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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 16.03.2021
Kronsnest
Knöppler, Florian

Kronsnest


sehr gut

Kronsnest, ein kleines Dorf in der Elbmarsch in den Zwanziger Jahren. Hannes lebt mit seinen Eltern auf einem kleinen Hof. Die Arbeit ist hart und trotz Schule arbeitet er wie ein Mann. Anerkennung findet er selten. Sein Vater ist ein harter, unberechenbarer Mann, der schnell die Fäuste fliegen lässt, auch Hannes ist sein Opfer. Mehr als einmal liegt er mit Prellungen und Knochenbrüchen nach einer Attacke seines Vaters im Bett. Die Mutter versucht zu vermitteln, den Vater zu beruhigen und Hannes um Verständnis zu bitten. Eine harte Jugend und der Krieg haben den Vater so verändert.

Dann trifft Hannes mit Mara ein junges Mädchen, das so ganz anders ist, als die Mädchen, die Hannes aus dem Dorf kennt. Träumerisch, fantasievoll, mutig, rebellisch – mit Mara bekommt seine Welt einen bunten Anstrich. Aber Mara hat auch andere Seiten, sie schleppt ebenfalls eine Menge Sorgen und Ängste mich sich, die sie doch gut verbergen kann.

Das Buch hat mich Tage nach dem Lesen noch beschäftigt. Ich war hin und her gerissen. Mir gefiel die Sprache des Autors, seine stimmungsvollen Landschafts- und Naturbeschreibungen, die ungeschönte Wirklichkeit auf einem kleinen, alten Bauernhof. Dieser Teil hat eine große Anziehungskraft auf mich gehabt. Womit ich weniger gut zurecht kam, waren die Protagonisten. Anfangs dachte ich noch, dass ihre Handlungsweise nachvollziehen kann, wenn ich sie besser kenne. Aber sie blieben mir fremd. Besonders traf das auf Hannes‘ Mutter zu. Ihre stille, schweigsame Art, ihre Unentschiedenheit störte mich, vielleicht auch, weil ich erwartete, dass sie ihren Sohn besser schützt, verteidigt….

Wobei ich die Wortkargheit durchaus als Stilmittel erkannte. Ein verschlossener Menschenschlag, der alles mit sich selbst ausmacht und Missernten und Schicksalsschläge stoisch hinnimmt. Florian Knöppler lässt dies zwischen den Zeilen anklingen ohne die Gefühle seiner Figuren immer auszuformulieren.

Das war schon eine Herausforderung für mich, aber wenn mich ein Buch so lange beschäftigt und ich mir auch nach dem Lesen immer wieder Gedanken über die Figuren mache, bedeutet es auch, dass der Text etwas in mir angesprochen hat. Insofern war es ein positives Leseerlebnis.

Bewertung vom 15.03.2021
Der gefrorene Himmel
Wagamese, Richard

Der gefrorene Himmel


ausgezeichnet

Richard Wagamese ist ein indigener kanadischer Autor, dessen Buch „Der gefrorene Himmel“ nun auch in deutscher Übersetzung erschien.

Was für ein gewaltiges und wichtiges Buch. Er lässt seinen Protagonisten Saul Indian Horse von seinem Leben berichten. Das geschieht rückblickend, als Saul in einer Suchtklinik in Therapiegesprächen von seiner Vergangenheit berichtet, er will nicht sprechen, er schreibt seine Geschichte auf. So taucht der Leser unmittelbar in sein Leben ein. Die ersten Jahre noch in der Obhut der Großmutter, die das traditionelle Leben der Objiewe aufrechterhalten will. Sauls Eltern sind gebrochene Menschen, beide haben die grausamen kanadischen Residential Schools durchlaufen und nach Großmutters Tod, macht auch Saul seine Erfahrungen mit dieser Institution. Unter dem Deckmantel der Erziehung werden die Kinder den Eltern entrissen, Sprache, Tradition, Kultur – das alles soll ausgemerzt werden. Die Schulen selbst sind Verwahranstalten, ein bisschen Lesen und Rechnen, ansonsten wartet harte Arbeit auf Saul. Er sieht die Kinder an Krankheiten sterben, sieht die Suizide der Mitschüler, die keinen Ausweg mehr sehen, wenn die Übergriffe der Patres zuviel werden. Der kleine, schmächtige Saul findet einen Ausweg im Eishockey, das die Kinder im Winter auf dem gefrorenen Feld spielen. Sein Talent fällt auf, er kommt so einer Pflegefamilie und bald werden auch weiße Talentscouts auf ihn aufmerksam.

