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Klara

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Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2015
Drei auf Reisen (Restexemplar)
Nicholls, David

Drei auf Reisen (Restexemplar)


gut

Jahrelang haben die Fans von David Nicholls nach seinem Bestseller "Zwei an einem Tag" (2009) auf einen neuen Roman des Autors gewartet. Jetzt liegt "Drei auf Reisen" ("Us") vor. Eines Nachts weckt Connie ihren Ehemann Douglas und teilt ihm mit, dass sie ihn verlassen wird, sobald ihr 17jähriger Sohn Albie das Elternhaus gegen das College eingetauscht hat. Vorher werden sie aber noch alle drei die geplante Grand Tour machen, die Reise zu den Kunstschätzen Europas. Mit dieser Entwicklung hat Douglas nun überhaupt nicht gerechnet. Er hat ihre über 20jährige Ehe immer für glücklich gehalten und hatte sich darauf gefreut, mit seiner Frau alt werden und gemeinsam sterben (!) zu können.
Während der Reise kommt es zu allerlei Zwischenfällen. Sie reisen zunächst zu dritt, dann setzt Albie sich ab, und schließlich fährt Connie allein nach England zurück, während Douglas nach seinem Sohn sucht. Der Autor beschreibt nicht nur die Sehenswürdigkeiten und Gemälde in Paris, Amsterdam, Venedig usw., sondern zeichnet auch sehr ausführlich die Beziehungsgeschichte des Paares nach. Dabei zeigt sich, dass sie schlecht zusammenpassen. Auch die bis in die Kindheit des Sohnes zurückreichende Entfremdung zwischen Douglas und Albie wird nachvollziehbar. Douglas hatte immer viel zu wenig Zeit für seine Familie. Wenn er dann spät abends übermüdet und schlecht gelaunt nach Hause kam, hat er seinen Sohn nur kritisiert und ihm zu verstehen gegeben, dass nichts, was er machte, gut genug war. Der Jugendliche, der seine Mutter immer vergöttert hat, zahlt es ihm heim mit Spott, Verachtung und Respektlosigkeit.
Nicholls´ neuer Roman folgt dem Muster der Road Novel, die bei allen Beteiligten zu einem Erkenntniszuwachs führt, behandelt aber auch eine Reihe anderer Themen: den Gegensatz von Verstand und Gefühl, von Wissenschaft und Kunst, von Jugend und mittleren Jahren, vor allem aber schreibt er über Ehe und Elternschaft und die Schäden, die das jahrzehntelange tägliche Zusammenleben bei den großen Gefühlen anrichtet. Bei allem Detailreichtum der Reisebeschreibungen und der unendlichen Liebesgeschichte zeigt sich der Autor - nach mehreren Romanen in diesem Genre inzwischen Spezialist für Liebesgeschichten - erstaunlich zurückhaltend und geradezu prüde bei den Sexszenen ( z.B. “Ich will nicht viele Worte darüber verlieren,…”, S. 526). Der Roman liest sich zwar insgesamt nicht schlecht, hat aber deutliche Längen und ist nur mit Einschränkung zu empfehlen.

