Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lymon
Wohnort: 
Werl

Bewertungen

Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2021
Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern
O'Connor, Nuala

Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern


gut

„Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern“ heißt dieser Roman, der dem Leser den irischen Schriftsteller James Joyce charakterlich näher bringt. Aus der Sicht seiner Frau Nora, die für ihren Mann so viele Opfer bringt, ist der Roman zwar geschrieben, aber genau hier liegen auch seine Schwächen. Nora wird vor allem in der ersten Romanhälfte als James Joyce verfallene, einseitig sexuell agierende junge Frau geschildert, die relativ verkommen und von ihrem Mann abhängig und unselbstständig beschrieben wird. Während James in der Berlitz-Schule arbeitet, scheint sie nur auf dem Bett zu liegen und auf ihn zu warten. Welche Frau würde sich wirklich so stumpfsinnig und einseitig verhalten? Andererseits wandelt sie sich zunehmend unter den Eskapaden ihres Mannes zur starken Frau, die ihrem Mann immer wieder die Leviten liest. Die verschiedenen Seiten James Joyces, das reiche soziale Beziehungsgeflecht und die Problemlagen in den Herkunftsfamilien werden gut ausgeleuchtet. Bewegend werden die Schwierigkeiten der Kinder Nora und James‘ zunehmend in den Fokus gerückt, unter dem beide Eltern sehr zu leiden haben.
Mein Gesamtfazit: Weniger Sex, mehr wirkliche Einblicke in die Gefühle Noras hätten dem Buch gut getan.

Bewertung vom 07.03.2021
Mama allein zu Haus
Becker, Barbara;Soyke, Christiane

Mama allein zu Haus


gut

„Mama allein zu Haus“ ist eine Art Selbsterfahrungsbericht der Journalistin Christiane Soyke und ihrer Freundin Barbara Becker. In sich abwechselnden Kapiteln erzählen beide, wie sie den Abnablungsprozess von ihren Söhnen mit allen Höhen und Tiefen meistern.
Interessant daran ist einerseits, das Alltagsleben Barbara Beckers etwas näher gebracht zu bekommen, deren Loslösungsprozess sich etwas deutlich gestaltet, da sie einige Jahre zuvor schon ihren ersten Sohn Noah loslassen musste, während sie nun auch den zweiten Sohn Elisas in die weite Welt ziehen lassen muss.
Weniger gut hat mir der „esoterische Touch“ gefallen, mit dem beide Autorinnen sich umgeben. So sind beide des öfteren auf Selbsterfahrungstripps, um ihre Energiefelder neu zu entdecken oder in Kontakt mit ihrer Oneness zu kommen. Sie beschäftigen sich mit mentalem Couching und Yogaübungen etc. Mir erscheint es streckenweise etwas überzogen, als wie schwer die Erfahrung des Auszugs der eigenen Kinder dargestellt wird.

Bewertung vom 27.02.2021
Sommer der Träumer
Samson, Polly

Sommer der Träumer


gut

„Ein unvergesslicher Sommer“ heißt dieser Roman von Polly Samson, in dem es um die junge Erica geht, die als 18-Jährige nach dem Tod ihrer Mutter zusammen mit ihrem Bruder Bobby und ihrem Freund Jimmy auf die idyllische Insel Hydra kommt. Die Schilderungen des Lebensrhythmus dort prägen die Handlung des gesamten Romans. Es geht um mehr oder weniger tiefe Gefühle, echte Künstler (Leonard Cohen, Charmian Clift, George Johnson, Axel Jensen ...) und Möchtegern-Künstler, die sich von der Atmosphäre der Insel Inspiration erhoffen. Es geht um den meist zum Scheitern verurteilten Versuch, das Glück des Schreibens und das private Glück (z.B. die Frau als den exzentrischen Künstler umsorgende Muse, die dann aber als langweilig bald wieder abgelegt wird, um sich neuen Inspirationsquellen hingeben zu können) unter einen Hut zu bekommen.
Phasenweise war die Lektüre sehr langatmig und ausufernd. Immer mehr Figuren, die in loser Verbindung auftraten, trugen dazu bei, dass man als Leser schon mal den Überblick verlor. Für mein Gefühl hätte dem Roman eine strengere Handlungsführung (und überhaupt mehr Handlung) gut getan.
Der Roman vermittelt etwas über eine Generation, die recht verloren und auf der Suche nach Erfüllung ist, die eine kurze Zeit der Blüte erlebt, bevor einige im Drogensumpf versanken, in der Erfolglosigkeit oder einem Lebenskonzept, das auf Kosten anderer (z.B. der eigenen Kinder), angelegt war und nicht aufging.

