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MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 367 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2022
Die Vergessene
Slaughter, Karin

Die Vergessene


sehr gut

Alles drin, was ein guter Thriller benötigt! Bei Karin Slaughter weiß man ja, dass man mit grundsolider Kost rechnen darf. Und das ist ihr mit "Die Vergessene" erneut in hervorragender Weise gelungen. Da ist die frisch zum US-Marshal ausgebildete Andrea Oliver, die als ihren ersten Auftrag den Schutz einer Richterin erhält, die Morddrohungen erhalten hat. Fernab der Heimat verfolgt Andrea aber auch eigene Interessen, nämlich Nachforschungen zu einem Jahrzehnte zurückliegenden Fall anzustellen - der Ermordung der jungen und schwangeren Emily -, da sie einen Zusammenhang mit ihrem sich noch im Gefängnis befindenden, leiblichen Vater vermutet. So erzählt Slaughter ohne Spannungsverlust auf zwei Zeitebenen - die Gegegwart und die 80-er Jahre - und aus zwei Perspektiven: Andrea und Emily. Und auf beiden Zeitebenen ereignet sich Unbeschreibliches. Den größten Pluspunkt gibt es für die sehr gute Beschreibung der Personen und des Klimas der männlichen Gewalt in dem kleinstädtischen Milieu. Unbedingt lesenswert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.10.2022
Der schönste Zufall meines Lebens
Williams, Laura Jane

Der schönste Zufall meines Lebens


gut

Heile Welt mit Hindernissen... Laura Jane Williams erzählt in ihrem leichtgängigen Liebesroman "Der schönste Zufall meines Lebens" die Geschichte derdeißigjährigen Londonerin Penny Bridge, die einen Traum hegt - nämlich Mutter zu werden. Und hierzu braucht man erst einmal einen Mann... Penny kann allerdings leider keine Kinder gebähren, hat aber den Plan, eine befruchtete Eizelle durch ihre Schwester austragen zu lassen. Wo aber den Mann dazu hernehmen? Und dann ereignet sich erwartbar genau das, was der Titel verspricht - eine Reihe von Zufällen, die nach einigem Wirrwarr und hin und her am Ende der Geschichte zur Erfüllung aller Träume führt: Mann und Kind (eigentlich in umgekehrter Reihenfolge!) und das Lokal des Onkels... Der Weg dorthin allerdings ist ein holpriger, geht er doch über drei sehr unterschiedliche Männer; aber selbstverständlich siegt der erste und ist 'ganz zufällig' ein Koch mit Spezialgebiet 'Nachtische'. Lauwarme Kost, bei der an keiner Stelle etwas anbrät, die aber vermutlich die weibliche Leserschaft auch nicht ganz kalt lassen wird.

Bewertung vom 24.10.2022
Im Feuer / Lilly Hed Bd.1
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


sehr gut

Beste Krimikost! "Im Feuer - Ein Fall für Lilly Hed" von Pernilla Ericson erzeugt ohne Zweifel eine große Vorfreude auf den Nachfolge-Krimi. Der erste Band einer Reihe rund um die aus Stockholm in die Provinz gewechselte Polizeibeamtin Lilly Hed. Natürlich gibt es einen Grund dafür, dass die in Stockholm sehr erfolgreiche Beamtin die Großstadt verlässt... und der liegt nicht in der Sehnsucht danach, eine 'ruhigere Kugel schieben' zu können; vielmehr hat sie einen Abbruch der Beziehung zu ihrem gewalttätigen Partner, einem Staatsanwalt, vollziehen wollen. Und wie man es fast schon vermuten kann, spielt auch in ihrem ersten Fall in neuer Stellung eine vergangene Gewalterfahrung eine Rolle. Die Sonne ist viel zu heiß, Wälder entzünden sich, darüberhinaus ereignen sich mehrere Brandstiftungen mit Todesfolge nach ähnlichem Muster. Offensichtlich scheint es sich um einen 'Täter mit starkem Motiv ' zu handeln - starke Motive ergeben sich oft aus einschneidenden, zuweilen traumatischen Erlebnissen der Vergangenheit, es entsteht ein Rache-Motiv. Die Handlung ist bis zum Ende spannend aufgebaut. Individuelle Schicksale sind in das kollektive Schicksal der Klimakatastrophe eingebunden; vergangene Gewalterfahrungen sind ein verbindendes Element zwischen Ermittlerin und Täter - ein gut konstruierter Krimi! Wie es wohl mit Lilly in ihrem zweiten Fall weitergehen wird? Allzuviel Fantasie braucht es da nicht: Die sich langsam anbahnende Liebesgeschichte zu Feuerwehrmann Jesper wird wohl ihre Fortsetzung finden und ein weiterer Aspekt der Klimakrise wird den Rahmen bieten.

