Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Luisabella
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2022
Antirassistisch handeln.
Kendi, Ibram X.

Antirassistisch handeln.


ausgezeichnet

Ein wertvolles, wichtiges, informatives und aktivierendes Arbeitsbuch zur Selbstreflexion und für mehr Bewusstsein für Antirassismus
Prof. Ibram X. Kendi hat mit seinem 2019 erschienen Sachbuch ‚How to Be an Antiracist‘ ein sehr wichtiges und mutiges Buch über Rassismus geschrieben. Mit ‚Antirassistisch Handeln‘ hat Prof. Kendi ein zu seinem Bestseller passendes Arbeitsbuch veröffentlicht.

„Doch im Kampf gegen Rassimus gibt es keine Neutralität. Das Gegenteil von ‚rassistisch‘ ist nicht ‚nichtrassistisch‘, sondern ‚antirassistisch‘.“ (S. 9)

Dieses Zitat aus den ersten Seiten des Arbeitsbuches zeigt sehr gut auf, weshalb es so wichtig ist, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen und insbesondere mit unserer Selbstreflexion zu dieser Thematik und uns deutlich vor Augen zu führen, wie wir uns verhalten und wie wir uns antirassistisch verhalten können.

Nach den persönlichen, einleitenden Worten des Autors folgt ein Statement von ihm und anschließend zwei Arbeitsfragen an Leser:innen bzw. Bearbeitende des Buches. Das gesamte Arbeitsbuch ist nach diesem Schema aufgebaut: Statement des Autors, passende Frage zur Selbstreflexion und Platz für Datumsangabe und die Beantwortung dieser. Es geht dabei nicht darum, dass Arbeitsbuch innerhalb möglichst weniger Tage auszufüllen, sondern sich nachhaltig und intensiv mit Rassismus auseinanderzusetzen und die Auseinandersetzung, Entwicklung und das eigene Handeln zu reflektieren.

Meine Meinung | Ein sehr, sehr wichtiges und intensives Arbeitsbuch zu Rassismus! Um sich mit seiner eigenen antirassistischen Einstellung und Handlung auseinanderzusetzen, ist dieses Arbeitsbuch hervorragend geeignet. Es gibt neue Denkanstöße, Ideen tiefer zu recherchieren und ist sehr lehrreich und informativ.

„Antirassist: Eine Person, die eine antirassistische Politik durch ihr Handeln unterstützt oder antirassistische Vorstellungen äußert.“ (S. 23)

Ich kann es jeder:m nur sehr ans Herz legen und empfehlen! Große Lese- bzw. Bearbeitungempfehlung!

Bewertung vom 17.02.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


gut

(Zu) Viele Feuer in der Gedankenwelt von Margot, Summer & Ivy
Worum geht es? | In ihrem Roman ‚Die Feuer‘ (Originaltitel ‚The Performance‘; übersetzt von Eva Bonne) schreibt Claire Thomas abwechselnd aus der Perspektive von drei Frauen, die sich in Melbourne eine Aufführung des Theaterstück ‚Happy Days‘ von Samuel Beckett ansehen während in Australien Waldbrände wüten. Während der Aufführung erleben Leser:innen die Gedankenwelt der drei ganz verschiedenen Frauen: Prof. Dr. Margot Pierce, eine Literaturprofessorin, die kurz vor der Rente steht, sich in ihre Großmutterrolle nicht einfinden kann und von ihrem dezenten Mann häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Summer, eine Anfang 20-jährige Schauspiel-Studentin mit Angststörung, die ihren Vater nicht kennt und deren Freundin April auf dem Weg in die Feuer zur Rettung ihrer Familie ist. Ivy, eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Kunstmäzin, die mit nach mehr als 16 Jahren nach wie vor mit dem plötzlichen Kindtod ihres 1. Kindes kämpft, ein kleinen Sohn hat , mit ihrer besten Freundin Hilary im Theater ist und beide ehemalige Studentinnen von Margot sind. Die Informationen zu den drei Charakteren liefert die Autorin sukzessive und aus der Gedankenwelt ergibt sich zunehmend klareres Bild der jeweiligen Frau, ohne dass dieses jemals vollständig werden wird. Dies ist sicherlich auch nicht der Anspruch der Autorin. Als verbindender Handlungsstrang wird das Theaterstück zwischen den Gedankengängen der Frauen mit-erzählt.

