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Buchstabenträumerin
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Hier blogge ich über Jugendbücher und Romane der verschiedensten Genres: https://buchstabentraeumerei.wordpress.com.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2016
Lilac und Tarver / These Broken Stars Bd.1
Kaufman, Amie;Spooner, Meagan

Lilac und Tarver / These Broken Stars Bd.1


sehr gut

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Das Buch bietet im Grunde alles, was ich erwartet habe, und hatte sogar noch einige Überraschungen in petto. Trotzdem bin ich nicht vollkommen hingerissen, denn für eine richtig gute Dystopie fehlen mir einfach ein paar Dinge. Ich hätte mir zum Beispiel mehr Erzählperspektiven gewünscht, so dass auch andere Facetten dieser „neuen“ Welt beleuchtet werden. Auf jeden Fall hätte ich mich über ein paar Informationen zur historischen Entwicklung gefreut. Ich finde es immer interessant und wichtig zu erfahren, wie sich die jeweiligen fiktionalen Zukunftsszenarien entwickeln.

Stattdessen ist der Leser urplötzlich mittendrin – ein Sprung ins kalte Wasser sozusagen, sporadische Erklärungen müssen genügen. So setzte ich mir Seite für Seite die Puzzleteile zusammen und versuchte gleichzeitig der Geschichte zu folgen. Dadurch gestaltete sich der Anfang für mich eher zäh, zumal die Spannung auf sich warten ließ.

Erst nach dem Absturz geschah vieles, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Die Atmosphäre ändert sich erst schleichend und beinahe unbemerkt, bis das, was ein reiner Überlebenskampf war, plötzlich eine ganz neue Dimension erhält. Ab da hatte mich die Geschichte von Amie Kaufman und Meagan Spooner im Griff. Es wurde unheimlich geheimnisvoll und diese völlig unerwartete Wendung im letzten Drittel erst! Das Weiterlesen lohnte sich.

Schreibstil

Erzählt wird die Geschichte im Wechsel von Tarver und Lilac. Hier gefiel mir besonders Tarvers verzweifelt-humorvolle Sicht: seine Beschreibung der Lage, seine Beobachtungen und seine Einstellung zu Lilac. Zwischen den Kapiteln sind zudem Extrakte aus einem Verhör eingebunden, dem sich Tarver im Nachhinein stellen muss. Hier äußert er sich über die Zeit nach dem Absturz der Icarus und gibt sich humorvoll bis sarkastisch. Diese kurzen Auszüge waren ein Genuss und ich freute mich auf jedes Kapitelende. Darüber hinaus ist der Schreibstil wenig auffällig.

Charaktere

Tarver hatte sich direkt ein Plätzchen in meinem Leserherz gesichert. Er ist realistisch und ein Kämpfer, gleichzeitig aber auch ein sensibler Poet. Er ist ein Familienmensch, übt sich aber gleichzeitig darin, Einzelgänger zu sein. Diese Zerrissenheit wurde sehr gut beschrieben, so dass ich Tarver beim Lesen immer vor Augen hatte. Ein äußerst lebendiger Charakter.

Lilac hingegen wirkte im Vergleich etwas blasser auf mich. Man erfährt viel über sie, ihr Leben, ihre Beziehung zu ihrem Vater – eine wirkliche Nähe entstand aber trotzdem nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich ihre Beweggründe manchmal nicht nachvollziehen konnte. Es fehlte an Emotionalität, sie ist immer beherrscht und nur selten legt sie diesen Schutzpanzer ab.

Die Dynamik zwischen Lilac und Tarver ist anfangs sehr stereotypisch. Ich musste an Han Solo und Leia denken: die Streitereien, denen eine deutliche Anziehungskraft zugrunde liegt – das ist schon sehr ähnlich. Nichtsdestotrotz gefielen mir beiden zusammen gut und die Beziehung belebt die Erzählung.

Fazit

Ein spannender Auftakt einer Dystopie, die einige überraschende Wendungen bereithält. Stellenweise ausbaufähig, aber aufgrund der Thematik so interessant, dass ich gerne dranbleibe.

Bewertung vom 31.07.2016
Für einen Sommer und immer
Leuze, Julie

Für einen Sommer und immer


gut

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Auf den ersten Seiten war ich ehrlich gesagt ziemlich schockiert und fassungslos. Ich rechnete mit einer ähnlich feinfühligen Story wie in „Sternschnuppenträume“ und wurde stattdessen mit einer sehr vorhersehbaren Geschichte im Stil von Traumschiff und Rosamunde Pilcher konfrontiert. Beinahe hätte ich es abgebrochen, da ich einer derart platten Erzählung nichts abgewinnen kann. Die Charaktere, der Plot, die Dialoge – einfach alles ließ zu wünschen übrig.

