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yesterday

Bewertungen

Insgesamt 181 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2016
Der kalte Saphir
Düblin, Michael

Der kalte Saphir


sehr gut

Eine Journalistin, die sich die Story ihres Lebens erhofft und ein Interviewpartner, ehemaliges Bandmitglied von „Klarstein“, der die Journalistin an ihre Grenzen bringt. Dies sind die Hauptzutaten für Michael Düblins Roman. Nebenbei wird noch ein Mord aufgeklärt, der innerhalb der Band passiert ist, aber schon Jahrzehnte zurückliegt. Doch die „Ermittlung“ verkommt fast zur Nebensache, widmet sich der Autor doch intensiv den Gefühlswelten der beiden Protagonisten und ihrer sich scheinbar stets verändernden Beziehung zueinander. Jule Sommer ist redlich bemüht, Sebastian Winter auszuhorchen und ihn trotzdem frei erzählen zu lassen, was sich zu den so erfolgreichen Zeiten zwischen den Musikern ereignete. Alles befindet sich im Wechsel: das Wetter rund um Winters Anwesen in Griechenland, die Initiative der Gesprächspartner sowie Wohlbefinden der beiden und die Einschätzung, die sie vom jeweils anderen haben. Darf Jule ihm nun glauben? Ist sie eine ernstzunehmende Gegnerin für einen so gewandten Erzähler wie ihn? Und ist Winter ernsthaft an der Wahrheit interessiert oder nur an ihrem Körper?
Zu den kleinen Psychospielchen, die die beiden zwischen Pool, Flipperkasten und Aufnahmegerät austragen, passt auch der kleine „Trick“ mit den Namen der beiden sehr gut. Und obwohl er manchmal schon bildlich an der Klippe steht, kann der Autor gut vermeiden, doch zu sehr in Klischees abzudriften, die sehr oft dann lauern, wenn Mann und Frau so aufeinanderprallen.

Überrascht hat mich das Ende, teilweise wegen des Inhalts aber viel mehr der Gestaltung wegen. So, wie es ist, wäre sogar eine Fortsetzung denkbar, was ich aber nicht vermute. Dann müssten viele Details noch aufgeklärt werden und einige Fäden zusammengebracht werden. Schön ist auf jeden Fall, dass Jule und Winter doch irgendwie zu einem stummen Einverständnis kommen, was die Geschichte und ihre Folgen betrifft.
Hinter der Person Jules hätte ich insgesamt noch mehr Tiefe vermutet, was aber schwierig geworden wäre, da Winter viel Raum für sich beansprucht. Er ist für mich bis zum Schluss kein voll greifbarer Charakter, hat viele Ecken und Kanten, ist streitbar und dann wieder ein Ruhepol. Aber zu einem möglichen Mörder passt das wohl, dass man ihn nie ganz einschätzen kann und sich nahezu parallel zu Jule beim Lesen so seine Gedanken über diesen seltsamen „Kauz“ macht.
Wer sich hier ein packendes „Mörder-Interview“, ähnlich wie eine Befragung vor Gericht wünscht, wird sicher teilweise enttäuscht. Natürlich geht es um eine Rückschau und eine Aufklärung, doch Winter darf ausreden, monologisieren und erzählt nicht nur Geschichten von damals. Nur zwischendurch gibt es einige spannungsgeladene Frage-Antwort-Momente. Wer sich von Winter aber gemütlich durch die Geschichte tragen lässt, lernt ganz nebenbei noch vieles über Aufnahmetechnik und die Musikbranche.

Bewertung vom 10.08.2016
Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
Milchman, Jenny

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken


gut

Eine grundsätzlich gute Idee (harmonische Familie wird von der Vergangenheit in Form eines unberechenbaren Häftlings eingeholt) wird hier ein wenig sprunghaft und konfus dargestellt. Zudem kann sich über weite Strecken die Spannung nicht komplett Thriller-typisch entwickeln, da den Gefühlen und Gedanken der Hauptpersonen viel Platz eingeräumt wird und die Zeit im Buch daher nicht voranschreitet. Wer diese Art der „Zeitlupen-Erzählung“ mag, kommt sicher gut mit diesem Werk zurecht, ansonsten geht wenig vorwärts. Gegen Ende, als mehr Tempo hinzukommt und weniger Details angesprochen werden, kann das Buch ein wenig mehr überzeugen. Leider zieht sich das nicht immer ganz nachvollziehbare Verhalten der Charaktere wie ein roter Faden durch das Buch, oft bleiben Intentionen im Dunklen und Wendungen sind sehr sprunghaft und verwirrend eingearbeitet. Trotz des grundsätzlich positiven Endes kann man als Leser dann aber nicht befreit durchatmen, sondern bleibt mit vielen Fragen und Stirnrunzeln zurück.