Bewertung vom 23.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Lesenswert.
Mit ihrem Erzählungsband "Miss Kim weiß Bescheid" knüpft die koreanische Autorin Cho Nam-joo an an den sehr lesenswerten Roman "Kim Jiyoung, geboren 1982". Acht Geschichten, in deren Mittelpunkt Frauen unterschiedlichsten Alters stehen , aber immer wieder auch Biographisches durchzuschimmern scheint. Eine Erzählung über das Schreiben, Hasskommentare und Gewalt. Über ein Buch, welches über viele Jahre hinweg als Lebensbegleiter eine wichtige Funktion hatte. Die Auseinandersetzung mit dem Alter, der älteren, an einer Demenz erkrankten Schwester, welchen Umgang Familie damit pflegt und was das mit einem Pflaumenbaum zu tun hat: Sehr persönliche Zeugnisse inneren und äußeren Lebens. Der Vater verschwindet. Eine nüchtern erzählte Geschichte - über die Kreditkartennutzung lassen sich zwar seine jeweiligen Standorte ermitteln, aber dennoch bleibt er verschwunden und ungefunden - und rein gar nichts scheint den Lauf der Dinge beeinflusst zu haben: "Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber der restlichen Familie geht es auch ohne meinen Vater gut. Auch meinem Vater scheint es ohne uns gut zu gehen. Ich habe das Gefühl, wenn er eines Tages zurückkommen sollte, werden wir imstande sein weiterzuleben, als sei nichts gewesen." Und: Wie es in einer Firma zugeht, in der alle miteinander verstrickt sind, man sich an die ehemalige Kollegin Miss Kim zurückerinnert, die 'Bescheid wusste'; seltsame Dinge ereignen sich, doch geht es stets 'nüchtern' und 'lähmend' zu - nur "Die Wolken bewegen sich auffallend schnell." Was an den Geschichten paradoxerweise begeistert - und was ein besonderes Talent der Autorin darstellt -, ist die weitgehende Emotionslosigkeit des Erzählstils, der aber wohl gerade deshalb fesselt. Unbedingt lesenswert.

Bewertung vom 23.10.2022
Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)
Buehlman, Christopher

Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)


gut

Erfindungsreichtum, Fantasie, die gute sprachliche Umsetzung, Humor und gute Absichten reichen noch lange nicht aus, um einen herausragenden Fantasie-Roman zu schreiben. Die Story ist an und für sich recht gut angelegt, aber Seite für Seite für Seite für Seite wartet man als Leser:in darauf, dass die Handlung endlich Fahrt aufnimmt; aber so scheint es ja hin und wieder zu sein, wenn eine 'große Geschichte' offensichtlich auf mehrere Bände angelegt ist. Christopher Buehlman verliert sich nahezu von Beginn an in Nebengeschichten, Abschweifungen und sehr detailreichen Beschreibungen, was er zweifelsohne gut kann, was aber gleichzeitig den Fortgang der Geschichte ziemlich ausbremst. Ausnahme ist der Beginn, als die beiden für die weiteren Abenteuer bestimmten Protagonisten Kinsch und Galva aufeinandertreffen... und dann passiert erstmal... nix... dazu eine Flut von Namen und fremden Begriffen. Man muss lange auf Kobolde und Riesen und... warten. Der erste Band ist wie eine zu lang geratene Einleitung - ein prolongierter Prolog. Gleichwohl wird es viele Fans geben, die die notwendige Geduld mitbringen, um in diese sehr fantastische Geschichte einzutauchen.

