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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
rewa
Wohnort: 
wien

Bewertungen

Insgesamt 361 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2022
Es ist schon fast halb zwölf
Becker, Zdenka

Es ist schon fast halb zwölf


ausgezeichnet

Für Hilde und ihren Demenz kranken Mann Karl steht der unvermeidbare Umzug in ein Altersheim bevor. Obwohl sich Hilde dagegen lange gewehrt hat spürt sie, dass dieser Weg sein muss. Als sie eines Tages am Dachboden eine Kiste mit alten Briefen findet, die sie und Karl sich zwischen 1938 und 1945 geschrieben haben, kommen viele Erinnerungen in ihr hoch. Zwischen ihrer Verlobung, ihr getrenntes Leben wegen Karls Arbeit in Berlin und dem beginnenden Krieg, sind viele Dinge geschehen, die sie heute noch belasten und Hilde weiß, dass sie nur dann in Frieden leben kann, wenn sie die Schatten der Vergangenheit endlich hinter sich lassen kann.
In dem Roman ,,Es ist schon halb zwölf“ hat die Autorin Zdenka Becker über 500 Briefe, die sie auf ihrem Dachboden gefunden hat literarisch aufgearbeitet und den Leser auf eine spannende Zeitreise mitgenommen.
Die beiden Protagonisten Hilde und Karl haben sich in den vielen Jahren der Trennung mit ihren Briefen und Karten gegenseitig auf dem Laufenden gehalten und versucht ein kleines Stück Nähe und Verbundenheit auf diese Art zu bewahren.
Da beide aus einfachen Verhältnissen stammen wirken gerade zu Beginn die Inhalte nicht sehr abwechslungsreich. Es wird über alltägliche und banale Dinge geschrieben und der Wunsch endlich heiraten zu können. Gerade diese Einfachheit hat aber seinen besonderen Reiz und zeigt, dass es ihnen einfach nur darum gegangen ist, dass sie voneinander hören und wissen, dass es dem anderen gut geht.
Man merkt auch als Leser, wie sich bei beiden das Stimmungsbild gegenüber des Krieges geändert hat. Besonders Karl macht dabei eine große Entwicklung durch, wo ihm die Erlebnisse und Ereignisse des Krieges noch viele Jahre nach Kriegsende , nicht los lassen.
Aber auch Hilde erlebt dabei Dinge, die sie verdrängt hat und die sie nicht einmal Karl erzählt hat.
Die Geschichte wechselt dabei immer wieder zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, wo die Autorin sehr behutsam und liebevoll den Umgang zwischen der betagten Hilde und ihrem kranken Mann erzählt hat.
Der Titel ,,Es ist schon halb zwölf“ findet sich immer wieder in den Briefen, die Karl an Hilde geschrieben hat und er passt wunderbar zu der Geschichte.
Tatsächliche geschichtliche Ereignisse, menschliche Tragödien und die Hoffnung, auf ein friedliches Leben bilden den Rahmen des berührende Romans, wo der Leser eintauchen kann in eine Jahrzehntelange Ehe, die geprägt war von Entbehrungen, Selbstzweifel, Angst, aber auch von Hoffnung und Willenskraft, dass man gemeinsam vieles schaffen kann.

Bewertung vom 29.03.2022
Halterberg. Spannender Entwicklungsroman: Kann das Kindheitstrauma überwunden werden? Familiengeschichte in den 60er- und 70er Jahren geschickt mit der Gegenwart verwoben
Schreiber, Mart