Bewertung vom 02.01.2015
Der Sohn
Nesbø, Jo

Der Sohn


ausgezeichnet

"Der Sohn" von Ab Lofthus, Sonny, steht im Mittelpunkt des neuen Kriminalromans des norwegischen Bestsellerautors Jo Nesbø. Seit nunmehr zwölf Jahren sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Staten ein. Seine Karriere als Krimineller begann, kurz nachdem sich sein Vater das Leben genommen hatte. Mit seinem Tod verliert der freundliche Musterschüler und talentierte Ringer Sonny seinen Halt und wird drogenabhängig. Um seinen Drogenkonsum finanzieren zu können, bekennt er sich als Jugendlicher zu kleineren Einbrüchen. Nach seiner Volljährigkeit willigt er ein, die Schuld für zwei Morde auf sich zu nehmen. "Als Gegenleistung verlangte er, während seiner ganzen Strafe mit Drogen versorgt zu werden." (S. 263) In Staten ist Sonny ein Mustergefangener und ausgesprochenen beliebt, auch bei den Wachleuten. Er hört seinen Mitgefangenen zu und nimmt ihnen die Beichte ab. Rover, der bald entlassen wird, erzählt ihm von einem brutalen Mord an einer weißrussischen Prostituierten und erhält dafür die berühmte Segnung: "Alle irdischen und himmlischen Götter erbarmen sich deiner und vergeben dir deine Sünden. Du wirst sterben, aber die Seelen der Sünder, denen vergeben wurde, werden ins Paradies eingehen. Amen." (S. 14) Ausgerechnet ein Pastor überbringt ihm dann die Informationen zu einem weiteren Mord, den er angeblich während eines Freigangs begangen hat und zu dem er sich bekennen soll und natürlich die obligatorischen Drogen. Der Mitgefangene Johannes Halden erzählt Sonny eines Tages die Wahrheit über seinen Vater. In diesem Augenblick wird er zum Racheengel. Er bricht aus Staten aus und ist auf seinem Rachefeldzug nicht mehr aufzuhalten. Ausgerechnet der kurz vor der Pensionierung stehende Simon Kefas, der früher mit Ab Lofthus eng befreundet war, kommt Sonny langsam auf die Spur. Aber Sonny hat noch einen anderen mächtigen Gegenspieler, den Zwilling, den überlebensgroßen Herrn der Unterwelt.

Nesbøs neuer Roman fällt in so mancher Hinsicht aus dem Rahmen. Es ist ein überaus spannender Thriller mit sehr sorgfältig gezeichneten Charakteren, vor allem der sympathischen Figur des Sonny. Er arbeitet mit raffinierten perspektivischen Tricks, nutzt die Sicht der anderen auf Sonny und seine Handlungen. "Der Sohn" ist jedoch zugleich ein Roman mit ausgeprägten biblischen Zügen. Christus tritt gegen Satan an in Gestalt von Sonny und dem Zwilling, wenn es zum großen Showdown kommt. Dass Nesbø in Sonny eine Art Jesus-Figur sieht, wird auch in den durch seinen Drogenkonsum verursachten "Wundmalen" deutlich und durch die Tatsache unterstrichen, dass er die Sünden und Verbrechen der anderen auf sich nimmt. Nicht zufällig sind Glaube, Liebe, Hoffnung und Erlösung zentrale Themen in diesem packenden Thriller, in dem der Autor zeigt, in welchem Maße er sich von den Klischees des Genres befreit. Er kann eben nicht nur die erfolgreiche Harry-Hole-Serie schreiben, sondern auch bemerkenswerte Standalones wie "Headhunter" und "Der Sohn." Für mich ist Jo Nesbø der beste Krimiautor, den es derzeit gibt. Von daher gibt es eine uneingeschränkte Empfehlung.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2015
Wilder Fluss
Tardif, Cheryl Kaye

