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Blubie
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Schönau

Bewertungen

Insgesamt 179 Bewertungen
Bewertung vom 16.06.2022
Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit
Jovanovic, Gianni;Alashe, Oyindamola

Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit


ausgezeichnet

Ich bin Schnellleserin, aber dieses Buch musste ich in kleinen wohlportionierten Happen konsumieren, weil es mir die Luft abgedrückt hat. Alltagsrassismus in Deutschland ist mir nicht fremd, ich weiß dass er existiert, ich weiß das nicht aus eigener Erfahrung, aber ich erlebe es durch meine PoC Freunde mit. Wie stark allerdings Rom*nja und Sinti*zze auch heute noch mit strukturellem Rassismus konfrontiert sind - also durch Landesverbände, Behörden, Schulen, Ärzte - ist eine Schande und hat mich tief betroffen gemacht.
Aber Gianni Jovanovic klagt nicht jammernd an, er schüttet kein Pech und Schwefel über die Täter aus, er belehrt nicht unangenehm mit erhobenem Zeigefinger... er berichtet charmant und mit viel Humor. Er ist eine starke und selbstbewusste Persönlichkeit und hat seinen Weg (beruflich wie persönlich) gemacht - raus aus der beengenden und bestimmenden Familie, raus aus der Sonderschule, raus aus allen Konventionen.
Sein Humor und seine versöhnende Art sind es, die mir das Lesen über all die schrecklichen Dinge leichter gemacht hat, er richtet seinen Humor auch durchaus gegen sich selbst und das macht ihn umso sympathischer.
Nicht nur erzählt er seine bewegende Biografie als homosexueller Rom, aufgewachsen in einem sehr traditionellen Familienverband, sondern auch viel über die Lebensweise der Rom*nja und Sinti*zze, über das Leid das das menschenverachtende Regime des sogenannten Dritten Reichs über sein Volk gebracht hat und das bis ins Jetzt nachwirkt und tiefe Spuren hinterlassen hat.
Ganz wunderbar zu Papier gebracht hat das alles seine gute Freundin und Mitaktvistin Oyindamola Alashe.
Mich hat das Buch - auch aus persönlichen Gründen - enorm bereichert und ich möchte es jedem offenen Menschen sehr ans Herz legen.

Bewertung vom 15.06.2022
Das Geschenk der Adlerin
Alge, Daniela

Das Geschenk der Adlerin


ausgezeichnet

Vier ehemalige Freundinnen, die sich vor zwanzig Jahren ein Zimmer im Internat teilten, haben einander nach dem Abitur aus den Augen verloren. Aus ihnen wurden vier grundunterschiedliche Frauen, die aber jede für sich schwere Lasten zu tragen haben.
Da kommt es genau richtig, dass eine von ihnen die Idee zu einem Treffen hat - eine beschwerliche Bergwanderung mit Übernachtung in einer Hütte.

Daniela Alge führt uns langsam Kapitel für Kapitel an die vier Protagonistinnen heran. Immer tiefer tauchen wir in die Figuren ein, wir ahnen höchstens, was jeder einzelnen widerfahren ist.
Das Aufeinandertreffen der vier Frauen hat mir sehr gut gefallen, da es enorm Realistisch dargestellt ist: von anfänglicher Sekpsis über Euphorie und späterer (unter den Strapazen der Wanderung) Zickigkeit ist alles vorhanden... wie das eben so ist, wenn so unterschiedliche Frauen aufeinander treffen. Man kann sich gut mit mindestens einer der Frauen identifizieren, manche Gedankengänge nachvollziehen, oder kennt zumindest einen der Charaktere aus dem eigenen Bekanntenkreis.
Der nächtliche Seelenstriptease in der Hütte geht teilweise an die Nieren, manches hat man während des Lesens langsam vermutet, anderes trifft einen mit der ganzen Härte.
Letztendlich aber tun diese vier ehemaligen Freundinnen, das was Frauen immer tun, wenn sie einmal alle Bedenken von sich werfen... sie trösten einander, geben Kraft und sind empathisch.

Ein Buch das nachdenklich macht und bei dem man sich fragt, ob man eigentlich das Leben lebt, das man immer schon leben wollte. Und die Beschreibung der Bergwanderung macht enorme Lust, sich selbst mal wieder in luftige Höhen zu begeben.

Bewertung vom 13.06.2022
Wodka mit Grasgeschmack
Mittmann, Markus

Wodka mit Grasgeschmack


ausgezeichnet

"Natürlich weiß mein Vater mehr, als er jemals erzählen wird."

