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Lesendes Federvieh
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München
Über mich: 
Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2021
Fang den Hasen
Bastasic, Lana

Fang den Hasen


ausgezeichnet

„Fang den Hasen“ ist ein grandioses, atemberaubendes Stück moderner Literatur. Es ist ein rasantes Roadmovie durch Bosnien, das mich voll in seinen Bann gezogen hat. Ich musste immer wieder innehalten, um die Feinheiten nicht zu übersehen, die diese Lektüre so lesenswert und wertvoll machen. Dabei wird der Bosnienkrieg mit den unerträglichen ethnischen Säuberungen nicht konkret geschildert, stattdessen werden mit kleinen, unspektakulär hingeworfenen Details die Gräuel in den Fokus des Lesers gerückt. Krieg kommt wie ein Windhauch daher, man spürt ihn, er wird aber nicht direkt benannt. Lana Bastašić erzeugt damit eine hochemotionale und berührende Atmosphäre, die durch ihren wundervoll poetischen, klaren und fesselnden Stil noch unterstrichen wird.

Es geht aber um so vieles mehr in diesem komplexer Roman, um Heimat und Identität, um Freundschaft und um Generationen, die immer noch von diesem Krieg geprägt sind und darum, wie weit Erinnerungen und persönliche Wahrnehmung letztendlich übereinstimmen. Kennen wir uns nahestehende Personen wirklich bis tief in ihre Seele oder gaukeln uns unsere Erinnerungen eine andere Wahrheit vor?

Erzählt wird die Geschichte einer Jugendfreundschaft aus der Sicht von Sara. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft, deren Bruchstellen sich wie einzelne Mosaiksteine Stück für Stück herauskristallisieren. Je weiter die Reise geht, desto mehr verdichtetet sich das Bild über die beiden jungen Frauen. Doch was ist Fiktion, was ist Wirklichkeit, sowohl im Jetzt als auch in der Vergangenheit? Sara wirkt oftmals so, als ob sie alles beschönigen möchte und Lejla holt sie zurück in die Wirklichkeit, indem sie Saras Erinnerungen widerspricht.

Durch die unglaublich gut skizzierten Charakteren, die rotzige, rebellische, provokante Lejla auf der einen Seite und Sara auf der anderen, die scheinbar so vernünftige, besonnene, die aber eigentlich immer noch nicht bei sich angekommen ist, obwohl sie im Gegensatz zu ihrer Freundin immer privilegiert war und nie um ihr Leben fürchten musste. Das Aufeinanderprallen dieser beiden so unterschiedlichen Figuren verleihen dem Roman eine funkensprühende Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen kann.

Abgerundet wir das Ganze durch einen Schluss, der passender nicht sein könnte. Ich sehe ihn in gewisser Weise als Neuanfang. Das Ende ist erst der Anfang in welcher Weise auch immer, man kann vom eigenen Leben nicht weglaufen, ebenso nicht vor seiner Vergangenheit.

Bewertung vom 13.04.2021
Ypsilons Rache (eBook, ePUB)
Bihl, Lou

Ypsilons Rache (eBook, ePUB)


sehr gut

„Ypsilons Rache“ ist das Romandebüt des Ende 2020 frisch gegründeten Unken Verlages und imponiert sogleich mit einem der besten Cover der Saison, in welchem sich zahlreiche Motive der Geschichte in kreativer Umsetzung wiederfinden.

Transsexualität ist eines der Kernthemen dieser berührenden wie eigenwillig humorvollen bis hin zu tragischen Erzählung, die mit ihrer feinen Nuancierung zwischen Sarkasmus und Zynismus imponiert. Erschwerend kommt die Diagnose Prostatakrebs hinzu, welche eine geschlechtsangleichende Operation aus onkologischer Sicht unmöglich macht und Kris in eine Sinnkrise stürzt und vor die Frage stellt, was ihm wichtiger ist: Quantität oder Qualität der Jahre, die ihm noch bleiben. Möchte er in seinem bisherigen Leben verharren und seine Transtendenzen weiterhin nur im Geheimen ausleben oder möchte er die Freiheit genießen zu werden, wer er schon immer war, auch wenn ihn das bald das Leben kosten würde?