Gesamt bleibt zu sagen, dass einerseits vieles vom Leser vorhersehbar ist, und das, was überraschend kommt, eher verwirrend ist als verblüffend. Durch das eigenartige Verhalten der Personen kann man sich kaum mit einer oder mehreren identifizieren, sie bleiben trotz der vielen gefühlsbetonten Einschübe ein wenig unnahbar und rätselhaft.
Einige gute Abschnitte sind jedoch gelungen, diese befassen sich meist mit der Vergangenheit und sollen nebenbei ein wenig andeuten und erklären, warum die Familie aktuell ist dieser furchtbaren Situation steckt. Leider sind die Andeutungen hier auch etwas zu stark ausgefallen, sodass man kaum raten muss und aus diesen Abschnitten auch keine Überraschungen entstehen.

Bewertung vom 10.08.2016
Die Sommer mit Lulu
Nichols, Peter

Die Sommer mit Lulu


sehr gut

Auf eine moralische Botschaft oder spektakuläre Morde kann Peter Nichols hier gut verzichten. Dennoch beginnt die Geschichte rund um Lulu, Gerald, Luc, Aegina und viele andere mit zwei Toten. Ausgangspunkt der Erzählung ist die Insel Mallorca, auf der sich Gerald und Lulu kennen- und lieben lernten und Lulu ein Hotel führt.
Abgesehen davon, warum es die Toten gibt, wird zu Beginn einiges aus der Vergangenheit der Hauptpersonen angedeutet, was doch neugierig macht und den Leser hoffen lässt, im Lauf der Geschichte mehr darüber zu erfahren. Vom aktuellen Unglück an rückwärts erzählt, für Nichols den Leser durch Geralds und Lulus Leben, das ihrer Kinder, die Kindheit dieser Kinder und ihrer beiden Anfänge auf Mallorca. In einer Welt voll unerfüllter Sehnsüchte und vieler sexueller Komponenten manövrieren sich die Hauptpersonen durch ein Leben auf Mallorca in den Achtziger Jahren, das so völlig anders scheint, als das, das wir heute führen.
Einige Fragen, die sich zu Beginn stellen, werden beantwortet: Sind Luc und Aegina Geschwister oder sonst irgendwie verwandt? Warum verhält Lulu sich Gerald gegenüber so seltsam? Was passierte auf ihrer Bootsfahrt und warum betritt Lulu seit dem kein Deck mehr?

Mit behutsamer, klarer Sprache beschreibt der Autor die Gefühlswelt der Personen zu all den verschiedenen Zeitpunkten. Und obwohl es von der Insel selbst nicht so viele Umgebungsbeschreibungen gibt, fühlen sich Teile des Buches immer wieder nach Urlaub an. Doch nicht nur über die spanische Insel spannen sich die Fäden dieser verstrickten Familiengeschichte, auch weiter hinaus, nach Marokko, Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten gibt es Verbindungen. Auch wenn sich das nun sehr konstruiert liest, zu den Menschen im Buch passt das gut. Lulus Hotel auf Mallorca war seit jeher ein Umschlagplatz für Reisende von überall her, die oft nur den Sommer dort verbrachten und jedes Jahr wiederkommen, wenn sie nicht gleich dort geblieben sind.
Zwar bleiben am Ende auch Fragen offen, doch war über die vielen Seiten schön zu sehen ist, wie sich die Menschen über so viele Jahre teilweise verändert haben, im Kern aber einfach nicht aus ihrer Haut können. Sehr realitätsgetreu.