Bewertung vom 24.02.2021
Aus der Mitte des Sees
Heger, Moritz

Aus der Mitte des Sees


ausgezeichnet

Moritz Hegers Roman „Aus der Mitte des Sees“ ist die berührende Geschichte des Benediktinermönches Lukas, der nach dem Austritt eines etwa gleichaltrigen Mitbruders von widerstreitenden Gefühlen beherrscht wird. Gerade hat er die Geburtsanzeige zur Geburt eines Sohnes seines ehemaligen Mitbruders und Freundes erhalten; nun tut er sich schwer, ihm aus freiem Herzen zu gratulieren. Einerseits grollt er ihm und fühlt sich von ihm im Stich gelassen und verraten. Andererseits empfindet er aber auch einen Stich Eifersucht darauf, dass der andere den Mut aufgebracht hat, dem Mönchsein den Rücken zu kehren und ein ganz anderes Leben zu wagen.
Immer wieder zieht es ihn zum See, in dem er eigentlich nicht nur schwimmt, sondern eigentlich meditiert und betet.
Ihm stellt sich die Frage, wie tragfähig sein eigenes Glaubensfundament eigentlich ist. Und dann tritt unverhofft Sarah in sein Leben und wirbelt es ganz schön durcheinander.
Ein glaubwürdiger Roman, der den Leser intensiv teilhaben lässt am Innenleben eines Benediktinermönches, der sich seinen Zweifeln, seinen Fragen, seinem Glauben und seinen Gefühlen stellt.

Bewertung vom 17.02.2021
Otmars Söhne
Buwalda, Peter

Otmars Söhne


sehr gut

„Otmars Söhne“ heißt der erste Teil des als Trilogie angelegten Romans von Peter Buwalda. Inhaltlich sehr facettenreich angelegt, wird der Leser mit verschiedenen Themenfeldern konfrontiert: unter anderem der Suche nach den eigenen Wurzeln des Jungen Dolf, dem seltsamerweise sein Stiefvater viel liebevoller und verständnisvoller begegnet als seinem eigenen Sohn und gefeierten Wunderkind Dolf. (Die Namensgleichheit bewirkt, dass der erstgenannte Dolf sich von seinem Vornamen trennen muss, - er heißt daraufhin Ludwig - sein Stiefbruder hat ja bereits eine aufsehenerregende Karriere eingeschlagen, von ihm ist also keine Namensänderung zu verlangen. Dafür plagt er sich mit anderen Problemen herum ...) Ludwig glaubt seinen leiblichen Vater in Johan Tromp im fernen Sibirien gefunden zu haben, zögert aber noch, diesen zur Rede zu stellen. Reichlich skurril, wenn auch nicht unsympathisch sind Ludwigs abstruse Schwierigkeiten mit dem weiblichen Geschlecht. Im Verlauf des Romans treten immer wieder sehr bizarre Situationen und lustige Episoden auf - sehr komisch ein verbissen geführter Kampf um gelbe Schaumgummi-Ohrenstöpsel.
Bisweilen sehr verstörend wirken dagegen Szenen von extremer Gewalt und perversen sadistischen Sexualpraktiken.
Im Zusammenhang der von familiärer Vorbelastung investigativ arbeitenden Journalistin Isabelle Orthel ist für das Empfinden des Lesers nicht immer nachvollziehbar, warum diese zur Erreichung ihres Zieles, Johan Tromp seiner vielen skrupellosen Vergehen und Grenzüberschreitungen zu überführen, selbst weit über das Ziel hinausschießt und sich zur Gespielin Tromps erniedrigen lässt.
Auf der äußeren zeitlichen Handlungsebene erlebt der Leser eigentlich nur ein paar Tage im eisigen Schneesturm der sibirischen Insel Sacharin, auf der die Hauptprotagonisten mit ihren je eigenen Anliegen aufeinandertreffen. Meisterhaft verflochten werden jedoch gemäß moderner Erzählweise die Perspektiven und Gedankenwelten der verschiedenen Protagonisten, die immer wieder in langen Passagen in ihren Erinnerungen versinken; aus diesen Erinnerungsfetzen baut sich allmählich ein immer verzweigteres klareres Wissen um Hintergründe und Zusammenhänge auf. In dieser brillanten Erzähltechnik liegt die eigentliche Faszination des Romans.
Es bleiben einige spannende Leerstellen, deren Erzählfäden in den weiteren Romanteilen wieder aufgegriffen werden müssen.