Ich konnte dieses Buch nicht aus der Hand legen und musste doch immer wieder Pausen einlegen, sonst hätten mich Grausamkeiten, die Saul er- und überleben muss, überwältigt. Das Buch ist ein Roman, aber wenn man die Lebensgeschichte Richard Wagameses liest, erkennt man durchaus Parallelen. Einen solchen Roman kann man sicher nicht schreiben, wenn man nicht selbst oder aus erster Hand von den Erfahrungen der Indigenen mit den staatlichen Institutionen weiß.

Aber genauso beeindruckend sind die Schilderung der Natur und der arktischen Kälte auf den Natureisflächen, da findet Wagamese wunderschöne, poetische Beschreibungen, die mich durchatmen ließen.

Der Autor klagt nicht an, aber als Leser kann ich nicht umhin, den institutionellen Rassismus zu sehen, den die weiße Bevölkerung sicher noch heute zeigt. Ein bemerkenswertes Nachwort ergänzt den Roman.

Mir fiel auf, dass auch der Gender-Sprache Rechnung getragen wird. So ist der Objiwe Medizinmann ein Medizinmensch, ob das Wagamese im Original so schrieb?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.03.2021
Sieben Quadratmeter Glück
Hahnfeldt, Marion

Sieben Quadratmeter Glück


gut

Der Trend zu Caravan und Wohnmobilen ist ungebrochen, ja sogar immer weiter steigend. Nicht nur für Ferien, gerade während der Beschränkungen waren Urlaubsreisen damit noch länger möglich. Aber immer mehr Menschen wählen den Caravan oder ein Mobilheim zum Zuhause auf längere Zeit.
Sei es als Wohnung bei persönlichen Krisen – wenn Jobverlust oder Trennung zum Verlust der Wohnung führten, oder ganz bewusst als Rückbesinnung auf eine einfachere und auf das Wesentliche reduzierte Lebensform.
Die Autorin macht genau diesen Schritt. Nachdem sie schon ihre große Wohnung gegen eine kleinere tauschte und durch die geringere finanzielle Belastung auch ihre Arbeitszeit reduzieren konnte, ist der Caravan die logische Fortführung. Auf ein Jahr sollte dieses Experiment, von dem sie in ihrem Tagebuch erzählt, angelegt sein.

Ein altes Gefährt im Schick der 90iger Jahre, in Eigenleistung ein wenig aufgemöbelt, wird ihr Zuhause auf Zeit. Der Stellplatz ist eine Parzelle direkt am See auf einem Campingplatz im beginnenden Winterschlaf. Außerhalb der Saison gibt es nur wenige Dauercamper, nur während der Messezeiten, sieht man mehr Besucher. So genießt sie die Stille und das morgendliche Bad im See. Sie muss sich in vielen Dingen umstellen, Ordnung auf 7qm ist unabdingbar. Nur wirklich unverzichtbare Dinge finden ihren Platz, das gilt für Kleidung, genau wie für Hausrat. Allerdings ist die Autorin eine erfahrene Camperin, das ist sicher von Vorteil.

Ein spannender Bericht über eine ungewöhnliche Lebensform, den ich sehr informativ fand. Auch die Begegnungen der Autorin mit anderen Dauercampern und deren Gründe für diese Wohnform sind interessant.
Das Buch bietet im Anhang noch jede Menge praktische Tipps für Camper, wichtigen Adressen, praktische Tipps, Rezepte und vieles mehr. Auch ein Camping-Knigge fehlt nicht und den scheint es auch auf Campingplätzen zu brauchen, wenn man an die Erfahrungen der Autorin mit den Nasszellen denkt.