Dann jedoch wendete sich das Blatt allmählich und mein Interesse war wieder geweckt. Denn die anfangs ziemlich naiv und unsympathisch durch die Szenen stolpernde Protagonistin Annika entwickelt sich doch noch recht angenehm. Die einfallslose Geschichte wird um bewegende Einsichten reicher, je mehr sich Annika mit ihrem Leben auseinandersetzt. Zwar kommen diese Erkenntnisse sehr rasch und ich stellte mir des Öfteren die Frage, weshalb sie nicht schon früher etwas an ihrem Leben geändert hat, nichtsdestotrotz waren diese Momente geprägt von ehrlicher und reifer Ernsthaftigkeit.

Die Auseinandersetzungen mit den eigenen Wünschen, unter anderem natürlich auch ausgelöst durch den Tod von Annikas Mutter, waren intensiv und ließen mich mitfühlen. Julie Leuze ist das Thema Leben mit den jeweils von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen ganz reflektiert angegangen und hat mich letztendlich doch berührt. So wurde „Für einen Sommer und immer“ völlig unerwartet nach dem holprigen Anfang noch zu einem sommerlichen Lesevergnügen.

Schreibstil

Die Dialoge waren anfangs beinahe unerträglich. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Es wirkte wie heruntergeleiert, als würden Darsteller im Film ihren Text nur aufsagen, ohne etwas dabei zu empfinden. Kennt man alles aus Daily Soaps und besagten TV-Sendungen. Damit konnte mich die Autorin überhaupt nicht überzeugen. Doch in gleichem Maße, wie die Geschichte interessanter wurde, entsprach auch der Schreibstil später immer mehr meinem Geschmack. Gut fand ich vor allem, wie die Gedanken von Annika bezüglich ihres Lebens auf den Punkt gebracht wurden. Hier kam der Sinn für Feinheiten zum Vorschein, den ich an Julie Leuze bereits zu schätzen gelernt hatte.

Charaktere

In der ersten Hälfte des Buches ist Annika eine Protagonistin, die ich nicht weniger hätte leiden können. Sie gibt sich so stark und ist dabei so schwach. Sie lässt sich viel zu leicht von ihrer Familie und ihrer Freundin lenken und beeinflussen. Das geht so weit, dass sie völlig aus den Augen verliert, was sie eigentlich möchte. Am liebsten hätte ich ihr mal kräftig die Meinung gesagt. Nun, vielleicht habe ich das auch ein wenig während des Lesens

Bewertung vom 28.07.2016
Liebe ist was für Idioten. Wie mich
Schoder, Sabine

Liebe ist was für Idioten. Wie mich


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Es ist ja so eine Sache mit den Erwartungen. Oder vielmehr mit übersteigerten Erwartungen. Ich ärgerte mich während des Lesens immer wieder so sehr, dass ich nach den zahlreichen Lobeshymnen nicht weniger voreingenommen lesen konnte und ein einzigartiges Meisterwerk erwartete. Natürlich wurde ich enttäuscht.

Aber: Ein äußerst gelungenes Jugendbuch ist es auf jeden Fall. Denn es behandelt Probleme, Sorgen und Nöte sowie Gefühle der jugendlichen Charaktere mit einer ungekünstelten Ernsthaftigkeit und Direktheit, dass es einen sofort mitreißt. Autorin Sabine Schoder hat darauf geachtet, dass ihre Geschichte authentisch und lebensnah ist. Nichts wirkt überzogen. Damit hatte sie mich schon auf den ersten Seiten für sich gewonnen.

Darüber hinaus lebt „Liebe ist was für Idioten. Wie mich“ von seinen Charakteren. Sie füllen das Buch mit Drama, Herz und Schmerz. Hinzu kommt ein gut konstruierter Spannungsbogen. Ich fieberte in jeder Zeile mit, obwohl sich einige Entwicklungen früh ahnen ließen. Allein das Ende machte mich nicht ganz so glücklich. Zwar wurde ich hier sehr überrascht, doch ich hätte mich mit einem anderen Ausgang etwas mehr anfreunden können.

Schreibstil

Erzählt wird konsequent aus der Sicht von Viki. Es ist ihre provokante Stimme, die uns von ihrem schwierigen Alltag und ihren bitteren Erfahrungen, aber auch von ihren Hoffnungen erzählt. Die Autorin verleiht ihr eine enorm ausdrucksstarke und pointierte Stimme, die einen so schnell nicht mehr loslässt.

Charaktere

In die Charaktere von Jay und Viki konnte ich wunderbar eintauchen. Sie sind detailliert gezeichnet und sie ergänzen sich harmonisch. In Jay sieht Viki anfangs nur den Rocker, der die Frauen flachlegt. Doch entgegen dieses ersten Eindrucks ist er in Wirklichkeit nachdenklich, schweigsam und feinfühlig. Ich mochte ihn sehr. Viki fand ich jedoch um einiges spannender. Sie ist wie ein Panzer. Sie hat Mauern um sich herum errichtet, um ihr Leben verkraften zu können. Die Art, wie sie mit Situationen, Menschen und Gefühlen umgeht, war zu jeder Zeit nachvollziehbar. Eine hervorragende Charakterentwicklung.