Halterberg. Spannender Entwicklungsroman: Kann das Kindheitstrauma überwunden werden? Familiengeschichte in den 60er- und 70er Jahren geschickt mit der Gegenwart verwoben


ausgezeichnet

Für Gustav kommen viele schlimme Kindheitserinnerungen hoch als er erfährt, dass die verhasste Nachbarin von früher in das gleiche Pflegeheim einzieht in der nun seine Mutter lebt. Er erinnert sich an Dinge, die er bisher versucht hat zu verdrängen, aber die Vergangenheit holt ihn unaufhaltsam ein. Und so muss er sich wohl oder übel mit Erinnerungen auseinander setzen die geprägt sind von einem herzlosen Elternhaus, Mobbing der Nachbarskinder und erstes sexuelles Erwachen zu Vera der Nachbarstochter, die eines Tages spurlos verschwindet und er verdächtigt wird etwas damit zu tun zu haben.
Der Roman ,,Halterberg“ ist eine spannende und sehr emotionale Reise in die 60er- und 70er Jahre wo der Autor Mart Schreiber es exzellent schafft, speziell die älteren Leser in ihre eigene Kindheit zurück zu versetzen. Gerade das ,,einfache“ Leben von damals wird dabei gut beschrieben und die bildhafte Sprache lässt den Leser wunderbar in die Welt von Gustav eintauchen.
Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen, die sich ständig vermischen und somit einen wunderbaren Einblick in die Gefühlswelt von Gustav bieten.
Es ist interessant zu lesen, wie die Erinnerungen der verschiedenen Protagonisten sich voneinander unterscheiden. Gustav ist dabei der tragische Held, der vieles erdulden und erleiden musste und mit all seinen Problemen, Sorgen und Ängsten immer alleine war.
Selbst im Erwachsenen Alter haben es nicht einmal die Geschwister von Gustav geschafft, dass sie sich Halt und Unterstützung geben. Viele widersprüchliche Erinnerungen von damals haben es nie wirklich zugelassen geschwisterliche Nähe und Zuneigung aufkommen zu lassen.
Die Geschichte ist von viel Tragik, Boshaftigkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt, die die Handlung sehr spannend und vor allem sehr lebhaft gemacht hat.
Auch als Erwachsener schafft es Gustav nicht wirklich die Schatten seiner Vergangenheit abzuschütteln. Seine traumatischen Erlebnisse von Früher lassen auch ihn immer wieder anders handeln, als er im tiefsten Inneren eigentlich will.
Das unerwartete Ende hat mich traurig gemacht, aber so soll ja ein guter Roman sein, dass man bis zum Schluss nicht weiß, wie die Geschichte enden wird.

Bewertung vom 08.03.2022
Blinder Spiegel
Jamal, Salih

Blinder Spiegel


gut

Zwei Menschen, die sich in Paris begegnen und eine kurze, aber heftige Affäre beginnen. Das ist Lui, der als Fluglotse ständig unterwegs ist und es nie schafft sich länger zu binden. Und Elle, deren Mann als Unternehmer sie in einen goldenen Käfig sperrt und seine masochistischen Triebe brutal an ihr auslebt. Beide wissen, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft geben kann und wird und das Schicksal hat schon längst die Karten für sie gemischt.
,, Blinder Spiegel“ ist ein Roman in 5 Akten, in der der Autor Salih Jamal seine Protagonisten lieben und leiden lässt. Eine tragische Liebesgeschichte, die in Paris spielt und man dank der bildhaften Beschreibung vom Leben der Menschen mit ihren alltäglichen Handlungen ein schönes Stimmungsbild präsentiert bekommt. Man spürt das besondere Flair, das diese Stadt umgibt und passt gut zu der Geschichte rund um Lui und Elle.
Wie immer verzaubert der Autor seine Leser mit einer poetischen, berührenden und tiefsinnigen Gedankenweise. Da kommt es dann ganz unvermutet wenn man einen ,,Stilbruch“ vorgesetzt bekommt, in dem fast schon ordinäre Wörter die Geschichte ausfüllen. Da Lui und Elle ,,krank“ in ihrer Seele sind, da es das Schicksal mit beiden nicht gut gemeint hat, ist es wohl passend, wenn die Ausdrucksweise sich immer wieder ändert. Aber auch heftige Sexszenen kommen unvermutet und trüben ein wenig das Stimmungsbild.
Lui und Elle sind problematische Charaktere, da sie sich auf verschiedenste Art und Weise Schmerzen zufügen, sowohl psychisch, als auch physisch. Manche Szenen waren mir zu schnell abgehakt, vielleicht liegt es daran, dass der Roman nur knapp über 100 Seiten hat. Trotz tragischer Liebe und Hoffnungslosigkeit der Protagonisten ist es mir nicht gelungen einen Zugang zu ihnen zu finden. Beide sind Suchende, die es aber nicht schaffen an ein Ziel zu kommen und manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie es im Grunde auch gar nicht wollen.
Salih Jamal ist ein Jongleur mit Worten, wo er seine Leser verzaubern und gleichzeitig auch erschüttern kann. Auch wenn mich dieses Mal der Roman nicht so überzeugen konnte wie die anderen, so ist er alleine wegen der Sprachgewaltigkeit und Tiefsinnigkeit ein Leseerlebnis.