Meine Meinung | Das Cover des Buches hat mich genauso wie die Inhaltsangabe sehr begeistert und ich war sehr gespannt auf das Buch. Der Schreibstil gefällt mir sehr gut und enthält wirklich tolle Formulierungen und Gedanken, wie bspw. das folgende Zitat aus Margos Perspektive veranschaulicht:

„Sie behält ihre tiefsten Gedanken für sich oder spart sie für die Arbeit auf. Sie spricht mit ihm, natürlich tut sie das, aber im Grunde war er nie Ihr intellektueller Resonanzboden oder - allein der Gedanke ist lächerlich - ihre Muse.“ S.75

Der Roman hat viele Stellen, die mir sehr gut gefallen und deren Gedanken ich großartig formuliert finde. ABER die Story konnte mich leider nicht überzeugen. Für mich werden zu viele verschiedenen Themen angeschnitten, ohne dass diese vertieft und erzählerisch genutzt werden, wie bspw. Klimakrise, Aufwachsen ohne ein Elternteil, häusliche Gewalt, Trauma nach dem Kindverlust, sexuelle Orientierung, Demenz, würdevolles Altern, etc. Die drei Frauen sehen das Theaterstück, nehmen dabei Details wahr, aus denen sie Parallelen zum eigenen Leben ableiten und ihre Gedanken verfolgen. Die Grundidee ist großartig - jedoch schweifen die Frauen immer weiter ab und enthüllen immer schockierende Erfahrungen aus ihrem Leben. Die Überfrachtung ist zu groß für diese Charakterstudie, um all die Erzählstränge in den knapp 250 Seiten wiederaufzugreifen und zu einem größeren Ganzen zusammenzuführen. Aber genau dies hätte den Roman vollendet. Ich hätte mir mehr Tiefe gewünscht und weniger Oberflächlichkeit erhofft.

Insgesamt enthält der Roman wirklich schöne Formulierungen und der Aufbau ist literarisch mit der Zwischen-Pause sehr durchdacht. Auch wenn das Leseerlebnis für mich etwas unbefriedigend war, würde ich jederzeit einen weiteren Roman der Autorin lesen. Ich bin sehr gespannt auf alles, was noch kommt!

Bewertung vom 14.02.2022
Meine kleine Welt
Arenz, Ewald

Meine kleine Welt


sehr gut

Wundervolle Szenen aus dem Arenz-Familienalltag mit viel Witz und Humor erzählt

Ewald Arenz ist vielen als Autor seiner Bestseller Romane ‚Alte Sorten‘ oder auch ‚Der große Sommer‘ bekannt. Sein neustes Buch ist jedoch kein weiterer Roman, sondern noch persönlicher: Amüsant, humorvoll, ehrlich, ironisch, sarkastisch, stellenweise zynisch und sehr kurzweilig schreibt Ewald Arenz über Szenen aus dem Familienalltag mit seiner Frau Juliane und den drei gemeinsamen Kindern Theo (17 J., wahlweise Monarchist, Bismarck-Verfechter oder einfach spät-pubertierender Teenager), Philly (13 J., feministischer Teenagerin in der Pubertät) und Otto (3 J., stets gut gelauntes Nesthäkchen und für so einige Überraschungen zu haben). Aus Sicht seines ehemaligen Egos Heinrich schildert der Autor auf meist 2-3 Seiten kurze Episoden aus dem Familienleben mit einem verschmitzten Lächeln und oft einem Augenzwinkern. Die Bandbreite der Szenen reicht von Familien-Schuheinkauf und Kindergeburtstag über Familienurlaube und Zoobesuche zu Szenen aus dem Teilzeit-Lehrer-Job. Dabei wird schnell klar: Wir sind alle nur Menschen - auch und insbesondere gilt das für andere Familienmitglieder - mit all unseren (mal mehr und mal weniger) liebenswerten Fehlern. Dass sich das (Familien-)Leben mit Humor noch besser leben lässt, zeigt Arenz in seinem Buch eins ums andere Mal:

Nach einer Weile stand ich dann aber noch einmal auf, ging hinunter ins Bad und schrieb mit Julianes Lippenstift auf den Spiegel: »Sartre hat recht. Die Hölle sind die anderen!« (S. 85)

