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Aus Liebe zum Lesen
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Rannungen

Bewertungen

Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2022
Schallplattensommer
Bronsky, Alina

Schallplattensommer


gut

Alina Bronsky konnte mich bislang mit ihren Romanen sehr begeistern, entsprechend heiß habe ich ihren neuesten Roman „Schallplattensommer“ erwartet.

Die 17-jährige Maserati schmeißt mit ihrer dementen Oma eine Dorfkneipe. Als Theo und Caspar in die alte Villa im Dorf einziehen bringen sie nicht nur Maseratis Leben ganz schön durcheinander.

Alina Bronskys Figuren stehen immer ein bisschen am Rande der Gesellschaft. Auch Maserati wird von den Geistern der Vergangenheit verfolgt, während ihr jetziges Leben ohnehin auf wackeligen Beinen steht. Diesmal schafft es die Autorin allerding nicht, dass mir die Protagonistin ans Herz wächst. Zu unnahbar, zu abweisend ist sie und ihre Handlungen sind oft wenig nachvollziehbar.

Auch die liebevolle Ironie, die ihre bisherigen Bücher ausmacht, fehlt mir hier leider. Die Geschichte bleibt zu sehr an der Oberfläche. Auch wenn die Hinweise auf die Vergangenheit geschickt gestreut werden und so ein guter Spannungsbogen aufgebaut wird, kann mich die Geschichte nicht ganz überzeugen. Auch das erwartete Sommerfeeling kam beim Lesen nicht wirklich auf.

Bewertung vom 08.04.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


gut

„Das schien mir ein Beweis zu sein, ohne dass ich gewusst hätte, wofür.“

Was passiert, wenn plötzlich jemand behauptet, die eigene Schwester zu sein? Was macht das mit dem eigenen Leben? Julia Schoch erzählt in ihrem Roman „Das Vorkommnis – Biografie einer Frau“ episodenhaft vom Leben einer Schriftstellerin, bei deren Lesung plötzlich ihre Halbschwester vor ihr steht.

Dieses „Vorkommnis“ bringt die Protagonistin und deren Familienkonstrukt zum Wackeln. In Rückblenden versucht sie, ihr bisheriges Leben, ihre Familie und zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen zu analysieren. Für mich fällt diese Analyse allerdings sehr sachlich aus. Ich hätte mir mehr Emotionen gewünscht. Überhaupt ist die Protagonistin aus meiner Sicht keine Sympathieträgerin, was mir das Einfühlen in die Person sehr schwer gemacht hat.

Sprachlich hingegen konnte mich Julia Schoch durchaus überzeugen. Das allein reicht mir allerdings leider nicht ganz und so kann ich den eher positiven Kritiken, die ich bislang gelesen habe, leider nicht zustimmen. Aus meiner Sicht hätte man mehr aus dem Stoff machen können.

Bewertung vom 03.04.2022
Der Farbenfrosch
Willmore, Alex

Der Farbenfrosch


gut

Der kleine Farbenfrosch von Alex Willmore ist ein Künstler. Als er in seinem Sumpf keine Inspiration mehr findet, macht er sich auf den Weg. Dabei „verschönert“ er die Höhle des Bären, das Haus einer Schnecke und die Form einer Schlange. Doch diese sind nicht ganz so begeistert von seiner Kunst. Doch dann kommt dem Frosch eine Idee…

Auch wenn der Farbenfrosch wichtige Botschaften enthält, konnte es mich nicht ganz überzeugen. Natürlich ist es wichtig zu lernen, dass Kunst im Auge des Betrachters liegt und man seine Meinung anderen nicht aufzwingen kann. Dahingehend funktioniert die Geschichte. Was mir fehlt, ist die Entschuldigung des Frosches bei den Tieren und das Rückgängigmachen seiner Verunstaltungen. Denn auch wenn er einen Weg aus seiner Misere gefunden hat, so müssen seine „Opfer“ bis zum Ende des Buchs mit ihrem unliebsamen Äußeren herumlaufen.

Die Gestaltung gefällt uns weitgehend. Allerdings sind mir große Teile des Buchs zu dunkel ausgefallen. Das ist sicher dem besseren Kontrast zur Kunst und den Figuren geschuldet, dennoch für ein Kinderbuch sehr düster. Die Figuren selbst gefallen uns dagegen gut, sie sind lustig gezeichnet und man kann anhand der Mimik gut deren Gefühle erkennen.

An sich ein gutes Buch mit wichtiger Botschaft, allerdings fehlt mir die „Wiedergutmachung“, was für mich die eigentliche Botschaft sein sollte.