Bewertung vom 06.03.2022
Simulation (MP3-Download)
Clostermann, Matthias

Simulation (MP3-Download)


ausgezeichnet

Alex Stein, Computerspiele Entwickler scheint es tatsächlich geschafft zu haben. Sein Projekt, dass er mithilfe einer künstlichen Intelligenz und der Steuerung des menschlichen Nervensystems, eine virtuelle Realität erschaffen kann, wo man das Gefühl hat alles tatsächlich zu erleben, scheint Erfolg zu haben. Seine Begeisterung treibt ihn immer öfter selbst in diese Simulation, wo er bald schon nicht mehr weiß, was real und Fantasie ist. Doch bald muss er erkennen, dass er etwas erschaffen hat, das sich selbst weiterentwickelt und sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Was er in der künstlichen Welt erlebt, ist nicht das, was er sich vorgestellt hat und ihm wird klar, dass das Wohl der gesamte Menschheit auf dem Spiel steht.
Der Roman ,, Simulation“ von Matthias Clostermann ist eine spannende Mischung zwischen SF und dystopischen Elementen. Alleine schon das kunstvolle Cover verspricht schon eine ungewöhnliche Geschichte, in der künstlich erzeugte Illusionen eine große Rolle spielen. Die Spannung beginnt gleich von Beginn weg und steigert sich von Seite zu Seite. Man ist als Leser, so wie Alex sofort gefangen in seiner Simulation, die ganz harmlos beginnt. Alles scheint problemlos zu funktionieren. Dabei lässt der Autor tolle Bilder entstehen und wie sich das Projekt weiterentwickelt wird gut beschrieben. Man ist gebannt von der Geschichte und merkt erst im Laufe der Zeit, was Alex hierbei erschaffen hat. Es war auch für mich als Leser ein besonderes Gefühl, wo ich mir gut vorstellen konnte wie es ist in eine Art Traumwelt einzutauchen, wo man all das erleben kann, was man sich wünscht und wonach man sich sehnt. Dass solche Simulationen auch eine gefährliche Droge sein können, hat Matthias Clostermann beängstigend beschrieben. Es ist vor allem ein Roman wo man selber zum Nachdenken beginnt, wie weit man selber gehen würde um in eine virtuelle Welt einzutauchen und man darin so gefangen ist, dass man sein wirkliches Leben um sich herum vergisst. Die Geschichte rund um die KI hat mich fasziniert und ich habe bis zum Schluss mit Alex mitgelitten. Ein interessanter und auch unheimlicher Roman der mir sehr gut gefallen hat.

