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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2021
Eifersucht
Nesbø, Jo

Eifersucht


weniger gut

Wirkt wie eine Sammlung von Fundstücken aus der Ideenkiste

Eigentlich mag ich Erzählungen. Ich mag es, wenn eine Geschichte nicht weit ausholt, sondern sich bemüht, das Wesentliche auf komprimierte Weise in nachvollziehbare und eindringliche Schilderungen zu fassen, um – im besten Fall – den Leser doch noch in letzter Sekunde in die Verwirrung zu stürzen oder in die Überraschung oder in die Verblüffung.
Mit solchen Erwartungen startete ich die Lektüre, denn dass der Autor schreiben kann, wusste ich durch Lektüre des einen oder anderen Kriminalromans aus seiner Feder.

Was ich hinter den blauen Schnittkanten des Buches fand, waren sieben unterschiedlich lange Erzählungen, in denen es mehr oder weniger frei interpretiert um das Thema Eifersucht geht. Schön und gut soweit. Warum nur gefiel mir die Lektüre nicht? Ein Grund mag darin liegen, dass der anspruchsvolle Schreibstil des Autors, seine Lust an philosophisch wirkenden Gedankenschleifen und mitunter fast lyrisch anmutenden Beobachtungen sich nicht wirklich in die komprimierte Form der Erzählung pressen lässt. Nesbo’s Erzählweise fordert viel Raum, muss sich ausdehnen können, um ihre Intensität entfalten zu können. So entwickelt der Autor ausschweifend kompliziert gestrickte Geschichten, die zu verfolgen den Leser im Verlauf eher ermüdet als fesselt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die Erzählungen vorhersehbar, sogar die Twists bieten Erwartetes. Die handelnden Personen bleiben dem Leser emotional fern durch ihre nüchtern-sachlichen Darstellungen. Im Grunde genommen wirken die Texte im Buch wie aus der Schublade des Autors geholte Szenen, die er über die Jahre gesammelt hatte, um sie irgendwann in einem seiner Romane unterzubringen, eine Art Ideensammlung zum Thema „zwischenmenschliche Konflikte“.

Fazit: Sieben Geschichten, die in ihren unterschiedlichen Qualitäten wirken wie mühsam zusammengesuchtes Material, um ein weiteres Buch des geschätzten Autors auf den Markt zu bringen. Eine enttäuschende Lektüre!

Bewertung vom 29.10.2021
Meeressarg / Fabian Risk Bd.6
Ahnhem, Stefan

Meeressarg / Fabian Risk Bd.6


ausgezeichnet

Spannend, fesselnd, temporeich

Allem voran: Der Autor kann schreiben, und wie! Packend, lebendig, fesselnd, spannend. Vermutlich wäre es ratsam gewesen, die Vorgängerbände um Fabian Risk zu kennen, was jedoch von Verlagsseite nicht kommuniziert wird.
Kim Sleizner ist der skrupellose Polizeichef von Kopenhagen und der absolute Erzfeind von Kommissar Fabian Risk. Fabians ehemalige Kollegin Dunja Hougard ist seit Monaten untergetaucht und ermittelt verdeckt gegen Kim Sleizner. Mit Unterstützung von zwei Bekannten und mittels perfekter technischer Ausstattung überwacht sie ihn rund um die Uhr. Fabian Risk unterstützt sie bei der Suche nach Beweisen. Als in einem Auto, das unter Wasser im Hafen von Kopenhagen gefunden wird, die Leichen von einem Mann und einer Frau entdeckt werden, sieht sich Kim Sleizner in akuter Gefahr…
Vermutlich hätte ich zu Dunja Hougard und Fabian Risk einen besseren, wohl auch emotionaleren Zugang gefunden, wenn ich die Vorgängerbände gelesen hätte. Doch auch ohne diese Kenntnisse nahm mich die Handlung von Anfang an gefangen. Der Kriminalroman ist ein echter Lesegenuss, spannend aufgebaut und perfekt konstruiert. . Kurze Kapitel und rasche Szenenwechsel halten den Leser permanent in Spannung. Die Zeitsprünge und verschiedenen Handlungsstränge fordern den Leser allerdings sehr. Und der durchaus anspruchsvolle Schreibstil erfordert ein sehr aufmerksames Lesen. Die Person des Ermittlers Fabian Risk, der mit dem Tod seines Sohnes zurechtkommen muss, wird meiner Meinung nach in den Beschreibungen ein wenig zu sehr vernachlässigt im Vergleich zu der undercover ermittelnden Dunja Hougard. Doch dies mag wirklich damit zusammenhängen, dass ich die Vorgängerbände nicht kenne. Dennoch hat mich alles in allem dieser Kriminalroman völlig überzeugt, denn die temporeiche und farbig-lebendig-spannende Erzählweise macht echte Lesefreude.