Bewertung vom 05.08.2016
Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3
Rademacher, Cay

Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Zum dritten Mal lässt Cay Rademacher seinen Capitaine Roger Blanc in der Provence ermitteln und lässt dabei wie gewohnt die französische Lebens- und Esskultur neben den Ermittlungen nicht zu kurz kommen.
Dieser Krimi ist nicht nur aufgrund des Erscheinungsdatums aktuell, auch die Themenwahl wurde doch von den verschiedenen aktuellen Entwicklungen des vergangenen Jahres beeinflusst und spiegelt in den diversen Befragungen und anderen Gesprächen immer wieder die Gefühlswelt vieler Leser wider. Die Ermittlungen zu einem Flugzeugabsturz führen Blanc und seine Kollegen vom französischen Militär und einem einflussreichen Bürger Lanҫons bis hin zum französischen Geheimdienst und einer verschwundenen Packung Sprengstoff. Bei diesem Einsatz ist nicht nur Blancs Leben und das der Kollegen wiederholt in Gefahr (Stichwort Fahrkünste), sondern das vieler Unbeteiligter.

Mit seiner üblichen charmanten Mischung aus Flüchen und der Gabe, zum richtigen Zeitpunkt das richtige zu fragen oder auch am richtigen Ort zu sein, entwirrt der Capitaine langsam, aber stetig das Netz aus Verdächtigen, Zeugen und nimmt dafür in diesem Band weniger die Hilfe der Untersuchungsrichterin Aveline in Anspruch, sondern wagt sich dafür bis nach Marseille und kooperiert mit der bei den Flics verpönten „Stadtpolizei“.

Mit leichter, flotter Sprache führt der Autor den Leser an Blancs Seite über Wiesen, Felder, Olivenhaine und die eine oder andere route departementale. Auch wenn man als Leser, der die Aussagen der Zeugen manchmal anders deutet als Blanc, der Lösung schon früher nahekommt: dieser Krimi lenkt einen doch durch den Aufbau der Geschichte und die vielen beteiligten Personen und Verdächtigen immer wieder so gut ab, dass man sich zu Ende zwar bestätigt, aber trotzdem ein wenig überrascht fühlen kann.

Die (bisher) drei Krimis mit Blanc spielen in aufeinanderfolgenden Monaten (Juli bis September), man kann sie aber auch unabhängig lesen. Am besten kennenlernen kann man die wichtigsten Charaktere aber auf jeden Fall im ersten Band „Mörderischer Mistral“.

Bewertung vom 29.07.2016
Skin
Etzold, Veit

Skin


gut

Mit einem guten Protagonisten muss sich der Leser identifizieren können. Was Bücher betrifft, ist das eine Binsenweisheit. Aber muss das so sein? Veit Etzold wagt hier mit dem Unternehmensberater Christian König viel, denn mit dessen naiv-nerviger Art können sich wohl die wenigsten Leser identifizieren. Aber: Christian bleibt im Gedächtnis. Bekommt man aufgrund seines Verhaltens auch des Öfteren Kopfweh vom vielen Schütteln desselben, so setzt man sich dennoch mit der Person auseinander, überlegt, was an ihm so stört. König ist auf jeden Fall ein Charakter, der nicht kalt lässt und das zeichnet eine gut gestrickte Hauptperson auch irgendwie aus.
Ähnlich ambivalent kann man dem Hauptermittler, Frank Deckhard, gegenüberstehen. Er scheint zu Beginn ein umsichtiger, verlässlicher Typ zu sein. Als das Team dann mehrere Leichenfunde zu bearbeiten hat und seltsame Verbindungen zu König auftauchen, riskiert er Kopf und Kragen, weil er so sehr von der Schuld des Beraters überzeugt ist.
Zwischen diesen beiden Persönlichkeiten ist wenig Platz für einen packenden Thriller, zumal noch viele Details und allgemeines Wissen über die Wirtschaftswelt und die Beraterbranche Buchseiten belegen. Wer das mag oder wer gut damit klarkommt, dem eröffnet sich ein Fall, währenddessen Christian König von unbekannter Seite Taten angelastet und erschreckende Botschaften zugesendet werden. Die Schlinge, die ohnehin eng ist, wird durch Königs Verhalten leider auch nicht weiter, er manövriert sich mit Lügen und Fluchtversuchen immer tiefer in die Sache hinein.
Statt sich über Christian zu ärgern, kann man sich als Leser auch die Zeit damit vertreiben, mitzuraten, wer denn der Täter sein könnte und bekommt gegen Ende des Buches noch eine schöne Portion Spannung geboten. Das Ende kann somit noch einiges wiedergutmachen; wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Christians Vater noch einen Stein ins Rollen bringen kann?
Ich werde, was Veit Etzold betrifft, aber bei der Reihe um Clara Vidalis bleiben, da mich da die eine oder andere Leseprobe schon sehr angesprochen hat und man über diese Bücher viel Gutes hört.