Für mich war dieser Bericht ein Ausflug in eine andere Lebenswelt, vieles wird für mich nicht in Frage kommen, aber Denkanstöße habe ich mitgenommen. Brauchen wir wirklich so viel von allem? So viel Platz, so viel Energieverbrauch, so viel Kleidung, so viel Hausrat?

Weniger kann manchmal sehr viel mehr sein, das ist mein Fazit aus den Erfahrungen der Autorin.

Bewertung vom 12.03.2021
Wohin die Reise geht
Ferber, Marlies

Wohin die Reise geht


ausgezeichnet

Mit seinen 72 Jahren macht sich Jakob auf den Weg in die Schweiz, sein Sohn drängte ihn 1Million Schwarzgeld zu schmuggeln, da er doch so unverdächtig aussieht. Ohne vom Zweck der Reise und dem Geld zu wissen, begleitet ihn sein Freund Matthias, ein Kriminalbeamter. Schon bei der ersten Pause an einer Autobahnraststätte, nimmt Jakob mit dem großen Herzen, eine ältere, etwas verwirrte Dame mit und die junge Alex mit. Beide haben angeblich ihre Reisegruppe verloren.

Damit beginnt eine abenteuerliche, auch gefährliche Reise, die für alle Beteiligten eine Menge Überraschungen bereithält und ganz neue Freundschaften reifen lässt.

Tilda weiß nicht, wie sie zur Raststätte gekommen ist, immer öfters bemerkt sie Aussetzer, aber bei Jakob fühlt sie sich gut aufgehoben und in Jakob erwacht ein Beschützerinstinkt. Während Matthias über die ungebetenen Reisebegleiter anfangs nicht sehr erfreut ist, erst recht, als er von Jakobs Grund für die Reise erfährt.

Eine humorvolle Reise nimmt nun ihren Verlauf, die auch viele leise und melancholische Momente hat. Während der Fahrt lernen sich die vier Personen kennen, das erfahren wir immer aus der jeweiligen Perspektive und das lässt auch den Leser immer mehr Vertrautheit spüren.

Marlies Ferber entwickelt ihre Figuren sehr behutsam, man spürt die Herzenswärme mit der sie die Charaktere zeichnet. Das ließ mich fast zum Teil dieser Gemeinschaft werden. Sie hat nicht nur eine spannende Geschichte geschrieben – eine ganze Menge Abenteuer müssen alle Vier bestehen – der Leser macht sich auch Gedanken über die Spannungen zwischen den Generationen, die unterschiedlichen Lebensentwürfe, Hoffnungen und Enttäuschungen.

Alex, mit 18 noch ein Teenager, Matthias in der Mitte seines Lebens und Jakob und Tilda schon im letzten Lebensabschnitt, alle wird dies Reise verändern.

Was für eine liebenswerte und schöne Geschichte, die Autorin hat ihr Können ja schon mehrfach unter Beweis gestellt. Die Mischung aus Heiterkeit und Tiefgang, aus Unterhaltung und

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2021
Mordsand / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.4
Fölck, Romy

Mordsand / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.4


sehr gut

Ein behutsamer Beginn lässt die Zeit, die Protagonisten und das Umfeld kennenzulernen und sich die Entwicklung von Frida und Bjarne Haverkorn in Erinnerung zu rufen. Für Neuleser finde ich das sehr gut und obwohl ich alle Bände der Elbmarsch-Serie kenne, ist das eine prima Aktualisierung.