Bewertung vom 26.10.2021
Book Rebels

Book Rebels


gut

Bietet keine Initialzündung zum Lesen

Das Buch kommt in einer außergewöhnlichen Farbgestaltung daher: kräftiges Rotorange und knalliges Kornblumenblau. Außer einer eigenwilligen Schrift sieht man auf dem Cover nur noch kleine aufgeschlagene, fliegende Bücher. Erinnert mich in seiner Gesamtgestaltung einschließlich der Bindung irgendwie an den Einband von Schulbüchern. Erregt zwar Aufmerksamkeit, aber nicht gerade meine Sympathie. „Wir möchten euch Persönlichkeiten näher bringen, die uns berühren, uns zum Schmunzeln, Kopfschütteln, Lachen und Schluchzen bringen.“ So steht es im Vorwort der Studierenden auf dem Kulturcampus in Hildesheim, die sich an dem im Buch gesammelten Beiträgen über starke Mädchen und Frauen in der Literatur beteiligt hatten. Heldinnen also vorzustellen, die nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen ein Vorbild sein könnten, zur eigenen Stärke zu finden.

Die ausgewählten 75 Figuren aus der Literatur spannen einen sehr, sehr weiten Bogen über alle Genres hinweg. Überraschend, dass die Zielgruppe mit „10 Jahre und älter“ angegeben wird. Denn wir finden nicht nur Heldinnen aus Kinderbüchern, wie Heidi oder Pippi Langstrumpf, wie Momo oder Rotkäppchen, sondern es werden uns auch vorgestellt Effi Briest oder Iphigenie auf Tauris oder gar Tony Buddenbrook, teilweise also Figuren aus Büchern, die 10-Jährige bestimmt nicht lesen würden. Jedes der 75 Bücher wird von jeweils einer Autorin, also von einer Studentin des Kulturprojekts, vorgestellt. Diese Vorstellung beschränkt sich aber leider auf eine recht kurze Inhaltsangabe mit Fokus auf die Heldin der Geschichte. Mir fehlt da sehr die jeweils individuell-persönliche Sicht der Verfasserin. Das hätte die Texte lebendiger und echter gemacht. Zu jedem Buch gibt es eine ganzseitige, plakative Illustration von Felicitas Horstschäfer. Muss man mögen. Mir gefallen sie leider gar nicht. Feinere Ausgestaltungen hätten die kargen Texte meiner Meinung nach eher aufgewertet.

Und so bleibt als Resümée für mich, dass das Buch den Studentinnen des Kulturprojektes vermutlich mehr Spaß und Nutzen gebracht hat, als es Sinn für Kinder ab 10 Jahre bringen wird. Denn diese Sammlung von Inhaltsangaben wird kein Kind zum Lesen der Bücher bringen. Und Erwachsene schon gar nicht.

Bewertung vom 05.10.2021
Aribella und die Feuermaske
Hoghton, Anna

Aribella und die Feuermaske


ausgezeichnet

Fantasievoll, spannend, abwechslungsreich und klug

Ein sehr schönes Kinderbuch hat der dtv Verlag mit „Aribella und die Feuermaske“ herausgebracht. Der Autorin ist es gelungen, Fantasy und Spannung perfekt in einer Geschichte zu verbinden, so sehr, dass jugendliche (und ältere) Leser sich gerne entführen lassen in die magische Welt von Aribella und auf eine Fortsetzung hoffen.

Aribella und Theo, ein Fischerjunge, sind beste Freunde. Theos Vater lässt Aribella sogar mit auf sein Fischerboot, obwohl Mädchen dort eigentlich nichts verloren haben. Der Vater von Aribella verharrt seit vielen Jahren in Trübsinn, seit er seine Frau verloren hat, was Aribella auch sehr traurig macht. Als sie Theo gegen Gian, einen unverschämten und bösen Jungen, verteidigen will, schießen ihr vor Wut Flammen aus den Fingern. Sie muss fliehen, weil man nun glaubt, sie sei eine Hexe. Ein Mann mit einer funkelnden Maske bringt sie in seiner Gondel nach Venedig, und für Aribella beginnt ein neues Leben unter Magiern, die die Stadt beschützen. Bis ein Blutmond dunkle Mächte erwachen lässt und Venedig in große Gefahr gerät…