Jener innerer Zwiespalt, den er durch seine teils fragwürdigen Äußerungen und Handlungen nach außen trägt, führt ihn auf eine Reise, die gesäumt von starken Frauenfiguren ist. Eine davon ist Chloé, die für ihn gleichermaßen Vorbild wie Objekt seiner Begierde wird, die jedoch zunehmend in eine Obsession ausartet, welche ihn seine ursprünglichen Ziele der Reise in den Hintergrund rücken lässt. Vergessen ist die Entscheidung über die Art der anstehenden Krebstherapie oder die Auslebung seiner Transidentität, stattdessen wird er geradezu anhänglich bis prekär maskulin aufdringlich, was bei mir für sich rasch ausbreitendes Unbehagen sorgte.

Obgleich die beiden untrennbar miteinander verschlungenen Themen recht speziell und insbesondere in ihrer Kombination alles andere als gewöhnlich sind, geht es doch im Kern – verborgen unter dem Berg an zu bewältigenden Herausforderungen – um die grundlegende Frage „Wer bin ich und wer möchte ich sein?“, mit welcher wir uns alle identifizieren können.

Unterfüttert mit zahlreichen fundierten Fakten wie Erfahrungsberichten über Transidentität und Outing, Geschlechtsangleichung sowie den bürokratischen Spießrutenlauf ist „Ypsilons Rache“ trotz des teils sehr speziellen Protagonisten ein sarkastisch angehauchtes Plädoyer für zumindest Toleranz, vielmehr aber Akzeptanz.

Bewertung vom 08.04.2021
Von allem nur das Beste / Wunderfrauen-Trilogie Bd.2
Schuster, Stephanie

Von allem nur das Beste / Wunderfrauen-Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Nun sind die Wunderfrauen in den Swinging Sixties angekommen. Zusammen mit Luise, Helga, Marie und Annabelle begibt man sich als Leser auf eine wunderschöne Zeitreise in dieses Jahrzehnt. Historisch fundiert und bestens recherchiert spürt man den ganz besonderen Zeitgeist des Aufbruchs, hat die flotten Melodien im Ohr und die immer kürzer werdende, tolle Mode vor Augen.

Dieser zweite Teil der Wunderfrauen-Trilogie war für mich von der ersten bis zur letzten Seite das reinste Lesevergnügen. Neben einem tollen und absolut authentisch wirkenden Setting sind es vor allem die sympathischen und mit Herzblut skizzierten Charaktere, die dieser Geschichte ihre herrliche Lebendigkeit verleihen. Gerade die älteren Kundinnen in Luises Laden, teils schrullig, immer bestens informiert und äußerst redselig, zauberten mir unweigerlich ein Lächeln aufs Gesicht. Locker und erfrischend geschrieben und mit hinreißenden Dialogen versehen, verflogen die dichtbedruckten 480 Seiten wie im Fluge.

Doch neben all dem Schwelgen in Nostalgie verschweigt Stephanie Schuster jedoch nicht, dass die Rolle und vor allem die Rechte der Frau im gesellschaftlichen Leben doch noch sehr eingeschränkt waren. Unglaublich, für welch heutzutage selbstverständlichen Dinge man die Erlaubnis des Ehemannes benötigte. Gerade diese Passagen und auch die immer wiederkehrenden „Auszüge aus Luises Ladenkunde-Album“ bieten interessante Einblicke in das wahre Leben der damaligen Zeit.

Wie immer bei kurzweiligen und unterhaltsamen Büchern sind sie viel zu schnell ausgelesen. Durch das offene Ende dieser wunderbaren Geschichte kann ich es kaum erwarten bis der dritte Teil erscheint.

Bewertung vom 07.04.2021
Kleine Freiheit
Kabel, Nicola

Kleine Freiheit


sehr gut

Nicola Kabel erzählt in ihrem Debütroman feinfühlig und präzise, wie es sich für ein Kind anfühlen kann, abseits der Zwänge des spießigen Bürgertums aufzuwachsen und welche Konsequenzen sich für das spätere eigene Leben als Erwachsene ergeben. Sie erzählt pointiert, in glasklaren Worten und dennoch einfühlsam eine großartige, facettenreiche Familiengeschichte mit authentisch und lebendigen Charakteren. Von der ersten Seite an war ich von dieser leisen, aber dennoch kraftvollen Geschichte fasziniert.