Wilder Fluss


weniger gut

In Cheryl Kaye Tardifs Roman “Wilder Fluss” bekommt die Anthropologin Delila Hawthorne genannt Del eines Tages im Hörsaal Besuch von einem alten Mann, der den Lieblingssatz ihres Vaters (“Sie hört immer auf ihr Herz”, S. 12) als Code benutzt, um sich zu identifizieren. Es handelt sich um Professor Arnold Schroeder, der ebenso wie Dels Vater und zwei weitere Männer sieben Jahre zuvor bei einer Expedition zum South Nahanni River im Nordwesten Kanadas verschwunden war. Alle wurden wenige Monate später für tot erklärt. Der vorzeitig gealterte und dem Tode nahe Arnold Schroeder teilt ihr mit, dass auch ihr Vater noch lebt und dass sie ihn suchen und retten soll. Er gibt ihr rätselhafte Hinweise, wie sie das anstellen soll und nennt mehrfach den Namen des Wissenschaftlers Jake Kerrrigan, den Del inzwischen kennengelernt hat. Kerrigan arbeitet ebenfalls für die dubiose Firma Bio-Tec Kanada. Vom Computer ihres Vaters sind seit Jahren Dateien verschwunden, hinter denen noch immer eine Gruppe von Leuten her ist.
Del bereitet sofort die Expedition vor und bricht mit einer Gruppe von insgesamt acht Personen zum geheimnisumwitterten Nahanni River auf. Das Unternehmen ist schwierig und gefährlich und konfrontiert die Teilnehmer mit erschreckenden Erkenntnissen.
Tardifs Roman beginnt als Abenteuergeschichte mit Krimielementen, unterlegt mit einer etwas kitschigen Liebesgeschichte und ist in der zweiten Hälfte reine Science Fiction. Da gibt es ein alterungshemmendes Portal. Beim Durchschreiten dieses Portals durchläuft jeder eine Metamorphose auf zellularer und molekularer Ebene und landet 26 Jahre später in der Zukunft. Zugleich mit einem Verjüngungsserum werden den Menschen Nanobots injiziert, in denen ein Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst werden kann, der zu beschleunigter Alterung und zum baldigen Tod führt. Zeitreisen vor und zurück sind möglich. Forscher arbeiten an der Entwicklung eines Serums, um ewiges Leben zu ermöglichen. Wer ein solches Serum besitzt, beherrscht die Welt. Solche Dinge passieren nicht jetzt schon und auch nicht in der Zukunft irgendwo auf der Welt. Das ist pure Fantasie und insgesamt wenig glaubwürdig.
Mir hat diese Mischung von Themen, pseudowissenschaftlichen Theorien und literarischen Genres nicht gefallen. Ich kann den Roman nicht empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2015
Die Frau, die nie fror
Elo, Elisabeth

Die Frau, die nie fror


sehr gut

"Die Frau, die nie fror" (im Original "North of Boston") ist ein interessantes Debüt der amerikanischen Autorin Elisabeth Elo. Im Mittelpunkt des Romans steht Pirio Kasparov, die als Ich-Erzählerin auftritt. Ihre Eltern sind russische Einwanderer. Ihre Mutter Isa starb, da war Pirio gerade 10 Jahre alt. Als Teenager verbringt sie die meiste Zeit mit ihrer Freundin Thomasina. Beide lernen sich auf der Gaston School in Boothbay, Maine, kennen. Thomasina ist ein Scheidungskind reicher Eltern und hochintelligent. Nach dem Schulabschluss kehren beide gemeinsam nach Boston zurück. Pirio steigt in das Unternehmen ihrer Eltern, Inessa Mark, Inc., eine Parfümfirma, ein. Thomasina wird zur Alkoholikerin. Sie lernt Ned Rizzo, Sohn irisch-italienischstämmiger Arbeiter aus South Boston, kennen. Aus dieser kurzen Beziehung stammt Noah. Pirio ist Noahs Patentante. Sie liebt das Kind abgöttisch und gibt ihm Halt, wenn seine Mutter wegen ihrer Alkoholexzesse nicht dazu in der Lage ist. Eines Tages ist Pirio mit ihrem Freund Ned auf seinem Hummerkutter 25 Meilen nördlich vor der Küste Bostons unterwegs, als sie von einem riesigen Frachter steuerbord gerammt werden, der ohne Hilfe zu leisten im Nebel verschwindet. Ned setzt noch einen Notruf ab, während Pirio in das eiskalte Wasser springt. Vier Stunden treibt sie bei Wassertemperaturen von sechs Grad im Nordatlantik, dann wird sie endlich gerettet. Ihr Überleben verdankt sie einer Unempfindlichkeit gegen Unterkühlung. Die Suche nach Ned wird dagegen nach zwanzig Stunden erfolglos abgebrochen. Für diese besondere Eigenschaft Pirios interessiert sich das Militär, und sie stellt sich für Experimente zur Verfügung. Da sich die Suche nach den Schuldigen des Schiffsunglücks in die Länge zieht, nimmt Pirio die Ermittlungen selbst in die Hand und stellt nach kurzer Zeit fest, dass ein Unfall unwahrscheinlich ist. Wer trachtete Ned nach dem Leben? Steckt am Ende Neds früherer Arbeitgeber, die Firma Ocean Catch, bei der er zwanzig Jahre gearbeitet hat, dahinter? Pirio gerät in große Gefahr. Sie kann niemandem vertrauen, weder ihrem ehemaligen Geliebten John Oster noch dem angeblichen Schadensermittler Larry Wozniak, den sie bei der Beerdigung von Ned kennengelernt hat und der sich später als der Enthüllungsjournalist Russell Parnell entpuppt. Pirio verfolgt Neds Gegner bis in die weiten Gewässer der Baffin Bay in Alaska. Sie löst zwei Mordfälle, findet ein verloren geglaubtes Parfüm wieder und deckt einen riesigen Skandal auf.