Dies und noch viel, viel mehr erzählt uns Anna Hoghton auf außerordentlich spannende Weise. Die an Überraschungen reiche Geschichte wird bilderreich und detailfreudig geschildert. Venedig in seiner vollen Schönheit mit seinen Palästen und luxuriösen Gondeln, aber auch alle in Erscheinung tretenden Personen und Ereignisse erstehen dank der farbig-intensiven Erzählweise der Autorin plastisch-deutlich vor unserem inneren Auge. Die drohende Gefahr lässt die Spannung bis zum Schluss ständig wachsen. Aber gleichzeitig ist das Buch auch eine Huldigung an das Lesen: „Die Fähigkeit zu lesen ist die mächtigste Kraft von allen. … Lesen ist Magie.“ Dass die Menschen unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten haben, macht die Gemeinschaft überhaupt erst stark. Wie wertvoll Freundschaft ist, zeigt das Buch ebenso, denn gerade durch die Liebe zu den Freunden wächst Aribellas Macht. Und noch ein Satz fiel mir auf: „Bewerte ein Buch nie nach seinem Einband und einen Menschen nie nach seiner Maske.“ Wie wahr.

Fazit: Ein spannungsreiches, fantasievolles, lebendig-abwechslungsreiches Kinderbuch mit einigen klugen Botschaften.

Bewertung vom 30.09.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


ausgezeichnet

Münchnern aufs Maul gschaut

Der Smokey, der Schani und der Moni sind seit ewigen Zeiten Freunde. Als der Schani, von Beruf Immobilienhai, tot in einer Baugrube liegt, wird Smokey unruhig. Denn er war bis vor 5 Jahren Mordermittler, bis ihn „der alte Russe“, der Morbus Bechterew, zum vorzeitigen Ruhestand zwang. Mit legalem Cannabis und langen Spaziergängen durch München versucht er, Herr der Schmerzen und Herr der dunklen Gedanken zu werden. Wir erfahren aus Erinnerungen und gegenwärtigem Geschehen, also auf zwei Zeitebenen, was der Smokey und seine Freunde so erlebt haben, wie sie auseinandergedriftet sind und doch bis heute irgendwie Freunde geblieben sind. Smokey ist schon allein von Berufs wegen auf der Suche nach der Wahrheit, denn ganz einfach so kann der Schani nicht in die Baugrube reingefallen sein. Der Wirt Moni und seine Kneipe sind die verlässliche Anlaufstation von Smokey. Aber nix bleibt wie es war.

Zwar steht unter dem Buchtitel „Kriminalroman“. Aber der Kriminalfall ist eigentlich nur eine Nebensache. Denn es geht doch sehr viel mehr um die „Großkopferten“ von München und die Stadtteilganoven und Spekulierer und wie sie alle Dreck am Stecken haben. Und dass die Gabi vom Smokey weggegangen ist zum Klausi hin. Und alle haben sie es nicht leicht. Geschrieben ist das Buch fast wie eine Art Drehbuch. Die Handlung wird gespielt von waschechten Münchner Spezln, äh, Akteuren, die den Dialekt wirklich beherrschen, mit all seinem hinterkünftigen Humor und seiner sparsam-direkten Ausdrucksweise. Die Autorin hat das Lokalkolorit von Giesing perfekt eingefangen. Das Buch hat dadurch einen ganz eigenen Charme. Viel Trauriges, viel Komisches, und das alles so frappierend echt beschrieben, dass man meint, mitten in München im Wirtshaus zu sitzen zwischen den Grantlern und Ganoven, mit all den zerdepperten Lebenshoffnungen und den traurigen Versuchen, etwas Besonderes darzustellen und sich dabei dennoch zu fühlen wie eine ausgezuzelte Weißwurst.

Bewertung vom 26.09.2021
Berlin Friedrichstraße: Novembersturm / Friedrichstraßensaga Bd.1
Schweikert, Ulrike

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm / Friedrichstraßensaga Bd.1


ausgezeichnet

Unterhaltsamer, brillant recherchierter Roman mit Tiefgang

Was für eine fleißige Autorin, die nach den Büchern über die Charité nun den ersten Band einer neuen Trilogie vorlegt, wiederum brillant bis in die letzten Feinheiten recherchiert. Wirklich beeindruckend!