Bewertung vom 06.03.2022
connect
Mengeler, Thea

connect


sehr gut

Ava erledigt ihren Job in einer Werbeagentur nur mehr widerwillig. Da kommt es ihr gerade recht, dass ihre Freundin Lisa sie zu connect mit nimmt. Wo sie auf Menschen trifft die sich von Computer, Smartphone und sonstigen digitalen Medien abgewendet haben und sich lieber in einer Gemeinschaft mit gleichgesinnten treffen wo alle eng miteinander verbunden sind. Auch wenn Ava zu Beginn noch skeptisch ist merkt sie mit der Zeit, dass sie sich immer glücklicher dabei fühlt und plötzlich erscheint ihr ihr bisheriges Leben als sinnlos und nicht ausgefüllt. Schließlich bricht sie zum Leidwesen ihrer Familie und Freundinnen alle Brücken zu ihrem alten Leben ab und schließt sich connect und dem charismatischen Dev, dem Gründer von connect, an.
Der Roman ,,connect“ von Thea Mengeler erzählt eine beängstigende Geschichte, die durchaus aus dem realen Leben stammen könnte. Nämlich, wie leicht es sein kann einen Menschen ohne körperlicher Gewalt so zu beeinflussen, dass dieser bereit ist sein bisheriges Leben aufzugeben um in eine sektenähnliche Gemeinschaft einzutreten. Man begleitet die Protagonistin und merkt eigentlich selbst nicht, wie geschickt der Verein rund um Dev die Menschen mit Worten und Gedankengängen beeinflusst. Das besondere daran ist immer wieder, dass Devs Beweggründe so eine Gemeinschaft zu gründen gar nicht einmal so abwegig oder schlecht sind. Der Gedanke, dass man sich mehr um sich selbst kümmern soll und man echte Freunde und nicht ,,unechte“ auf Facebook und Co haben soll, werden einem sicherlich auch selbst zu denken geben. Die Menschen leben scheinbar glücklich und zufrieden bei connect. Jeder ist für jeden da, jeder beteiligt sich an den Arbeiten, die im täglichen Leben anfallen mit. Es wird dabei so geschickt manipuliert, dass es mir selbst beim Lesen kaum aufgefallen ist. Im Grunde macht connect dabei sogar einen sympathischen Eindruck, dem auch Ava verfällt. Sie lässt sich dabei relativ schnell vom Gedankengut der Gemeinschaft vereinnahmen und es ist dabei erschütternd, wie sie sich immer mehr von ihrem Leben und ihrer Familie und Freunden entfernt. Fast wirkt sie dabei richtig naiv und ihre Gedanken kreisen nur mehr um Dev und seinen Ansichten. Die Autorin hat dabei sehr gut die Empfindungen von den Menschen bei connect dargestellt und beschrieben. Wie diese dabei systematisch immer mehr abhängig gemacht werden erfährt man im Laufe des Romans, wo man sieht, dass es auch dunkle Seiten dabei gibt. Ein spannender Roman der zeigt, dass wohl niemand davor gefeit ist sich jemanden anzuschließen der geschickt die richtigen Knöpfe drückt und so andere beeinflussen kann, dass sie in einem Strudel gefangen sind, aus dem sie nicht mehr heraus können.