Elisabeth Elo hat mit Pirio und Thomasina sehr sympathische Figuren geschaffen. Es geht in ihrem Roman "Die Frau, die nie fror" allerdings um mehr als nur die Suche nach den Schuldigen für Neds Tod. Sie schreibt über die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen, über das Verhältnis zwischen Pirio und ihrem Vater Milosa oder zu ihrer Stiefmutter Maureen. Ihr Vater schickte sie früh auf eine teure Schule, und er hat sie nie so geliebt, wie es ein Vater tun sollte. Er ist es aber auch, der ihr dringend rät, weiter nach Neds Mörder zu suchen. "Wenn der Partner eines Mannes ermordet wird, muss dieser Mann etwas tun." (S. 74) Ein außergewöhnlicher Familienroman und Ökothriller mit einer starken Heldin, die sich durch Mut, Loyalität, Scharfsinn und Hartnäckigkeit auszeichnet. Ich freue mich auf das nächste Werk der Autorin, das im Nordosten Sibiriens und in Boston spielen wird. Für dieses starke Debüt gebe ich eine absolute Leseempfehlung

Bewertung vom 13.10.2014
Die Unvollendete
Atkinson, Kate

Die Unvollendete


sehr gut

In Kate Atkinsons neuem Roman “Die Unvollendete” (im Original: "Life After Life”) geht es um die Familie Todd, Sylvie und Hugh und ihre fünf Kinder, dabei vor allem um Ursula, ihr drittes Kind. Die Tochter stirbt zunächst bei ihrer Geburt am 11. Februar 1910, weil sich die Nabelschnur um ihren Hals gewickelt hat und Arzt und Hebamme nicht rechtzeitig eintreffen. Dann fängt alles noch einmal von vorn an. Das Baby lebt. Damit ist das Handlungsmuster festgelegt. Ursula stirbt am Ende jeder Episode ihres Lebens und wird wiedergeboren. Danach bekommt ihr Leben eine neue Richtung. Sie lebt an anderen Orten, trifft andere Menschen und hat verschiedene Berufe. Ihre Umgebung merkt schnell, dass Ursula anders ist als andere Menschen. Sie hat Déjà-vu-Erlebnisse und erwähnt Dinge, die sie eigentlich nicht wissen kann. Ursula erinnert sich nicht an ihre anderen Leben, aber sie verspürt Angst und Beklemmung an Wendepunkten ihres Lebens und handelt für sich und andere. Dabei ist die Szene des Prologs, in der die 20-Jährige in einem Café in München ein Attentat auf Hitler verübt, um den Lauf der Geschichte zu ändern, sicherlich die bemerkenswerteste. Auch in dieser Episode kommt Ursula ums Leben und kehrt zurück.
Die Erklärung des Klappentextes, es ginge um die Gabe, sein Leben wieder und wieder zu leben, bis man alles richtig macht, aus Fehlern zu lernen und dadurch vielleicht ein glücklicher Mensch zu werden, wird durch mehrere Textstellen widerlegt. Ursula selbst ist überzeugt, dass die Menschen nur ein Leben haben (S. 497). Sie weiß nichts Konkretes über ihre alternativen Lebenswege und trifft keine bewussten Entscheidungen auf Grund klarer Erinnerungen: “Sie kannte die Stimme. Sie kannte die Stimme nicht. Die Vergangenheit schien in die Gegenwart zu sickern (kursiv), als ob irgendwo eine undichte Stelle wäre. Oder war es die Zukunft, die in die Vergangenheit tropfte? (…) Hier auch, dachte sie. Hier war sie auch schon einmal gewesen. Sie war noch nie hier gewesen.” (S. 562). Ihrem Psychiater sagt sie: “…Erinnerungen befinden sich manchmal in der Zukunft.” (S. 563).
Die zahlreichen Variationen über Ursulas Leben und das Vor und Zurück in der Zeit, der genau recherchierte zeitgeschichtliche Hintergrund mit zwei Weltkriegen und ihren Folgen für die Menschen sowie zahlreiche literarische Anspielungen machen den Roman zu einer lohnenden Herausforderung für den Leser. Ich empfehle den Roman Lesern, die bereit sind, sich diesem innovativen literarischen Experiment zu stellen.