Meine Meinung | Ganz anders als seine Romane schreibt Arenz in ‚Meine kleine Welt‘ ohne Umschweife über seine Familie, das Leben und den Alltag. Leser:innen seiner jüngsten Romane werden aber auch hier den ein oder anderen Link zu diesen wiederfinden: „In diesem Augenblick hört ich mich selber, und ich hörte mich an wie mein Großvater, der Medizinprofessor, den ich siezen musste, bis ich elf war.“ (S.97)

Das Leben schreibt eben die schönsten Geschichten und Arenz bestätigt einmal mehr, man sollte das Leben nicht zu ernst nehmen und, wie Humor dabei hilft. Schöne, lustige, nachempfindsame und verrückte Familiengeschichten, von denen sicherlich die ein oder andere Situation Leser:innen aus den eigenen Familien nicht ganz unbekannt sind. Ganz normale Familiengeschichten eben! Wunderbar und humorvoll geschrieben, kann ich dies sehr empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Ein großartiger, kritischer, bewegender Gesellschaftsroman über Familie, Migration, Kultur und das Leben selbst

Fatma Aydemir hat mir ‚DSCHINNS‘ ihren zweiten Roman und ihr drittes Buch veröffentlicht. In DSCHINNS wird die Geschichte einer türkisch-deutschen Familie aus den verschiedenen Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder erzählt, die alle ihre Sorgen, Wünsche, Geheimnisse und Wunden mit sich tragen. Alle kommen aufgrund des Todes des Vaters Hüseyin in dessen neuer Wohnung in Istanbul Ende 1999/ Anfang 2000 zusammen. Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel und beginnt aus der Du-Perspektive mit dem Vater, anschließend folgt je ein Kapitel aus Sicht der einzelnen (erwachsenen) Kinder aus der Erzählerperspektive, um abschließend mit dem Kapitel aus Sicht der Mutter ebenfalls aus der Du-Perspektive abgerundet zu werden. Allein am Stil, Sprache und Struktur zeigt sich, was für große Literatur die Autorin Fatma Aydemir mit diesem Werk geschaffen hat!

Jedes Familienmitglied hat seine eigenen Kämpfe und es zerbricht einem das Herz, wie wenig Austausch in der Familie dazu stattfindet und wie allein sich jeder mit seinem ‚Schicksal’ fühlt. Wie beim Schälen einer Zwiebel geht die Geschichte immer tiefer in die Familie und enthüllt schlussendlich den Kern. Dabei geht diese wunderschöne, tragische und großartige Familiengeschichte direkt unter die Haut und ins Herz ❤️ Die "Dschinns" kommen an die Oberfläche, verstecken sich und sind nie ganz weg. Dabei erschließt sich der Titel des Buches Leser:innen im Laufe des Buchs. „Und wahrscheinlich haben alle ihre Dschinns.“ (S.189) …

In diesem großen Familienroman werden Themen wie Migration, deutsch-türkische-Gastarbeiterfamilien, Familienbild, Assimilation, Kultur, Generationenkonflikt, Krieg, Polizeiwillkür, Klassizismus, Feminismus, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung aufgegriffen. Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, nach Normalität, nach den Gefühlen und Erinnerungen von gestern, von heute und den Wünschen nach Morgen.

Meine Meinung:
Ich muss ehrlich sagen, für dieses grandiose Meisterwerk von Fatma Aydemir fehlten mir lange die Worte! Dieser große Gesellschaftsroman begeistert mich von Beginn an und fünf Sterne werden dem nicht gerecht! Nie lagen Lachen, Mitgefühl, Trauer und Wut so nah beieinander! Die Sprache, der Aufbau, die Storyline, die Charaktere, das Setting, die feine Gesellschaftskritik - all das ist so meisterhaft von der Autorin ausgearbeitet, dass mir nur eins zu sagen bleibt: Lest diesen Roman!