Am Ufer einer Elbinsel hat die Flut ein Skelett freigespült. Kein aktuelles Geschehen, die Knochen liegen seit 30 Jahren im Schlick, aber die Haltung und die Seilreste zeigen, dass es ein Mordopfer war. Dann wird nur wenige Tage danach ein weiterer Toter gefunden, ebenfalls auf eine Elbinsel, die gleiche Haltung, die gleiche Fesselung. Die zweite Leiche führt die Ermittler auf eine erste Spur und die weist in die ehemalige DDR und zwar zu den Jugendwerkhöfen genannten Erziehungsheime. Besonders der Hof in Torgau scheint eher einem Arbeitslager geglichen zu haben, im Volksmund damals auch Margots (Honecker) Kinder-KZ genannt.

Die Autorin lässt ihren Roman auf zwei Zeitebenen spielen, die gegenwärtigen Ermittlungen von Frida und ihren Kollegen ergänzen die Erlebnisse einiger Jugendlicher im Jugendwerkhof zu DDR-Zeiten. Besonders dieser Handlungsstrang ist eindringlich und schwer auszuhalten.

Neben den Ermittlungen lässt Romy Fölck auch Einblicke in Frida und Bjarnes Privatleben zu, vielleicht mehr als in den vorangegangen Bänden, aber immer in perfekter Mischung zu den Ermittlungen. Das hat mir sehr gut gefallen, Frida und Bjarne Haverkorn werden dadurch noch menschlicher. Auch die Ereignisse auf dem Apfelhof der Paulsens sind eine unterhaltsame Ergänzung.

Romy Fölck hat einen sehr wendungsreichen Plot komponiert, der die Spannung kontinuierlich steigern kann. Dabei gefielen mir auch die abwechselnden Erzählperspektiven. Was die Beamten über die Jugendwerkhöfe herausfinden, ist ein interessanter, zeitgeschichtlicher Aspekt, den man mit dem beigefügten Link im Nachwort noch vertiefen kann. Die genaue Recherche der Themen ihrer Kriminalromane finde ich bei der Autorin immer bemerkenswert.

So hat mich auch das neue Buch von Romy Fölck überzeugt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.03.2021
Imkersterben
Brandt, Patricia

Imkersterben


gut

Es könnte so schön in Howacht an der Küste sein, findet Landpolizist Oke. Wenn es da nicht diverse „wenn’s“ gäbe, wie die veganen Experimente seiner Frau, die sich auch schon auf das Angebot der Fischbude ausgewirkt haben. Oder den Kollegen Gott, frisch aus Köln importiert und offensichtlich dem kölschen Dialekt auf ewig verbunden und natürlich auch noch Förster und Hobbyimker Kurt Tietjen, ein unangenehmer Mensch und nun leider tot.

Auch wenn Oke Oltmanns aus Kostengründen nur noch stundenweise die Ein-Mann-Wache besetzt, so hat seine Spürnase noch nicht auf Sparflamme geschaltet. Der Tod Tietjens scheint ihm perfide geplant und es bleibt nicht bei einer Mordtat.

Patricia Brandt hat gleich mehrere Trendthemen in ihrem Krimi verarbeitet. Da sind natürlich an erster Stelle die Bienen, Hobbyimkern ist „in“ geworden. Und das große Insekten-und Bienensterben können inzwischen auch Ignoranten erkennen. Dann ein regionaler Schauplatz, immer besonders landschaftlich reizvoll und kauzige Typen, wie sie nur in so kleinen Dorfgemeinschaften entstehen können.

Leider hat sie für meinen Geschmack zu viel gewollt und vor allem zu viel in ihre Geschichte gepackt. Ich muss gestehen, ich habe über alle die kleinen Einfügungen manchmal den Faden des Krimis kaum noch sehen können. Ihre Figuren sind mir allesamt zu überzeichnet geraten. Der Kölner Beamte Gott, der nur im breitesten Kölsch labert und natürlich ständig „es kütt, wie es kütt“ oder „es is noch alles jott jegange“ anbringt, ein ständig zugedröhnter Souvenirverkäufer mit reichlich Honig im Keller und eine völlig verpeilte Imkerin, die auch den sehr beliebten Urlaubskurs „Wir schreinern unseren eigenen Sarg“ anbietet.