Bewertung vom 04.10.2014
Aufstieg und Fall großer Mächte
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


ausgezeichnet

Der Titel von Tom Rachmans neuem Roman “Aufstieg und Fall großer Mächte” lässt den Leser eine Geschichte über Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung erwarten. Die rasanten Veränderungen in der modernen Welt sind zwar ein wichtiges Thema, aber im wesentlichen geht es um Tooly Zylberberg, eine sympathische Frau in den Dreißigern, die ein Antiquariat in einem kleinen Ort in Wales besitzt. Sie beschäftigt den skurrilen Angestellten Fogg, 28, der gern große Reden schwingt, ohne vorher zu wissen, was er eigentlich sagen will. Der Laden läuft schlecht, und Tooly macht Verluste.
Eines Tages erhält sie eine E-Mail von ihrem ehemaligen Freund Duncan, der sie bittet, sich in Brooklyn um ihren alten, sehr kranken Vater zu kümmern. Tooly folgt dem Hilferuf und findet den alten Humphrey in einem desolaten Zustand vor. Sie nutzt den Aufenthalt in New York, um sich auf eine ausgedehnte Spurensuche zu begeben. Es gibt zu viele Geheimnisse in ihrer Vergangenheit. Sie hatte nie ein Zuhause, nie eine richtige Familie und zog mit wechselnden Erwachsenen von einem Ende der Welt zum anderen. Wer waren diese Menschen wirklich, und wie standen sie zu ihr?
Die wichtigsten Menschen in ihrem Leben sind der alte Humphrey, der ihr eine Art Bildung und die Liebe zu Büchern vermittelte, dann Sarah, der ewige Hippie, die sie abwechselnd mit Liebe überschüttet, um sie ohne Ankündigung wieder zu verlassen, der schüchterne Paul, der sie als Kind entführte und mit ihr um die halbe Welt zieht und vor allem Venn, den Tooly vergötterte, ein gefährlicher Mann mit großem Charme. Er verdiente Geld mit Drogen, später mit allerhand Betrügereien und ist absolut skrupellos. Was Tooly über die Menschen, die ihr einmal nahestanden, herausfindet, ist nicht unbedingt das, was sie gesucht hat. Es wird ausgerechnet der anfangs etwas trottelige Spinner Fogg sein, der ihr helfen wird, mit ihrem Leben weiterzumachen und ihre Buchhandlung zu einem halbwegs profitablen Geschäft auszubauen.
“Aufstieg und Fall…” setzt im Jahr 2011 ein und erzählt auf drei Zeitebenen Tooleys Geschichte. Außer der Erzählgegenwart spielen die jeweils etwa 12 Jahre auseinander liegenden Zeitabschnitte 1988 und 1999/2000 eine Rolle, als Tooly 10 bzw. 20-21 Jahre alt ist. Rachmans Buch ist nicht nur eine außergewöhnliche Familiengeschichte, sondern auch ein Roman über eine sich schnell wandelnde Welt. Der Ton ist zunächst heiter, teils sehr witzig, dann zunehmend melancholisch, wenn Tooly die grausame Wahrheit entdeckt. “Aufstieg und Fall…” ist aber auch ein Buch für Bibliophile. Bücher im Buch spielen in Form von ständigen Anspielungen und Zitaten eine wichtige Rolle. Bücher sind schließlich in Toolys unstetem Leben die beständigsten Freunde und bieten ihr am Ende auch beruflich eine Perspektive. Unter den Charakteren wachsen dem Leser vor allem die warmherzige, aufrichtige Tooly und der alte Humphrey ans Herz, der sie uneigennützig in entscheidenden Jahren ihres Lebens beschützt. Rachmans neues Buch hinterlässt einen starken Eindruck und ist unbedingt zu empfehlen.