Bewertung vom 24.01.2022
Strahlemann
Schaefer, Fritz

Strahlemann


ausgezeichnet

Nie lagen Lachen und Mitgefühl so nah beinander - eine berührende, ehrliche und humorvolle Coming-out-of-Age-Biografie
Der 1Live-Moderator Fritz Schaefer (geb. 1997 in Dorsten (NRW)) ist seit 2016 als freier Autor und Reporter für den WDR, ARD und 1Live tätig. Mit ‚Strahlemann‘ hat er sein erstes Buch veröffentlicht. Im dem autobiografischen Buch schreibt Fritz sehr offen, ehrlich, selbstkritisch, mutig, berührend und humorvoll über seine Kindheit und Teenie-Zeit. Fritz ist mit seiner behinderten Schwester Martha aufgewachsen, was er neben weiteren Themen wie Mobbing in der Schulzeit und 1. Liebe, ebenfalls in seinem Buch verarbeitet.

Fritz ist sehr humorvoll und das Buch lädt an vielen Stellen zum Lachen ein - aber Lachen und Schmerz liegen hier nah beieinander. Der Spitzname ‚Strahlemann‘ ist das Vermächtnis seines Opas, der gestorben ist, als Fritz ein Baby war: „Wenn man derart früh einen solchen vor Positivität und Bedeutung nur so strotzenden Beinamen erhält, wird es schwierig mit der freien Entfaltung des eigenen Charakters. Es war harte Arbeit, dieser Sunnyboy-Schablone in den Folgejahren gerecht zu werden. […] Kein Mensch kann dauerhaft strahlen. Das tut ja irgendwann weh - in der Gesichtsmuskulatur oder in der Seele.“ (S. 34)

Fritz Kindheit wird nicht nur von seiner Familie geprägt, sondern auch stark von seiner Schulzeit. In der Grundschule wird er von einem Zwillingspaar gemobbt und schikaniert. Auch diese Lebensphase wird humorvoll geschildert, aber betont umso mehr den damit verbundenen Schmerz. Das Buch thematisiert das Aufwachsen mit Geschwistern im Allgemeinen und mit behinderten Geschwistern im Speziellen, Mobbing und Schikane in der Schule, seinen Platz im Leben finden und ganz insgesamt, die Herausforderungen des Erwachsenwerden.

Meine Meinung:
Fritz Schaefer gelingt es, sehr selbstkritisch über sich, seine Kindheit und seinen bisherigen Lebensweg zu schreiben. Als Strahlemann bringt er Leser:innen auch hierbei zum Lachen, aber es ist bittersüß: Auch der Schmerz tritt deutlich hervor und lässt - zumindest bei mir - das Buch lange nachhallen. Strahlemann - passender könnte der Titel aus meiner Sicht nicht sein! Und die Sätze und Kapitel in diesem Buch sind so bewusst geschrieben, formuliert und verbunden, dass es schmerzhaft-schön ist:

„Natürlich hätte sich meine Mutter jederzeit um mich gekümmert, aber angesichts ihres Pensums als Alleinerziehende hatte ich mir vorgenommen, so selbstständig wie eben möglich zu werden und nur noch positiv aufzufallen. Ich wollte der Strahlemann sein - und wenn mir das nicht gelang, dann wollte ich mich zurückziehen und die Probleme mit mir selbst ausmachen.Vielleicht würde ich für meine Eigenständigkeit Lob und Liebe ernten, überlegte ich. Und so schwieg ich über das, was in der Schule passierte.“ (S. 121)

Ich bin ebenfalls ein Kind der 90er-Jahre und habe mich an vielen Stellen wiederfinden können (‚Adelheid und ihre Mörder‘ gemeinsam mit den Eltern gucken (S. 87), die negative Bewertung von Super-RTL und seinen Serien für Kinder aus Sicht der Mutter(S. 146), die Einstellung zum goldenen M

Bewertung vom 17.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


sehr gut

La dolce Vita im sommerlichen Rom der 70er-Jahre
Das Buch ‚Der letzte Sommer in der Stadt‘ erschien im Original bereits 1973 unter dem Titel ‚L’ultima estate in città‘ und hat eine einzigartige Editionsgeschichte. Der Roman avancierte zur damaligen Zeit schnell zum Kultbuch und aufgrund der nur 17.000 Exemplare war es jahrelang ein Geheimtipp auf Flohmärkten und Antiquariaten. Aktuell wird das Buch in mehr als 20 Sprachen neu übersetzt und aufgelegt. Ich habe mich sehr gefreut, diesen wiederentdeckten Roman zu lesen.