Bewertung vom 05.07.2016
Das Böse in euch / Michaela Baltzer Bd.1
Weiss, Rhena

Das Böse in euch / Michaela Baltzer Bd.1


sehr gut

Rhena Weiss wirft in diesem Thriller einige Fragen auf, die sich der Leser im Verlauf des Buches öfter selbst stellen muss. Wie sehr beeinflussen Kindheitserlebnisse das, was wir später tun? Wie gut kenne ich Menschen, denen ich täglich in der Freizeit oder im Beruf begegne, wirklich? Und wie gut kenne ich mich selbst? Käme ich damit zurecht, wenn sich grundlegende Parameter in meinem Leben von einem Tag auf den anderen ändern?
Genau damit muss Michaela Baltzer, Ermittlerin des Landeskriminalamts, neben ihrer ohnehin fordernden Arbeit fertigwerden, denn da ihr Bruder und seine Frau ein Jahr beruflich in Afrika verbringen, zieht ihre Nichte Valerie bei ihr ein. Doch weil sich der Teenager selbst eine Zukunft bei der Polizei vorstellen kann und seine Neugier nicht unter Kontrolle hat, sind nicht nur Alltagsstreitigkeiten vorprogrammiert. Und nebenbei soll Michaela gemeinsam mit zwei Kollegen eine Entführungsserie beenden. Mädchen verschwinden scheinbar ohne Zusammenhang und die, die wieder auftauchen, sind tot. Mehrfach sind die Ermittler gefordert, den Blickwinkel zu ändern, neue Spuren miteinzubeziehen und dabei werden sie selbst psychisch immer weiter in diese grausamen Verbrechen hineingezogen. Michaela fällt es, auch bedingt durch das Interesse ihrer Nichte an diesem Fall, zusehends schwerer, professionelle Distanz zu wahren. Und doch führt genau diese Eigenschaft, gepaart mit der Hartnäckigkeit der kämpferischen Polizistin, schließlich zur Lösung.
Mit den großteils sehr authentischen Hauptcharakteren und den Perspektivwechseln zwischen Ermittlern, Mädchen und Täter hält die Autorin die Freude am Lesen und die Spannung aufrecht. Mit der Stadt Wien hat sich der perfekte Ort für die Handlung gefunden, doch auch wer die österreichische Hauptstadt nicht kennt, kann den Geschehnissen ohne Probleme folgen. Ein paar Kleinigkeiten in Dialogen oder Reaktionen der Personen sowie bestimmte Ausdrücke fügen den richtigen Touch Lokalkolorit hinzu – auch wenn Wien eine Millionenstadt ist.
Dieses Buch ist eine runde Sache und wer es schafft, den Klappentext nicht (oder nicht allzu intensiv) zu lesen, kann seine eigenen Ermittlerinstinkte spielen lassen und wird den einen oder anderen Überraschungsmoment erleben.