Bewertung vom 02.10.2014
Die Achse meiner Welt
Atkins, Dani

Die Achse meiner Welt


gut

"Mein erstes Leben endete an einem eisigen Dezemberabend um 22:37 Uhr auf einer einsamen Straße neben der alten Kirche. Mein zweites Leben begann etwa zehn Stunden später, als ich im grellen Licht des Krankenzimmers erwachte - mit einer großen Kopfwunde und einer Vergangenheit, an die ich keinerlei Erinnerung besaß." (S. 7) Mit dieser Einleitung beginnt der Debütroman von Dani Atkins "Die Achse meiner Welt". Rachel Wiltshire, die als Ich-Erzählerin auftritt, beginnt mit ihrer Erzählung im Jahr 2008. Ende des Monats September wird sie ihr Traumstudium beginnen. Vorher gibt es noch ein Abschiedsessen mit ihren Freunden Matt, Jimmy, Trevor, Phil, ihrer besten Freundin Sarah und Cathy . Als ein junger Mann die Kontrolle über ein gestohlenes Fahrzeug verliert und ungebremst in das Lokal fährt, stirbt Jimmy, Rachels Jugendfreund aus Kindertagen, der sich für sie geopfert hat. Von diesem Tag an ist nichts mehr so, wie es früher war. Rachel leidet sehr unter den Folgen dieses schlimmen Unfalles. Fünf Jahre später, im Jahr 2013, folgt sie einer Hochzeitseinladung ihrer besten Freundin Sarah und kehrt nach Great Bishopsford zurück. Sie trifft ihre alten Freunde wieder, zu denen sie den Kontakt abgebrochen hatte und stellt fest, dass das Band, das sie einmal so fest zusammengehalten hat, zerstört ist. Abends geht sie noch auf den Friedhof an Jimmys Grab, das sie das erste Mal besucht und sinkt ohnmächtig zu Boden. In einer anderen Version ihres Lebens wird sie von einem Unbekannten überfallen und ausgeraubt. Als sie im Krankenhaus aufwacht, fehlen ihr die restlichen Erinnerungen an den Abend, und mit einem Mal ist das Leben so, wie sie es sich immer erträumt hat. Sie arbeitet als Journalistin, ihrem Vater geht es gesundheitlich gut, sie und Matt sind verlobt, und Jimmy lebt. Mit seiner Hilfe versucht sie, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.
"Die Achse meiner Welt" ist ungewöhnlich konstruiert und entführt den Leser in zwei verschiedene Welten. Man fragt sich bis zum Schluss, was im Rahmen der Romanhandlung wirklich passiert und was nur vorgestellt ist. Wie realistisch ist die Idee der zweiten Chance wirklich? Hat Rachel die Möglichkeit, alles anders und besser zu machen? Mich lässt der Roman etwas verwirrt und mit zwiespältigen Gefühlen zurück. Deshalb kann ich ihn auch nur mit Einschränkung empfehlen.