Wir befinden uns im Jahr 1920. Das Jahrhundertbauwerk Bahnhof Friedrichstraße ist im Roman eigentlich nur ein Aufhänger, ein Symbol für den Weg Berlins zur Weltstadt. Sehr viel mehr geht es um drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, um ihre individuellen Lebenswege, die den sehr spannenden Spagat zwischen moderner, selbstbestimmter Frau und angepasster traditioneller Frauenrolle verkörpern, um die nahezu unüberbrückbare Kluft zwischen Arm und Reich zu zeichnen. Luise ist Sekretärin bei der Sittenpolizei. Sie hat ihre große Liebe Johannes im Krieg verloren, er ist verschollen. Der junge Architekt Robert bekommt den Auftrag, am Neubau des Bahnhofs Friedrichstraße und an der Planung der ersten U-Bahn Berlins mitzuarbeiten. Er heiratet Luise und stürzt sich in die Arbeit. Ilse, die Schwester von Johannes, ist Künstlerin durch und durch. Sie liebt Frauen, sie liebt Tanz und Gesang und sie hat ein besonderes Händchen, wunderbare Kleider zu entwerfen. Ella lebt im Hinterhaus, ist wenig gebildet, arbeitet als Verkäuferin. Im Verlauf der Jahre erleben wir mit, wie die politischen Veränderungen ihren Tribut fordern, wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Judenhass und die wachsende Macht der Braunhemden das Leben aller verändert.

Ulrike Schweikert schreibt wie gewohnt fesselnd und detailreich. Man ist sehr schnell gefangen in den Geschehnissen rund um Luise, Ilse und Ella. Dank der bildhaften, eindrücklichen Beschreibungen fühlt man sich den Personen und ihren Erlebnissen sehr nahe. Großartig, wie es der Autorin gelingt, so vielen Berühmtheiten dieser Zeit ein Plätzchen im Roman einzuräumen. Ganz unspektakulär in die Handlung eingestreut richtet sie den Blick auf diese Persönlichkeiten, die mir dank meines fortgeschrittenen Alters allesamt auch noch ein Begriff waren. Welch eine interessante Zeit, in der man solch besonderen Menschen begegnen konnte. Ulrike Schweikert hat diese intellektuell und künstlerisch besondere Zeit gekonnt und ohne unnützen Ballast sehr fein dargestellt. Auf ebenso bewundernswerte Weise ist es der Autorin gelungen, in ausgewogenem Maß die einschneidenden politischen Bewegungen in den Jahren 1920 bis 1933 in ihren folgenschweren Zusammenhängen darzustellen und deutlich zu machen, auf welchem Nährboden rechtes Gedankengut wachsen kann. Genau dadurch hebt sich der Roman weit heraus aus der Masse der reinen Unterhaltungsromane.

Fazit: Ein unterhaltsam-fesselnd zu lesender Roman, mit historisch fundiertem Tiefgang

Bewertung vom 15.09.2021
Vincent und das Großartigste Hotel der Welt
Nicol, Lisa

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt


ausgezeichnet

Ein wahrlich großartiges Kinderbuch

Um Großartigkeit geht es in der Geschichte. Und großartig ist dieses Kinderbuch, dessen zwei Facetten das Lesen doppelt sinnvoll machen. Da ist vordergründig eine absolut schräge, aus einem Riesensack an Fantasie hervorquellende Geschichte. Und da ist hintergründig eine Botschaft, die man sein ganzes Leben lang benötigt, weil sie ermutigend und stärkend wirkt: Jeder ist auf seine Weise großartig, und die wahren Freunde zeigen uns unsere Großartigkeit, ganz ohne Neid und Selbstsucht.

Vincent fühlt sich als der gewöhnlichste Junge der Welt. Zuhause dreht sich alles um seinen äußerst schwierigen Bruder Thom, dessen aufwändige Pflege die Kräfte der Eltern völlig auffrisst. Als Vincent von seinem Großvater dessen Schuhputzer-Kiste erbt und bereits sein erster Kunde ihn für seine Arbeit gut bezahlt, fühlt er sich als stolzer Unternehmer und schon ein klein wenig weniger gewöhnlich. Als er zum Schuhputzer des Großartigsten Hotels der Welt berufen wird, beginnt die großartigste Geschichte, die ich je in einem Kinderbuch gelesen habe. Das Hotel hat für jeden Gast genau das richtige Zimmer. Florence, die nicht älter ist als Vincent, aber während der Abwesenheit ihrer Eltern die große Last der Leitung des Hotels zu tragen hat, ist sehr besonders. Sie trägt Stiefel, die beim Gehen Bach’s Cellosuite Nr. 1 in G-Dur spielen! Hören Sie sich unbedingt dieses Stück an: Es ist wahrlich herzerhebend! Als Vincent jedoch in das Zimmer der Zukunft blickt, beginnt für ihn eine konfliktreiche Zeit zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Richtig und Falsch. Die ganze Fülle der fantasievollen Geschichte, gerade auch in seiner Doppelbödigkeit, muss man unbedingt selbst lesen!