Worum geht es in ‚Der letzte Sommer in der Stadt‘?
Der Protagonist Leo Gazzarra zieht von Mailand nach Rom, um dort sein neues Leben zu (er-)finden. Leo lebt im Hier und Jetzt und es kommt einem fast so vor als flaniere er ebenso durch sein Leben, wie er durch die ewige Stadt und seine Bars, Café und Schauplätze flaniert.

„Mehr noch als eine Stadt ist Rom ein geheimer Teil von euch, ein verstecktes Raubtier. Mit ihm gibt es keine halben Sachen, entweder die große Liebe, oder ihr müsst da weg, denn das fordert das sanfte Raubtier: Liebe.“ (S. 16)

Leo macht sich wenig aus Geld und geregelten Tagesabläufen, sondern lässt sich vielmehr seiner Liebe zur Literatur (er reist mit drei Koffern, wobei zwei davon nur Bücher enthalten), zum Alkohol, zur Gesellschaft und zu Frauen durch Rom treiben. Als Journalist versucht er sein Geld zu verdienen und lernt durch Freunde Arianna kennen und lieben. Sie wird die Liebe seines Lebens.

„»Auf alles, was wir nicht gemacht haben, auf alles, was wir hätten tun sollen, auf alles, was wir nicht tun werden«, sagte ich und hob eine Tasse kochend heißen Milchkaffee in die
Höhe. Arianna lachte, sagte, dass sie diesen Trinkspruch ein bisschen zu programmatisch finde, er im Grunde aber ganz okay sei.“ (S. 51)

‚Der letzte Sommer in der Stadt’ erzählt Leos junges Leben, seine (Irr-) Wege, von seinen Loyalitäten, seiner Liebe und dem wunderschönen Rom in den 1970er Jahren.

Meine Meinung:
Der Autor schreibt sehr elegant, melancholisch - aber zugleich mit einer Leichtigkeit - ,sehr bildhaft und atmosphärisch das Dolce Vita und die Liebesgeschichte zwischen Leo und Arianna im wunderschönen Rom der 1970er Jahre.

Ein sehr gelungener Roman mit einem großartigen Ende und vielen wunderschönen Sätzen. Die Atmosphäre wird sehr gut transportiert und es ist ein Fest, dieses Buch (wieder-) zu entdecken.

Bewertung vom 17.01.2022
Zum Paradies
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


schlecht

Hand aufs Herz: ich habe den Roman nicht verstanden (abgebrochen)
Die US-Amerikanische Autorin und Journalistin Hanya Yanagihara polarisierte mit ihrem zweiten Roman und globalen Bestseller „Ein wenig Leben“ die Literarturszene weltweit. Jetzt ist Ihr dritter Roman ‚Zum Paradies‘ erschienen (893 Seiten) und wird sehr unterschiedlich aufgenommen.

Worum geht es in dem Roman?
‚Zum Paradies‘ enthält in drei Erzählsträngen das Leben und Lieben von drei Davids in drei unterschiedlichen Zeitepochen in New York (USA): 1893, 1993 und 2093. Einmal spielt die Handlung im 19. Jahrhundert, in dem freie Liebe in NY ganz selbstverständlich gelebt wird, dann in den 1980er Jahren, als die Stadt unter HIV/ AIDS leidet und sich dies auch auf die Liebe auswirkt, und zu guter Letzt in einer dystopischen Zukunft, die von Pandemien, Seuchen und weiterer Herausforderungen geprägt ist. Das wiederholende Element dieser Stränge ist, dass alle Protagonisten männlich und schwul sind, im selben Haus am Washington Square wohnen, der gleichen Familie entstammen und nach einem irdischen Paradies suchen.