Bewertung vom 17.09.2014
Italien vegetarisch
Del Principe, Claudio

Italien vegetarisch


ausgezeichnet

Nach "Österreich vegetarisch" (2012) und "Deutschland vegetarisch" (2013) ist "Italien vegetarisch" das dritte Kochbuch der Serie aus dem Brandstätter Verlag. Claudio Del Principe, verantwortlich für die Texte, Rezepte und das Foodstyling sowie Katharina Seiser, Herausgeberin, haben ein wunderbares Kochbuch veröffentlicht. Hier kann der Hobbykoch in die Welt der italienischen Küche mit all ihrer Vielfalt eintauchen. Das Buch ist ein kleines Schwergewicht und enthält drei Lesebändchen, die bei 150 Gerichten unbedingt benötigt werden. Aufgeteilt ist das Kochbuch in die vier Jahreszeiten und Jederzeit, und ist der jeweiligen Saison aufgrund der Farbgestaltung leicht zuzuordnen. Die meisten Rezepte befinden sich auf einer Doppelseite und sind zum Großteil für vier Personen gedacht. Die Zutaten sind nicht außergewöhnlich und ohne große Mühe zu beschaffen, die einzelnen Rezeptschritte werden leicht und verständlich erklärt. Zusätzlich gibt es zu jedem Rezept noch verschiedene Hinweise, Tipps und Empfehlungen für passende Getränke.
Ich bin von den Rezepten, die ich bisher ausprobiert habe, rundherum begeistert, ob es nun der geröstete und gedämpfte Blumenkohl auf S. 126, die gefüllten Pfirsiche auf S. 101 oder der Klassiker der italienischen Küche, der Auberginenauflauf auf S. 85 ist. Der Leser gewinnt einen tiefen Einblick in die italienische Küche, und neben den bekannten Klassikern gibt es auch eine Vielzahl mir unbekannter Gerichte und ungewöhnlicher Kombinationen, die vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig sind wie zum Beispiel Selleriesalat mit Blutorangen oder Maronensuppe mit Kichererbsen. Das Register enthält alle deutschen Rezepte alphabetisch sortiert und ist zusätzlich nach Hauptzutaten geordnet. Das ist sehr hilfreich und erspart aufwendiges Blättern und Suchen. Interessant und ausgesprochen lesenswert ist das Glossar am Ende des Buches. Mein Fazit: Eines meiner besten Kochbücher für vegetarische italienische Küche. Ich empfehle es sehr gerne weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.09.2014
Dreimal im Leben
Pérez-Reverte, Arturo

