der Klappentext neugierig gemacht - auch wenn er nicht viel von der Geschichte preisgibt – und ich wurde wahrlich nicht enttäuscht. Ich könnte nicht sagen, welchem Genre ich das Buch zuordnen würde – ist es eine Hommage an alle Bibliomanen, ein Geisterbuch, in dem Bücher auf mysteriöse Weise verschwinden oder ein Krimi, der in einem Antiquariat spielt? Von allem hat dieses kleine Büchlein etwas und es ist einfach toll umgesetzt. Ich bin froh, dass das bereits im Jahr 1919 erstmalig erschienene Buch nun erneut aufgelegt wurde, denn an Aktualität hat es keineswegs verloren.
Der Einstieg in die Geschichte ist eher gemächlich, denn zunächst lernt man das Antiquariat und seinen Besitzer Roger Mufflin kennen. Die gewählten Worte, die Beschreibungen und vor allem auch der Wortwitz lassen vor meinem Auge direkt Bilder des zwar unaufgeräumten und vielleicht auch etwas schmuddeligen, aber sehr atmosphärischen Antiquariats entstehen – und nicht nur das: Ich konnte fast den Pfeifentabak riechen und die Glocke zum Antiquariat hören, so eindrücklich waren die Beschreibungen. Mr. Mufflin ist ein mir durch und durch sympathischer Mann, der sich für die Lesekultur einsetzt, in dem er versucht, das jeweils passende Buch für jeden einzelnen Leser zu finden. Ihn konnte ich gar nicht anders als sofort ins Herz schließen mit seiner freundlichen und leidenschaftlichen Art, die bezaubert und einfach ein gutes Gefühl beim Lesen macht. Aber auch die anderen Charaktere sind sehr gut gelungen – die liebenswerte Ehefrau von Mr. Mufflin, die ihr Herz am rechten Fleck trägt, Titania, das charmante Lehrmädchen, das frischen Wind in den Buchladen bringt und natürlich auch Aubrey Gilbert, der „Werbemann“, der zwar manches Mal etwas tollpatschig wirkt, sich aber für die Sache einsetzt und einfach nicht locker lässt. Zum Glück – denn so gemächlich der Einstieg in das Buch ist, umso spannender wird es in der zweiten Hälfte, in der sich die Geschichte zu einem Krimi entwickelt und richtig Fahrt aufnimmt. Es wird überfallen, spioniert, verfolgt und schließlich auch aufgeklärt.
Ich habe die Lektüre dieses Buches sehr genossen – es ist klug und charmant, leidenschaftlich und bezaubernd. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, auch wenn man sich bei den verschiedenen Diskussionen um Bücher und Zitate doch konzentrieren muss und nicht einfach über die Seiten hinweg fliegen kann. Christopher Morley hat einen sehr wortgewaltigen Schreibstil, der mich bezaubert und eingenommen hat, mich aber auch durch Wortwitz und Situationskomik oft hat schmunzeln lassen.
Sicher werde ich dieses Buch ein zweites Mal lesen, denn bestimmt werde ich beim zweiten Lesen wieder Neues entdecken. Auf jeden Fall erhält dieses Büchlein eine Leseempfehlung – vor allem, aber nicht nur für Bibliophile und echte Leseratten!

Mein Fazit
Charmant, leidenschaftlich und bezaubernd – müsste ich das Buch mit drei Worten beschreiben, würde ich diese Adjektive wählen. Eine tolle Mischung aus einer Hommage an die Bücherwelt und einem spannenden Krimi, liebenswerte, gut ausgearbeitete Charaktere und ein wortgewaltiger, aber auch humorvoller Schreibstil machen dieses Buch zu etwas besonderem. Ich werde es bestimmt ein zweites Mal lesen und kann es allen Bibliophilen wirklich ans Herz legen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.10.2014
Das Jahr der Schatten
Richell, Hannah