Mit ihrer Protagonistin Saskia taucht der Leser ein in zwei Lebensentwürfe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. In Rückblenden schildert sie ihr Aufwachsen in einer bunten Hippie-WG, einem Leben in vermeintlicher Freiheit und ohne Konventionen. Außerdem erfährt man viel über den Werdegang ihres freiheitsliebenden, rebellischen Vaters Hans, einem Juristen, der bis heute ein glühender Verfechter von Gerechtigkeit geblieben ist, der Saskia aber zunehmend peinlich ist.

Hingegen hat sich Saskia für ein traditionell bürgerliches Leben entschieden, wie es im Buche steht: Einfamilienhaus, Kinder, Hausfrauendasein, der Ehemann ist der alleinige Ernährer der Familie. Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Wie immer sind Extreme nicht gut und im Grunde zum Scheitern verurteilt. Das Vergleichen, das sich dem Leser hier unweigerlich aufdrängt, ist interessant, berührend und absolut spannend zu lesen.

Dieser Roman bietet aber noch viel mehr, es gibt auch Einblicke in unsere Gesellschaft, die uns zu denken geben sollten. So wird Saskia durch Joachim von Wedekamp an ein Gedankengut herangeführt, welches völlig inakzeptabel ist. Die Autorin vermittelt Saskias Zwiespalt eindringlich und in gewisser Weise auch nachvollziehbar. Sie zeigt damit auf, wie wichtig es ist, alles kritisch zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

„Kleine Freiheit“ ist ein kurzweiliges Stück Zeitgeschichte, das bis in die Hippie-Ära zurückreicht, gleichzeitig aktueller aber nicht sein könnte.

Bewertung vom 06.04.2021
Reise mit zwei Unbekannten
Brisby, Zoe

Reise mit zwei Unbekannten


sehr gut

Selten hat mich ein Buch so fulminant aus dem Alltag entführt. Über all die wundervollen Buchseiten hinweg, schlich sich wie von selbst ein Lächeln auf mein Gesicht. „Schuld daran“ ist Zoe Brisby mit ihrer zauberhaften, warmherzigen, klugen, witzigen und auch traurigen Geschichte, die so viel Wärme und Lebensfreude ausstrahlt. Dazu die beiden Protagonisten Alex und Maxine, die mir sofort ans Herz gewachsen sind, denn beide haben es im Leben nicht immer leicht gehabt.

Alex, der mit seinem Leben nicht mehr richtig klarkommt, sich über alles viel zu viele Gedanken macht, der ängstlich ist und nichts falsch machen will. Auf der anderen Seite ist da Maxine, weit über 90 Jahre jung, charmant, humorvoll und mit einer großen Portion Lebensweisheit ausgestattet. Sie gibt so viele kluge Gedanken und Lebenserfahrung preis, die man als Leser auch selbst gut gebrauchen kann. All das tut sie immer auf ihre ganz spezielle Art und Weise, eben ganz Maxine. Ihre Sprüche sind absolut bereichernd und bringen einfach gute Laune, auch die Dialoge zwischen ihr und Alex sind einfach zum Genießen. Mit ihrem mitreißenden und berührenden Schreibstil bringt sie alles genau auf den Punkt und gerade das verleiht diesem Roman so eine herrliche Lebendigkeit.

„Reise mit zwei Unbekannten“ ist ein Roadmovie der Extraklasse, rasant, teils total schräg und abenteuerlich. Das Kopfkino startet von der ersten Seite an mit voller Wucht. An manchen Stellen versprüht die Geschichte einen überboardernden Ideenreichtum und nimmt so an Fahrt auf, dass die Autorin haarscharf am Zuviel des Guten vorbeischrammt, was mich jedoch nie gestört hat.
Trotz aller Lockerheit und skurrilen Szenen verliert der Roman nie an Tiefgang. So manches im Buch mag überspitzt dargestellt sein, zugleich finden sich aber viele Körnchen Wahrheit darin.