Fazit

Ein derart sensibles, ehrliches und gefühlvolles Buch habe ich lange nicht mehr gelesen (auch wenn meine Erwartungen an das Buch tatsächlich noch höher gewesen waren). Nach diesem Debüt kann ich es kaum erwarten, ein weiteres Werk von Sabine Schoder in den Händen zu halten.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2016
Jackaby Bd.1
Ritter, William

Jackaby Bd.1


gut

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Der Vergleich von „Jackaby“ mit Sherlock Holmes drängt sich in dieser Geschichte geradezu auf. Beide gehen ihren Ermittlungen mit der gleichen Passion, Präzision, Intelligenz, Eigensinnigkeit und Kompromisslosigkeit nach. Dabei ist Jackaby, ebenso wie Sherlock, etwas weltfremd und auf emotionaler Ebene schlicht vollkommen inkompetent. Abigail hingegen verkörpert die weibliche Version des Watson – sie ist bisweilen hilflos und überrumpelt von den rasanten Schlussfolgerungen, aber immer darum bemüht, Jackaby nach bestem Ermessen zu helfen. Denn Jackaby und sein Arbeitsfeld üben auf sie eine Faszination aus, der sie sich nicht entziehen kann.

Obwohl das Buch von William Ritter vor fantasievollen Ideen sprüht und auch sehr spannend ist, packte es mich nicht wie erwartet. „Jackaby“ wirkte auf mich eher amüsant und ein bisschen wunderlich. Mir fehlte es einfach an etwas – mehr Hintergrundinformationen, lebendigeren Charakteren und vor allem Gefühl. Es wird zwar über Gefühle gesprochen, ich konnte sie jedoch nicht nachempfinden. Der Schwerpunkt liegt für meinen Geschmack zu sehr auf seltsamen Wesen und übernatürlichen Erscheinungen, und lässt dabei die genannten Punkte außer Acht.

Zudem ahnte ich trotz einiger überraschender Entwicklungen gegen Ende leider schon recht früh, wer der Täter war. Alles in allem also eine ganz gute Story, die mich aber nicht zu 100 Prozent überzeugen konnte.

Schreibstil

Der Schreibstil zeichnet sich besonders durch die Schlagfertigkeit von Jackaby und auch Abigail aus. Das hat viel dazu beigetragen, dass ich unabhängig von Schwächen in der Story sehr gerne am Buch dranblieb. Der Wortwitz, die humorvollen Dialoge, der launige Umgang Jackabys mit der Polizei – das alles entlockte mir viele Schmunzler und Lacher.

Durch diesen ironischen Ton konnten Emotionen für meinen Geschmack aber leider nicht besonders gut transportiert werden. So verharren Verliebtheiten in einer nüchternen Betrachtung und die Charaktere wirken stets ein wenig unnahbar. Das fand ich sehr schade, denn ich war ungeheuer neugierig auf Jackaby und Abigail.

Charaktere

Wie bereits gesagt, weisen die Charaktere von Jackaby und Abigail starke Ähnlichkeit mit ihren Vorbildern Sherlock und Watson auf. Stellenweise wirkte das auf mich etwas einfallslos, nichtsdestotrotz verlieh Autor William Ritter beiden auch eine frische Note – insbesondere in ihren Dialogen. Schön empfand ich die sich nebenher entwickelnde eigentümliche und zarte Freundschaft zwischen den beiden.

Richtig warm wurde ich mit den Charakteren Abigail und Jackaby allerdings nicht. Sie hatten wenig Profil, kaum Tiefe, und so konnte keine Nähe entstehen. Besonders bei Jackaby hätte es sich aber sicherlich gelohnt, mehr in die Tiefe zu gehen. Er scheint ein interessantes Leben gehabt zu haben. Wie erfuhr er von seinen Fähigkeiten? Wie erging es ihm anfangs damit? Stattdessen wurde ich als Leser immer auf Abstand gehalten.

Fazit

Eine durchaus amüsante und unterhaltende Geschichte, die mich aber nicht vollständig überzeugen konnte. Das lag hauptsächlich an den Charakteren, die noch mehr hätten ausgearbeitet sein können, sowie an einer Story, die mir persönlich zu wenig Hintergrundinformationen bot. Für alle, die fantasievolle Detektivgeschichten mögen, ist dieses Erstlingswerk aber nicht zu verachten!