Bewertung vom 06.03.2022
connect
Mengeler, Thea

connect


sehr gut

Ava erledigt ihren Job in einer Werbeagentur nur mehr widerwillig. Da kommt es ihr gerade recht, dass ihre Freundin Lisa sie zu connect mit nimmt. Wo sie auf Menschen trifft die sich von Computer, Smartphone und sonstigen digitalen Medien abgewendet haben und sich lieber in einer Gemeinschaft mit gleichgesinnten treffen wo alle eng miteinander verbunden sind. Auch wenn Ava zu Beginn noch skeptisch ist merkt sie mit der Zeit, dass sie sich immer glücklicher dabei fühlt und plötzlich erscheint ihr ihr bisheriges Leben als sinnlos und nicht ausgefüllt. Schließlich bricht sie zum Leidwesen ihrer Familie und Freundinnen alle Brücken zu ihrem alten Leben ab und schließt sich connect und dem charismatischen Dev, dem Gründer von connect, an.
Der Roman ,,connect“ von Thea Mengeler erzählt eine beängstigende Geschichte, die durchaus aus dem realen Leben stammen könnte. Nämlich, wie leicht es sein kann einen Menschen ohne körperlicher Gewalt so zu beeinflussen, dass dieser bereit ist sein bisheriges Leben aufzugeben um in eine sektenähnliche Gemeinschaft einzutreten. Man begleitet die Protagonistin und merkt eigentlich selbst nicht, wie geschickt der Verein rund um Dev die Menschen mit Worten und Gedankengängen beeinflusst. Das besondere daran ist immer wieder, dass Devs Beweggründe so eine Gemeinschaft zu gründen gar nicht einmal so abwegig oder schlecht sind. Der Gedanke, dass man sich mehr um sich selbst kümmern soll und man echte Freunde und nicht ,,unechte“ auf Facebook und Co haben soll, werden einem sicherlich auch selbst zu denken geben. Die Menschen leben scheinbar glücklich und zufrieden bei connect. Jeder ist für jeden da, jeder beteiligt sich an den Arbeiten, die im täglichen Leben anfallen mit. Es wird dabei so geschickt manipuliert, dass es mir selbst beim Lesen kaum aufgefallen ist. Im Grunde macht connect dabei sogar einen sympathischen Eindruck, dem auch Ava verfällt. Sie lässt sich dabei relativ schnell vom Gedankengut der Gemeinschaft vereinnahmen und es ist dabei erschütternd, wie sie sich immer mehr von ihrem Leben und ihrer Familie und Freunden entfernt. Fast wirkt sie dabei richtig naiv und ihre Gedanken kreisen nur mehr um Dev und seinen Ansichten. Die Autorin hat dabei sehr gut die Empfindungen von den Menschen bei connect dargestellt und beschrieben. Wie diese dabei systematisch immer mehr abhängig gemacht werden erfährt man im Laufe des Romans, wo man sieht, dass es auch dunkle Seiten dabei gibt. Ein spannender Roman der zeigt, dass wohl niemand davor gefeit ist sich jemanden anzuschließen der geschickt die richtigen Knöpfe drückt und so andere beeinflussen kann, dass sie in einem Strudel gefangen sind, aus dem sie nicht mehr heraus können.

Bewertung vom 27.02.2022
Irmas Vormund
Krüger, Bodo

Irmas Vormund


gut

Pastor Arno Breslauer hat schon lange seine Vergangenheit hinter sich gelassen,bis zu dem Tag, als ein Brief aus dem Landeskrankenhaus für Psychiatrie bei ihm eintrifft mit der Bitte, dass er seine Mutter wieder einmal besuchen möchte. Gestresst von seiner Arbeit kommt ihm diese Nachricht nicht gerade gelegen und plötzlich reißen wieder alte Wunden auf und seine Erinnerungen an seine schwere Kindheit kommen wieder hoch. Doch er weiß, dass er sich diesen stellen muss und ein Besuch bei seiner psychisch kranken Mutter deren Vormund er schon seit vielen Jahren ist, ist somit unausweichlich.
,, Irmas Vormund“ ist der autobiographische Roman des Autors Bodo Krüger, der hier sehr intensiv und auch nichts beschönigend seine eigene Lebensgeschichte erzählt. Die Geschichte, dass er bis zu seinem 14. Lebensjahr auf einem Binnenschiff mit seinen Eltern gelebt hat, dass er vom Jugendamt geholt in einem Heim gelandet ist und er später seinen Schulabschluss gemacht hat, bis er als Pastor seinen persönlichen Lebenshafen gefunden hat, wird von Bodo Krüger immer wieder sehr emotional erzählt. An manchen Stellen wiederum hat man eine Distanz gespürt zwischen ihm und seinem Protagonisten, wenn er von Arno als der Vormund gesprochen hat, der sich sogar als Kind schon seiner Mutter gegenüber so bezeichnet hat. Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt und so empfand ich es manchmal etwas störend wenn von der Gegenwart gleich in die Vergangenheit und wieder zurück gewechselt wurde, ohne, dass es klar zu erkennen war. Der Autor hat in dem Roman seine eigene Geschichte aufgearbeitet, wo es bewundernswert ist, dass er trotz Alkoholsucht seines Vaters, der immer wieder Schulden gemacht hat und seiner immer mehr psychisch erkrankten Mutter, die er fast schon als Kind betreut hat, dass er sich selbst aus diesem Sumpf heraus gezogen hat und noch vieles im Leben erreicht hat. Einen richtigen Zugang zu Arno Breslauer konnte ich aber leider nicht finden, da der Erzählstil doch nüchtern war und für mich der Protagonist vor allem seiner eigenen Familie gegenüber wenig Empathie gezeigt hat. Vielleicht liegt das auch daran, dass der Autor selbst unter einer ,,kalten“ Beziehung seiner Eltern gegenüber gelitten hat und somit echte Gefühle schwer zu zeigen sind.
,,Irmis Vormund“ ist ein Roman, wo die Ausdrucksweise und der Erzählstil eher einfach gehalten ist. Der Autor hat dabei so gut es geht all seine Erinnerungen egal ob sie schlecht oder traurig waren, erzählt. Dabei hat er aber auch nie die kleinen schönen Dinge vergessen, die ihm dabei widerfahren sind. Seine Verantwortung, die er bereits als Kind für seine Mutter übernommen hat, haben ihn sein ganzes Leben lang geprägt und dass es ein steiniger Weg bis ins Erwachsenenalter war hat er dabei in dem Roman sehr persönlich erzählt.