Es hat mir große Freude bereitet, diesen unterhaltsamen Roman zu lesen, denn er versprüht nicht nur so viel Optimismus, sondern ist auch ein Plädoyer für ein Miteinander. Dafür sich für seine Mitmenschen zu interessieren.

Bewertung vom 06.04.2021
One Last Dance / One-Last-Serie Bd.2 (eBook, ePUB)
Böhm, Nicole

One Last Dance / One-Last-Serie Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

„One Last Song“ hat bei mir letztes Jahr für jede Menge Herzklopfen und Grinsemomente während des Lesens gesorgt, weshalb ich mich unglaublich auf den zweiten Band der Reihe, „One Last Dance“, gefreut habe. War Gillian im letzten Teil als Rektorin der Schule eine sympathische Randfigur, so steht sie nun im Zentrum des Geschehens und ist mir von Beginn an ans Herz gewachsen.

Trotz ihres jungen Alters strahlt Gillian eine unglaubliche Stärke aus und trägt mit der Leitung der New York Music & Stage Academy eine große Last auf ihren Schultern. Denn es nicht nur der verwirklichte Traum ihres krebskranken Vaters, der sie bis zu seiner Genesung mit der Leitung betraut hat, sondern auch ein großes Unternehmen, das seit längerem rote Zahlen schreibt und äußerst baufällig ist. Ich finde es wahnsinnig bewundernswert, wie sie sich dieser Sisyphos-Arbeit stellt und sich von den zahlreichen Rückschlägen nicht unterkriegen lässt.

Inmitten dieser psychischen wie zunehmend auch physischen Belastung fühlt sich Jaz Auftauchen wie der goldene Sonnenstrahl an, der durch den wolkenverhangenen Himmel bricht. Die prickelnde Chemie zwischen den beiden bringt die Seiten förmlich zum Knistern und sorgt für kribbelnde Schmetterlinge im Bauch. Durch den Wechsel der Erzählperspektiven werden diese Empfindungen nur noch verstärkt und zugleich lernt man auch Jaz mitsamt seiner düsteren Vergangenheit, der schwierigen Lebenssituation und seiner ansteckenden Liebe zum Tanzen kennen.

Sehr angenehm fand ich auch, dass die aus reichem Hause stammende Gillian nicht als Retterin des bettelarmen Straßentänzers glorifiziert wird, sondern die beiden sich von Beginn an auf Augenhöhe befinden. Sie weiß was sie will und lässt sich diesbezüglich nicht von anderen Personen reinreden, was ich äußerst charakterstark finde, da es von Rückgrat zeugt. Er wiederum ist weder unterwürfig noch spielt er sich als großer Macker auf, vielmehr nimmt er Gillians Hilfe an ohne sie jedoch auszunutzen und zeigt ihr, wie heilend Tanz sein kann.

Ehe ich mich versah, war das Buch ausgelesen und meine Sehnsucht nach New York und mehr aus der Feder von Nicole Böhm sehr groß.

Bewertung vom 05.04.2021
Mond über Beton
Rothenburg, Julia

Mond über Beton


ausgezeichnet

Seit „hell/dunkel“ bin ich ein großer Fan von Julia Rothenburgs außergewöhnlicher Art zu erzählen, der Lebendigkeit ihrer Sprache und der abgründigen Tiefe ihrer Charaktere. Wenngleich sich „Mond über Beton“ einer anderen Thematik widmet, ist es nicht minder fesselnd und nachdenklich stimmend.

Einen wendungsreichen Plot sucht man hier vergeblich, doch genau jene Abwesenheit einer stringenten Handlung verleiht der Erzählung ihren rauen, unnachahmlichen Charme. Episodenartig wechselt man zwischen dem alltäglichen Leben der unterschiedlichen Charaktere, deren Chronik an Schicksalsschlägen eng mit der Geschichte des NKZ verknüpft ist. Die unglaublich pure wie authentische Charakterzeichnung spiegelt sich auch in der unverfälscht eindringlichen Sprache wider, die von elliptischen Aneinanderreihungen der Gedanken durchsetzt ist.