Oke selbst ist Friese wie es aus dem Bilderbuch, etwas langsam und behäbig, aber nicht auf den Kopf gefallen und so bringt er dann auch das Imkersterben zu einem guten Ende.

Brandt schreibt flüssig und humorvoll und so liest sich der Küstenkrimi trotz seiner Schwächen auch ganz unterhaltsam weg.

Bewertung vom 09.03.2021
Dampfer ab Triest
Neuwirth, Günter

Dampfer ab Triest


sehr gut

Mit seinem historischen Krimi „Dampfer ab Triest“ führt der Autor in die Glanzzeit der K&K Monarchie, als Triest eine österreichische Hafenstadt mit großer europäischer Bedeutung war. Hier arbeitet Bruno Zabini als Inspektor 1. Klasse bei der Polizei. Mit seiner österreichischen Mutter und seinem italienischen Vater ist er das beste Beispiel für das Habsburger Völkergemisch.
Ab Triest soll der Vergnügungsdampfer „Thalia zu einer Mittelmeer-Kreuzfahrt mit internationalen Gästen in See stechen. Auch an Bord der einflussreiche Graf Urbanau, ein Oberst und Militärattaché im Ruhestand und seine junge, charmante Tochter. Ein Attentat auf den Grafen kurz vor Ablegen tötete zwar den Fahrer des Grafen, aber selbst will weder von Schutz noch von der Absage der Reise etwas wissen. So wird Zabini undercover als Schiffsingenieur an Bord beordert um für Schutz zu sorgen.
Zabini ist ein gutaussehender Mann, der einigen Erfolg bei Damen hat. So unterhält er gern Verhältnisse mit verheirateten Damen und auch auf dem Dampfer ist ihm das Interesse der weiblichen Gäste gewiss. Das gefährdet durchaus sein Inkognito, aber auch viele andere Strömungen sind zu spüren. So hat die Komtess Urbanau ihrem heimlichen Geliebten, dem mittellosen Schriftsteller Friedrich, die Passage bezahlt und ein Steward behauptet, der uneheliche Sohn des Grafen zu sein.
Eine vielschichtige Handlung, mit vielen kleinen Exkursionen verästelt, die zeigt, dass der Autor viel Spass an seinem historischen Sittengemälde hatte. Dazu wählt er die passende Sprache, altmodisch mit einigen fast vergessenen, österreichischen Vokabeln. Das fand ich sehr stimmig und unterhaltsam, auch wenn ich manches nachschlagen musste. Während die „Thalia“ immer weiter gen Süden fährt, gibt es auch genug Gelegenheit für einige landschaftliche und historische Einsprengsel. Der Krimi verbreitet eine sehr angenehme Atmosphäre, das geht zwar einige Male auf Kosten der Spannung, aber dennoch hat der Autor immer noch einige Twists in petto, die mich richtig überraschen konnte.
Die Figuren sind ebenfalls sehr liebevoll ausgestaltet, ein ganzes Panoptikum entfaltet da Günther Neuwirth. Vom Lemberger jüdischen Kaufmann samt mannstoller Gattin (Achtung Bruno!!) bis zum etwas schwärmerischen amerikanischem Ehepaar auf Europatrip, ist alles dabei. Zabini ist mir da vielleicht ein wenig zu ideal geraten: gut aussehender Frauenbeglücker, einfühlsam, empathisch, klug, polyglott und auch an modernen Kriminalistik interessiert, ist vielleicht ein wenig zu glatt gestaltet.

Ein interessanter und unterhaltsamer historischer Krimi, den ich gern gelesen habe, erwähnenswert auch das Nachwort mit Erläuterungen zum geschichtlichen Hintergrund. Dafür gibt es meinen vierten Stern.