Jeder braucht ein bisschen Großartigkeit, das lehren uns Vincent und Florence in diesem großartigen Kinderbuch. „Wahrhaft Großartiges hat mit Besänftigung der Seele zu tun, nicht mit Größe oder Luxus“ heißt es im Buch. Wie wahr! Die Autorin lässt uns teilhaben an einer Geschichte, die überbordend ist an fantasievollen Ideen. Sie erzählt mit einem ganz eigenen Humor, spannend-schräg und kurzweilig. Ihre Fantasie füttert unsere Gefühle (Taschenhunde!) ebenso wie unsere Neugier. Sie lehrt uns Empathie und das wahre Wesen der Freundschaft. Dies und noch viel mehr können wir im Großartigsten Hotel der Welt entdecken. Lisa Nicol würdigt übrigens auch noch auf besondere Weise den Co-Autor, der sich immer wieder mal in die Geschichte einmischt und über den wir erst im Nachwort etwas erfahren.

Fazit: Ein wahrlich rundum großartiges Kinderbuch, zum Wieder- und Wiederlesen!

Bewertung vom 13.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


sehr gut

Eine Reise der egozentrischen Reflexionen

Die „Reise durch ein fremdes Land“ wirkt in seiner ganz eigenen Intensität am ehesten, wenn man das Büchlein ohne Pause durchliest, sich ganz und gar einlässt auf die schneeverhangene Gedanken- und Erinnerungswelt des Vaters auf der Fahrt zu seinem Sohn. Das großartige Cover gibt dafür die perfekte bildhafte Einstimmung.

Zum Inhalt lässt sich nur wenig sagen. Tom, ein erfolgloser Fotograf, nimmt es auf sich, mitten im Schneechaos mit dem Auto quer durch Schottland zu fahren, um seinen erkrankten Sohn Luke vom fernen Studienort nach Hause zu holen. Luke solle an Weihnachten nicht alleine sein, so drängt Lorna, Tom’s Ehefrau.

Wir, die Leser, sitzen gemeinsam mit Tom im Auto, begleiten ihn über die langen Stunden hinweg bei seiner Fahrt, sehen mit seinen Augen die schier unbegrenzte Schneelandschaft, hören mit ihm in Dauerschleife ausgewählte Songs, folgen der weiblichen Stimme des Navis und den Telefongesprächen mit Lorna und Luke. Endlos scheint die Fahrt. Und endlos scheint die kalte Leere, diese Zeit der Reflexion, in der Tom teils schonungslos, teils unkritisch-beschönigend in die Vergangenheit abschweift. Sehr zögerlich, in ganz kleinen Gedankenschritten, nähert er sich seiner unfassbar großen Schuld, die er mit niemandem bisher geteilt hat, auch nicht mit sich selbst. Tom, der Fotograf, sieht die Welt in Bildern. In doppelbödigen Bildern. Und wir mit ihm. Je länger die Fahrt dauert, umso mehr spüren wir, wie Tom durch sein ganz eigenes Fegefeuer geht.

Der Roman besticht durch seinen poetisch-starken Sprachstil, durch seine Intensität. Und doch bin ich enttäuscht. Die geschilderten Personen bleiben dem Leser fern, sie bleiben im Blassen. Alles, wirklich alles dreht sich um Tom selbst. Der Erzähler wirkt ohne echte Empathie für andere. Das Ende der Geschichte, das in einer seltsam larmoyanten Überhöhung endet, lässt mich endgültig und enttäuscht diese Reise beenden.