Meine Meinung:
Ich habe mich sehr gefreut, dieses Buch als Rezensionsexemplar zu lesen. Leider konnte mich der neue Roman der Autorin nicht so sehr begeistern, berühren, emotional mitnehmen, wie Ihr vorheriger Roman ‚A little life‘. Die Idee mehrerer Erzählsprünge und Zeiten zu verbinden, ist nicht neu und umso mehr war ich überrascht, dass dies aus meiner Sicht in diesem Buch überhaupt nicht gelungen ist. „Das sind ganz schön viele Davids“ (S. 650) - ja! Das fand ich auch! Ich habe nach vielen Verbindungen gesucht, um aus dem Buch ein gesamtes Werk zu erkennen, aber habe auch aufgrund der Länge das Buch im Teil III abgebrochen. Hand aufs Herz: Ich habe das Buch nicht verstanden, was mir die einzelnen Geschichten sagen wollen, was die Gesamt-Message dieses knapp 900-Seiten schweren Romans sein soll. Für mich hat der Roman nicht passend, aber wie bereits eingangs geschrieben: Die Meinungen gehen hier sehr auseinander und ich wünsche jedem viel Freude beim Lesen!

Bewertung vom 07.01.2022
Eine Geschichte des Lebens - auf zehneinhalb Arten erzählt
Taylor, Marianne

Eine Geschichte des Lebens - auf zehneinhalb Arten erzählt


sehr gut

Evolution und Biologie verständlich und anschaulich erklärt
Inhalt
Das Buch ‚Eine Geschichte des Lebens auf 10 1/2 Arten erzählt‘ von der Autorin Marianne Taylor ist im Oktober 2020 im englischen Original und im November 2021 mit der deutschen Übersetzung durch Volkhardt Müller erschienen. Auf knapp 250 Seiten wird die Evolutionsgeschichte (in Auszügen) und viele biologische Fakten dargestellt und erläutert.

Das Buch ist sehr strukturiert und orientiert sich an 10,5 Arten (die letzte ‚halbe Art‘ ist künstliches Leben). Anhand der ausgewählten Arten (wie z. B. Virus, Farn, Giraffe) werden zum Einen auf die jeweilige Art eingegangen, dazu passend werden weitere biologische und evolotionsgeschichtliche Aspekte aufgegriffen und ebenfalls sehr gut erklärt (bspw. Sampling und Lumping, den Aufbau von DNA und RNA, Phylogenese). Insgesamt kann das Buch (allein schon aufgrund seines Umfanges) nicht tiergehend alle Themen aufgreifen, sondern regt zur weiteren Recherche und Information an. Dafür hätte ich mir allerdings weiterführende Literatur zu den jeweiligen Kapiteln gewünscht und insgesamt noch mehr Quellenbelege.

Gestaltung
Das Buch hat eine sehr gute Qualität mit vielen Visualisierungen, die hochwertig gedruckt sind. Zum Teil ist der Kontrast mit dunklem Hintergrund und schwarzer Schrift nicht optimal zum Lesen - aber insgesamt überzeugt die Gestaltung durch viele Farben, Fotos und Illustrationen sehr!

Meinung & Fazit
Dieses Sachbuch ist eine spannende, leicht verständliche und sehr gut illustrierte Erläuterung von wissenschaftlichen biologischen und evolotionsgeschichtlichen Informationen. Für mich war es eine angenehme Auffrischung meines Biologie-Unterrichts, den ich sehr genossen habe! Es eignet sich hervorragend, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und sich anschließend tiefgehender zu informieren.

Bewertung vom 07.01.2022
Stadt, Land, Klima
Wagner, Gernot

Stadt, Land, Klima


gut

Ein Plädoyer für das Leben in der Stadt (u. a. mit einigen Klimaschutz-Gründen)
Inhalt:
Klimaökonom Gernot Wagner stellt in seinem Buch ‚Stadt, Land, Klima: Warum wir nur mit einem urbaneren Leben die Erde retten‘ sehr anschaulich und mit vielen verschiedenen Argumenten die Vorzüge eines Lebens in der Stadt gegenüber eines auf dem Land dar.

Das Buch ist nach den Leitfragen WARUM; WO; WAS; WIE in vier Teile gegliedert. In diesen Teilen schreibt er u. a. einen ‚Liebesbrief an die Stadt‘ (S. 5) und erklärt, warum in der Stadt das wahre Klimapotential zu finden sei (Teil II).

Ich habe als Kernbotschaft vor allem mitgenommen, dass das Leben in der Stadt effizienter ist (weil alles schneller erreichbar ist, meist in einem 15min-Radius; besseres Verkehrsnetz; weniger Pendeln (und damit Verkehr und CO2-Emissionen), etc.) und Menschen weniger (Wohn-) Raum einnehmen als auf dem Land und damit dem Klima weniger schaden. Stadt wird nach Gernot mit Resilienz und Effizienz gleichgesetzt und als besser für das Klima eingestuft.