Bewertung vom 10.07.2016
Wenn der Sommer endet
Fowley-Doyle, Moira

Wenn der Sommer endet


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Es gibt einige Worte, die diese wundervolle Geschichte hervorragend beschreiben: Sie ist geheimnisvoll und ungewöhnlich. Mysteriös, verwunschen und märchenhaft. Aber auch rätselhaft, düster und beunruhigend. Sie zog mich in einen seltsamen Bann, von dem ich bis zum Ende vollkommen gefangen genommen wurde. Selten gibt es Bücher, die mich so sehr über die aktive Lesezeit hinaus beschäftigen – dieses Buch aber ließ mich einfach nicht los. Meine Gedanken schwirrten ständig um die Frage, was es mit dieser dunklen Zeit auf sich hat. Und wer ist Elsie?

„Wenn der Sommer endet“ erinnerte mich an den Film „The Sixth Sense“. Diese dichte Atmosphäre und das stets vorhandene, subtile Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass nichts so ist, wie es es scheint. Wir begegnen sonderbaren Wesen – auf der Straße, in Fotografien, Träumen und Spiegelungen. Fast wirkt es, als verberge sich unter der Oberfläche der realen Welt eine ganz andere, unbekannte Dimension. Oder sind es gar keine Geister, sondern Einbildung und Wahnvorstellungen? Geklärt werden diese Fragen bis zum nicht ganz überraschenden, aber dennoch mitreißenden Ende nicht, obgleich vieles Verborgene ans Tageslicht kommt.

Im Laufe der Geschichte fühlte ich mich stellenweise wie in einem Traum gefangen. Die Stimmung war energiegeladen und beklemmend, wie die schwüle Hitze an Sommertagen, ehe sich die Luft in einem Gewitter entlädt. Das Buch lebt von dieser eigen- und einzigartigen Stimmung sowie – und das fand ich wirklich enorm gelungen – von einer wunderschönen Liebesgeschichte.

Schreibstil

Die Autorin erzählt ihre Geschichte aus Sicht von Cara und mit übersprudelnder Fantasie. Sie wechselt übergangslos und harmonisch zwischen dem realen Leben der Geschwister Cara, Alice und Sam und deren Freundin Bea sowie unwirklichen, entrückten Momenten. Diese zwei erzählerischen Ebenen – die eine magisch-märchenhaft, die andere realistisch – sind besonders prägend für das Werk von Moira Fowley-Doyle: Die Grenzen verschwimmen zunehmend, sie ergänzen sich und verleihen verdrängten Gefühlen und Erfahrungen Ausdruck. Das fand ich ungeheuer spannend. Das Unterbewusstsein lässt Erlebtes in verzerrter, übernatürlicher Form aufleben. Dadurch gewinnt „Wenn der Sommer endet“ sehr an Intensität.

Charaktere

Cara erzählt von diesem einen Monat im Leben ihrer Familie – der dunklen Zeit. Cara, Alice und Sam sind mit dem Wissen um die Gefahren in dieser Zeit aufgewachsen, haben sie aber nie hinterfragt. Diese Unsicherheit und Ratlosigkeit ist in Worten, Blicken und Gesten sehr greifbar. Gleichzeitig sind sie recht empfänglich für alles Magische und Sonderbare, lassen sich beispielsweise von ihrer Freundin Bea die Karten legen. Zwischen den vier Jugendlichen herrscht eine starke Dynamik, die mir sehr gefiel. Die Charaktere sind hervorragend ausgearbeitet und jeder für sich interessant. Cara und Sam stachen für mich persönlich besonders hervor.

Die Mutter, so ahnt man es nach einer Weile, scheint mehr über die dunkle Zeit zu wissen. Doch sie hält an ihren Geheimnissen fest. Überhaupt spielen Geheimnisse eine große Rolle, unausgesprochen und verdrängt, so dass es ihn Wahrheit sie sind, die der wichtigste Charakter in diesem Buch sind.

Fazit

Ein faszinierendes Buch! Sehr intensiv, aufregend und wunderschön. Aufgrund der Vielschichtigkeit möchte ich es am liebsten gleich nochmal lesen. Ich habe jeden Moment damit genossen. Absolut empfehlenswert!

Bewertung vom 29.06.2016
Alles, was ich sehe
Curtis, Marci Lyn

Alles, was ich sehe


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Ein blindes Mädchen, das auf einmal einen Jungen sehen kann? Klar, dass ich schon nach den ersten Seiten unbedingt wissen wollte, wie diese Geschichte weitergeht. Das Thema an sich ist einfach schon so ungewöhnlich und die Umsetzung hat mir zudem ebenfalls von Anfang an gefallen.

Marci Lyn Curtis beschreibt das Schicksal einer Erblindung äußerst sensibel und realistisch. Außerdem beleuchtet sie den Zwiespalt eines Teenagers im Kontakt mit seinen Eltern. Einerseits will Maggie geliebt und beachtet werden, andererseits fühlt sie sich vollkommen fremd und losgelöst von Familie und auch Freunden. Erst der Kontakt zu Ben ermöglicht es ihr, einen Weg aus dieser verfahrenen Situation zu finden und lässt sie Mut fassen, mit ihrer Situation umzugehen.