Bewertung vom 09.03.2021
Klaras Schweigen
Storks, Bettina

Klaras Schweigen


ausgezeichnet

Nach einem Schlaganfall beginnt Mirjams Großmutter Klara wieder mühsam zu sprechen, zum großen Erstaunen ihrer Enkelin allerdings Französisch. Woher kommen die Sprachkenntnisse, was gab es im Leben ihrer Großmutter, die Mirjam so gut zu kennen glaubte. was bisher verborgen blieb. Auch ein Name fällt immer wieder und Mirjam begibt sich auf Spurensuche.

Die Handlung ist auf zwei Zeitebenen angesiedelt, 1949 und die Jahre danach, die Klara in Konstanz und Freiburg verbrachte und der Gegenwart, in der Mirjam durch die Beschäftigung mit dem Leben ihrer Großmutter auch ihre eigene Geschichte ganz neu entdeckt. Sie muss erkennen, dass auch Vergangenes und Verdrängtes ihr Leben beeinflusste und die Suche nach der Vergangenheit ihrer Großmutter auch sie betrifft und sie sich dem stellen muss. So wie es ein Zitat aus dem Klappentext auch formuliert: „Alles bleibt ein Teil von uns“.

Vom Badischen führen die Spuren bis in die Bretagne und damit verbindet die Autorin auch ihre große Affinität zu Frankreich in dieser Geschichte. Der eigene, besondere Stil von Bettina Storks macht für mich ihre Bücher immer zu großen Lese-Highlights. Ich finde ihre Personenzeichnung immer bemerkenswert authentisch. Wie die Krankheit ihre Großmutter verändert, wie sie sich ganz langsam ihrer Enkelin öffnet, überhaupt wie sie tief verborgene Erinnerungen zulässt und sich damit erneut ihrem Schmerz stellt, ist beeindruckend und empathisch dargestellt. Auch Mirjam ist ein lebensechter Charakter, in der Mitte des Lebens angekommen und manchmal an sich zweifelnd, ist sie eine Identifikationsfigur, deren Gedanken nachvollziehbar sind.

Wie immer bewundere ich, wie elegant Bettina Storks ihre genauen Recherchen in eine Geschichte einfließen lassen kann. Ich lese einen spannenden und unterhaltsamen Roman und erfahre dabei viel Neues aus der Zeitgeschichte, über die französische Besatzungszone und den damaligen Nachkriegsverhältnissen.

Bettina Storks hat den Status einer Bestseller-Autorin – und das ganz zu Recht, wie ihr neuer Roman wieder beweist. Ich kann diesen berührenden Roman nur empfehlen.

Bewertung vom 08.03.2021
Der weiße Heilbutt / Thies Detlefsen Bd.9 (eBook, ePUB)
Koch, Krischan

Der weiße Heilbutt / Thies Detlefsen Bd.9 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Fredenbüller kann nicht allein in Urlaub fahren! So finden wir auf Amrum gleich die halbe Mannschaft von „de Hidde Kist“, Nicole mit dem kleinen Finn und natürlich Thies, denn auch die Polizei darf Urlaub machen.

Aber nur auf Amrum das Strandleben genießen und aus Antjes hübscher Kühltasche mit dem Kirschmuster Krabbenbrötchen und Kartoffelsalat futtern, ist ihnen nicht vergönnt. Finn findet beim Sandbuddeln einen abgetrennten Frauenfuß mit auffälligem Nagellack. Thies wird sofort amtlich und der Fuß zwecks Kühlhaltung bis zur Untersuchung in Antjes Tasche zwischengelagert. Natürlich akkurat in einer Plastiktüte verpackt. Das kann sich Influencerin Bibi nicht entgehen lassen und postet gleich ein Foto der besonders gefüllten Kühltascheum die Anzahl der Likes zu erhöhen, was sich später noch als großer Fehler erweisen sollte.

Hat der weiße Heilbutt zugeschlagen? Der riesige Fisch macht den Strand unsicher und nicht nur den Feriengästen kommt Spielbergs Film mit dem weißen Hai in den Sinn. Boy Boyksen will gleich mit seinem Boot auslaufen, der alte Mann will sich dem Kampf mit dem Meer und dem Fisch stellen und ein Käptn Ahab darf in der Geschichte auch nicht fehlen.