Meine Meinung
Das Buch ist vom Cover über das hochwertige Papier und den zweifarbigen Druck (schwarz-orange Schrift) wirklich sehr schön und ansprechend gestaltet. Auch der Aufbau des Buches gefällt mir grundsätzlich sehr gut.

Leider hat der Inhalt des Buches mit der Gestaltung für mich nicht mithalten können. Der Autor schreibt kurzweilig und persönliche Erfahrungsberichte in diesem Buch vor allem über das sehr gelobte Stadtleben (Stadt = Effizienz und Lebenseinstellung). Für mich fehlt vor allem ein kritischer Diskurs und auch die Vorteile des Landlebens. Im Übrigen gibt es für mich auch keine Entweder-Oder-Entscheidung zwischen Land und Stadt (diese Entscheidung ist meiner Ansicht nach von vielen individuellen und subjektiven Faktoren abhängig), die mit diesem Buch aber suggeriert wird. Der Untertitel „Warum wir nur mit einem urbanen Leben die Erde retten“ bleibt auch nach der Lektüre für mich mehr eine These als eine Fragestellung, der im (wissenschaftlichen) Diskurs nachgegangen werden würde. Zudem wiederholen sich im Buch Passagen und Argumente (z. B. die Effizienz der Stadt oder die Waschmaschinen-Situation des Autors) immer wieder und es gibt daher einige Redundanzen. Zudem nehme ich die subjektive Perspektive des Autors (er l(i)lebt Stadt) sehr stark wahr und diese zeigt sich meiner Meinung nach darin, dass die Nachteile der Stadt und die Vorteile des Landes wenig bis gar nicht erwähnt (= fehlender faktenbasierter, umfassender Diskurs).
Fazit
Mein Fazit fällt leider enttäuschend aus: Die Aufmachung des Buches verspricht deutlich mehr, als der Inhalt liefert (u. a. fehlender faktenbasierter Diskurs) und bei diesem so wichtigen Thema liefern sollte.

Bewertung vom 31.12.2021
Mauergeschichte(n)
Carstens, Christiane

Mauergeschichte(n)


weniger gut

Interviews zu Erlebnissen aus der ehemaligen DDR, Berlin und der Mauer (Zeitzeug:innen-Berichte)

Das Buch ‚Mauergeschichte(n)‘ von Christiane Carstens enthält 8 Interviews mit Zeitzeug:innen zu deren Erlebnissen, Lebensgeschichte und Wahrnehmung des Mauerbaus bzw. -falls, der ehemaligen DDR sowie der WDR. Für das letzte dieser 8 Interviews hat die Autorin ihre Fragen selbst beantwortet (Anmerkung vom Verlag auf Nachfrage in der Leserunde), es gab hier keine:n weitere: n Interviewer:in. Die Interviews selbst sind vereinfacht transkribiert und vollständige Sätze gebildet. Ich hätte mir hier insgesamt eine ‚rundere‘ Aufbereitung gewünscht.

Insgesamt habe ich mir von diesem Buch mehr erhofft: Mehr Informationen rund um die Mauer und ihre Geschichte, wie bspw. Durch zusätzliche historisch (belegte) Informationen, die die Zeitzeug:innen-Berichte ergänzen. Zudem fehlt mir eine Erläuterung, warum genau diese Personen interviewt worden sind. Auch, dass die Autorin sich am Ende quasi selbst interviewt, ist für mich überhaupt nicht passend. Hier hätte ich mir eine anderen Methodik sowie Einbettung in Informationen / Anmerkungen der Redaktion o.ä. gewünscht.

Die Interviews sind interessant, die Lebensgeschichten spannend, aber für mich ist dies kein abgerundetes Buch zu dieser Thematik, sondern wirkt sehr ‚roh‘.

Ich weiß selbst, wie aufwändig Interviewführung und -Bearbeitung ist, da ich dies aufgrund meines Berufs wissenschaftlich regelmäßig mache und gebe daher für diese Sammlung an Interviews 2/5 Sterne.