Markus Mittmann hat in seinem Roman die Erlebnisse seiner Eltern und Großeltern während der Vertreibung aus dem ehemaligen Schlesien verarbeitet. Aber er bündelt darin nicht einfach nur die skizzenhaften Erinnerungen seiner Eltern, die damals noch Kinder waren, sondern er schreibt auch über das schwere Erbe, das die Generation danach mitträgt.

So schwer und dramatisch diese Thematik auch ist, Markus Mittmann verpackt sie in einem Schreibstil, der seinesgleichen suchen muss.

".... Weil mir überall diese Gekreuzigten auffallen, mit ihren alten und frischen Wunden, Narben sowieso. Du brauchst nicht tief zu graben, nur leicht zu kratzen und stehst metertief im Jammertal.... "

Zwischendurch immer wieder Sätze, die einen schmunzeln lassen. Und so lässt sich diese Erzählung, die einen ziemlich bedrücken kann, leichter lesen.

Mittmann ist ein grandioser Beobachter der kleinen Alltäglichkeiten, aber auch der großen Emotionen, die unter der Oberfläche lauern. Es war ein Hochgenuss für mich, seinen Gedanken zu folgen, weil alles so zutreffend formuliert ist.

Sehr oft habe ich mich direkt angesprochen gefühlt, als Tochter von Kriegseltern. Ich konnte in vielen Sätzen meine eigenen Eltern wiederfinden, aber auch bei den Gedankengängen und Ängsten, die ihn selbst plagen und verfolgen - eben das Erbe dieser traumatisierten Generation.

Dies ist definitiv ein Buch, das viel Aufmerksamkeit verdient - es ist ein Stück unverfälschte Geschichte Deutschlands und zeigt dem Leser einmal mehr wieviele Einzelschicksale unter diesem furchtbaren Krieg entstanden sind, wieviel Leid daraus geboren wurde.

Absolute Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 12.06.2022
Die Freundinnen vom Strandbad - Wellen des Schicksals / Die Müggelsee-Saga Bd.1
Heiland, Julie

Die Freundinnen vom Strandbad - Wellen des Schicksals / Die Müggelsee-Saga Bd.1


gut

Selten habe ich mich so schwer getan ein Buch zu bewerten...

Ich fange mal mit den positiven Dingen an:

Der Schreibstil ist extrem gefällig, man kommt super durch die Geschichte und trotz der über 600 Seiten ist man schnell durch.

Der Plot an sich hat viel Potential, er fühlt sich authentisch an, nimmt ordentlich an dramatischer Fahrt auf, die Charaktere sind sympathisch und man kann mitleiden und mitfiebern.

Soweit so gut.

Aaaaber:

Die Atuorin wollte unbedingt jedes DDR relevante Thema unterbringen, aufgeteilt auf eine handvoll miteinander verknüpfter Figuren. Das ist künstlerisch gesehen nachvollziehbar, aber es führt dazu, dass einfach viel zu viel auf einmal passiert. Soviel Tragödie hält kein einzelner Mensch aus. Und es führt mehrmals dazu, dass die Geschichte unlogisch und unstimmig wird. Da heisst ein während des Zweiten Weltkrieges geborener junger Mann "Ronny" - Haken dran, Ronny, Mandy, Cindy... hätten wir also erledigt.

Zweimal passt die Vita nicht in die Historie... um das genauer zu erklären müsste ich spoilern, aber als Beispiel: ein Junge der eigentlich mindestens 18 Jahre sein muss, wird beim genaueren Nachrechnen grade mal 14.

Ich denke das ist ebenfalls dem Umstand geschuldet, einfach jede Thematik unterzubringen, egal ob es nun passt oder nicht. Die Hauptschuld allerdings sehe ich beim Lektorat, dem das auffallen hätte müssen und die Autorin leider nicht kompetent beraten hat.

Das führte - zumindest bei mir - dazu, dass ich nach und nach alles angezweifelt habe. Das waren die Dinge, die mir negativ auffielen... wieviel wurde da noch zurechtgebogen oder erfunden, damit es irgendwo noch rein passt. Da ich kein DDR Experte bin, kann ich das nicht beurteilen... war aber dann zunehmend skeptisch beim Lesen... schade.

Deswegen fällt es mir schwer eine echte Leseempfehlung auszusprechen.

Bewertung vom 12.06.2022
I Kissed Shara Wheeler
McQuiston, Casey

I Kissed Shara Wheeler


sehr gut

(Rezension meiner Tochter)
—------

‘I Kissed Shara Wheeler’ erzählt die untypische Liebesgeschichte mit mystery Elementen, zwischen den akademischen Rivalinnen Chloe Green und Shara Wheeler, die durch eine aufwendig gestaltete Schnitzeljagd versucht, ihre chaotischen Gefühle zu verarbeiten.