Mir gefiel sehr, dass sich die Probleme von Maggie nicht in einem Wimpernschlag lösen lassen, dass es einiger Anstrengung bedarf und eigenen Einsatz erfordert. Das gilt im Grunde für alle Charaktere, die alle ihren Teil an Sorgen mit sich tragen. Sie sind interessante Gegenparts zu Maggie und bereichern die Geschichte. Mehr noch: Die Geschichte lebt quasi von den Charakteren – von Maggie und ihren Eltern, Ben und Mason sowie den Freundinnen von Maggie. Es ist folglich nicht nur die Geschichte der erblindeten Maggie, sondern eine Geschichte über Familien, die Schicksalsschläge erlitten haben, deren Träume zerplatzten und was danach zurückbleiben kann: Leere, Schweigen und Trauer.

Der übernatürliche Aspekt fügt sich dabei ganz harmonisch in die ansonsten sehr realistische Geschichte.

Schreibstil

Die Autorin erzählt ihre Geschichte aus der Perspektive von Maggie mit viel Schwung, humorvoll und locker. Das passt zum Charakter des Mädchens. Die Ausdrucksweise ist umgangssprachlich und angenehm authentisch jugendlich. Was mir besonders ins Auge fiel, waren die witzigen, aber vor allem äußerst klugen und treffsicheren Vergleiche. Das oben genannte Zitat ist eines von vielen Beispielen. Stellenweise war der Text zwar etwas zu angehäuft damit, doch das ist übergreifend gesehen kein Minuspunkt.

Charaktere

Maggie… Mein Güte, Maggie ist wirklich ein Charakter! Sie ist schlagfertig, kratzbürstig, launisch und einfach nicht nett. Ich mochte sie anfangs überhaupt nicht, mochte ihre Art nicht und ihre Sprüche noch weniger. Trotzdem spürt man im Verlauf des Buches ihre riesige Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit, danach, von ihren Eltern beachtet zu werden und wieder sehen zu können.

Die Familie war vor der Erkrankung und der Erblindung eine Einheit, nun sind sie drei Einzelteile, die einfach nicht zusammenfinden wollen. Es herrscht eine große Distanz zwischen den Eltern und Maggie – jeder hat seine Last zu tragen und geht damit auf seine Weise um. Dass das nicht immer die richtige Art ist, ahnen sie zwar, doch das Verhalten zu ändern, ist manchmal nicht so einfach. Was erst als mit Fantasy angehauchtes Jugendbuch beginnt, entwickelt sich zu einem vielschichtigen Familienporträt und einer sensiblen und glaubwürdigen Coming-of-Age Geschichte.

Was mich besonders begeistert hat, war die richtig gut gelungene Charakterentwicklung von Maggie. Die Autorin hat sich enorm gut in sie eingefühlt und arbeitet sich von A bis Z durch die vielen Schichten bis an den Kern ihrer Gefühle und Ängste heran. Dies zu beobachten war sehr berührend.

Fazit

Ich bin schlichtweg begeistert von „Alles, was ich sehe“. Für mich ist es eines dieser Bücher, das wirklich und wahrhaftig mit jeder Seite besser wird! Eine Entdeckung in diesem Lesejahr.

Bewertung vom 21.06.2016
Ein ganzes halbes Jahr / Lou Bd.1
Moyes, Jojo

Ein ganzes halbes Jahr / Lou Bd.1


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Tetraplegie und Suizidhilfe sind selten das Thema in einem Roman. Doch in „Ein ganzes halbes Jahr“ greift Jojo Moyes genau diese beiden Motive auf und erzählt die Geschichte von Tetraplegiker Will, der seinen Lebensmut verloren hat – bis er Lou begegnet, die ihn aufmuntern und unterstützen soll. Da ich selbst kaum weder dieser Form der Querschnittslähmung vertraut bin, noch etwas über die Folgen und Komplikationen weiß, war das allein schon ein sehr interessanter und aufwühlender Aspekt des Buches. Die Autorin geht in die Tiefe und erzählt von den Einschränkungen, den Schmerzen, den Risiken und auch den – im Fall von Will – dadurch hervorgerufenen Depressionen.

Das alles geschieht in sehr ruhigen Tönen und äußerst gefühlvoll, ohne dabei kitschig zu werden. Moyes ist immer mit großem Ernst und Respekt bei ihren Charakteren und deren Gefühlen. Daher konnte ich sofort mit Will mitfühlen und seine Wut, seine Trauer und seinen dringenden Wunsch, Suizid begehen zu wollen, nachempfinden. Außerdem lässt sich Jojo Moyes Zeit mit ihrer Erzählung, und das wird dem fordernden und sicherlich auch strittigen Thema gerecht.