Bewertung vom 12.02.2022
Aulaskimo
Ulbricht, Arne

Aulaskimo


ausgezeichnet

Obwohl Xenia nicht begeistert davon ist, ihre beiden kleinen Kinder Linus 7 Jahre und Meret 4 Jahre, eine Station mit der S- Bahn alleine fahren zu lassen, stimmt sie den Vorschlag von ihrem Mann Klaas widerwillig zu. Was soll schon passieren, wenn die Eltern eine Bahn später nehmen und die Kinder wie versprochen auf sie warten werden? Doch eine Störung im Fahrbetrieb verzögert die Abfahrt der Eltern und als sie an der nächsten Station ihre Kinder suchen, sind diese verschwunden. Ein Albtraum beginnt und für viele Stunden bangen Xenia und Klaas um das Leben ihrer Kinder.
,,Aulaskimo“ ist ein spannender und vor allem sehr emotionaler Roman von Arne Ulbricht, der hier wohl mit den Urängsten von Eltern spielt, die ihre Kinder vermissen und nicht wissen, ob sie diese gesund wieder sehen werden. Die Geschichte beginnt ganz harmlos und steigert sich von Seite zu Seite, wo man Zeuge davon wird, wie sich Gefühle und Gedanken im Laufe der Handlung dramatisch verändern. Es war interessant zu lesen wie sich Klaas und Xenia in den paar Stunden der Suche verändern. Waren sie zu Beginn noch bemüht sich gegenseitig Halt und Zuversicht zu geben, so haben sich später Schuldzuweisungen, Hass und auch Aggressivität dazu gesellt. Die Entwicklung die die beiden dabei durchgemacht haben, waren sehr intensiv beschrieben und selbst die beiden Protagonisten waren dabei immer wieder selbst entsetzt, welch negative Gedanken in ihren Köpfen aufgetaucht sind. Es war spannend zu lesen, wie dieses schlimme Ereignis die beiden verändert hat. In dieser Zeit haben aber auch Klaas und Xenia einiges über sich selbst erfahren und haben bemerkt, dass viele ihrer Wünsche und Bedürfnisse im Laufe ihrer Ehe auf der Strecke geblieben sind. Man weiß als Außenstehender nicht, wie man sich selbst in so einer Situation verhalten würde und es war als Leser ein ständiges Auf und Ab der eigenen Gefühle. Besonders gut hat mir dabei auch im Epilog gefallen, dass man die Kinder begleiten konnte, wie sie die vielen Stunden ohne ihre Eltern verbracht haben. Da hat der Autor einen wirklich schönen und emotionalen Abschluss gefunden. Eine Berliner Prise an Lokalkolorit lässt die Atmosphäre noch intensiver erscheinen und passt gut in die Geschichte hinein. ,,Aulaskimo“ von Arne Ulbricht ist ein spannendes Lesevergnügen, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 30.01.2022
Darf´s ein bisserl Mord sein? - Wahre Verbrechen
SInger, Franziska