Das Jahr der Schatten


ausgezeichnet

Ein tolles Buch, das mich von der ersten Seite an gefesselt und gepackt hat. Ich mag ja Bücher, die auf mehreren Zeitebenen spielen, dieses hier ist dennoch ein wenig anders, da die Geschichte der Vergangenheit in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt und damit doch noch recht aktuell ist. Aber genau das war für mich mal anders und neu – und ich war begeistert!
In der Gegenwart ist Lila die Protagonistin, die nach dem Tod ihrer gerade mal fünf Tage alten Tochter und dem überraschenden Tod des Vaters in eine schwere Lebenskrise rutscht. Um wieder zu sich zu finden, zieht sie sich in ein abgelegenes Cottage zurück, das sie gerade von einer unbekannten Person geerbt hat. Dort findet Lila einen geheimnisvollen Brief, der ihr keine Ruhe lässt, und sie fragt sich, was es mit dem Cottage eigentlich auf sich hat.
In den 80er Jahren entdecken fünf Studenten ein einsames Haus am See – fernab jeglicher Zivilisation. Sie beschließen, hier als Aussteiger zu leben, nur von dem, was das Land ihnen bietet – doch es läuft nicht alles reibungslos und als eine sechste Person zu der Gruppe stößt, lassen die Probleme nicht lange auf sich warten.
In beiden Handlungssträngen habe ich mich sehr wohl gefühlt und ich könnte gar nicht sagen, welcher mir lieber gewesen ist. Die Geschichten sind sehr verschieden und jede hat einen ganz eigenen Reiz, der mich in das Buch hineingezogen hat, so dass ich es gar nicht aus der Hand legen wollte. Zwar habe ich geahnt, wie die Geschichten miteinander verwoben sind, doch hat das der Spannung keinen Abbruch getan, sondern durch mehrere falsche Fährten und unerwartete Wendungen wurde diese sogar noch gesteigert.
Die Figuren sind wirklich gut herausgearbeitet. Gefallen hat mir vor allem, dass sie nicht nur gut und böse sind, sondern Ecken und Kanten haben – so wie Menschen aus dem wahren Leben. Lila in der Gegenwart zum Beispiel ist mir sehr an Herz gewachsen. Ihre Trauer um die kurz nach der Geburt verstorbene Tochter ist fast zum Greifen nah, ihren Schmerz kann man beim Lesen spüren. Und auch wenn ich in manchen Situationen anders gehandelt hätte, war mir Lilas Verhalten doch meist verständlich und schlüssig. Die fünf Studenten, die sich als Aussteiger versuchen und sich in einem kleinen Haus an einem verlassenen See selbst versorgen, sind ebenfalls sehr gut gezeichnet. Dass es zwischen den zwei Frauen und drei Männern auch mal Meinungsverschiedenheiten gibt und es mal knallt, ist klar. Interessant fand ich aber vor allem die Entwicklung der Einzelnen und auch ihrer Beziehungen untereinander während dieser „Aussteigerzeit“. Es sind dabei weniger Beschreibungen, sondern eher die Handlungen der Einzelnen, die das Ganze sehr lebendig machen und mir das Gefühl gegeben haben, mit den anderen am Haus zu leben, eine von ihnen zu sein.
Überhaupt ist der Schreibstil sehr angenehm zu lesen – lebendig und fesselnd. Zwar tauchen auch Beschreibungen auf, vor allem der wundervollen Landschaften, diese nehmen aber nie überhand, sondern sind genau so, dass ich alles genau vor Augen hatte und mir auch noch meine eigenen Gedanken zu machen konnte. Das Buch ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die zwischen den verschiedenen Zeitebenen wechseln und eine angenehme Länge haben. Durch Überschriften, die sagen, um wen es gerade geht und in welchem Jahr man sich befindet, kann man hier aber gar nicht durcheinander kommen.
Das Ende hat mich dann noch mal richtig überrascht. Natürlich habe ich beim Lesen mit gerätselt und mir meine eigenen Gedanken gemacht, wie nun genau die beiden Erzählstränge verbunden sind, im letzten Drittel gibt es dann aber noch einige unerwartete Wendungen, die die Spannung nochmal erhöht haben und mich wirklich überraschen konnten. Ich fand das Ende gelungen, und es hat mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 20.09.2014
Ein tödlicher Schatz / Mabel Clarence Bd.4
Michéle, Rebecca