Der Roman hat zwar über 500 Seiten, doch das nahm ich kaum wahr. Die Seiten flogen nur so an mir vorüber. „Ein ganzes halbes Jahr“ ist sowohl traurig und feinfühlig als auch kraftvoll, eindringlich und lebensbejahend. Einziger Kritikpunkt meinerseits ist, dass die Tetraplegie allzu oft als Spannungselement genutzt wird. Die Geschichte entwickelt sich nicht unabhängig davon, stattdessen werden gezielt bestimmte Komplikationen eingestreut, die die Geschichte vorantreiben. Das hätte sicherlich auch ohne funktioniert, denn so wird die Tetraplegie zu sehr Mittel zum Zweck für die Entwicklung der Story und des Charakters von Lou.

Schreibstil

Erzählt wird aus der Perspektive von Lou, wodurch der Leser ihr natürlich ganz nah ist. Aufgrund von Lou’s Art wird die Geschichte besonders zu Beginn in beschwingtem Ton erzählt, humorvoll und bisweilen auch ein wenig unbedarft. Erst später kommen die ernsten Töne hinzu, wenn Lou’s Verständnis und ihre Gefühle für Will als Freund wachsen.

In der zweiten Hälfte des Buches kommen weitere Erzählperspektiven hinzu: Pfleger Nathan, die Eltern von Will und Lou’s Schwester. Sie bringen andere Denkweisen zum Thema mit ein und lassen „Ein ganzes halbes Jahr“ vielschichtiger werden. Parallel dazu spitzt sich die Situation zu. Es erscheint dadurch, als würde Lou die Kraft für eigene Worte verlieren.

Charaktere

Lou hat mich anfangs ziemlich aufgeregt. Sie ist mit 26 beziehungsweise 27 Jahren furchtbar naiv, ziellos und unfähig und zweifelt ständig an sich selbst. Wie kann es zum Beispiel sein, dass sich jemand in diesem Alter und im Jahr 2009 in England nicht ansatzweise mit Computern auskennt? Im weiteren Verlauf legte sich diese Naivität und Ziellosigkeit ein wenig, so dass sie ein angenehmerer Charakter wurde.

Will hingegen gefiel mir von Anfang an. Er ist sarkastisch, traurig und wütend da er sich nicht mit seiner Situation abfinden kann. Man spürt seine Zerrissenheit, wenn er mit Lou zusammen ist und glückliche Momente erlebt, diese aber für ihn persönlich immer von seiner Lähmung überschattet werden.

Die Familien von Will und Lou könnten nicht unterschiedlicher sein. Die eine chaotisch, liebevoll und fröhlich, die andere distanziert und jegliche Gefühle unterdrückend. Beide waren gut ausgearbeitet und bildeten einen guten Rahmen um die Protagonisten.

Fazit

Eine sehr emotionale Geschichte, die mich berührt hat, und ein Thema, das einen auch nach dem Lesen nicht mehr loslässt. Eine Leseempfehlung von mir!

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2016
Origin. Schattenfunke / Obsidian Bd.4
Armentrout, Jennifer L.

Origin. Schattenfunke / Obsidian Bd.4


gut

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

„Origin: Schattenfunke“ knüpft unmittelbar am Ende von Band 3 an. Katy gelang die Flucht nicht und sie befindet sich nun in den Händen von Daedalus, während Daemon natürlich außer sich ist vor Sorge. Angesichts dieser aussichtlos scheinenden Lage herrscht eine bedrückende, hoffnungslose und gleichzeitig explosive Stimmung.

Der Leser lernt Daedalus in all seinen Facetten kennen und erfährt, dass es sich um eine äußerst vielschichtige Organisation handelt. Wie bei einer Zwiebel kommen immer neue Ebenen hinzu, was natürlich sehr spannend ist. Dennoch wurde ich nicht so sehr in den Bann der Geschichte gezogen wie in den Bänden 1 bis 3. Dieser ganz besondere Sog, den ich bisher erlebte, blieb aus. Sicherlich trug die Trennung von Daemon und Katy ihren Teil dazu bei – sie fehlten mir als unschlagbares Duo.

Wie erhofft wurde es besser, als sie dann zusammen waren. Lediglich die Liebesszenen gerieten mir ein wenig zu unecht. Und sie wirkten angesichts der verzweifelten Lage etwas deplatziert. Die Handlung nahm gerade wieder an Fahrt auf, da wollte ich eher wissen, wie es denn nun weitergeht. Auf den letzten Seiten wird es nämlich ziemlich rasant, inklusive völlig unerwarteter Wendungen.

Was mit insgesamt sehr gut gefiel war, dass nichts und niemand zu 100 Prozent gut oder zu 100 Prozent schlecht dargestellt wurde – alles hat seine guten und seine schlechten Seiten. Das gilt sowohl für die Ziele von Daedalus, als auch für Entscheidungen, die von Daemon, Katy und den anderen getroffen werden.