Genau wie in Casey McQuistons Roman ‘One Last Stop’, den ich vor fast einem Jahr gelesen hatte, findet sich auch hier McQuistons typischer Humor wieder, sowie viele Insider der Queer-Community, bei denen man definitiv merkt, dass eine queere Person diesen Roman geschreiben hat!

Auch bei diesem Buch ist es mir zunächst etwas schwer gefallen reinzukommen, so wie bei ‘One Last Stop’ auch. Anfangs hatte ich Probleme mich mit den Charakteren zu recht zu finden, da man direkt in das Geschehen geworfen wird.

Das Dranbleiben lohnt sich aber definitiv, denn nach dem ersten Viertel kommt die Story erst richtig in Fahrt und ich war kaum in der Lage das Buch aus der Hand zu legen.

Die Schnitzeljagd war spannend zu verfolgen und die Zusammenstellung der ermittelnden Charaktere aus Jock, Rebell und E-Boy war zunächst eine lustige und chaotische Mischung, die sich aber im Laufe der Geschichte als komplexer als zuerst angenommen entpuppte.

Außerdem setzt sich der Roman auch mit der Thematik auseinander, wie es für queere Jugendliche ist, in einem hauptsächlich streng christlichen Umfeld großzuwerden und wie man sein Queersein mit seiner Religion vereinbaren kann, ein Thema mit dem einige Jugendliche zu kämpfen haben.

Ein absolutes Highlight für mich waren mal wieder die Interaktionen zwischen den vielfältigen, queeren Charakteren. Insider und Unterhaltungen, wie ich sie aus meiner eigenen queeren Freundesgruppe kenne- ob es die Cottagecore-Lesbians sind, oder die Nutzung des Wortes ‘gender’ als Adjektiv.

‘I Kissed Shara Wheeler’ ist ein Buch, welches ich Leuten empfehlen würde, die viel Zeit im Internet verbringen, Fans der ‘Enemies-to-Lovers’ Trope sind und sich dringend nach interessanten, komplexen und queeren Romanzen zwischen Frauen sehnen!

Bewertung vom 10.06.2022
Nordstadt (eBook, ePUB)
Büsing, Annika

Nordstadt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ohne Kitsch und Schmalz und dennoch zart und berührend, auf nur 123 Seiten - 123 sehr intensiven Seiten.
Boris, der wegen der Nachässigkeit seiner Mutter an Kinderlähmung erkrankte und Nene, die eine lieblose gewaltsame Kindheit und Jugend durchleben musste.
Nene erzählt - in kurzen prägnanten Sätzen, nicht geradlinig und manchmal sehr derb - aus ihrem Leben, von Momentaufnahmen. Es ist als würde man ihr Tagebuch lesen oder einen langen Brief. Beim Lesen kann man ihre Gefühle, ihre Unsicherheit, ihre Gemütslage und - ja - auch ihre Stärke spüren.
Ein tolles kleines Buch, das allerdings einen Eindruck hinterlässt als wäre es mindestens 400 Seiten stark.

Bewertung vom 10.06.2022
Die hundert Jahre von Lenni und Margot
Cronin, Marianne

Die hundert Jahre von Lenni und Margot


ausgezeichnet

Dieses Buch hat geschafft, was Bücher selten bei mir schaffen... ich habe stellenweise geweint.
Was für ein einfühlsames, bewegendes und ausserordentlich kluges Buch.
Auch wenn es sich bei Lenni und Margot um zwei Personen handelt, die kurz vor dem Tod stehen, so ist dieses Buch dennoch so voller Lebensfreude.
Diese beiden Frauenfiguren, die einander trotz des großen Altersunterschieds so Nahe kommen, sind Charaktere, die man so schnell nicht wieder vergessen wird.
Ihre Freundschaft und ihre unterschiedliche Sicht auf das Leben - das sind Dinge, die inspirieren, Mut machen und die eigene Sicht auf Dinge ändern können.
Und doch ist dieses Buch an keiner Stelle ein lästiger Lifecoach, es ist an keiner Stelle kitschig, nirgendwo dick aufgetragen... es ist einfach nur ein tolles Buch, das die unterschiedlichsten und intensivsten Gefühle in einem weckt.
Hollywood hat schon eine Verfilmung geplant und ich hoffe, dass es dem Buch gerecht wird.