Durchbrochen wird die lebensechte geradezu in stupide Denkmuster einlullende Schilderung von kursiv gedruckten Passagen, in welchen der graue Betonkoloss in stummer Wehrlosigkeit selbst zu Wort kommt. Treffsicher, pointiert und schmerzlich genau seziert er die falsche Freundlichkeit, den blinden Aktionismus sowie die scheinheilige Verlogenheit der menschlichen Triebe und hält unserer Gesellschaft auch abseits des Kottbusser Tores eindringlich den Spiegel vor.

„Mond über Beton“ ist einer jener Romane, dessen Großartigkeit sich erst einige Zeit nach dem Beenden der Lektüre vollständig entfaltet. Denn das zunächst wie aus heiterem Himmel kommende Ende ist bei eingehender Betrachtung die logische Konsequenz aus menschlichem Egoismus, verblendeter Selbstbezogenheit und unverbesserlicher Ignoranz. Genau wie die Bewohner des NKZ war ich blind für das Offensichtliche, habe mich in meiner überlegenen Privilegiertheit gesonnt und bin deshalb umso härter auf dem betonharten Boden der Tatsachen gelandet: Julia Rothenburg schildert kein Problem sozialer „Schandflecke“, sondern der menschlichen Gesellschaft.

Bewertung vom 01.04.2021
Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1
Jensen, Svea

Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1


sehr gut

Svea Jensen ist mit ihrem ersten Fall für die Soko St.Peter-Ording „Nord West Tod“ ein absolut lesenswerter, spannender Auftakt gelungen. Durch ihre anschaulichen, ausführlichen Landschaftsbeschreibungen hatte ich SPO und das grandiose Nordseefeeling, das ich so liebe, wieder vor Augen. Ich hörte das Meer rauschen, den Wind tosen und die Möwen kreischen.

Vor dieser herrlichen Kulisse lässt die Autorin ihre sympathischen Protagonisten ermitteln. So kann man neben einem gepflegten, vielschichtigen Krimi auch ein bisschen die wunderschöne Küstenregion genießen, so wie sie im Moment noch aussieht. Damit schafft die Autorin genau die richtige Atmosphäre, um in die Handlung einzutauchen, in der sich die Autorin nicht scheut, aktuelle, brisante gesellschaftliche Themen anzupacken, wie hier die Problematik des Tourismus und des daraus resultierenden Bauwahnsinns an den norddeutschen Küsten.

Man sieht, die Ermittler haben viel zu tun, um diesen rätselhaften Fall zu lösen. Es macht großen Spaß sie dabei zu begleiten, und die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen. Mitreißend geschrieben, mit immer neuen Wendungen und Fährten durchsetzt, wird die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten. Dazu tragen auch die vielschichtigen Charaktere bei, die das wahre Leben herrlich widerspiegeln. So erfährt man auch einiges Privates über Anna und Hendrik abseits der Ermittlungstätigkeiten, was sie für mich umso realistischer erscheinen ließ.

Bei diesem Krimi passt einfach alles wunderbar zusammen, die Handlung ist gut durchdacht und stimmig, es werden aktuelle gesellschaftliche Themen angesprochen, die Charaktere sind mit Herzblut geschaffen und der Schreibstil der Autorin ist angenehm und mitreißend. Ich konnte mit diesem kurzweiligen Krimi ein paar wunderschöne Lesestunden an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste verbringen, die ich sehr genossen habe.

Bewertung vom 01.04.2021
Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1
Wortberg, Christoph

Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1


sehr gut

„Trauma – Kein Entkommen“ ist äußerlich ein absoluter Hingucker, denn obwohl es in München spielt, hebt es sich erfrischend anders von den immer gleichen Covern der Regionalkrimis ab und erinnert vielmehr an die großen Thriller aus Amerika und Skandinavien. Auch inhaltlich kann es diesbezüglich absolut mithalten und begeistert nebenbei mit einer angenehmen Portion Lokalkolorit.