Bewertung vom 02.04.2022
Landhäuser
Breuer, Melanie

Landhäuser


ausgezeichnet

Heute hab ich wieder mal einen tollen Architekturband für euch: „Landhäuser – zeitgemäß wohnen, nachhaltig bauen“ von Melanie Breuer mit Fotos von Bodo Mertoglu aus dem Prestel-Verlag.

Die Autorin widmet sich vorwiegend dem Bauen im Bestand und zeigt absolute Schmuckstücke, die die Bauherren aus teilweise Jahrhunderte alten Gemäuern geschaffen haben. Aber auch einige nachhaltige Neubauten, die sich wunderbar in die Umgebung einfügen, finden in diesem Buch Platz.

Zu jedem Objekt wird in einem zweiseitigen Begleittext das Bauvorhaben beschrieben, Besonderheiten zu Material und Design erläutert und die Intention der Bauherr*innen erklärt. Zahlreiche Abbildungen gewähren uns umfassende Einblicke in die Bauwerke und werden ebenfalls erläutert. Dazu gibt es mehrere Zwischenkapitel, die sich z. B. mit bestimmten Baumaterialien beschäftigen.

Die Zusammenstellung der präsentierten Landhäuser ist absolut stimmig und die Aufmachung des Architekturbandes sehr hochwertig, sodass ich euch dieses Buch wärmstens empfehlen kann.

Bewertung vom 29.03.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


ausgezeichnet

Die australische Autorin Claire Thomas hat mit ihrem Roman „Die Feuer“ etwas Neues gewagt. Sie begleitet 3 unterschiedliche Frauen einen Abend lang in der Oper, während sich draußen Waldbrände durch den Busch fressen.

Die betagte Literaturprofessorin sinniert über das Ende ihrer Karriere und ihre Familie. Ivy über ihr Mutterdasein und die Schauspielschülerin April wird vor Sorge um ihre Freundin Summer fast zerfressen. Inmitten der Gedanken der 3 Protagonistinnen verwebt die Autorin gekonnt das Theaterstück „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett, das sich um eine Frau dreht, die zur Hälfte in einen Berg eingegraben ist und deren Schicksal man sinnbildlich für das der 3 Hauptfiguren sehen kann.

Dieses Zusammenspiel der einzelnen Erzählstränge ist ein scharfer Balanceakt und er ist Claire Thomas exzellent geglückt. Auch die Figuren hat sie sehr authentisch gezeichnet und so fällt es dem Leser leicht, sich in diese einzufühlen und ihren Gedanken zu folgen.

Große Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 22.03.2022
Serge (MP3-Download)
Reza, Yasmina

Serge (MP3-Download)


weniger gut

Yasmina Reza möchte in ihrem Familienroman „Serge“ die Frage beantworten, was jüdisch sein bedeutet.

Die 3 Geschwister der Familie Popper begeben sich auf eine Reise nach Ausschwitz. Dabei wird in vielen Rückblenden und auf Nebenschauplätzen die Geschichte der gesamten Familie beleuchtet. Unterschiedlicher könnten die 3 Protagonisten kaum sein: Während der Ich-Erzähler Jean lethargisch daherkommt, ist Nana sehr emotional, teilweise gar pathetisch und Serge der platte Macho.

Überzeugen konnte mich aufgrund fehlender Authentizität allerdings keiner davon. Ebenso wie die Geschichte, die mir zu unausgegoren ist und an den wichtigen Stellen doch nicht tiefer gräbt. Die großen Fragen beantwortet sie jedenfalls nicht und ich weiß nicht recht, was die Autorin dem Leser mitzuteilen versucht.

Ich habe den Roman als Hörbuch gehört und auch die Interpretation von Peter Jordan hat mich eher irritiert. Gerade die Darstellung von Nana fand ich zu spöttisch, hat sie doch durchaus Grund, Kritik an Serges Verhalten zu üben.

Bewertung vom 18.03.2022
Grenzgänge
Statovci, Pajtim

Grenzgänge


sehr gut

Kennt ihr das, wenn ihr eure Meinung zu einem Buch gar nicht richtig in Worte fassen könnt, weil ihr so ambivalente Gefühle habt? So ging es mir mit Pajtim Statovcis „Grenzgänge“.

Bujar wächst zusammen mit seinem besten Freund in Albanien auf. Um der Trost- und Chancenlosigkeit zu entkommen, beschließen beide auszuwandern. In mehreren Zeitebenen begleiten wir Bujar auf dessen Reise über viele Grenzen. Er überschreitet aber nicht nur Ländergrenzen, sondern auch die zwischen den Geschlechtern und erfindet sich an jedem Ort neu.