Thies und Nicole machen sich also, unterstützt von den Fredenbüllern, an die Ermittlungsarbeit und haben gleich einige interessante Details im Visier. Was will der Bauunternehmer Pohlmann auf der Insel, wieso rennen plötzlich alle in das Feinschmeckerrestaurant Thor und was planen die Aktivisten von „Dienstag für Dorsche“?

Die Kriminalkomödie von Krischan Koch ist wie eine frische Nordseebrise. Witzig und liebenswert gleichermaßen. Über all den Verwicklungen kommt natürlich die Ermittlungsarbeit nicht zu kurz. Thies und Nicole sind ja schon seit 9 Fällen ein eingespieltes Team. Es hat mir Spaß gemacht, die Bekanntschaft mit der Truppe zu erneuern und neue Entwicklungen zu verfolgen. Ich denke, auch Neueinsteiger ohne Vorkenntnisse können dieses Buch genießen.

Koch hat eine unnachahmliche Art zu schreiben, seine Seitenhiebe auf Modeerscheinungen sind Spitze. Ob es das allgewärtige Selfie ist oder die esoterisch angehauchte Entspannungstrainerin Birte Birkenstolz, die die kreativer Seite der Langeweile auslotet oder die Schickimicki Gäste im Thor, alle werden spitzfindig auf’s Korn genommen.

Das ist Lesevergnügen pur, besonders weil Koch nie seine skurrilen Gags in Albernheit abrutschen lässt. So darf ich mich köstlich amüsieren und gern auch mal lachen. Außerdem stillt Krischan Koch in diesen reisearmen Zeiten ein wenig das Verlangen nach Nordseeküste und Inselfeeling.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2021
Das Geheimnis der Themse
Goga, Susanne

Das Geheimnis der Themse


sehr gut

Charlotte und Tom Ashdown sind zwei Jahre verheiratet. Eine glückliche Ehe, in der sich beide Partner auf Augenhöhe begegnen, nicht sehr häufig in viktorianischer Zeit. Einen kleinen Schatten gibt es allerdings, beide wünschen sich Kinder, die sich nicht einstellen wollen und ausgesprochene Vorwürfe stehen immer öfter zwischen ihnen.

Tom ist Journalist und Theaterkritiker und bekommt von seinem früheren Mentor, Sir Tristan Jellicoe, ein spannendes Buchprojekt angeboten. Ein Prachtband über die magischen Orte Londons soll entstehen und Tom ist sofort Feuer und Flamme, auch Charlotte beginnt sich für diese Thematik zu interessieren.

Doch dann wird an einem dieser Orte eine tote Frau gefunden und Charlotte und Tom beginnen ein wenig nachzuforschen und geraten tief in ein bedrohliches Netzwerk.

Geheimnisvoll, mystisch und sehr spannend. Susanne Goga hat ein Buch geschrieben, das genau die Atmosphäre der viktorianischen Schauergeschichten vermittelt. Man kann wunderbar in das geheimnisvolle London eintauchen, (der schön gezeichnete, historische Stadtplan in der Umschlagklappe ist ein echtes Plus) mit Tom und Charlotte auf den Spuren von Geheimbünden wandeln und natürlich auch ein wenig über die Hintergründe des Mordes spekulieren.

Die erwähnten magischen Orte in London haben mich gleich zum weiteren Nachforschen angeregt. Toll, wie die Autorin da recherchiert hat und in die Ereignisse in ihren Roman eingeflochten hat.

Wenn sich das Netz – vorallem um Charlotte – immer enger zieht, steigt die Spannung. Susanne Goga hat ein wunderbar bildhafte Sprache und konnte mich sofort fesseln. Dazu kommen ihre sehr gut gezeichneten Figuren, die facettenreich und lebendig ausgestaltet sind.

Das war wirklich eine gelungene Unterhaltung, Lesevergnügen vom Besten und da es bereits einen Roman mit Tom und Charlotte gab, werde ich den ersten Band sicher nachholen.