Bewertung vom 08.06.2022
Klänge einer neuen Zeit / Die Radioschwestern Bd.1
Wagendorfer, Eva

Klänge einer neuen Zeit / Die Radioschwestern Bd.1


ausgezeichnet

Dieses Buch hat mich einfach umgehauen und meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Eva Wagendorfer ist ein Paradebeispiel dafür wie man als Autorin perfekte Unterhaltung liefern kann. Ich bin begeistert!
Bei historischen Romanen bin ich mittlerweile schon so skeptisch, weil ich halt so viele schlecht recherchierte Bücher gelesen habe, oder die Atmosphäre der Zeit nicht auf mich übersprang.
Hier aber gelingt es Eva Wagendorfer nicht nur das alte Frankfurt wieder auferstehen zu lassen, sondern man ist von der ersten bis zur letzten Seite einfach in den 20er Jahren und zweifelt keine Sekunde daran. Da ich zehn Jahre in Frankfurt gelebt habe, hatte ich bestimmte Plätze plastisch vor Augen und dazu das Flair der Wilden 20er.
Ein unheimlich entzückendes und charmantes Buch hat mich da zwei Tage lang in seinen Bann gezogen und ich durfte illustre und liebenswerte Charaktere kennen lernen und in den aufregenden Alltag des damals noch so neuen Mediums Rundfunk abtauchen. An keiner Stelle war es langweilig oder langatmig.
Besonders toll fand ich die Kapitelanfänge, da befindet sich immer eine Radiomeldung aus der Zeit im Zusammenhang mit starken Frauen... und danach eine kurze Erklärung. Viele Namen waren mir ein Begriff, andere waren neu für mich.
Dieses Buch hat mich nicht nur außerordentlich gut unterhalten, sondern auch sehr bereichert.
Genau so schreibt man exzellente Unterhaltung!

Bewertung vom 24.05.2022
Leichdorf
Rauh, Wolfgang

Leichdorf


ausgezeichnet

Wolfgang Rauh hat mit diesem Buch einen astreinen und stimmigen Horror-Thriller hingelegt, der seinesgleichen suchen muss. Und er hat etwas geschafft, das viele Autor:innen des Genres (leider manchmal auch Altmeister Stephen King) oftmals nicht schaffen: ein tolles und schlüssiges Ende! Ich bin ja mittlerweile ein abgebrühter erwartungsloser Leser, aber wenn ein Buch das Niveau bis inklusive Ende hält, dann bin ich begeistert und hin und weg.

Der Ort Leichdorf mitsamt Leichwald und seinen Protagonisten sind düster und beklemmend. Leichwald hat schon viele Tote gesehen, die Charaktere sind allesamt gezeichnet durch Verlust, Krankheit und Traumata, und doch wird es nicht zuviel, nicht unglaubwürdig. Es sind Personen wie du und ich und das macht die Stimmung umso nachvollziehbarer.

Ich liebe dieses Buch

Bewertung vom 20.05.2022
Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1
Gray, Gloria;Felder, Robin

Zurück nach Übertreibling / Vikki Victoria Bd.1


ausgezeichnet

Eine trans Frau als Ermittlerin - noch dazu im tiefsten Bayern? Ja, darf das denn sein? Ja, das darf sein, denn die Autorin Gloria Gray ist selbst eine trans Frau und Vikki Victoria wohl ihr literarisches Alter Ego.

Eine Gaudi war's, das Buch zu lesen und das obwohl ich Regionalkrimis gar nicht so mag. Vikki erzählt uns rasant und im lockeren Plauderton was passiert ist: Morddrohung durch einen entflohenen Häftling, Entführungen, das Aufeinanderprallen zweier Gangs - volles Programm halt... und wenn ich sage Plauderton, dann meine ich das so. Diesen Krimi zu lesen war tatsächlich wie jemandem zuzuhören, der ohne Punkt und Komma plappert und dabei einen Gag nach dem anderen raushaut, teilweise bitterböse und manchmal politisch unkorrekte Satire. Da wird mit allem abgerechnet: mit dem Fernsehen, der Gesellschaft, Machos, Internet... alle bekommen sie ihr Fett ab.

Eigentlich ist die Krimihandlung gar nicht so wichtig - wenn auch spannend, aber nicht wirklich unvorhersehbar. Wichtig ist Vikki, die schillernde liebenswerte parttime V-Frau, die die Sache lieber selbst souverän in die Hand nimmt, als alles der Polizei zu überlassen.

Wer Satire mag, wird dieses Buch lieben... wer Bayern mag - sowieso!