Bewertung vom 11.10.2022
Gespräche auf dem Meeresgrund
Leeb, Root

Gespräche auf dem Meeresgrund


gut

Gut angedacht. "Nur wer einmal gewesen ist kann auch verwesen." Diese, nicht wörtlich zitierte Aussage ist mir nach Beendigung dieses nett aufgemachten und Büchleins im Sinn geblieben. Und die Grundidee der Geschichte ist bemerkenswert und auch erfrischend anders (mir kamen anfangs sogar Assoziationen zu Beckets 'Warten auf Godot'). "Wir sind Wesen, im Sinne von gewesen." Drei Wesen treffen sich mit ihrer jeweiligen Geschichte von Ungerechtigkeit, Gewalt und Flucht auf dem Meeresgrund. Gewissermaßen aus dem Leben abgetaucht, zwar das Leben ausgehaucht, aber noch fähig zu kommunizieren... und weil das Sprechen (unter Wasser) nicht mehr funktioniert, ist es ein Austausch der Gedanken... über das Leben des einzelnen, über die Zeit, über das in Erinnerung verbleiben, über die Gesellschaft. Hin und wieder ziehen 'originäre Meeresbewohner' wie der Gott Poseidon oder auch kichernde Meerjungfrauen denkend und sprechend vorbei und kommentieren 'von unterhalb der Meeresoberfläche'. Ich hatte mir von der Grundanlage des Romans recht viel versprochen ... aber es bleibt dann doch sehr an der Oberfläche, da wäre mehr Tiefe drin gewesen. So kommen die Lebensgeschichten der einzelnen viel zu kurz, werden wie Gedankenfetzen nur angedeutet; dazu noch eine Prise Philosophie und ein Schüsschen Zeit- und Gesellschaftskritik. Aber wie bereits gesagt: Gut angedacht.

Bewertung vom 09.10.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


sehr gut

Den Schalk im Nacken. Wer Andrej Kurkow kennt, dem ist bekannt, was in seinen Romanen zu erwarten ist. In St.Petersburg geboren, in Kiew lebend und russisch schreibend, kennt sich Kurkow aus mit dem Verbrechertum in dieser Welt, zumal er selbst auf Erfahrungen als Gefängniswärter zurückgreifen kann. Dieses Mal nimmt er unsLesende mit nach Kiew und versetzt uns zurück in Zeiten großen Durcheinanders und politischer Wirren, zurück in die Zeit nach der russischen Revolution in das Jahr 1919. Direkt zu Beginn wird der Vater der Hauptperson Samson durch Kosaken getötet und ihm selbst wird dabei ein Ohr abgetrennt. Wegen seines guten sprachlichen Ausdrucksvermögens bekommt Samson - unterstützt durch kleine Zufälle - eine Anstellung bei der Miliz und darf ermitteln. Die Kriminal-Story ist hierbei für mich nicht das Wesentliche an dem Roman (zumal es recht seltsam zugeht, ein Oberschenkelknochen aus Silber, ein unfertiger Anzug aus teurem Stoff und auch Samsons abgeschnittenes und in einer Blechdose gelagertes Ohr eine Rolle spielen); die Beschreibung der Zustände, die Absurditäten der Ereignisse und Andrej Kurkows Augenzwinkern, welches einen über die Seiten hinweg begleitet - das ist der wahre Kern des Romans. Enttäuscht sein werden also diejenigen, die einen klassischen Krimi erwarten - Menschen mit eigenem Schalk im Nacken werden "Samson und Nadjeschda" mögen... und auf die Fortsetzung warten... auch um zu erleben, wie sich das zarte Gespinst der Liebe zwischen den Namensgebern des Romans weiter entwickeln wird.

