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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
buchwürmchen
Wohnort: 
reutlingen
Über mich: 
Das Leben ist viel zu kurz um schlechte Bücher zu lesen!

Bewertungen

Insgesamt 449 Bewertungen
Bewertung vom 29.01.2015
Gruber geht
Knecht, Doris

Gruber geht


sehr gut

Der oberflächliche John Gruber ist beruflich viel unterwegs, seine Penthouse-Wohnung leistet er sich in Wien, pflegt einen gehobenen Lebensstil und verachtet alle die seiner nicht würdig sind. Selbstverliebt und egoistisch, betrachtet er seine Umwelt mit einem enormen Zynismus. Frauen sind Betthäschen, keiner Zeit und Mühe Wert, bis er sich in die coole Sarah verliebt, es ihr und sich jedoch nicht zugesteht und so jeder seines Weges zieht.

Doch auch vor diesem arroganten narzisstischen Helden macht das Schicksal keinen Halt. Er erkrankt an Krebs und als der Tod bereits spürbar ist, macht unser Kotzbrocken eine unglaubliche Metamorphose durch. Er nimmt sich die Zeit und reflektiert tiefsinnig über sein Leben und seine Daseinsberechtigung.

Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, das gestaltet den Roman dynamisch und aufregend. Sprachlich experimentiert die Autorin mit bildhaften Vergleichen, kurzen Sätzen, Wortneuschöpfungen und wenig angebrachte ordinäre Ausdrücke, dafür auch den Abzug, aber ansonsten fand ich das ganze eine runde entspannte Lektüre.

Bewertung vom 12.01.2015
Erinnerung an einen schmutzigen Engel
Mankell, Henning

Erinnerung an einen schmutzigen Engel


gut

Angeblich eine wahre Geschichte die für mich eben mehr einer Botschaft gleicht. Unsere Hauptprotagonistin Hanna, ein armes Mädchen aus Schweden, heuert als Köchin auf einem Frachter an, heiratet einen Bordellbesitzer, beerbt ihn, gibt der Liebe wegen alles auf und verschwindet spurlos aus dem berühmten Grand Hotel in Beira. Das hört sich nach einer großen, starken Persönlichkeit an, doch Mankell entscheidet sich Hanna ganz anders zu beschreiben: sie ist naiv und unsicher, schwach und verletzlich, findet in der damaligen Gesellschaft kaum ihr Platz, ich konnte mit Ihr nicht richtig warm werden. Doch die Geschichte ist schön aufgebaut, teilweise richtig fesselnd, obwohl die Sprache recht einfach ist: kurze Sätze, sachlicher Ton, rau und oft derb. Zwar gern gelesen, doch Zufrieden war ich nicht.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2015
Die Bekenntnisse
Rousseau, Jean-Jacques

Die Bekenntnisse


sehr gut

Eine Autobiographie die ich so noch nirgendwo lesen durfte. Schonungslos offen und ehrlich, als Leser fühlt man sich teilweise wie im Beichtstuhl und fühlt die Not Rousseaus sich alles von der Seele zu sprechen. Dennoch vermutet man unterschwellig, dass vieles eben ungesagt blieb.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.12.2014
Der Untertan
Mann, Heinrich

Der Untertan


sehr gut

Der Roman von Heinrich Mann beschreibt die gesellschaftlichen Verhältnisse während der Jahrhundertwende des 19. Jahrhundert. Er beschreibt die damaligen Zustände anhand der Lebensgeschichte Heßlings, einem gespaltenen Man, der sowohl Mächtiger, als auch Untertan ist. Nach und nach offenbart sich dem Leser ein erschreckendes Bild eines gehorsamen Menschentyps, der seine eigene Identität unbewusst für eine höhere, völlig fremde Idee aufgibt. Dabei glaubt er voller Überzeugung für das Gute im Leben einzutreten und zweifelt keinen Augenblick an seiner Integrität. Die charakterliche Verformung Heßlings war nicht nur für die damalige Zeit typisch, sie hat meiner Ansicht an Aktualität nichts eingebüßt. Wenn man sich aufmerksam umschaut, erkennt man Heßlings überall wieder, Politik, Wirtschaft, Religion. Und es wird auch in Zukunft aktuell bleiben, solange es uns Menschen gibt, dabei ist es wichtig, zu wissen was diese Art von Menschen vorantreibt und wie sie ihr Handeln sich und uns gegenüber rechtfertigen. Lesenswert!

Bewertung vom 30.12.2014
Pferde stehlen
Petterson, Per

Pferde stehlen


ausgezeichnet

Per Petterson erzählt die Geschichte des Trond Sander, der sich nach dem Tod seiner Frau pensionieren lässt um sich in der Stille norwegischer Wälder zurückzuziehen. Sämtliche Kontakte bricht er ab, um sich völlig der ersehnten Einsamkeit zu überlassen. Das Haus das er sich kaufte, liegt in der Gegend in der er seine Jugend verbrachte und so holen ihn schon bald die Erinnerungen an den letzten Sommer mit seinem Vater ein.