Bewertung vom 24.01.2021
Krass
Mosebach, Martin

Krass


ausgezeichnet

„Krass“ - so kurz und prägnant der Titel, er scheint den Protagonisten Ralph Krass, der als Hochstapler, Betrüger, großer Manipulator und rücksichtsloser Schwindler Menschen um sich sammelt und sie durch sein verschwenderisches und zügelloses Unterhaltungsprogramm in seinen Bann zu ziehen weiß, fast lautmalerisch zu charakterisieren.
Der Roman fesselt den Leser, der einerseits durch die Kennzeichnung dieses narzisstisch veranlagten Menschen abgestoßen wird, zugleich aber auch gespannt darauf ist, mehr über ihn zu erfahren. Wie wird jemand so wie Krass? Was muss in seinem Leben, in seiner Kindheit falsch gelaufen sein, dass sich jemand zu einem so von sich selbst überzeugten, sich auf die gleiche Stufe mit Napoleon und griechischen Gottheiten stellenden Menschen verwandelt?
Sprachgewaltig, oftmals gewürzt mit Understatement, Ironie und Sarkasmus; perspektivisch hochinteressant, da der Leser auch tief in die Lebensgeschichten des zu Krass‘ Faktotum ernannten Jüngel und seiner Gespielin Lidewine eintaucht. Die Lebensschicksale trennen sich, gehen streckenweise ganz unabhängige Wege und kreuzen sich dann durch Zufälle wieder, bis sie sich in gewisser Weise wieder vereinen. Ein Roman, der zugleich abstößt und fasziniert; ein Roman, der von tiefen Gefühlen, von Liebe und Enttäuschung zeugt, aber auch von der Versuchung zur Macht und was diese aus den Menschen macht.
Eine sehr anspruchsvolle Lektüre, die aber einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 16.01.2021
Happy Life Diät
Shahrivar, Shermine

Happy Life Diät


ausgezeichnet

„Happy Life Diät“ von Shermine Shahrivar ist ein leicht verständlicher und ebenso leicht in das eigene Leben umzusetzender Ratgeber für mehr Wohlbefinden, einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Körper und dem seelischen Empfinden. Anhand der für sich selbst entdeckten sechs Säulen: Beziehungen, Spiritualität, Sexualität, Ernährung, Beauty und Sport beschreibt Shahrivar Möglichkeiten, die einem helfen können, wieder mehr mit sich selbst in Berührung zu kommen, sich von unguten oder schädlichen Einflüssen zu lösen und so zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung, einem deutlich gesteigerten Selbstbewusstsein und zu einem erfüllteren, glücklicheren Leben zu kommen. Dabei ist besonders erwähnenswert, dass die aufgezeigten Tipps und Mittel nicht mit großen Opfern, finanziellen Aufwendungen und Selbstkasteiungen verbunden sind, sondern eher mit natürlichen Mitteln, einem bewussteren Wahrnehmen der eigenen Körpersignale und inneren Impulse. Eine wohltuende Lektüre; nicht alles muss man teilen und gut finden, aber dennoch findet jeder Leser das ein oder andere, was er vielleicht überdenkt oder beherzigt und als bereichernd in sein Leben integriert.