Darf´s ein bisserl Mord sein? - Wahre Verbrechen


ausgezeichnet

,,Darf`s ein bisserl Mord sein- Wahre Verbrechen“ fragt die Autorin Franziska Singer im gleichnamigen Buch über Verbrechen , die rund um die Welt passiert sind. Egal ob in Deutschland, Österreich oder in den USA gemordet wurde, als Leser war man hautnah dabei bei teils kuriosen und manchmal auch schon sehr skurrilen Geschichten. Die Autorin hat dabei gut recherchiert und wahre Gusto Stückerl dabei herausgesucht. Für manche Leser mag der manchmal nüchterne Schreibstil, der oft an Polizeiprotokolle erinnert vielleicht nicht so gefallen, aber mir hat er sehr gut gefallen, da man dabei das Gefühl hatte der Polizei über die Schultern zu schauen, wie sie Schritt für Schritt dem Verdächtigen auf die Spur kommen. Es sind sowohl berührende und tragische Geschichten dabei, wie auch skurrile und brutale Morde und Verbrechen. So findet man einen kleinwüchsigen Japaner, der gerne Menschenfleisch essen würde, oder fanatische Sektenmitglieder, die selbst vor Misshandlungen nicht zurückschrecken oder Mary, die nichts ahnend ihre ansteckende Krankheit über viele Jahre weitergibt an andere, die daraufhin sogar sterben. Die bunte Mischung der vielen Geschichten hat mir sehr gut gefallen und war eine spannende und interessante Reise in die Welt der Verbrechen und Morde.

Bewertung vom 23.01.2022
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Mayer, Carmen; Gungl, Petra K.; Keller, Yvonne; Nolden, Renate; Polkehn, Edith Anna; Arz, Martin; Scheuermann, Petra; Edelmann, Gitta; Vollenberg, Brigitte; Werner, Ingrid; Willams, Fenna; Raifura, Daniel; Wind, Jennifer B.; Schwarz-Haderek, Dana; Schmid-Spreer, Ursula; Teuner, Jan-Mikael; Brathe, Maiken; Lamberts, Brigitte; Lange, Kerstin; Quinke, Sibyl

Zur falschen Zeit am falschen Ort


ausgezeichnet

Wer kennt das nicht, dass man immer wieder einmal das Gefühl hat am falschen Ort zur falschen Zeit zu sein. So ergeht es auch den Protagonisten in den Kurzgeschichten ,, Zur falschen Zeit, am falschen Ort“ in denen die Autorin und Herausgeberin Brigitte Lamberts gemeinsam mit anderen AutorInnen dieser Frage nachgeht.
Ich mag Anthologien, weil es interessant ist, wie Autoren ihre Intension einer Geschichte ihren Lesern kurz und kompakt näher bringen möchten. Hier ist es 20 AutorInnen wunderbar gelungen sowohl Spannung, Emotionen und Humor in ihren Geschichten unterzubringen.
Man findet berührende Geschichten, die als Hintergrund wahre Ereignisse haben wie den Anschlag auf das World-Trade-Center oder den verheerenden Tsunami der in Thailand viele Todesopfer forderte. Aber auch Geschichten, die zum Nachdenken anregen und zeigen, dass man auch in den eigenen vier Wänden nicht immer am richtigen Ort ist und die Zeit die dabei verloren geht schicksalshafte Wendungen annehmen kann. Trotz Tragik und Verzweiflung in manchen Geschichten findet man immer wieder kleine Hoffnungsschimmer, die zeigen, dass das Leben weitergehen muss und auch kann. Die Kurzgeschichten sind wie kleine Wundertüten, wo man nie weiß, welche Überraschung man darin finden wird. Ein interessantes Thema, das auch immer wieder humorvoll und witzig aufgearbeitet worden ist. Die bunte Mischung der 20 Kurzgeschichten haben wunderbar miteinander harmoniert und ich bin froh, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit an der Leserunde teilgenommen zu haben.