Dreimal im Leben


ausgezeichnet

In seinem neuesten Roman „Dreimal im Leben“ (im Original: El tango de la Guardia Vieja“) entführt der spanische Erfolgsautor Arturo Pérez-Reverte den Leser in eine längst vergangene Epoche. Der Roman beginnt mit einer prologartigen Einführung. Der 43jährige Komponist Armando de Troeye, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt ist, reist mit seiner schönen Gattin Mecha (Mercedes) Inzunza de Troeye im November 1928 mit dem Überseedampfer Cap Polonio der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft nach Buenos Aires. Auf dem Luxusdampfer begegnen sich die beiden Hauptprotagonisten des Romans Max Costa (Máximo Covas Lauro) und Mecha Inzunza zum ersten Mal. Es ist der Tango, der sie zusammenführt. Max arbeitet als Eintänzer auf dem Schiff und hält Ausschau nach gelangweilten und vermögenden weiblichen Passagieren der ersten Klasse. Wie kein Zweiter beherrscht er neben den Gesellschaftstänzen Tango, Foxtrott und Boston. Von Beginn an ist er von der 23jährigen vermögenden und begehrenswerten Mecha fasziniert, und auch das Perlencollier, das sie trägt - es besteht aus zweihundert makellosen Perlen -, weckt sein Interesse, denn Max ist auch ein Dieb, ein Süßholzraspler, ein unverschämter Schwindler. Er verliebt sich in die unnahbare, schöne Frau. Armando de Troeye ist nach Buenos Aires gekommen, um einen unvergesslichen Tango zu komponieren. Er hat mit Ravel um ein Abendessen gewettet, denn wenn Ravel einen Bolero komponieren kann, dann kann er dasselbe für den Tango tun. Zu dritt unternehmen sie einen Streifzug durch die Kaschemmen in den verrufenen Gegenden der Stadt. Max kennt sich aus, er ist hier geboren und hier schätzt man noch den ursprünglichen Tango. Nach einer berauschenden Nacht tiefer sexueller Abgründe begegnen sich Max und Mecha ein zweites Mal im Herbst 1937 in Nizza, neun Jahre später. Die Zeiten haben sich geändert, Armando sitzt in Spanien im Gefängnis, und Max ist in zwielichtige Spionagetätigkeiten der Bürgerkriegsparteien geraten. Die Leidenschaft zwischen beiden entflammt von neuem, doch Max muss fliehen. Viele Jahre voller Lügen, Ungewissheiten und kleinen Katastrophen, falschen Pässen, Polizeirevieren, Gefängniszellen und Demütigungen (S. 522) gehen für Max ins Land, bis sich beide 1968 anlässlich eines Schachturniers zufällig in Sorrent zum dritten Mal begegnen. Max ist inzwischen 64 alt und arbeitet als Hausmeister und Chauffeur des vermögenden Schweizer Psychiaters Dr. Hugentobler. Mecha, die inzwischen Keller heißt, ist mit ihrem Sohn Jorge, dem chilenischen Schachgroßmeister und Anwärter auf den Weltmeistertitel, zum Turnier um den Luciano-Campanella-Preis nach Sorrent gekommen. Werden beide in Sorrent frei sein, ihre Liebe zu leben?
Der Nostalgieroman von Arturo Pérez-Reverte „Dreimal im Leben“ liest sich sehr gut. Der Autor, der mit seinem Buch „Der Club Dumas“ den Durchbruch schaffte, hat für den vorliegenden Roman sorgfältig recherchiert. Er hat sich natürlich über Tango und Schach sowie die politische Situation im Frankreich der 30er Jahre kundig gemacht. Tatsächlich hat er sich im Bemühen um Authentizität sogar zeigen lassen, wie man einen Safe öffnet. Pérez-Reverte erzählt eine leidenschaftliche Geschichte von Liebe, Verrat und Intrigen und gibt tiefe Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Tangos. Und es geht um „…Schach. Die Kunst der Täuschung, des Mordens und des Krieges.“ (S. 360). Zusammenfassend kann der Roman in drei große Abschnitte eingeteilt werden: Buenos Aires in den zwanziger Jahren, Nizza unter dem Eindruck des Faschismus und Sorrent zu Zeiten des Kalten Krieges, wobei die Geschehnisse in Nizza dem Leser interessante und spannende Überraschungen bieten und streckenweise den Roman in einen Agententhriller verwandeln, in dem es um den Diebstahl brisanter Briefe und Mord geht. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, vor allem wegen des Stils und der interessanten Erzählstruktur, dem ständigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Erzählgegenwart.