Ein tödlicher Schatz / Mabel Clarence Bd.4


sehr gut

Dies ist der vierte Band der Krimi-Reihe um Mabel Clarence, eine ältere Dame, die im Stil von Jane Marple im beschaulichen Cornwall bei Mordfällen ermittelt. Die einzelnen Bände sind in sich abgeschlossen, so dass man sie unabhängig voneinander lesen kann. Wichtige Dinge, die nur der Leser der ersten Bücher weiß, werden aber erläutert, so dass man keine Sorge haben muss, etwas nicht zu verstehen oder nicht einordnen zu können. Wenn man sich aber auch für die persönliche Entwicklung von Mabel Clarence interessiert, empfehle ich schon, sich an die richtige Reihenfolge zu halten.
Doch nun zum Buch. Auch dieser Fall hat mir wieder gefallen, mich nach Cornwall entführt und mir unterhaltsame Lesestunden beschert. Ich mag Mabel Clarence einfach, die neugierige und sehr patente Mitsechzigerin, die Mordfälle anzuziehen scheint. Und es natürlich nicht sein lassen kann, ihre Nase mit in die Ermittlungen zu stecken. Diesmal geht es um einen eingemauerten Toten, der bei Aufräumarbeiten nach einem schweren Sturm in Mabels Herrenhaus Higher Barton gefunden wird. Zuerst dachten alle, es ist die unter mysteriösen Umständen verschwundene Evelyn, die einer Legende nach noch im Haus als Geist umherschwirren soll. Doch es handelt sich bei dem Toten um einen Mann, der schon vor 10 Jahren gestorben ist.
Obwohl Mabel versprochen hat, sich nicht von ihrer Neugierde treiben zu lassen und diesmal das Ermitteln dem brummigen Chefinspector Warden zu überlassen, stößt sie auf merkwürdige Entdeckungen und geht diesen natürlich nach – bis sie selber in große Gefahr gerät.
Auch dieses Mal habe ich Mabel Clarence gerne begleitet, außerdem ist es schön, alte Bekannte wie den wortkargen, aber durchaus liebenswerten Tierarzt Victor oder auch die Cousine Abigail wiederzutreffen. Dadurch, dass ich die Personen aus den vorherigen Bänden schon kannte, hat sich das Bild, das ich von ihnen hatte, jetzt bestätigt und verstärkt. Aber auch für Leser, die erst jetzt in die Reihe einsteigen, sind die Figuren gut ausgearbeitet, so dass man rasch ihre Eigenheiten und Charakterzüge kennenlernt. Für mich sind gerade Mabel und Victor mit ihren Ecken und Kanten sehr lebendig und authentisch – ich habe beide Figuren richtig ins Herz geschlossen.
Das Buch hat mich nach Cornwall entführt und mich in die ganz eigene Atmosphäre der Landschaft eintauchen lassen. Obwohl sich Mabel zunächst mit ihren eigenen Ermittlungen zurückhält, ist es zu keinem Zeitpunkt langweilig, immer wieder legt die Autorin neue Fährten, neue Aspekte rücken die Tat in ein anderes Licht, so dass ich als Leser nicht geahnt habe, wer nun tatsächlich der Mörder ist.
Der Schreibstil von Rebecca Michéle ist gewohnt leicht zu lesen, angenehm und sehr lebendig. Ich hatte sowohl die einzelnen Szenerien als auch die verschiedenen Menschen stets vor Augen. Das Buch hat mich von der ersten Seite an gepackt und gefesselt, so dass ich es in einem Rutsch ausgelesen habe. Für eingefleischte Thriller-Leser ist dieses Buch vielleicht ein bisschen seicht, mir aber hat es sehr gut gefallen und ich hoffe, dass Mabel Clarence noch bei weiteren Fällen ermitteln wird.

Mein Fazit
Der vierte Fall für Mabel Clarence, eine sympathische Rentnerin, die im Stil von Miss Marple bei einem mysteriösen Mordfall ermittelt. Ich habe diesen Krimi gerne gelesen – sympathische Charaktere, ein Mordfall vor der traumhaften Kulisse Cornwalls und der lebendige Schreibstil haben mich dieses Buch rasch zu Ende lesen lassen und mir unterhaltsame Lesestunden geschenkt.