Jeder andere Autor hätte aus diesem Stoff ein ganz laut anklagendes Buch gemacht, nicht aber Petterson. Ungeheuer leise, wo selbst die vielen Katastrophen fast lautlos vollzogen werden, nistet sich dieses Buch in mein Herzen ein. Die Lektüre berührt über die Geschichte hinaus, sie zeigt wie schön, aber auch tragisch die Schicksale der Menschen miteinander verflochten sind, wie schnell man geliebte Menschen verletzen kann, wie diese daraufhin in der Lage sind, zu verstehen und verzeihen.

Bewertung vom 30.12.2014
Die italienischen Schuhe
Mankell, Henning

Die italienischen Schuhe


ausgezeichnet

In gedämpften Tönen geht es um das verpasste Leben, um das Altern und die damit verbundene Vereinsamung, gewollt oder vom Schicksal verordnet, um Vergebung und Einsicht. Der renommierte 66-jährige Chirurg Fredrik Welin isoliert sich nach der „Katastrophe", wie er sie nennt, auf die Insel seiner Großeltern. Im Zuge einer Amputation, entfernt er einer sehr erfolgreichen Schwimmerin den falschen Arm. Zerfressen von Schuldgefühlen, setzt er seiner Kariere ein Ende.

Auf dieser Insel lebt er einfach, Kontakt hat er nur mit dem Postbote Jansson und vom Leben erwartet er nichts mehr. Doch eines Tages, um die Wintersonnenwende, steht eine alte Frau mit ihrem Rollator vor seinem Haus. Es ist Harriet, die einzige große Liebe seines Lebens, die er vor fast 40 Jahren verlassen hat. Harriet ist todkrank, ein unheilbarer Krebs zerfrisst sie merklich. Sie sucht noch immer eine Antwort auf ihre wütende Frage, warum sie damals verlassen wurde und verlangt die Einlösung eines längst vergessenen Versprechens. Eine Reise beginnt die Welins Leben von Grund auf ändern wird.

Henning Mankell hat ein sehr stilles und einfühlsames, dennoch nicht minder engagiertes Buch geschrieben über Erkenntnisse und Auseinandersetzungen des letzten Lebensabschnittes. Wer bereit ist Henning Mankell auch mal anders kennenzulernen, sanft und tiefsinnig, der wird an diesem Buch sein Gefallen finden.

Bewertung vom 29.12.2014
Der Fänger im Roggen
Salinger, Jerome D.

Der Fänger im Roggen


ausgezeichnet

Mein erstes Buch des amerikanischen Schriftstellers J.D. Salinger und mit Sicherheit nicht das letzte. Es hat mich sehr fasziniert und halte lange nach. Kein Wegweiser, auch kein philosophisches Werk, kein rasanter Thriller, kein Manifest, keine Anklageschrift und dennoch hinterließ dieser Roman ein angenehme Empfindung in mir. Der Fänger im Roggen ist schon was ganz Besonderes, aufrichtig und authentisch, tiefsinnig und stellenweise sogar witzig.

Der Ich-Erzähler Holden Caulfield, befindet sich während seiner Aufzeichnungen zur Erholung und psychiatrischen Behandlung in einer Heilanstalt. Er erzählt uns wie er kurz vor den Weih-nachtsferien wider mal einen Schulverweis erhält. Aus Furcht vor der Reaktion seiner durchgeknallten Mutter und seinem beruflich erfolgreichem Vater, kehrt er nicht nach Hause, irrt stattdessen drei tagelang durch Manhattan. Dabei ist er auf der Suche nach sich, nach menschlicher Nähe, nach einem Weg seine weitere Zukunft zu gestallten.

Auf den ersten Blick scheint Holden ein Außenseiter, ein abgedrehter Einzelgänger, erst nach und nach versteht man, wie er versucht sich an der Welt anzupassen, dabei geht er stückchenweise kaputt und es entsteht eine Figur, die seinesgleichen noch lange suchen muss.

Manch einer wird sich die Zähne an diesem Buch ausbeißen, andere werden vielleicht meine Begeisterung für dieses Buch nicht nachvollziehen können, mir alles egal, denn ich bereue keine einzige Minute die ich mit und in diesem Buch verbracht habe.

Bewertung vom 11.12.2014
Das Glasperlenspiel
Hesse, Hermann

Das Glasperlenspiel


sehr gut

Wenn man bedenkt dass Hesse 10 Jahre an diesem Buch geschrieben hat, schäme ich mich fast dafür, nur vier Tage zum Lesen gebraucht zu haben. Für mich einer der tiefsinnigsten Romane Hesses überhaupt. Das Buch schildert den gesamten Lebenslauf des Hauptprotagonisten Joseph Knecht, dabei steht aktive Handlung eher im Hintergrund. Hesse schildert primär die Gedanken, Entscheidungen und Entwicklungen einer Person.