Bewertung vom 05.07.2016
Urs Meier
Meier, Urs;Pander, Jürgen

Urs Meier


ausgezeichnet

Urs Meier weiß, wovon er schreibt. Als ehemaliger Fußballschiedsrichter der höchsten Stufe hat er alle möglichen Klassen durchlaufen und erklärt zum Beispiel auch, warum Partien unter unerfahreneren Spielern oft schwerer zu leiten sind als jene unter Profis. Dieses Buch (auch wenn das erste Kapitel abgesehen vom unterhaltsamen Einstieg ein wenig trocken daherkommt) ist wohl für ein größeres Publikum nützlich, als man annehmen würde. Nicht nur der eingefleischteste Fußballfan und Stadiongeher findet hier etwas für sich, auch weniger stark Fußballbegeisterte Menschen oder teilweise auch welche ohne genaues Wissen zu diesem Sport können von diesem Buch profitieren. Denn auch wenn Meier seine Erfahrungen widergibt, die vor allem auf dem Platz stattfinden, erklärt er dennoch auch immer wieder Dinge abseits dessen und dann wird es insgesamt interessant für all jene, die eine Führungskraft sind, eine solche werden wollen oder einfach ein paar Tipps lesen möchten, wie sie selbst entschlossener auftreten könnten und Entscheidungen schnell fällen und vertreten können.
Bei allem, was Meier vor, während und nach der Karriere als Schiedsrichter tut und tat, war und ist er mit Herzblut dabei und das transportiert diese Lektüre auf wunderbar angenehme Weise. Nie wirkt ein Abschnitt aufgesetzt oder verbissen, aber die Energie dahinter spürt man als Leser. Man merkt auch, welche Punkte Meier besonders am Herzen liegen und mit seiner Fachkenntnis untermauert er seine Kritik am System, ohne oberlehrerhaft oder besserwisserisch daherzukommen.
Meiers flotter, angenehmer Erzählstil wird von einem Vorwort (Jürgen Klopp) und zwei Gastkommentaren ergänzt, die unter anderem dadurch eine amüsante Note zum Buch beitragen, weil sie Szenen, die Meier selbst auch schildert, aus einem anderen Blickwinkel aufgreifen.
Wenn er nicht gerade ein Buch schreibt, ist Urs Meier hauptsächlich als Redner und (TV-)Experte unterwegs. Ich (als Österreicherin) würde mir wünschen, dass er auch einmal einen Kurs mit den österreichischen Fußballschiedsrichtern macht, die könnten sicher einiges vom ihm übernehmen und so noch besser werden.

Bewertung vom 14.06.2016
Fuchskind / Gesine Cordes Bd.2
Wieners, Annette

Fuchskind / Gesine Cordes Bd.2


ausgezeichnet

Gesine Cordes, ehemalige Kripobeamtin und nun Friedhofsgärtnerin mit bewegter Vergangenheit, findet an ihrem Arbeitsplatz einen ausgesetzten Säugling. Sie kann das kranke Kind retten und erfährt noch später an diesem Tag, dass neben dem Kind und ihr noch jede Menge anderer Personen im und um den Friedhof anwesend waren. Eine Leiche wird gefunden und Gesines Exmann taucht auf.
Nun geht es nicht mehr nur um die Frage, wer das Kind ausgesetzt hat, sondern auch, ob und wie die anderen Umstände damit in Zusammenhang stehen.
Mit kurzen, fesselnden Abschnitten erzählt die Autorin einen Fall mit viele Fäden, losen Enden und einem dicken Ende der ganzen Geschichte. Zu Beginn naheliegende Vermutungen werden mehrmals über den Haufen geworfen und früher scheinbar unbeteiligte Personen geraten in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Wie Gesine und Marina Olbert, Leiterin der Mordkommission, darf und soll der Leser nebenbei seine eigenen Fäden durch die Ereignisse spinnen und versuchen, die verschiedenen Taten und Personen zu verbinden. Und ohne es zu wollen, scheint letztlich Gesines Exmann einen der entscheidenden Tipps zu geben.

Fast unmerklich verknüpft Annette Wieners hier, abgesehen von Mord, einige illegale beziehungsweise heikle und traurige Themen der Gesellschaft miteinander: Kinderhandel, Prostitution, Halbwaise, Kindstod, illegale Vereine, Depression, verschmähte Liebe, Spionage,… Doch durch das erwartbare gute Ende wirkt der Krimi dann doch nicht so düster, wie es jetzt klingen mag. Doch spannend ist er auf jeden Fall, was mich dazu animiert hat, mir noch das erste Buch mit Gesine zu besorgen, „Kaninchenherz“.