Schreibstil

Jennifer L. Armentrout fasst die großen Gefühle in noch größere Worte. Das mag ich durchaus sehr gerne. Hinzu kommen der wunderbare Humor und die Schlagfertigkeit der Charaktere. Diese Kombination machte für mich einen Großteil des Charmes der ersten drei Bände aus. Doch in diesem 4. Band lag mir zu wenig Humor in den Worten, die Lockerheit wich einer beständigen Besorgtheit. Mir fehlte der Ausgleich, auch wenn dieser Mangel an Humor der Lage natürlich nur mehr als gerecht wird.

Charaktere

Es kommen sehr spannende und tolle Charaktere hinzu. Archer beispielsweise habe ich sofort in mein Herz geschlossen. Er hat so eine ruhige und beherrschte Art, steht Daemon in Sachen Humor jedoch in nichts nach. Eine tolle Kombination. Auch Luc spielt glücklicherweise eine größere Rolle. Seinen Charakter fand ich ebenfalls vom ersten Moment an enorm spannend.

Katy und Daemon haben sich wenig entwickelt. Katy ist stark und standhaft wie schon in Band 3, Daemon ist nach wie vor in jeder Lebenslage leidenschaftlich. Schön fand ich, wie Daemon und Katy unabhängig voneinander über ihre Beziehung reflektierten: Wo stehen wir gerade? Wohin entwickeln wir uns, wohin wollen wir uns entwickeln? Das war eine Bereicherung.

Fazit

Eine spannende Fortsetzung, die einen Schwerpunkt auf die Fortentwicklung der Geschichte legt. Allerdings konnte mich Band 4 an einigen Stellen nicht ganz so packen wie die Bände zuvor. Den letzten Band erwarte ich hingegen mit großer Neugier – hier wird alles anders!

Bewertung vom 03.06.2016
Nach dem Ende / Young World Bd.2
Weitz, Chris

Nach dem Ende / Young World Bd.2


sehr gut

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Band 2 startet mit hohem Tempo und sehr viel Action – ganz so also, wie wir es bereits aus Band 1 „Young World – Die Clans von New York“ gewohnt sind. Ein Teil der Spannung wird mit relativ einfachen und bewährten Mitteln erzeugt, das heißt aber nicht, dass sie weniger wirkungsvoll sind. Vor allem in der ersten Hälfte habe ich kräftig mitgefiebert.

Hinzu kommt, dass die Handlung sich in eine komplett neue Richtung entwickelt. Die Handlung wird um neue Blickwinkel und Erkenntnisse sowie politische Überlegungen ergänzt, wodurch der zweite Band sehr an Komplexität gewinnt. Weltweite Auswirkungen und Wechselwirkungen der Katastrophe treten in den Fokus. In der zweiten Hälfte des Buches drohte allerdings eben diese Komplexität die Handlung zu verlangsamen. Stellenweise wurde sie für meinen Geschmack zu stark ausgebremst und ich hatte Schwierigkeiten mein Interesse im gleichen Maße wie zu Beginn aufrechtzuhalten.

Es ist wohl einfach eine Gratwanderung – und vielleicht auch typisch für einen Zwischenband -, dem Leser eine neue inhaltliche Ebene vorzustellen und zu erläutern und gleichzeitig die Spannung beizubehalten. Da gerät die Action unweigerlich ein wenig ins Hintertreffen. Ich vermute jedoch stark, dass Band 3 wieder durchgehend mitreißend ist.

Schreibstil

Jefferson und Donna, die beiden Protagonisten, erzählen überwiegend aus der eigenen Perspektive. Hinzu kommen wenige weitere Charaktere, wie Peter und Brainbox. Die Ausdrucksweise ist sehr umgangssprachlich, ironisch, direkt und regelrecht vulgär. Mein Gedanke zwischendurch: Wenn Jugendliche tatsächlich so reden, bin ich ziemlich froh, erwachsen zu sein. Bei einigen Charakteren war mir die Sprache zu derb, glücklicherweise kamen sie aber nicht oft zu Wort.

Sämtliche Actionszenen werden sehr gut beschrieben, sie sind dynamisch und spulen sich wie ein Film vor den Augen ab. Natürlich spürt man auch in Band 2, dass Chris Weitz aus der Filmbranche kommt. Er bringt sehr gerne Schauspieler, Filme und Musiker mit ins Spiel – Brad Pitt beispielsweise hat die Katastrophe zum Glück überlebt! Das ist amüsant, wenn auch manchmal zu viel des Guten.

Charaktere

Jefferson ist bedächtig, ausgeglichen und gutherzig – also so, wie wir ihn aus Band 1 kennen. Auch Donna ist noch ebenso scharfzüngig, mutig und draufgängerisch. Beide haben mir gut gefallen und ihre Entwicklung passt zu den Begebenheiten.

Einige der übrigen Charaktere haben mich mit ihrer Kurzsichtigkeit und Dummheit, ihrer Herz- und Hirnlosigkeit sowie ihrer Gewaltbereitschaft allerdings regelrecht zur Weißglut gebracht. Zum Glück waren es nur wenige Charaktere und sie nahmen auch nur wenig Raum in der Geschichte ein. Sie dienen dem Spannungsaufbau und provozieren den Leser in dieser Hinsicht natürlich ganz bewusst.