Bewertung vom 30.09.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1


sehr gut

Wunderbar old-school - das dachte ich, als ich den 1973 zuerst erschienenen japanischen Krimi "Die rätselhaften Honjin-Morde" von Seishi Yokomizo in Händen hielt. Ein schmaler Band mit toller Haptik und einem Cover-Design, welches an die guten alten Tage von Agatha Christie, Edgar Wallace und Konsorten erinnert; welch große Freude wäre es, von diesen Krimis eine ganze Reihe in seinem Bücherregal beherbergen zu dürfen. Die gelungene Übersetzung in eine klare Sprache erleichtert den Lesefluss; jpanische Begriffe werden auf den letzten Seiten im Glossar erläutert und ein Personenverzeichnis ist eine zusätzliche, gute Unterstützung. Aus einer distanzierten und stellenweise berichtsartigen Erzählperspektive dürfen die Leser:innen die puzzelsteinartige Aufklärung eines äußerst ungewöhnlichen Mordfalles aus dem Jahre 1937 (der sich in einem quasi 'geschlossenen Raum' des Anwesens der Familie Ichiyanagi ereignet) verfolgen: In ihrer Hochzeitsnacht werden die Braut Katsuko und der Bräutigam Kenzo, ältester Sohn der Familie, tot aufgefunden. Die auf diesem Ausgangsszenario aufbauende Kriminalgeschichte ist ein wunderbares Ratespiel (zumal sie schon früh mit kleinen Hinweisen auf die Lösung gespickt ist) - und das bis zum Schluss. So erfahren wir nach und nach, welche Rolle ein dreifingriger Mann auf der Durchreise spielt und welche Bedeutung der Koto zukommt, einem Seiteninstrument, welches mit drei mit Plektren besetzten Fingern gespielt wird, auch spielt eine gut sortierte Bibliothek aus Klassikern der Kriminalliteratur eine Rolle, ganz zu Schweigen vom Zusammenwirken der Familienmitglieder in ihren unterschiedlichen Rollen und Persönlichkeiten; aber erst durch die zusätzlich zur Polizeiarbeit erfolgte Hinzuziehung von Privatdetektiv Kosuke Kindaichi klärt sich der Fall auf. Und am Ende wartet schließlich die sehr überraschende Lösung! Ein Buch wie ein gutes Online-Game! Lektüre für einen verregneten Nachmittag!

Bewertung vom 26.09.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Weit mehr als nur eine Familiengeschichte ist Daniela Dröschers neuer und für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman "Lügen über meine Mutter" allemal. Die Autorin setzt den Roman in der Gegenwart an - das Gespräch mit der Mutter, die Absicht verkündend, ein Buch über die Familie zu schreiben und die Reflexion der Jahre 1983 bis 1986. Dies sind die kurz gehaltenen aber aufschlussreichen Einschübe, die dem eigentlichen Text, der Geschichte über die Familie aus der Tochterperspektive, einen Rahmen geben. Die Geschichte selbst ist ein großartig angelegter Entschlüsselungsversuch: Die Frage, warum die Entwicklungen in ihrer Familie genau diesen Verlauf genommen haben und das auf dem Hintergrund einer hunsrücker Dorfgemeinschaft in der Mitte der 80-er Jahre. Was war offensichtlich und für sie aus der Tochterperspektive zwar beobachtbar, aber damit noch lange nicht verstehbar? Was waren Auslöser und Verursachungen der Abwärtsdynamik dieser Familie? Und was waren die Geheimnisse ihrer Familie? So heißt es schon auf der ersten Seite: "So wie jeder Mensch drei Leben hat. Ein öffentliches, ein privates und ein geheimes." Da ist der Vater, der empor kommen möchte aber immer wieder scheitert und das Dicksein der Mutter verantwortlich macht, das eigene Leben nicht kontrollieren kann, aber glaubt, Kontrolle über seine Ehefrau ausüben zu können. Da ist die in ihrer Ehe unglückliche Mutter und schließlich die erzählende Tochter, zerrissen zwischen ihren Eltern. Und die späte Klärung durch das Schreiben. So fragt sich Daniela Dröscher gegen Ende des Buches - als die Geschichte schon fast zuende erzählt ist - in einem Dialog mit sich selbst: "Ist es wirklich notwendig, darüber zu schreiben? Ja. Kann Literatur einen retten? Vielleicht. Weil einen Literatur Dinge verstehen lässt, die man vorher nicht verstanden hat? Ja." Ein intimes und großartiges Buch. Danke, dass ich teihaben durfte.