Untergliedert in drei Teile ist jedem Abschnitt eine kurze Passage über ein namenloses Kind vorangestellt, welche einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es sind abscheuliche Szenen häuslicher Gewalt und Misshandlung, die ekelerregende Einblicke in die menschlichen Abgründe geben. Demgegenüber stehen die sich langsam aufbauenden Ermittlungsarbeiten von Katja Sand in der Gegenwart, die sich mit zwei fraglichen Suiziden konfrontiert sieht. Unversehens wirbelt die toughe Mordermittlerin Geheimnisse auf, die so manch mächtige Instanz gerne weiterhin unter dem Deckmantel des Schweigens verbergen würde.

Aufgrund eines sehr kleinen Kreises an Verdächtigen war für mich allerdings recht schnell offensichtlich, wer für das grausame Ableben der zwei Männer verantwortlich ist. Dennoch haben die finale Spannungsexplosion sowie die Erläuterung der psychologischen Fallstricke für jede Menge Nervenkitzel und Aha-Momente gesorgt.

Gleichzeitig wird Katja mit zunehmendem Fortschritt der Ermittlungen von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt, die mit allerhand eingestreuten Hinweisen angedeutet aber nie explizit erklärt wird, was mich aus Neugier beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Die Krönung war jedoch das Ende, denn obgleich der Fall gelöst ist, wird man mit einem Cliffhanger allererster Güte zurückgelassen, welcher mich umgehend nach Band zwei lechzen lässt.

Christoph Wortberg hat mit „Trauma – Kein Entkommen“ einen psychologisch raffinierten Thrillerauftakt mit Schauplatz München zu Papier gebracht, der neben ermittlungsinduziertem Nervenkitzel eine geheimnisträchtige Familiengeschichte über Frauen aus drei Generationen anklingen lässt.

Bewertung vom 27.03.2021
Blutzahl / Alexander Blix und Emma Ramm Bd.1
Enger, Thomas;Horst, Jørn Lier

Blutzahl / Alexander Blix und Emma Ramm Bd.1


ausgezeichnet

Passend zu den eisig kalten Temperaturen und meiner stetig wachsenden Begeisterung für Norwegen ist mir Thomas Enger und Jørn Lier Horsts „Blutzahl“ in die Hände gefallen. Sich langsam aufbauende Spannung war gestern, denn die beiden begeistern in ihrem Reihenauftakt mit facettenreichen Charakteren, Nervenkitzel pur und einem erbarmungslosen Countdown, der zahlreiche Tode fordert.

Dabei ist der gesamte Thriller in sich absolut stimmig, hält jede Menge falsche Fährten wie Überraschungen bereit und ist dabei alles andere als langweilig. Neben der temporeichen Abfolge an Ereignissen haben mir besonders die ermittelnden Charaktere sowie deren geschickt im Hintergrund verwobenen Geschichten imponiert. Obwohl die Integrität von Alexander Blix bisher nicht angezweifelt werden konnte, so lässt er doch immer wieder sensible Informationen über den aktuellen Stand der Ermittlungen an die junge Reporterin Emma Ramm durchsickern. Sie wiederum liefert ihm neue Gedankenanstöße aus ihrer frischen Sichtweise, was die beiden zu einem genialen Team werden lässt, das auch die ein oder andere amüsant zu lesende Streiterei nicht auslässt.

Wie es sich für einen guten skandinavischen Thriller gehört, lässt sich die düstere Grundstimmung nicht vermissen. Durch die grausamen Morde sowie die detaillierte Schilderung der Tatorte und persönlichen Hintergründe der prominenten Opfer gewinnt man erschreckende Einblicke in die düsteren Schattenseiten, die sich hinter den schillernden Fassaden aus Glanz und Gloria verbergen.

„Blutzahl“ ist der temporeicher Auftakt einer neuen Thrillerreihe rund um das ungleiche Ermittler-Duo bestehend aus einer Reporterin und einem Kommissar des Osloer Dezernats für Gewaltverbrechen. Mit kurzen Kapiteln inklusive spannenden Cliffhangern, ausgesprochen gut ausgearbeiteten Charakteren und einem furiosen Showdown birgt sie absolutes Suchtpotenzial.