Bewertung vom 09.06.2016
Wenn du mich tötest
Winter, Karen

Wenn du mich tötest


ausgezeichnet

Eines der klassischen Rezepte für Krimis geht auch in diesem Buch gut auf: Ein Mann, der eine neue Beziehung eingeht, verschweigt ein einschneidendes Erlebnis aus seiner Vergangenheit. Die Frau kommt später durch eigene Recherchen dahinter und stellt ihn zu Rede.
Soweit so üblich. Dummerweise tut Laura Tahn dies auf einer Urlaubsreise mitten in Schottland. Und verschwindet bald darauf. Trotz der merkwürdigen Umstände ringt sich ihr Mann, Julian Tahn, dazu durch, die Polizei zu verständigen und Laura als vermisst zu melden. Dem Detective, John Gills, aus Inverness kommt der deutsche Urlauber reichlich suspekt vor und nach ein paar Indizien forscht er in dessen Vergangenheit und bringt das ans Licht, was auch Laura schon gefunden hatte. Kurz darauf wird in einer Bucht nahe des Ferienortes der Tahns eine weibliche Leiche angespült.
Ein mentales Katz- und Maus-Spiel beginnt. Mehr als eine Fährte bieten sich an und der Leser kann mit Gills und den Polizisten vor Ort in der Sandwood Bay ermitteln, rätseln, verurteilen und falsch liegen. Was geschah nun vor so vielen Jahren? Und was passierte in der Sandwood Bay? Wo ist Laura Tahn und lebt sie überhaupt noch?
Dieser Krimi (die Bezeichnung Psychothriller ist einfach falsch!) lässt den Leser selbstreflektieren und sich fragen, wie weit Ehrlichkeit gehen sollte und wie viel eine Beziehung, so gut sie auch von außen scheinen möge, aushalten kann.
Auf der anderen Seite wird auch die Ermittlungsarbeit beleuchtet und der Druck sowie der Alltag dieser fiktiven schottischen Exekutive in den Mittelpunkt gestellt. Eine Ungenauigkeit, ein Fehler, kann weitreichende Konsequenzen haben.
Die Autorin schafft es, durch kurze Abschnitte und Wechsel der Schauplätze, Spannung zu erzeugen und diese hochzuhalten. Sie widmet der Gefühlswelt des Ehepaars viel Platz, aber auch der Detective ist kein Superheld und wird für den Leser greifbar, mit ihm kann man gut mitfühlen. Ein Krimi, der sich sicher auch in einem oder wenigen Rutschen auslesen lässt.
Gut gefällt mir auch die Umgebungskarte vorne im Einband. Leider sind nicht alle erwähnten Ort verzeichnet.

Bewertung vom 04.06.2016
In der ersten Reihe sieht man Meer
Kobr, Michael;Klüpfel, Volker

In der ersten Reihe sieht man Meer


ausgezeichnet

Viele Lacher und auch ein paar Aha-Erlebnisse begleiten den Leser durch dieses Buch. Dieses „Urlaubs-Buch“ des Krimi-Duos Klüpfel/Kobr ist in vielerlei Hinsicht unterhaltsam und für den einen oder anderen vielleicht noch lehrreich. Die einen, die sich zur beschriebenen Zeit selbst in Italien einen schönen Sonnenbrand geholt haben, werden sich oder die Nachbarn oder andere Urlaubsgäste wiedererkennen. Doch auch für jüngere Leser, die in den Neunzigern als Kinder auf solche Urlaube mitgenommen wurden, erkennen vieles wieder. Und wer weiß, einiges ist wohl auch heute noch so auf dem „Teutonengrill“.
Für diejenigen, die vielleicht bald mit der eigenen Familie an den italienischen Sandstrand wollen und dorthin, wo „eh jeder hineinma….“, mag das Buch eine Anleitung bieten, wie man sich nicht unbedingt verhalten sollte. Alexander Klein, kurz vor einem ebensolchen Urlaub mit Familie, Eltern und Schwester, schläft ein und findet sich in seiner Jugend wieder. Seine Eltern sind plötzlich jünger und diejenigen, die das Sagen haben. Mit dem Geist eines Ü40-Jährigen im Körper eines U15-Jährigen durchlebt er diesen Urlaub zwischen bunten Jogginghosen, deutschem Essen in Italien und Nussöl aus Österreich erneut, gibt dem Ganzen aber durch sein natürlich anderes Verhalten eine neue Wendung, was ihm zunächst gar nicht bewusst ist.
Mit Witz und einer Prise Selbstironie (die verwendeten Fotos sind allesamt aus den privaten Alben der Autoren) führen Klüpfel und Kobr dem Leser alles vor Augen, was ein Italienurlaub so braucht, nicht zu vergessen bravouröse Italienischkenntnisse der Beteiligten („Palazzi“, „Agentzia“). Nicht zu vergessen schriftliche Annäherungsversuche der Einheimischen an die Urlauber: „Kaffee vonne Vilter“ oder „Berline Waise mit Schus“.
Das Cover ist wirklich liebevoll gestaltet, auch dem Thema angemessen als altes Fotoalbum und es liegt ein Kofferanhänger darauf. Diese kleinen Details setzen sich im Inhaltsverzeichnis fort, denn alle Kapitelüberschriften sind Liedtitel oder Liedzeilen.