An einem fiktiven Ort werden die besten Schüler des gesamten Landes rekrutiert um erzogen und ausgebildet zu werden. Kein Internat im herkömmlichen Sinne, vielmehr eine Institution die sich ausschließlich der wissenschaftlichen, geistiger, musischer und naturwissenschaftlicher Erkenntnis verschrieben hat. Not kennt man hier nicht, allerdings ist dieses Institut als Orden aufgebaut, mit den zugehörigen Attributen wie Gehorsam und Keuschheit. So wird auch der verwaiste Josef Knecht erzogen, der es durch seine außergewöhnliche Intelligenz bis zum Magister schafft, der Meister Primus des Glasperlenspiels.

Passagenweise kam mir die Erzählung recht zäh vor, andererseits fesselten mich die umfassenden Beschreibungen des Glasperlenspiels selbst und seine Bedeutung. Zum Schluss war ich begeistert vom sich schließenden Inhalt. Jedem zu empfehlen der keine Angst vor langen Sätzen hat, sich ganz und gar in endlosen Beschreibungen verlieren kann und mag.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2014
Begegnung in Samarra
O'Hara, John

Begegnung in Samarra


gut

Pennsylvania in Zeiten der Prohibition: Der Autohändler Julian English und dessen Frau Caroline gehören zur Oberschicht in Gibbsville. Gerngesehene Gäste auf Partys und Tanzabende in angesagten Clubs, überall willkommen bis Julian eine Grundsatzregel im spießigen Städtchen bricht. Er schüttet einem Hauptinvestor seiner Firma, dem unsympathischen Harry Reilly, einen Drink mit Eiswürfeln ins Gesicht. Dieses Ereignis hat schwerwiegende Folgen für sein künftiges Leben, privat und beruflich.

Über den Ort Samarra wird lediglich im Prolog gesprochen. Somerset Maugham erzählt über den Tod, der einen Diener bis nach Samarra verfolgt, um ihn in die Ewigkeit mitzunehmen.

Die Erzählperspektive wechselt mehrfach. Der Hauptteil belegt English in zum Teil faszinierenden Monologen. Zu Wort kommen auch Caroline, Lute Fliegler, einer seiner Mitarbeiter und Al Grecco, ein junger Handlanger des örtlichen Mafia-Bosses. Sehr dialogreich geschrieben werden die Charaktere ziemlich griffig personalisiert. Doch keine leichte Kost, denn passagenweise konnte ich nicht begreifen was der Autor mir mitteilen wollte, anderseits entstanden durch die Zeitsprünge Lücken die ich nicht füllen konnte und Verständnis für den Hauptprotagonist fehlte mir durchweg. Interessanter Gesellschaftsroman den ich aber mit Sicherheit kein zweites Mal lesen werde.

Bewertung vom 05.11.2014
Das Spinnennetz
Roth, Joseph

Das Spinnennetz


gut

Als ich mir das Buch besorgte, wurde ich belächelt, den Joseph Roth wird heute nicht mehr gelesen. Persönlich finde ich es schade, denn für mich war und bleibt er einer der ganz Großen der deutschen Literatur auch wenn „Das Spinnennetz“ nicht unbedingt zu seinen großen Werken zählt. Das Buch ähnelt einem Experiment, so wollte Roth die Reaktion der Leserschaft in Erfahrung bringen. Auch ist es nur sehr kurz gehalten, doch voller prophetischer Weisheiten.

Der Roman beginnt mit der Darstellung des rechtsnationalen Leutnant Theodor Lohse und dessen Bestimmung in der heraufziehenden faschistischen Bewegung. Aufgrund der Niederlage nach dem ersten Weltkrieg, war das Land zerrissen, voller Hass und politische Machtkämpfe erschütterten das Volk. Die Rollen wurden neu verteilt und nach kurzer Zeit fest definiert, die „Anderen“ waren immer die Bösen. Alle zogen mit, denn nach dem ohnmächtigen Gefühl der Heimatlosigkeit, wollte jeder seinen Platz in der Gesellschaft festigen. Nach gut 2/3 der Erzählung, wendet Roth plötzlich sein ganzes Interesse dem polnischen Juden Benjamin Lenz zu, der überall mitmischt und als Gegenspieler Lohse Gestalt annimmt. Doch dann endet der Roman plötzlich, fast schmerzlich vermisst man noch jede menge Antworten, die natürlich im Nachhinein von den Geschichtsbüchern gegeben werden, dennoch, ich hätte sie gern von Herrn Roth bekommen.