Bewertung vom 16.01.2021
Vati
Helfer, Monika

Vati


ausgezeichnet

„Vati“ heißt dieser autobiografische Roman von Monika Helfer, in dem sie auf Spurensuche nach ihrem Vater geht. Der Roman setzt früh ein, der Leser bekommt Einblicke in die längst vergangenen Leben ihrer Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits. Beide Familienlinien zeichnen sich durch äußerst ärmliche und bedrückende Verhältnisse aus. Sehr beeindruckend wird geschildert, wie in schweren Lebenslagen vor allem die Geschwister der Mutter der Familie beistehen. Eine Kindheit, die von den Kriegsauswirkungen geprägt ist, wird dem Leser ausgemalt. Sie ist traurig, aber auch von großer Geborgenheit geprägt. Der Vater, der sich seit seiner Kindheit zu Büchern hingezogen fühlt, wird als Leiter eines Kriegsversehrtenerholungsheims hoch in den Bergen ernannt. Er, der selbst mit seiner Beinprothese vom Krieg gezeichnet ist, erlebt beglückende Zeiten, da ihm eine großartige Bibliothek für das Heim als Schenkung zur Verfügung gestellt wird. Doch dann gerät das Leben des Vaters aus den Fugen.

Bewertung vom 05.01.2021
Elchtage
Klingenberg, Malin

Elchtage


ausgezeichnet

"Elchtage" ist ein schönes Buch rund ums Erwachsenwerden, Freundschaft und Selbstfindung. Das Kinder- und Jugendbuch ist anspruchsvoll geschrieben und überzeugt mit der Handlung, der Gestaltung der Protagonisten und auch mit der Darstellung ihrer Gefühlswelt. Es hilft vor allem Jugendlichen in einer oft als persönlich sehr problematisch erlebten Umbruchszeit der Pubertät und Neuorientierung zu erfahren, dass sie nicht allein sind mit ihrem Gefühlschaos und ihrer Wahrnehmung. Sehr beeindruckend wird die Hauptprotagonistin Johanna gezeichnet, die sich nicht verbiegen lässt, nur um von anderen akzeptiert zu werden, sondern die sich selbst treu bleibt, auch zu dem Preis, dass sie vorübergehend ziemlich einsam dasteht. Sehr schön und spannend sind die Begegnungen mit den Elchen und insbesondere mit Wildstern, der gern Popcorn mag. Und dann gibt es auch noch eine zarte Liebesgeschichte. Ein rundum sehr gelungenenes Jugendbuch.

Bewertung vom 16.12.2020
The Great Escape

The Great Escape


ausgezeichnet

„The Great Escape“ ist ein faszinierender Fotoband der Schifffahrt aus den Jahren 1950-1970. Untergliedert ist das Buch in die Kapitel Nord- und Südamerika, Südostasien, Kreuz- und Passagierfahrten. Die Fotos sind mit kurzen Erläuterungen versehen, die sich im Anhang des Buches befinden. So faszinierend die Fotos sind, ein wenig mehr Text wäre doch wünschenswert gewesen. Auf lediglich fünfzehn Seiten finden sich einige interessante Details, die dem Leser helfen, sich das Leben an Bord besser vorstellen zu können.
Sehr interessant sind die Einblicke in die persönlichen Motive der meist fotografischen Laien, die sich aber an der maritimen Fotografie von Profis orientierten. Hiervon hätte ich gern mehr erfahren. Diese spärlichen Infos werden ebenfalls in englischer Sprache angeboten. Die Bilder sind sehr gut ausgewählt und vermitteln dem Betrachter viel vom Lebensgefühl der Zeit.
Sie berühren fast intime, persönliche Momente an Bord, den harten Arbeitsalltag der Schiffscrew, aber auch Mußestunden und Begegnungen mit der ländlichen und urbanen Bevölkerung all over the world.