Bewertung vom 10.09.2021
Nichts als Gutes
Slupetzky, Stefan

Nichts als Gutes


ausgezeichnet

Schwarzer Humor, geistreich-schräg

Über seinen Kriminalroman „Im Netz des Lemming“ lernte ich den Autor kennen und lieben. Der ganz eigene spöttisch-bissige Humor von Stefan Slupetzky trifft mitten in mein Humorzentrum. Und so erging es mir auch mit „Nichts als Gutes“, einer Sammlung von fiktiven Grabreden. Der Autor beherrscht perfekt die Kurzform des biographischen Erzählens, wobei diese Miniaturen eine teilweise perfide, teilweise komisch-traurige Erweiterung finden, indem der Grabredner manchmal von sich selbst verrät, was wohl besser nicht gesagt hätte werden sollen.

Eine besondere Freude ist es, das Vorwort zu lesen. Geschärfte Gedanken, in dezentem Humor verpackt, über das Kommen und Gehen menschlichen Lebens. Dazwischen, wie zwischen zwei Buchdeckeln, klemmt das Leben. Und dem Grabredner obliegt es, über dieses Leben eine Rezension abzugeben. Und, wie auch im echten Leben, gehen die Rezensionen oft am Thema vorbei, offenbaren Nicht-Verstehen, sind zu lang oder zu kurz oder zitieren faul die Klappentexte, die, wie wir alle wissen, oftmals halbherzig oder falsch-verführend formuliert wurden, vielleicht vom Verstorbenen selbst noch zu seinen Lebzeiten. Herrlich ist die Grabrede für ein „Standbein des Katasterarchivs“ zu lesen, einen Mann, an den sich tatsächlich niemand erinnert. Oder die letzte Rede für den „Mann der Nudel“ oder für den „Schützenkönig bei Samenglück“. Oder die Rede eines Autisten, der genau 165.228 Mal das Lachen der Verstorbenen gehört hatte. Allesamt wunderbar schräge Ideen, die uns hier Stefan Slupetzky vorsetzt, nicht ohne auch so manch süffisant verkleidete Kritik unterzubringen, was zum Beispiel Literaturpreisverleihungen betrifft. Denn was sollen wir halten von einem Literaten, dessen letzte Worte „Käse, Wurst, Toilettenpapier“ waren…

Fazit: Geistreich-schräge Miniaturen, perfekt verpackt in schwarzem Humor.

Bewertung vom 06.09.2021
Stürmische Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.4
Conrad, Carolina

Stürmische Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.4


ausgezeichnet

Kurzweiliger Kriminalroman mit verlockendem Lokalkolorit

Die Autorin war mir bislang unbekannt. Die Algarve ebenso. Das Kennenlernen der beiden war für mich sehr bereichernd, denn Carolina Conrad schreibt leicht, locker und doch fesselnd. Es gelingt ihr, Lokalkolorit und einen wendungsreichen Plot schriftstellerisch perfekt unter einen Hut zu bringen und damit eine wunderbare Urlaubslektüre vorzulegen.

Das stürmisch-kalte, regnerische Wetter passt zur Stimmung. Denn die Journalistin Anabela Silva und ihre Mutter haben an der Pflege des dementen Vaters schwer zu tragen. Da bleibt nur wenig Zeit für den Freund, den Chefinspektor Joao Almeida. Als eine Österreicherin tot in ihrem Wohnmobil gefunden wird, scheinbar durch Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben, erinnert sich Anabela an eine frühere Begegnung mit dieser Touristin und glaubt deshalb nicht an einen tragischen Unfall. Ihre Zweifel mit Joao teilend, beginnt eine mühsame Spurensuche in einem mehr als rätselhaften Fall…

Carolina Conrad hat einen ruhigen Kriminalroman geschrieben, dessen Stärke die Darstellung der sympathischen Protagonisten Anabela und Joao sind. Von deren Privatleben erfahren wir genug, um die beiden gut zu verstehen, ohne dass die eigentliche Handlung aus den Augen gerät. Besonders gut gelungen sind der Autorin die sehr, sehr verlockenden Beschreibungen von Land und Leuten – so verlockend, dass man gerne sofort an die Algarve reisen möchte. Das ruhige Spannungsniveau ist an keiner Stelle langweilig, denn die Autorin schreibt kurzweilig, lebensecht und ist authentisch in ihren Schilderungen der jeweiligen Geschehnisse und Örtlichkeiten. Die vielen Dialoge machen das Lesen lebendig und locker-leicht. Die Handlung als solche weist mehrere überraschende Wendungen auf und hält den Leser deshalb bis zum Schluss gefangen.

Fazit: Gekonnt geschriebene Urlaubslektüre mit verlockendem Lokalkolorit.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.