Dieses Spiel mit den Identitäten und eigenen Biografien ist spannend und gut umgesetzt. Schonungslos, bis hin zur Brutalität offen und klar schreibt Statovci über das Leben seines Protagonisten, der sich meist am Rand der Gesellschaft bewegt, immer mit einem Bein über dem Abgrund. Und so fühlt sich das Lesen bisweilen an, wie ein Schlag in die Magengrube.

Trotz der Intensität des Romans, konnte ich aber keinerlei Nähe zu Bujar entwickeln. Mir blieb er über den gesamten Roman fremd und unnahbar und mit solchen Charakteren habe ich so meine Probleme. Ein kleiner Lichtblick in all der Trostlosigkeit hätte dem Protagonisten und dem Buch meines Erachtens gutgetan.

Bewertung vom 17.03.2022
Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte
Hübner, Charly

Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte


ausgezeichnet

Wenn einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler über eine der besten Bands der Welt ein Buch schreibt, kann es doch nur klasse werden, oder etwa doch nicht? In der KiWi Musikbibliothek ist der Band „Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte“ erschienen und passend zur Lektüre gibt’s auch noch die Spotify-Playlist mit allen im Buch genannten Songs.

Während die ersten Klänge von Motörheads Overkill erklingen, saugt mich Hübners Geschichte sofort in ihren Bann. Denn der erfahrene Theaterschauspieler hat nichts weniger gewagt, als eine Reise durch seine musikalische Vergangenheit in Anlehnung an Goethes Faust zu ersinnen. Und so erkundet er mit dem Teufel höchstpersönlich, oder besser gesagt, einem der Teufel, warum er kein Schlagerfan wurde, sondern seine Seele an Lemmy Kilmister und seine „Motorköpfe“ verloren hat.

Ein bisschen Bandgeschichte fließt natürlich auch in den Text ein, aber eine klassische Biografie findet man hier nicht. Vielmehr ist es eine Liebeserklärung an eine Band und deren Musik, verpackt in ein kurioses Theaterstück. Eine Mischung, die meines Erachtens wie die Faust aufs Auge passt. Einzig die Szene [Achtung Spoiler: in der Hübner den Geist des verstorbenen Sängers trifft, war mir dann doch etwas zu viel des Guten].

Charly Hübner kann auch Schreiben – und wie! Für alle Motörhead-Fans ist dieses Buch ein absoluter Traum und dabei bitte unbedingt die Playlist mitanhören :) Für alle, die es (noch) nicht sind, ist es ein kurioser Roadtrip in die Vergangenheit.

Bewertung vom 14.03.2022
Spielend in die Kraft
Schörle, Armgard

Spielend in die Kraft


ausgezeichnet

Die Pädagogin Armgard Schörle aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung schöpfend das Buch „Spielend in die Kraft – Über das Erfinden stärkender Spiele und Geschichten in Therapie und Pädagogik“ für Eltern, Therapeuten und Pädagogen veröffentlicht.

In einzelnen, Szenen genannten Kapiteln beschreibt die Autorin Möglichkeiten, in Spiele und Geschichten hineinzufinden. Dabei geht es vordergründig um das Erfinden von Geschichten, Rollenspiele und Spieleinheiten, größtenteils für Gruppen, aber auch einzelne Übungen, die man alleine oder zu zweit ausführen kann.

Neben dem eigentlichen Spielen an sich, das für Kinder ja immens wichtig ist, geht es dabei auch um Selbstfindung, Stärkung des Ichs, Förderung von Selbstsicherheit, aber auch die Gestaltung von funktionierenden Gruppen, das Einfinden des Individuums in Gruppen und vieles mehr. Die Ansätze sind sehr unterschiedlich und vielfältig und teilweise auch für Erwachsene geeignet. Während die meisten Einheiten allgemein beschrieben und offen gestaltbar sind, werden in einzelnen Szenen auch reine Erfahrungen aus der Therapie geschildert, die so nicht direkt anwendbar sind und lediglich zeigen, was in der Zusammenarbeit mit Kindern möglich ist.

Die optische Gestaltung des Buchs in freundlichen, bunten Farben und mit zahlreichen, wunderschönen Illustrationen von Hajo Schörle gefällt mir sehr gut. Allerdings hätte ich mir eine andere Strukturierung als in Szenen gewünscht, um gezielter nachschlagen zu können und Gesuchtes besser zu finden, wozu die farbliche Gestaltung durchaus geeignet gewesen wäre.

Nichtsdestotrotz bietet uns die Autorin eine schöne Zusammenstellung zahlreicher Ideen, um ins Spielen zu kommen, die sich sowohl zuhause, vor allem aber in der Arbeit mit Gruppen einsetzen lassen.