Fazit

Band 2 brachte viele neue Erkenntnisse, politische Verwicklungen und Spannung. Die Spannung leidet ein wenig unter dem politischen Kalkül – dieses Element ist jedoch für den Fortgang der Geschichte wichtig. Band 3 könnte spektakulär werden. Und, nur so am Rande, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Reihe verfilmt wird, oder? Sie bietet auf jeden Fall das nötige Material.

Bewertung vom 25.05.2016
Nachruf auf den Mond
Filer, Nathan

Nachruf auf den Mond


ausgezeichnet

Quelle: Buchblog Buchstabenträumerei

Zu Beginn lernen wir Matthew als kleinen Jungen kennen, der mit seiner Familie – seinen Eltern sowie seinem Bruder Simon – Urlaub in Frankreich macht. Diese Zeit wird Matthew’s Leben vollkommen verändern, sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Immer wieder kehren wir dorthin zurück und erleben einzelne Augenblicke, ohne jedoch einen Sinnzusammenhang zu sehen. Was geschah dort? Was ist seither mit Matthew los? Das erfährt der Leser erst am Schluss, einiges lässt sich aber schon vorher erahnen. Hierzu muss ich sagen, dass der englische Titel „The Shock of the Fall“ sehr viel besser zum Inhalt des Buches passt. Er erschließt sich einem erst auf den letzten Seiten, doch er ist der Inbegriff von einfach allem, was Matthew widerfahren ist.

Matthew selbst erzählt als junger Mann rückblickend von seinem Leben. Er ist in der geschlossenen Psychiatrie und bringt seine Geschichte zu Papier. Dabei ähnelt sie einem Flickenteppich, Erinnerungsfetzen verweben sich miteinander. „Nachruf auf den Mond“ liest sich wie ein Lückentext, nur dass man nicht weiß, was in die Lücken passen könnte. Das macht es recht mühsam, stellenweise war ich vollkommen orientierungslos.

Dennoch übte der Roman eine Faszination auf mich aus, der ich mich nicht entziehen konnte. Das lag vor allem an der dichten Atmosphäre, die Autor Nathan Filer schuf. Die Stimmung schwankte ständig – mal war sie medizinisch kalt, dann voll des staubtrockenen Humors, dann wieder geheimnisvoll und entrückt, wie man sich manchmal auf einer Reise in ein unbekanntes Land fühlen mag. Zwischenzeitlich fühlte sich alles falsch an und ich empfand Beklommenheit und Unbehagen. Das klingt zwar alles nicht besonders positiv, doch gerade das war das Spannende!

Schreibstil

Vor allem Dank des sehr gelungenen Schreibstils schafft es Nathan Filer, die Gedanken und Gefühle von Matthew nachvollziehbar und lebendig zu gestalten. Er findet die richtigen Worte für ihn als kleinen Jungen, aber auch für ihn als erwachsenen Mann, der psychisch krank ist. Durch seine Worte entstehen diese Kopf-Welten sehr eindrücklich und authentisch. Erinnerungen sind nicht klar, sie sind verworren und unvollständig. Filer erlaubt sich Lücken und wagt es, den Leser zu verwirren, damit seine Geschichte ganz nah an der Realität bleibt. Ich wurde selten so in eine mir völlig fremde Gedankenwelt hineingezogen.

Charaktere

Matthew steht als Protagonist und Ich-Erzähler natürlich im Mittelpunkt. Lange blieb er mir dennoch fremd. Seine Art zu erzählen, seine von Rissen durchzogenen Erinnerungen, das alles brachte ihn mir nur schwer näher. Das blieb für den Großteil des Romans auch so, zu verdeckt wurde er für mich von anderen Dingen. Mein Fokus wanderte also von ihm weg woanders hin – zu seiner Familie, zu seinem Bruder, zu seinen Beobachtungen und Erfahrungen. Ich versuchte zu verstehen wie es ist, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Erst viel später nahm ich Matthew als Person wirklich war. Ob ich ihn mochte? Schwer zu sagen – und auch irgendwie nicht wichtig.

Die Familie von Matthew ist schwierig. Ein Schicksalsschlag kann das aber wohl mit einer Familie machen. Seit dem Urlaub in Frankreich ist auch sie nicht mehr dieselbe. Doch Filer macht daraus kein Familiendrama, sondern räumt jedem Familienmitglied die Freiheit ein, so zu sein wie er oder sie sein möchte beziehungsweise sein kann. Und trotz aller Belastungen hält die Familie ganz unaufgeregt und selbstverständlich zusammen.

Fazit

„Nachruf auf den Mond“ ist aufwühlend, intensiv, berührend und eindringlich. Kein Buch für zwischendurch, sondern eines, über das es sich nachzudenken lohnt. Faszinierend!